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Der Ernst der Sache

Ein Olympiareport-Report



deutscher Sportler, 22.8k
deutscher Sportler
Während die Berichterstattung im Laufe der olympischen Spiele die Anziehungskraft und Größe von Olympia potenzieren will, darf sie zum Schluss auch mal Gesicht zeigen. So geschehen beim ZDF. Dort überraschte im Laufe des olympischen Ausklangs plötzlich ein ironischer Kommentar, der das Verhalten der amerikanischen Fans konterkarierte. Auf die Schippe sollten die genommen werden, welche die Stimmung nur spielten, sich von Animateuren und befehlenden Anzeigetafeln das Klatschen, Jaulen und Kreischen diktieren ließen und gekünstelte Straßenkunst darboten. So diagnostizierte das ZDF am amerikanischen Fan einen Authentizitätsmangel und brachte als positives Gegenbeispiel feiernde holländische Fans auf die Mattscheibe, die, so die Kommentatorin, „auf einmal ohne Anleitung feiern. Wie kommt denn das? Ehrliche Freude, so was gibt’s ...“
Und wie die dekadente Maskentechnik der Amis zu erklären ist, schrieb schon Max Horkheimer (könnte man meinen): „Die überwältigende Anzahl von Fernseh- und Radiosendungen, Filmen, Comics und Reklamen zwingt das Individuum, sich mit beständig wechselnden Charakteren zu identifizieren, während nur wenige abstrakte, veräußerlichte Ideen wie Erfolg oder Stärke oder Ehe dieselben bleiben. Kurzlebige und widerspruchsvolle Modelle und Ideen erlauben es dem jungen Menschen nicht, die Einwirkung weniger, konkreter Imagines so tief zu erfahren, dass sie das Rückrat eines Erwachsenenlebens werden können. [...] Deshalb werden Handlungen einer Person immer weniger deren eigener Ausdruck, sondern zu bloßen Funktionen wechselnder Situationen, gesellschaftlicher und politischer Manipulation. Sie hören fast auf, Resultate spezifischer Lebensgeschichten mit einem einheitlichen Sinn zu sein. [...] Das Kind lernt fast instinktiv, dass verschiedene Situationen verschiedene Werte erfordern. Ein Junge wird in die Maskentechnik eingeübt, wenn er erfährt, dass es sich lohnt, dem Lehrer eine Antwort zu geben, die sich von der unterscheidet, die er seinem Vater oder dem Fußballtrainer geben könnte. [...] (Das ist ein) Hindernis für die Entwicklung eines integrierten Ich ..., das die allgemeine Tendenz zur Stereotypie im Denken und Verhalten stärkt und die Entwicklung rationaler Ideen schwächt.” (Max Horkheimer)
deutscher Fan, 22.8k
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Nun scheint dieses Zitat wunderbar auf den amerikanischen Fan zu passen, der nicht als eigene Person, sondern nur fremdbestimmt handeln kann.
Nehmen wir ein anderes amerikanisches Sportphänomen: Das Wrestling; bei dem ungeheuer muskulöse, große oder fette Männer so tun, als würden sie sich hassen, aufeinander losstürzen und theaterreif einander auseinandernehmen. Hier in Übersee nur von pubertären Jungs verfolgt, stehen dort ganze Stadien voller erwachsener Menschen Kopf, wenn ihr Lieblingsmonsterman die Arena betritt.
Dem ZDF und seinen Deutschen ist solche Inszenierung ein Graus; wo bleibt da der Ernst? Wir, oder besser die Holländer, die als gutes Beispiel uns Deutsche darstellen sollten, fühlen nur dann mit den Sportlern, wenn uns auch danach ist. Nur der Sportler, der in Angesicht unseres Schweißes hart arbeitet, um dann mit unserer Fahne die Ehrenrunde zu drehen, verdient unsere inbrünstige Begeisterung. Dann kennt unsere gemeinschaftliche Verbundenheit keine Grenzen. Da hat deutsches Blut gewonnen und niemand kann unseren Jubellauf aufhalten.
Der amerikanische Eindruck könnte verraten, dass der gemeine amerikanische Fan jegliche Realität verloren hat. Bemächtigt sich der amerikanische Fan selber der Kunst, gesellschaftliche Realität mit herzustellen, anstatt nach der eigentlichen zu suchen? Kennt der Ami nur noch Spektakel und gekünstelte Kultur? Denkt der Ami, die Olympischen Spiele seien ein Spiel?
Dass den Amis laut ZDF die eigentliche kulturelle Identifikation fehlt, könnte mit zuviel Reflexion oder Spaßkultur zu tun haben, während hingegen das ZDF triumphierend und bewusstlos deutsch und damit beim Ernst der Sache bleibt.
„So beruht der Fanatismus in politischen Dingen heute nicht zuletzt auf dem Mangel an gesellschaftlicher Einsicht. Nur als blinde Notwendigkeit wirkt das Gesellschaftliche zerstörend.“ (Max Horkheimer)
Sport frei!
Hannes

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last modified: 28.3.2007