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Ver.di ernst nimmt, stirbt!


ritual suicide, 28.9k Viele werden es sicher ebenfalls bemerkt haben, die Gewerkschaft ver.di hatte vor kurzem einen TV-Spot ausgestrahlt, in dem auf die Jugendarbeitslosigkeit hingewiesen werden sollte. Inhalt des Filmchens: Vier Jugendliche bekommen eine Absage auf ihre Bewerbung um einen Ausbildungsplatz und bringen sich um. (Und wenn ich die Mittel gehabt hätte – der Film könnte von mir sein!) Selbstverständlich wird noch darauf hingewiesen, dass Suizid keine Lösung für die Probleme unserer Zeit ist. Aber immerhin – es ist doch ein Anlass, den Damen und Herren von der Gewerkschaft zu ihrem kleinen Auto-Snuff-Video zu beglückwünschen.

Sehr geehrte Damen und Herren, vor ein paar Tagen las ich in der BILD-Zeitung einen Artikel über Ihren neuen Werbespot zum Thema jugendlicher Lehrstellenmangel. Zu diesem Spot möchte ich Ihnen erst einmal gratulieren. Der Film bringt die Situation sehr gut auf den Punkt. Auch der szenische Bezug zum gewählten Freitod – auch wenn Sie darauf hinweisen, dass Suizid keine Lösung für Probleme sein soll – finde ich sehr gelungen umgesetzt.

Doch hier möchte ich in verschiedener Weise ansetzen und Ihnen einige Anmerkungen zukommen lassen:

1. Natürlich ist auch der Freitod als Lösung in Erwägung zu ziehen. Besonders dann, wenn man keine Arbeit hat. Wenn Sie nur einmal die gesamte Situation im Zusammenhang betrachten, so werden Sie schnell erkennen, dass z.B. ein relativ hoher Anteil von Suizid-Toten unter Jugendlichen die zukünftige Rentensituation um einiges verbessern könnte. Weiter gedacht würden tote Jugendliche nicht länger in der Arbeitslosenstatistik aufgeführt werden und das wollen wir doch alle nicht, oder? Vielleicht könnte man den Jugendlichen auch noch ein paar aufmunternde Worte zu den Themen „Wiedergeburt kontra Job-angst“ oder „Reinkarnation wegen Arbeitslosigkeit – vielleicht klappt es im nächsten Leben“ mit auf den Weg geben?
2. Was mir in Ihrem Werbespot ein wenig fehlt ist der Hinweis auf Drogen und Alkohol. Vielleicht können Sie in einer überarbeiteten Version des Filmes ein paar betrunkene, arbeitslose Jugendliche mit einer Heroin-Spritze zeigen? Denken Sie dann bitte auch daran im Beitrag zu erwähnen, dass Drogen und Alkohol keine Probleme lösen. Obwohl wir natürlich eigentlich wissen, dass es trotzdem so ist.
3. Auch das Thema Gewalt kommt mir ein wenig zu kurz. Bekanntlich neigen Jugendliche ohne Ausbildungsplatz sehr schnell zu Gewalt oder – noch schlimmer – ziehen es in Erwägung, ihren ganzen Hass auf die Gesellschaft und die Menschen in ungezügelter Form als Politiker auszuleben. Hier sollte auch in Ihrem hippen Movie präventiv darauf hingewiesen werden, dass Gewalt einfach leider noch nicht trendy genug ist.

Ich hoffe, Ihnen mit diesen Anregungen etwas geholfen zu haben und würde mich über eine Antwort von Ihnen freuen. Gerne bin ich auch bereit, an einer weiteren Film-Produktion für Sie mitzuwirken.

Erstaunlicherweise erhielt ich ca. eine Woche später von der ver.di Bundesverwaltung, Ressort 14/Bereich Jugend per Email ein Antwortschreiben. Man kann nur vermuten, dass es beim Verfassen des Briefes hoch hergegangen sein muss. Hier ein paar Eindrücke:

„Wir wollten durch unseren Spot keineswegs den Eindruck erwecken, das wir den Sinn des Lebens auf eine Ausbildungsstelle oder die Arbeit reduzieren wollen.“
„Bis heute wurden Hunderttausende Jugendliche und junge Erwachsene durch die kurzfristige ökonomische Perspektive der Wirtschaft bewusst um ihre Zukunft betrogen.“
„Als letztes möchte ich ihnen noch sagen, dass ich ihre sarkastischen Anmerkungen nicht besonders lustig finde, da sie von den Problemen die wir in der derzeitigen Ausbildungssituation und der Perspektivlosigkeit der Jugend haben, dadurch sehr stark verharmlost werden. Wir haben aber, deutlich gesagt, die Nase voll von Verharmlosungen und wollen uns endlich mit der eigentlichen Problematik beschäftigen.“

In diesem Zusammenhang zitiere ich noch, nur um die ganze Sache abzurunden, einen Beitrag, der neulich auf PHOENIX zu sehen war. Eine Frau, die zwei Jobs hat, um ihren Lebensunterhalt zu sichern, sagte: „Ein Leben ohne Arbeit kann ich mir nicht vorstellen. Man braucht doch die Bestätigung und die Daseinsberechtigung.“ Und hier, sehr geehrte Damen und Herren von der Gewerkschaft, rennen Sie doch mit Ihrem Werbespot offene Türen ein, oder?

Falk



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last modified: 28.3.2007