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zu Connewitz

Wir finden, er ist ein repräsentatives Beispiel der derzeitigen Stimmungslage und er gibt Ausblick auf zukünftige Ereignisse, sollte die Stadt ihre Politik nicht verändern.

Achtung Jugendliche Gewalttäter- über die Connewitzer Medienautonomen

"100 Chaoten hielten Polizei sechs Stunden in Atem"- so überschrieb die Bild- Zeitung einen Artikel, welcher über die Demonstration am 11.3. in Leipzig berichtete. Die Herkunft dieser Schlagzeile spricht nicht gerade für ihren Wahrheitsgehalt, sie ist aber Ausdruck eines weit verbreiteten Meinungs- und Medienbildes, welches ein großer Teil der Leipziger Bevölkerung, der Stadtpolitiker und der Polizei verinnerlicht haben dürfte. In jenem erscheinen "Jugendliche", die in Connewitz wohnen, hier an Projekten mitarbeiten oder zu den Sympatisanten von solchen zählen als potentielle Krimminelle. Nun gut, den Bürgern dieser Stadt (und dieses Landes) fällt es schwer mit Ausdrucksformen umzugehen, die ihren spießig-bürokratischen Horizont überfordern und gerade darin liegt die große Chance für den Widerstand gegen "Leipziger Linie" und Dezentralisierung.

Die Stadt Leipzig ist jederzeit in der Lage eine Distillery-Party mit 500 Polizisten und entsprechendem Zubehör zu verhindern.Sie scheut weder die Kosten für solch einen Einsatz, noch die Gefahr, daß sich das bisher als "friedlich" eingeschätzte Distillery- Publikum teilweise politisiert. Warum? Natürlich, sie wollen Ruhe. Genug getanzt für den Erhalt der Distillery, genug demonstriert mit mehr oder weniger Leuten und besonders genug der Steinewerfer, die in zwei klitzekleinen Anflügen von Erinnerung an militante Aktionsformen Fensterscheiben in der Stadt und bei Schilling löcherten. Die Mär von jenen "Chaoten" gelangte dann wahrscheinlich unter Potenzierung der angeblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung schließlich nach Dresden, zum Polizeipräsidenten. Und da war's dann aus mit dem kleines bißchen Unruhe im Kiez. Anstatt die Möglichkeit, der undifferenzierte Herangehensweise von Polizei und Teilen der Medien auf die verschiedenartigen Widerstände aus Connewitz zu nutzen, um mit nachdrücklerischen Aktionen als Open Air-Raves z.B. günstige Bedingungen für Vertragsverhandlungen von Stö und Auerbachstr. zu erreichen oder das Konzertverbot für's Zoro endlich rückängig zu machen, wird in dummen offenen Briefen und ebensolchen Kommentaren über die finanzielle Förderungswürdigkei der Distillery nachgesonnen oder in irgendwelchen Szenetreffs die restliche Militanz verquatscht.

Interessant bleibt die Frage, aus welchen Gründen sie nicht genutzt wird. Einer davon wird sein, daß das militante Spektrum, welches von Medien und Polizei immer wieder in Connewitz vermutet wird, nicht vorhanden ist. Ansonsten hätte es niemals so ruhig bleiben dürfen, wenn die Polizei willkürliche Haussuchungen in der Stö macht, eine Demonstration gegen die Schließung von Kulturprojekten von vorne bis hinten abgefilmt und mit Polizeispalier begleitet wird, drei Betreiber der Distillery von einem Einsatzkommando festgenommen werden und die Polizei mit ihrer Überpräsenz im Stadtteil ständig provoziert. Während die Distillery-Macher ihr Sympathisantenspektrum ständig mobilisierten und mit ihren spezifischen Aktionsformen, begleitet von einer beispielhaften Pressearbeit, ihre Möglichkeiten voll ausschöpften, verpennt der "autonome Rest" wahrscheinlich auch noch die Räumung des Zoro.

Oder fehlt die Einsicht, daß eine geschlossene Distillery, ein gerupftes Werk II in unmittelbaren Zusammenhang mit Stö, Auerbach, Zoro und Conne Island stehen. Nicht nur, daß ihre Nichtanwesenheit oder Einschränkung das Bild des Stadtviertels negativ verändern würde und am Ende einige wenige und damit wirkungslose Projekte übrig wären. Der Zusammenhang besteht besonders in den politischen Rahmenbedingungen, in dem selbstbestimmte Projekte geduldet und vielleicht gefördert werden, wie z.B. Dezentralisierungstaktik, Priorität von Ordnungsamtentscheidungen gegenüber anderen Ämtern, "Leipziger Linie". Jene sind es nämlich, die in steter Kontinuinität an der Substanz der Projekte zehren. Kommt dazu noch der politische Wille eines Lehmann-Grubes oder einer CDU-Fraktion, so sind die letzten Tage gezählt. Sollen die bestehenden Projekte erhalten und vielleicht sogar ein Kippen der "Leipziger Linie" erreicht werden, d.h. neue Besetzungen werden nicht sofort geräumt und bekommen die Chance, sich zu legalisieren, so kann dies nur durch eine von allen getragene "Kiezpolitik" geschehen. Zu jener gehört eine kontinuierliche Medienarbeit, aber auch die Auffrischung des Mythos Connewitz. Die Stadt versucht mit millionenschweren Werbekampagnen, Investoren zu gewinnen und ihr Bild als Metropole von Welt aufzupolieren.

Gesteht sie bei einer solchen Entwicklung einen minimalen kulturellen und politischen Freiraum, wie Connewitz ihn darstellen würde, nicht zu, so muß sich dessen Potential als unangenehmer, Investoren abschreckender, dem Stadtbild schadender Unruhestifter erweisen. Nur wenn wirklich 100 Chaoten die Polizei 6 Stunden in Atem halten, wird die Stadt bereit sein, Zugeständnisse zu machen und den präventiven Charakter einer funktionierenden Infrastruktur in Connewitz anerkennen. Ein negatives Medienbild kann nicht mehr viel Schaden anrichten, es kann aber hervorragendes Mittel zum Zweck sein, aber es muß "gefüttert" werden, denn es wird nicht ewig vom Mythos lange vergangener Straßenschlachten leben.

ein Wohlstandsautonomer


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last modified: 28.3.2007