Lieber Kay, liebes Cee Ieh, liebes Conne Island!
Im März Cee Ieh habt ihr ein Flugi gegen War Zone abgedruckt und Euch darüber etwas
mokiert. Ich hatte zufällig die Gelegenheit in Berlin über diese Geschichte vom SO
36 diskutieren zu können, und möchte mal knapp meine Gedanken darüber darlegen.
Also...
Ich glaube solche Streitschriften sind für Läden, die sich einen "anderen" Anspruch
geben, und das ist doch bei euch der Fall, unerläßlich. Sicher ist die Herangehensweise
und die Argumentationslinie im Flugi an den Haaren herbeigezogen, aber das Grundanliegen,
hättet ihr als "Kulturfachleute" erkennen sollen. Ich kann mittlerweile nach längerer
Überlegung die Ansicht nur teilen, daß Prollbands mit platten Texten in Läden
wie dem SO 36 oder dem C.I. eigentlich verzichtbar sind. Solcherart Flugschriften sollten eigentlich
nicht unbedingt an das Publikum gerichtet sein, sondern vielmehr an die Adresse der Veranstalter
gehen. Die Situation ist doch so, daß Punk oder HC eine ganze Menge progressiver
Sachen hervorgebracht hat, und daß es trotz aller Todesanzeigen immer noch Leute gibt,
die sich dieser Dinge verpflichtet fühlen und dafür was tun. Natürlich ist man
nicht sein Leben lang Punk, aber gerade für viele Kids ist das noch die erste Art, sich von
der ganzen verlogenen Gesellschaft abzugrenzen, auszubrechen o.ä. Für mich war Punk
z.B. eine Sache, über die ich erst mal klar bekommen habe, daß hier einiges stinkt
und aus welcher Richtung das kommt. Auch wenn die Parolen platt waren, hatten sie doch oft die
richtige Richtung. Das entstehen von meinem politischen Denken, Antifaschismus oder linken Utopien
habe ich ursächlich Punk zu verdanken. Aber nicht den Sex Pistols, Exploited oder den
Toten Hosen, sondern den Leuten, die über Punk andere Lebnsweisen, Ansichten und Projekte
entwickelt haben. Nicht selten haben wir das bestehen von "gegenkulturellen" Ansätzen oder
ganz einfach Konzertorten genau denen zu verdanken, die Punk anders verstanden haben, als "Egotrip
auf Kosten anderer". Diese bekommen nun von ihren eigenen Leuten regelrecht eine in den
Hintern getreten, wenn da Bands wie Warzone oder von mir aus Exploited so ohne einleuchtende Erklärungen
auftreten dürfen und dann sogar noch Sprüche eines Mitarbeiters des C.I.
kommen, daß z.B. Patriotismus doch was "Normales" sei. Natürlich sind diese Bands
keine Faschisten oder haben ihren Verfehlungen der Vergangenheit abgeschworen (Exploited - National
Front). Es ist mir auch klar, daß Patriotismus kein Faschismus ist, aber er bietet
einen guten Boden, auf dem die Rechten ihre Saat sprießen lassen können. Ich gebe
hier nur das Stichwort Böhse Onkelz... Gerade an dieser Band sieht man sehr gut, wie katastrophal
so ein verbaler Fahnenwechsel nach hinten losgehen kann. Da sagen die einfach, "wir sind
keine Faschos" und schon sind sie reingewaschen, stehen in seriösen Rocklexika und werden
als Antifas verkauft. Die Band hat aber weder ihr einst produziertes Zeug verworfen, noch sonst
irgendwie durch ihr Auftreten oder Angagement bewiesen, daß sie sich gewandelt haben.
Es ist nur verbales Herausgerede wenn mal jemand nachstochert und das ist ja sehr leicht. Warum
erklären sich denn solche Bands nicht von selbst, sondern erst in Interviews, wenn sie
direkt darauf angesprochen werden? Warum haben sie nicht ihre Band mit dieser Vorgeschichte aufgegeben
und noch mal neu angefangen?
Für ihre Fans sind sie so doch immer noch die alten. Es geht doch nur darum, noch möglichst
lange mit dem Namen abzusahnen, auf der Welle des "Ruhms" so lange zu reiten, wie es geht,
nur gerade mal mit einem neuem Zielpublikum: den Leute, die die Zusammenhänge nicht kennen
und denken genau das wäre Hardcore oder Punk. Mit Exploited ist es ja das gleiche. Fakt
ist doch aber auch, daß sie (die Bands) mit ihrem plumpen Rumgeprolle und ihren mißverständlichen
Parolen gerade bei Kids Inhalte transportieren, die von denen vielleicht
gar nicht so differenziert werden können, wie von gestandenen Szeneprofies. Für viele
sind das einfach "Stars", die sie aus dem Fernsehen, von Shirts oder Zines kennen und deren Aussagen
wird ganz logisch besondere Aufmerksamkeit gewidmet, das ist doch immer so. Wenn ein FAP
Fascho irgendwelchen Prollscheiß von sich gibt oder rechtes Gedankengut, dann weiß
wenigstens jeder, was er davon zu halten hat, aus welcher Ecke das kommt. Bei Bands, die eine
Szene, die im
Allgemeinen genau für das Gegenteil steht, repäsentieren bzw. die sich dazu zählen,
erzeugt sowas dann eher Verwirrung oder macht das kaputt, was andere mit viel Enganement
aufgebaut haben. Hier ist es einfach notwendig, daß Leute, die über die Zusammenhänge
wissen, Einspruch erheben. Es geht mir ja gar nicht darum, daß solche Bands verboten
werden sollen oder boykottiert. Sollen sie doch im Haus Auensee auftreten, wo jedeR weiß,
daß dort kein Wert auf Inhalte gelegt wird. Ich könnte mir vorstellen, daß
die Jungs von Warzone, Exploited oder den Böhsen Onkelz ganz nette Typen sind und auch nach
außen gegen Gewalt und Faschokram sind, aber sie ziehen einen ganzen Rattenschwanz Publikum
an, die ganz anders drauf sind. Ich kenne das noch aus DDR Zeiten, als auf illegale Konzerte
oder Feten keiner mit Exploited Button oder Shirt gelassen wurde. Nicht um sie deswegen zu
bestrafen oder weil die Band was mit der National Front zu tun hatte, sondern, weil genau diese
Leute Punk so verstanden, die Sau raus zu lassen, sich ins gemachte Nest der anderen zu setzen
und das was einige wenige mühsam aufgebaut hatten, aus fun kaputtzumachen. Nebenbei vergraulten
sie mit ihrem egoistischen und sinnlosen Wichtiggetue auch noch eine ganze Menge andere
Leute. Und das nicht nur von der Tanzfläche. Es geht nicht um Zensur oder Bestrafung, sondern
die Verantwortung des Veranstalters, was solche Konzerte auslösen, in den Leuten und
am Ruf einer Szene und ihres eigenen Projekts. Wer solche Bands unbedingt sehen will, sieht sie
soundso, auch für 20 Mark im Haus Auensee. Aber irgendwelche Kids, die nicht das Geld haben,
bekommen nun in einem "Alternativ-Laden", von dem sie denken, da laufen nur halbwegs korekte
Sachen, für weniger Geld vorgeführt, was z.B. Punk ist oder Hardcore ist, obwohl das
so gar nicht stimmt. Wie im Artikel von Kay zu lesen war, gelingt es dem C.I. ja auch nicht so
recht, den BesucherInnen trotz fragwürdiger Bands ein anderes Konzerterlebnis zu vermitteln.
Da fragt sich ein Außenstehender natürlich schnell, wo denn außer im Preis
der Unterschied zwischen C.I. und Haus Auensee besteht.
Vielleicht kommt eine offene Diskussion um so etwas auch so schwer zu stande, weil solche Bands
ja auch oft ein volles Haus garantieren, also auch volle Kasse. Vielleicht fallen bei gestandenen
Tourmanagern wie MAD (Warzone Tour) ja auch mal des lieben Friedens willen die Ansprüche
des "progressiven Teils von Hardcore" unter den Tisch. Ich kann den im "Gegen Warzone" dargelegten
Argumenten nur beipflichten und euch nur empfehlen mal mehr das Anliegen der Verfasser
an euch ran zu lassen, als deren zugegebenermaßen überzogenen Forderungen und Konstrukten.
Vielleicht drucken die Cee Ieher den Aufruf ja noch mal auszugsweise ab...
RAY |