Drei Informationen vorweg: 1. Der VfB Leipzig
existiert nicht mehr, der Nachfolger 1. FC Lok Leipzig fängt in der
3. Kreisklasse an; 2. Der FC Sachsen Leipzig steigt aus der Regionalliga in die
Oberliga Nordost Staffel Süd ab; 3. Der RSL wird in der Stadtliga
verbleiben.
Drei interessante Leipziger Vereine mit ebenso vielen ideellen Beimischungen
und ideologischen Auffassungen. Menschen, die lieber das Leben als den Tod
suchen und einen Rest von Lebenslust für sich bewahrt haben, kann das
Leipziger Fußballleben nicht völlig am A**** vorbeigehen.
Es war Anfang des 20. Jahrhunderts, als die deutsche Sportart
Turnen einen Nebenbuhler erhielt. Die englische Seuche machte sich
in Deutschland breit und Fußballvereine schossen zum Leidwesen der
Verfechter deutscher Sportarten wie Pilze aus dem Boden. Mit der
Industrialisierung Deutschlands wurde Fußball zum beliebtesten Sport der
deutschen Arbeiterschaft, Vereine wie Schalke 04, Borussia Dortmund und
Rot-Weiß Essen existieren heute immer noch. Es entstanden auch
bürgerliche Vereine wie FC Bayern München, Eintracht Frankfurt oder
in Leipzig eben der VfB Leipzig.
Heute ist der Fußball eine gigantische Freizeitindustrie mit hohen
Umsätzen. Je nach ideologischer Betrachtung wenden sich immer mehr Leute
wegen dieser Kommerzialisierung vom Fußball ab oder finden erstmals den
Weg in ein Fußballstadion. Auf jeden Fall ist die Fanszene in Deutschland
im Wandel, die Fans sind intelligenter und kosmopolitischer geworden. Es gibt
gut gestylte Fußball-Zeitschriften wie man sie nur von amerikanischen
Trendsportarten kennt. In der Fankurve stehen Gymnasiasten neben
Realschülern, Studenten neben Bauhelfern, Fußball ist zum
klasse-übergreifenden Hobby geworden.
Auf Leipzig bezogen, sind mehrere Trends zu beobachten. Der Umzug des FC
Sachsen Leipzig in das moderne Zentralstadion wirkte sich positiv auf die
Leutzscher Fanszene aus. Junge Leute, die vom linken
Politikmainstream Leipzigs gebildet wurden, bestimmen das Bild des Fanblocks.
Unpassende Gesänge wie das Führer- oder U-Bahn-Lied sind verstummt,
werden höchstens von Älteren gesungen. Es macht Spaß, in das
Zentralstadion zu gehen. Eine gute gastronomische Versorgung, ein Dach
überm Kopf und eine gute verkehrstechnische Anbindung sorgen
für hohe Besucherzahlen.
Beim RSL trifft sich dagegen der Connewitzer Pöbel. Im Sportpark
Dölitz wird trotz hohem Alkoholpegel der Spieler ansprechender
Fußball geboten. Auf Komfort wird hier verzichtet, die Fans kennen sich
aus Connewitzer Kiez-Kneipen und zeigen den Querschnitt der Subkulturen, die
sich in den Jahren seit der Wende herausgebildet haben. Dreadlocktragende
Alternative treffen hier auf modebewusste Jungs und Mädels und die linke
antizionistische auf die Bahamas- und
Jüdische-Allgemeine-lesende proamerikanische Fraktion, wobei
letztere immer mehr dem RSL als Fans fernbleiben, man sieht sie öfter beim
FC Sachsen Leipzig oder als Spieler des RSL.
Der dritte Leipziger Verein mit einem großen Fanpotential muss dagegen
ganz unten anfangen. Als 1. FC Lok Leipzig startet man nächstes Jahr in
der 3. Kreisklasse. Wer für diesen Verein spielen wird und wo die Spiele
ausgetragen werden, steht nicht fest, das Stadiongelände in Probstheida
gehört einer Bank. Es ist aber davon auszugehen, dass die Besucherrekorde
des RSL überboten werden, weil viele Lok-Fans angenehme Erinnerungen
haben, sei es das Europapokalfinale gegen Ajax Amsterdam oder die erstmalige
Bundesliga-Teilnahme nach der Wende. Auch ist der braune Ungeist, der sich
leider hier desöfteren gezeigt hat, so gut wie verflogen. Man gibt sich
heute unpolitisch und hetzt sozialdarwinistisch gegen das allzu asoziale
Auftreten der Chemiefans. Auch eine Musikband mit dem doch zu wahren Namen
Tanzkapelle Südfriedhof existiert. Hätten dieselben
Musiker vor 14 Jahren noch Nazilieder gesungen, zieht man heute über
Ratskrone-trinkende Chemiker her. In Lok-Kreisen feiert man sich als die Sieger
der Wende, immer mit viel Geld und guten geschäftlichen Kontakten. Leider
war bei der Spendensammlung für den untergehenden Verein VfB Leipzig davon
nicht viel zu spüren, die Monatsraten für 10 Jahre alte
Mercedes-Autos scheinen doch zu hoch zu sein.
Neben diesen drei Vereinen, existieren in Leipziger Stadtteilen noch andere,
mit hoher Spielkultur aufwartende Fußballteams, hier genannt seien TuS
Leutzsch, SSV Stötteritz oder Lipsia Eutritzsch.
Fußball ist zu Recht ein populärer Sport. Das Spiel lebt von
Individualität und technischem Können, und nicht zu sehr von
körperlichen Eigenschaften wie beim Kugelstoßen. Auch das Zuschauen
unterscheidet sich von anderen Sportarten. Fußballfans sind
leidenschaftlicher und kreativer beim Support, außerdem sind sie oft die
ersten, die totalitäre Strömungen einer Gesellschaft zu spüren
bekommen. Kein Wunder, dass viele gesellschaftskritische Linke aus dem
Fußballmilieu kommen und nicht aus dem Musikbusiness.
Abschließend wünsche ich allen einen schönen Aufenthalt bei
einem Fußballspiel, egal ob Dölitz, Probstheida oder im
Zentralstadion. Vielleicht sieht man sich am 26.6. beim Vereinsfest des RSL im
Sportpark Dölitz.
Milli
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