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Wir dokumentieren im Folgenden den Redebeitrag der Jugendgruppe Tomorrow, der auf der Demonstration des Bündnis gegen Rechts Leipzig „Gegen Arbeitswahn und Kapitalismus“ am 22. September 2002 gehalten wurde.
dokumentation, 1.1k

Schwänzen für den Kommunismus.    


Wir demonstrieren heute nicht nur gegen den in der kapitalistischen Gesellschaft völlig normalen und notwendigen Arbeitswahn, sondern gegen die Zumutung der Lebensweise in dieser Gesellschaft im ganzen. Der ständige Zwang, sich auf dem Arbeitsmarkt verkaufen zu müssen, um die Befriedigung elementarster Bedürfnisse mittels Geld realisieren zu können. Die Ausbeutung und Reduzierung der Menschen zu Waren auf der Arbeit muss klarer Inhalt einer radikalen Gesellschaftskritik sein. Arbeit, als eine außerhalb eigener Kontrolle und jenseits eigener Bedürfnisse liegende Tätigkeit; Arbeit, als eine Kategorie des Kapitalismus, ist keineswegs eine ewige menschliche Existenzbedingung. Sie ist mit ihm entstanden und muss abgeschafft werden.

Tomorrow, 34.3k Nun könnte man meinen, dass wir Jugendlichen von der Grausamkeit des Sich-Verkaufen-Müssens noch nicht voll betroffen sind, doch auch wir bekommen den gesellschaftlichen Wahnsinn in nicht minderscharfer Form täglich zu spüren: In der Schule. Die Schule ist nicht zufällig der verhältnismäßig längste Abschnitt im Leben bis zum Eintritt in die Warenproduktion, denn die Verinnerlichung kapitalistischer Normen im Denken und Handeln ist ein langer und gewalttätiger Prozess. Schule ist nicht etwa eine herzensgute Institution, in der alle das ach so hohe Gut der Bildung kostenlos genießen dürfen, sondern die Zurichtungsanstalt schlechthin. Bereits im Kindesalter muss begriffen werden, dass eigene Bedürfnisse und Privates in der Schule in den Hintergrund gestellt werden müssen und im Unterricht nichts zu suchen haben. Man lernt, dass Spielzeuge nicht in den Ranzen gehören, private Gespräche verboten sind, während der Stunde nicht gegessen oder getrunken und nur bei Aufruf geredet wird. Die Befriedigung eigener Bedürfnisse muss in den kleinen Zeitraum der Pause verlegt werden und ist auch dann nur innerhalb der gegebenen Richtlinien der Hausordnung erlaubt. Wer dies nicht schnellstmöglich akzeptiert und versteht, wird als Ruhestörer oder Kaspar dem Spott seiner Mitschüler und Mitschülerinnen ausgesetzt und mit Strafen diszipliniert. Schon hier werden Parallelen zum späteren Arbeitsleben sichtbar, da auch dort Privates und Berufsleben strikt getrennt sind. Schüler und Schülerinnen tun dies nicht etwa freiwillig, denn den meisten steht der Sinn nicht nach grauem Lernalltag; die Einhaltung der Schulnormen muss durch die Autorität des Lehrers bzw. der Lehrerin gesichert werden. Für einen geregelten Schulalltag ist also eine offensichtliche Hierarchie, also eine klare Form von Gewalt, enorm wichtig. Sie ist von Anfang an Teil des Lernprozesses und kann nicht hinterfragt werden.

Bei Verstößen gegen diese Schulgesetze hat die Lehrerin die Pflicht, die ihr zahlreich zu Verfügung stehenden Disziplinarmaßnahmen einzusetzen und somit die Regeln gewaltsam durchzusetzen. Diese Gewalttätigkeit geht zwar von den Lehrern und Lehrerinnen aus, jedoch macht sie dies keineswegs zu den Verursachern. Sie haben ebenso Vorschriften und Einschränkungen, in denen sie sich bewegen müssen, nehmen also lediglich ihre Rolle im gesellschaftlichen Ganzen ein. Eine der wohl am gefürchtesten Strafen ist das Vergeben von schlechten Zensuren, beispielsweise bei fehlenden Hausaufgaben. Diese Angst ist klar begründet, nehmen Zensuren doch eine, wenn nicht die zentrale Rolle in der Schule ein.

Tomorrow, 12.1k Der gesamte Alltag der Schüler und Schülerinnen ist zwangsläufig nur auf sie ausgerichtet. An ihnen werden sie gemessen und in „gut“ und „schlecht“, begabt oder nicht begabt unterteilt. Im Alter von 11 Jahren entscheiden diese vom Schulsystem getroffenen Maßstäbe, welche Form von Schule man weiterhin besuchen zu besuchen hat. Eigenständiges oder gar kritisches Denken ist hier meist fehl am Platz, da für die Benotung im allgemeinen nur die Wiedergabe des gelernten Schulstoffes zählt.

Bei dieser Zensierung ist jedoch die eigentliche Wissensvermittlung stets dem Lehrplan untergeordnet. Ein schlechter Durchschnitt in einer Arbeit führt nie zur Wiederholung des Stoffgebietes, er kann nur zur Wiederspiegelung der Leistungsfähigkeiten von Schülern und Schülerinnen dienen. So findet schon im relativ jungen Alter eine Art Auslese statt, die maßgebend für das spätere Berufsleben ist.

Zensuren bestimmen demnach nicht nur die Gegenwart, sondern auch und vor allem die Zukunft. Sie eröffnen und versperren Möglichkeiten, sie ermitteln den Wert der Menschen und legen somit fest, wie teuer oder billig sich der Schüler oder die Schülerin später verkaufen darf oder besser muss. Durch dieses Bewertungssystem werden die Schüler und Schülerinnen zu funktionierenden, marktfähigen und leistungsorientierten Menschen erzogen. Zeit für eigene Interessen bleibt da kaum. Bis zu 10 Stunden täglich wird man in der Schule körperlich und vor allem geistig nahezu eingesperrt. Hinzu kommen zahlreiche Hausaufgaben und Prüfungen, sowie Erwartungsdruck der Eltern. Außerdem wird so der Konkurrenzzwang schon frühzeitig als selbstverständlich erlebt und meist als notwendiges Übel akzeptiert. So wird dem Schüler bzw. der Schülerin bald deutlich gemacht, dass nur der oder die gut durchs Leben kommt, welche sich konform und loyal verhält und Ordnung, Fleiß und Mitarbeit mit enormer Leistungsbereitschaft verbindet. Eine keineswegs selbstverständliche und schon gar nicht gesunde Mischung. Geistige und körperliche Überforderung, Müdigkeit und emotionale Entgleisungen bis hin zu Drogenabhängigkeit, Selbstmord oder Amoklauf können zahlreich nicht nur in Amerika oder Japan beobachtet werden.

Tomorrow, 12.3k Wer glaubt, man könne dem entgehen, indem man zum Beispiel eine Schule ohne Autoritäten oder gar eine, in der keine Noten vergeben werden, etabliert, irrt gewaltig! Zwar gibt es dort scheinbar keine fremden äußeren Einwirkungen, welche die Schüler und Schülerinnen disziplinieren und fordern, doch will man später eine Chance im Berufsleben haben, ist dies sogar die bessere Möglichkeit, da man so schon in der Schule lernt, sich selbst zuzurichten und auch ohne Chef mit voller Energie seine Arbeit zu verrichten.

Eine Schulkritik kann also nie im Mittelpunkt einer Gesellschaftskritik und schon gar nicht für sich selbst stehen. Es geht uns vielmehr darum, Schule als unbedingte Institution einer kapitalistischen Gesellschaft zu begreifen. Eine Anstalt, die nicht losgelöst vom gesellschaftlichen Ganzen kritisiert oder angegriffen werden kann, sondern mit dem Kapitalismus zusammen enden muss. Darum fordern wie nicht etwa die Verbesserung von Schulen oder ihre Befreiung von Hierarchien, da dies nur das System modernisieren würde. Uns geht es viel mehr um die Abschaffung der gesamten kapitalistischen Verhältnisse und somit um die Befreiung der Gesellschaft vom Arbeitswahn um allen Menschen den Weg in eine freie Gesellschaft zu ermöglichen!

Darum:

Schwänzen für den Kommunismus!

tomorrow || kontakt@mytomorrow.de

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last modified: 28.3.2007