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Fight For Your Right To Squatting!

über die Schwierigkeiten ein HausbesetzerInnen-“Mekka“ zu organisieren!

Vom 12. bis zum 14. Mai soll in Leipzig ein bundesweiter BesetzerInnenkongreß stattfinden. Angedacht ist eine theoretische Beschäftigung mit der Geschichte von Hausbesetzungen, vor allem in der BRD, der Stand und die Perspektiven in der Jetzt-Zeit und „Szene“-spezifische Problematiken, wie z.B. Kiezpolitik und Öffentlichkeitsarbeit. Die eigentliche Motivation diesen Kongreß zu organisieren, ergab sich aus den Ereignissen um die Aufgabe der „Guten Quelle“ in der Auerbachstraße und die Räumung der Aurelienstraße. Bei der Diskussion, wie der „Leipziger Linie“, welche jegliche Neubesetzungen seit den „Straßenschlachten“ vom November 1992 rigoros unterbindet und neue Projekte, die oft aus einer Besetzung hervorgehen nicht akzeptieren will, etwas entgegengesetzt werden kann, wurde die Idee eines HausbesetzerInnenkongresses ins Leben gerufen. Dabei zeigten sich von vorneherein die unterschiedlichsten Vorstellungen von Sinn, Zweck und Zielpublikum einer solchen Veranstaltung. Übereinstimmung herrschte zumindest in der Annahme, daß durch den Kongreß die Auseinandersetzung zwischen Betroffenen der „Leipziger Linie“ und der Dezentralisierungspolitik der Stadt und den Verantwortlichen dafür, welche nicht nur auf kommunaler Ebene (Ordnungsamt, CDU-Fraktion, Lehmann-Grube) sondern auch im Dresdner Landtag zu finden sind, auf ein anderes „Level“ gehoben werden soll. Zum einen, um zu zeigen, daß Hausbesetzungen seit ungefähr 25 Jahren Bestandteil der Geschichte und damit Ausgangspunkt vieler „etablierter“, alternativer Vorzeigeprojekte in der BRD sind. Zum anderen, um konkret Leute, welche mit Wohnraumproblemen, kultureller, vielleicht auch politischer Perspektivlosigkeit leben oder aber in ihrer kulturellen Lebensweise (unbewußt) Sympathien mit Mythen und Realitäten der BesetzerInnenbewegung erkennen lassen, mit jener Geschichte und den heutigen Perspektiven zu konfrontieren.

Dabei gibt es die unterschiedlichsten Ansätze in der Betrachtung bzw. Bewertung von Besetzungen in der heutigen Zeit. Für die Einen ist es die Reaktion auf soziale (Wohn-)probleme und Ausgangspunkt für ein breites Agieren gegen „Mietwucher, Wohnraumspekulation und Umstrukturierung“ (siehe Einladungspapier), für andere eher konsequenter Ausdruck einer „Anti-Haltung“ zu gesellschaftlichen Realitäten, die in Form subkultureller Szenezusammenhänge ausgelebt und verbreitet werden kann. Auf jeden Fall wird davon ausgegangen, daß Besetzungen auch in der Gegenwart von Bedeutung sind. Es ist bloß noch nicht sicher von welcher.

Die Bedeutung voll erkannt hat hingegen die CDU-Fraktion des Leipziger Stadtrates. Mittels einer weitsichtigen Analyse gelang es ihr Leipzig als „neues Mekka der Hausbesetzerbewegung“ zu erkennen und folgerichtig kam die Anfrage an die Stadtregierung, Ob jene dies tolerieren oder gar zu unterstützen gedenkt. Nun wäre die Tatsache der Anfrage an sich eine recht lustige Geschichte, zumal Lehmann-Grube, Tiefensee, Giradet und Tschense und wie sie alle heißen, nichts weiter übrig bleiben dürfte als sich hinter den Kongreß zu stellen, da sie mit ihrer „Connewitz bleibt Connewitz“ Kampagne (wir warten nur nach auf die überdimensionalen Plaktate im Leipzig-kommt-Format) besetzte Projekte (wenigstens verbal) öffentlich unterstützt haben, gäbe es nicht die Gerüchte, daß jene Anfrage bloß sichtbarer Ausdruck eines generell sich verschärfenden politischen Druckes der Landesregierung in Dresdens sei. Sowohl die Tatsache, daß der am 18. März stattfindene Polizeieinsatz von 500 BeamtInnen plus Zubehör gegen höchstens hundert Distillery-BesucherInnen vom sächsischen Polizeipräsidenten persönlich geleitet wurde und jener dies nach Angaben von MDR-ReporterInnen nur aller zwei Jahre mal versucht, als auch die langsam durchsickernden Informationen von Vorwürfen der CDU-Mehrheit im Landtag gegenüber der SPD-regierten Kommune, es gäbe seit 2 Jahren Versäumnisse der Politik betreffs Connewitzer alternativer Projekte und deren SympathisantInnen, legen solche Vermutungen nahe. Und wenn ich mich recht erinnere, wäre dies in der jüngeren Geschichte der Leipziger „Szene“ kein Novum. Als im August 1993 die Existenz der AG Connewitz öffentlich zugegeben werden mußte, wurde dies sogar in der LVZ mit dem politischen Druck eines auf „Innere Sicherheit“ drängenden Landes Sachsen in Verbindung gebracht und es wurde vor einer weiteren Eskalation der Ereignisse seitens der politischen Entscheidungsträger in Dresden gewarnt. Die Ereignisse vom November 1992 hatten ihren investorfeindlichen Schatten noch nicht eingebüßt. Man darf also nicht nur auf die Beantwortung der Anfrage am 26. April im Stadtparlament gespannt sein, sondern auch auf die mit (innerer) Sicherheit folgenden Kriminaliserungsversuche von CDU-Kreisen aus Stadt und Land.

Damit jene nicht den erwünschten Erfolg haben, macht sich ein gewisses Umdenken im Umgang der „Szene“ mit der Presse erforderlich. Die „Kameramann gleich Arschloch“-Mentalität ist hierbei völlig unangebracht, denn damit gelänge es nicht nur, die Konstruktion des „jederzeit gewalttätigen Hausbesetzers“ zu untermauern, sondern auch noch die Verbreitung der Motivationen für den Kongreß, z.B. nämlich das Kippen der „Leipziger Linie“ und gegen die Dezentralisierung anzugehen, zu verhindern. Ganz nebenbei gelänge natürlich genauso die Negation jeglicher Gründe, etwas zu besetzen. Die Vorbereitungsgruppe wird jedenfalls den Kontakt zur Presse suchen (nach eigenen Angaben, Pressekonferenz am 25. April), ohne dabei aus den Augen zu verlieren, wie schnell Inhalte manipuliert oder den Rezeptionsmustern der Öffentlichkeit angepaßt werden können.

Die Demonstration zum Abschluß des BesetzerInnenkongresses scheint bis jetzt mehr oder weniger konzeptlos. Sicher ist, daß sie von einem martialischen Polizeiaufgebot begleitet werden wird, denn nach Angaben der Ordnungsbehörden wollen diese sich keine Stein- und Flaschenwürfe und auch keine Begrenzungsseile am Demo-Rand wie bei der Anti-Umstrukturierungsdemo am 11.3. gefallen lassen. Dies bedeutet also wieder einmal einen der zahllosen und umstrittenen Appelle an mehr Demodisziplin (nicht vor dem Fronttranspi laufen, kein Alk, Ketten usw.) und etwas mehr Phantasie (ich will endlich die berühmt-berüchtigten Bongo-Trommler-Gruppen auf einer Leipziger Demo).

Nach diesem kleinen Überblick über die Gründe und den Stand der Organisation des Kongresses, sowie über erste Reaktionen (über die Reaktionen der besetzten Häuser und Projekte in anderen Städten läßt sich zu diesem Zeitpunkt leider nur feststellen, daß sie eher verhalten sind, so wurden z.B. kaum Beiträge für den Kongreß-Reader geschickt, obwohl in den Einladungsschreiben ausdrücklich darum gebeten wurde, auch gibt es nur vereinzelte Anmeldungen) ist vielleicht noch einmal auf die Rolle des Conne Island im Zusammenhang mit dem BesetzerInnen-Meeting einzugehen. Dies ergibt sich nicht aus einer Rechtfertigungsrolle gegenüber der Meinung der Leipziger ChristdemokratInnen, durch die Benutzung der Kontaktadresse des C.I. im Rahmen des BesetzerInnenkongresses würde öffentliche Gelder mißbraucht, sondern aus dem Umstand, daß das Conne Island nicht besetzt ist und auch nicht aus einer Besetzung heraus legalisiert würde (von einer klitzekleinen Rathausbesetzung dazumal abgesehen). Trotzdem existiert zumindest eine oberflächliche Identifikation mit der Verantstaltung, welche von Person zu Person unterschiedlich sein dürfte. Das Conne Island ist fester Bestandteil des „Kiez“ und es wäre absolut unverständlich, würde es seine Möglichkeiten (vom Saal über Telefon bis zum Kopierer) nicht der Verantstaltungsvorbereitung- und durchführung zur Verfügung stellen, wo doch gerade auch die Rolle des Ladens mit der allgemeinen „Szene“-Entwicklung steht oder fällt. Auch dürfte ein gewisses SympathisantInnenspektrum der „BesetzerInnenbewegung“ zum Stammpublikums des C.I. gehören. Daß dabei leider ein viel zu geringes Interesse an inhaltlicher Diskussion im Zusammenhang mit Thematiken des Kongresses, vor allem der politischen Dimension von Besetzungen besteht, ist eine inhaltliche Wertung von mir und dürfte den „angegriffenen“ Personen bis zu einem gewissen Punkt berichtigterweise am Arsch vorbeigehen. Denn gerade die Dimension von Besetzungen für subkulturell Zusammenhänge, oder nennen wir es einfach die Dimension von Fight for your right to party, ist bis jetzt noch nicht deutlich geworden. Gerade in Anbetracht der Situation von Distillery und des Konzertbetriebes im ZORO zeugt dies von einer begrenzten Herangehensweise. Zumal die Beispiele von in aller ersten Linie subkulturell motivierten Besetzungen in den letzten Jahren nicht unbedeutend sind und nicht selten zu einer gewissen Politisierung der Szene-Zusammenhänge geführt haben (am besten soll so etwas mal vor 1½ Jahren in Londoner Szenerien zu beobachten gewesen sein, erzählte man mir). Aber statt hier in Leipzig ähnliche Kreise unter dem Begriff BesetzerInnen zu subsumieren und damit m.E. eine perspektivische Erweiterung zu schaffen, wird eher die Gemeinsamkeit zu den über die letzte Mieterhöhung kotzenden „Normalos“ gesucht. Der nächste Kongreß also ganz in Familie mit Onkel, Tante, Mutti und Papi oder was? Denn zuviel Miete kotzt doch jeden an, in der um ihren Wohlstand bibbernden „Volksgemeinschaft“.

Ulle

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last modified: 28.3.2007