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Leserbrief

Betrifft: Interview im CEE-IEH (Januar/Februarheft) mit den Leuten der Gegenaktionsvorbereitungsgruppe

Ich persönlich rechne mich eigentlich nicht zur "Linken", somit will mich anscheinend diese "Strömung" aus den Resten der "Restlinken" nicht ansprechen. Nachdem ich allerdings dieses Interview mit Antwort und Antwort gelesen hatte, kamen mir ein paar Gedanken, - Kritik genannt - die ich jetzt versuche zu formulieren in der Hoffnung, daß die zwei das mal irgendwie zu Lesen bekommen.

Ihr schreibt hier von einer "fortschrittlichen Anti-Hitler Koalition" und einem Bomber Harris, die ihr offensiv verteidigen wollt. Ihr glaubt doch nicht wirklich, daß die Alliierten Krieg gegen Deutschland geführt haben, um den ach so armen Opfern des Faschismus zu helfen. Wenn Ihr das glaubt, dann erklärt mir bitte:

  1. Warum sie Hitler & Co so lange gewähren ließen?
  2. Warum Juden nicht nach 1933 nicht in den Ländern der Alliierten aufgenommen wurden. So wie es erst die "politische Lösung" des 3. Reiches vorsah?
  3. Warum die Alliierten der Partisanenrepublik in Italien keine Unterstützung zukommen ließen und somit die Verantwortung für ihre Zerschlagung tragen?
  4. Warum der Aufstand im Warschauer Getto nicht unterstützt wurde?
  5. Warum nach der Beendigung des Krieges in der BRD alte Nazis wieder in führende Rollen des Staates eingesetzt wurden.
Es sind ganz einfach wirtschaftliche und politische Interessen, die die Alliierten zwangen, ins Kriegsgeschehen einzugreifen und nicht die Folge fortschrittlicher (oder gar antifaschistischer) Haltung. Natürlich begrüßten die Verfolgten jede Bombe - es blieb ihnen ja auch gar nichts anderes übrig. Es ist das gleiche wie die Kurden im Irak jede Bombe der USA gegen Saddam Hussein im Golfkrieg begrüßten - weil sie darin ihre Chance sahen, ihre Unabhängigkeit zu erlangen. Und jetzt sagt bitte nicht, daß die USA um der Kurden willen und um Kuwait zu befreien in den Krieg gezogen sind. Übrigens ist es ziemlich geschmacklos Anne Frank für Eure Argumentation zu instrumentalisieren.

Und meint ihr nicht auch, daß die, die im 3. Reich politisch verfolgt waren, in den Staaten der Alliierten zum Teil auch verfolgt worden wären.

Ist es nicht paradox, eine antideutsche (oder -nationale) Strömung aufbauen zu wollen und gleichzeitig zu sagen, daß die deutsche Nation eine der übelsten sei. Also zuzugeben, daß es so etwas wie Nation überhaupt gibt. Ich nehme an, daß ihr der meinung seid, daß die deutsche Nation die übelste sei - wegen ihrer rassistischen Einstellung und der Vernichtung von Juden, Sinti und Roma im 3. Reich. Dann frag' ich mich ernsthaft, ob Ihr so national beschränkt seid und Euch nur mit deutscher Geschichte und Gegenwart beschäftigt habt. Und dadurch noch nichts von der Vernichtung der Libyschen Bevölkerung durch italienische Faschisten, den Massakern an Indianern, der Politik des Staates Israel gegenüber den Palästinensern oder der Kurdenverfolgung in der Türkei und im Irak gehört habt. Oder behauptet Ihr Restlinken etwa auch wie die deutsche Regierung - insbesondere Eggert -, daß es keine Kurdenverfolgung gibt? Übrigens hat Euer Bomber Harris in den dreißiger Jahren für die Royal Airforce einen Aufstand der Kurden niedergebomt.

Da Ihr die Vernichtungsangriffe - auf vorwiegend zivile Bevölkerung - in Dresden und Hamburg gut findet, demzufolge auch die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki befürworten würdet, da das japanische Volk den japanischen Faschismus ebenfalls getragen hat. Mit eben dieser undifferenzierten Meinung, daß "das deutsche Reich, getragen vom deutschen Volk, das ... den totalen Krieg ... bejaht und bejubelt hat ...", leugnet Ihr erstens, daß es im 3. Reich antifaschistischen Widerstand gab. Zweitens erinnere ich mich dabei an die Diskussion des Hamburger Wohlfahrtsausschuß (vor zwei Jahren im C.I.), bei der diese Leute auch der Meinung waren, daß 90% der deutschen Bevölkerung platt gemacht werden müßte. Dann frage ich mich, ob Ihr Euch über Euren Rassismus im Klaren seid?

Und Ihr, liebe CEE-IEHlerInnen, finde ich es sehr widersprüchlich, wenn Ihr das kommentarlos abdruckt und wie mir scheint damit sympathisiert. Paradoxerweise genau unter dieses Interview den Demoaufruf gegen die Ehrung von Goerdeler und die Leute um Stauffenberg setzt. Denn wenn diesen Leuten ihr Vorhaben gelungen wäre, dann hätte diese fortschrittliche Anti-Hitler Koalition vielleicht gar nicht den Faschismus in diesem Land beseitigen brauchen - oder?
Mit lieben Grüßen René

PS.: Merkt Ihr eigentlich, daß Ihr durch Eure Argumentation für die Bombardierung Dresdens und Hamburgs nachträglich die Politik der Alliierten reinwascht?


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last modified: 28.3.2007