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Das Klarofix schon in der finalen Krise?

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Das Klarofix selbst behauptet, dass es am Ende ist.
Selbst ich als Cee Ieh-Autor kann meine Wehmut nicht unterdrücken. Wie schön es war, als mein Vater 1994, ich war 14, mir ein bei Frau Krause gekauftes Klarofix mit nach Haus brachte und ich das Gefühl hatte, ganz Connewitz in den Händen zu halten, als ich darin schmökerte. Ich glaube es ging damals hauptsächlich gegen Goerdeler. Ich hatte das Gefühl mit dem Studium dieses Heftes auf der anderen Seite der Gesellschaft angekommen zu sein. Die Seite, die gut war, die Utopie zelebrierte und der scheiß Gesellschaft in den Arsch, und zwar richtig, trat.
Das Klarofix sollte lange – aber nicht bis heute – eine wichtige Lektüre für mich als aufstrebenden Rebellen und Revolutionär bleiben. Lange Zeit blieb es ein hohes Ereignis in meinem Alltag, bei der IG Rock im Haus Leipzig, das lag in der Nähe und die Leute dort im Büro sahen verdammt subversiv aus, ein Klarofix zu kaufen. Ich verband mit diesem Heft Subversion, Punkrock, Hausbesetzerszene, Anarchismus, Antifa und verdammt gute kriminelle linke Leute.
Heute kaufe ich das Klarofix zwar noch, aber interessante Artikel finde ich kaum. Dass liegt sicherlich daran, dass das Sammelsurium der Artikel weiterhin die Szene widerspiegelt, die mittlerweile wenig zu bieten und kaum was zu melden hat. 1994 war das Niveau der Szene vielleicht nicht besser, aber sie war politischer und mit ihrer Größe, ihrem Einfluß und ihrer Anziehungskraft relevanter. Die Mär vom selbstbestimmtem Leben, Freiraum und Subversion hatte noch erzählende Kraft und konnte als Einbildung gelebt werden. Heute lebt die Szene vom Fußball-, Volleyball- und Schachverein „Roter Stern Leipzig“ und umgekehrt, was, ohne den Roten Stern als Sport- und Kulturprojekt schlimm zu finden, einen äußerst grotesken, jämmerlichen und folgerichtigen Zustand einer autonomen Szene widerspiegelt. Und so ist es dann logisch, dass als Sprachrohr ein neues Organ die Szene betritt, das „Prasses Erben“. Da steht zwar nun wirklich nur Schnulli drin, den die Welt, so wie sie leider ist, braucht, aber es ist zumindest ein Podium mit Auditorium, während das Klarofix – entschuldigt diesen Traditionsmarxistischen Kalauer – keine Basis mehr hat und als Überbau freischwebend rumzappelt, als wäre es eine gedachte Fanta in der Wüste. Der letzte Versuch einen bewegenden Ruck ins Blatt zu holen, war der klägliche Indymedia-Report, der ohne Open Posting, aber im Stile desselben, zwar Zeilen zu füllen, aber, so Marx will, keine Leser zu locken vermochte.
In der Dezemberausgabe befand sich ja ein wenig Selbstreflexion, die etwas wirr war, aber zumindest ein paar Ansätze lieferte, die leider nicht konsequent ausformuliert wurden. „Unsere Inhalte sind keine wahllos zusammengestellte Blattsammlung einer ominösen Leipziger Linken...“. Doch..., ihr sagt es vorher! „Es (das Klarofix, d.A.) soll Transparenz fördern in einer ‘Szene’.“ Na ja, diese heutige Szene offen zu zeigen, macht halt kein gutes Heft. Außerdem sagt ihr (gemeint ist die Klarofixcrew) auch später: „Daher sehen wir auch die heutige Funktion des Klarofix darin, die verschiedenen existierenden linken Gruppen und Projekte anzuregen, ihre Positionen zu veröffentlichen und sie damit zur Diskussion zu stellen...“ Weiter im Klarotext: Klarofix beweist also nicht nur monatlich, dass es in Leipzig Widerstand gibt...“ Und wenn es keinen dokumentierenswerten Widerstand gibt, gibt es auch nichts mehr zu beweisen. Auch dass steht bei euch, wenn ihr bemängelt, dass die Leute heut nur noch auf „Diskos sind.“
Ich bemerke nicht aus Boshaftigkeit, dass euer Mythos nicht verschwunden ist, weil ich älter und realistischer geworden bin, sondern dass auch bei neuen frischen Leuten in der Politszenerie euer Heft keine große Rolle mehr spielt. Das, was ihr widerspiegelt, wird von gesellschaftskritischen Jugendlichen nicht mehr als relevant angesehen, da sich die Projekte der Szene kaum noch von anderen staatlichen und normalen Jugendclubs, Projekten und Fußballvereinen unterscheiden. Außerdem gab es in Leipzig eine Kritik der Bewegungslinken, die hoffentlich noch eine Zeit lang nachhallt. Diese Kritik löst ihr in eurer Selbstreflexion nach guter alter Hausmacherart in den Gegensatz Praxis-Theorie auf, wodurch ihr leider und offensichtlich euer Manko kennzeichnet, dass die von euch geforderte offene Diskussion von „Positionen“ nur ein Lippenbekenntnis ist. Aber was will man von Redaktionsmitgliedern erwarten, die nicht müde werden, im „Rundumschlag“ die CEE IEH-Artikel als „stuff“, der „very tough“ ist, zu kritisieren, und die meinen, Gesellschaftskritik müsste auf alle Fälle einfacher sein als ein „Philosophiestudium“, am besten „heißeste Dates“ und keine „Wüste“. Übrigens heißt es in der kritischen Theorie nicht wie bei euch Wüste, sondern „Eiswüste der Abstraktion“. Durch die müsse man aber durch, damit es was mit der Gesellschaftskritik wird. Ich habe mich dann gleich gefreut, im Februar-Klarofix auch mal „Wüste“ lesen zu dürfen, gemeint ist der Artikel „Totalität – Funktion eines Konzepts“.
Dass ihr euch schlussendlich darüber beschwert, dass die Jugendlichen nicht mehr selber aktiv werden und sich ins gemachte Nest setzen, ist als Argumentation so alt, wie es Jüngere gibt. Positiv gelesen ist dies wohl als Forderung nach einem Generationenvertrag innerhalb der Szene zu verstehen. Es gibt – zur Erinnerung – viele Projekte, die sich nach euch gegründet haben (Quertext, ASN, Raal, Tomorrow, Tollwut, Prasses Erben ...) und in ihrer Zusammensetzung sehr jung sind und waren. Die haben bloß kein Klarofix gemacht.
Ich weiß, dass die ökonomische Situation des CEE IEH günstig ist und sich die AuthorInnen der Polittexte nicht unbedingt zu kümmern brauchen, ob ihre Artikel gelesen werden. Aber wenn man aufgrund der ökonomischen Lage gleich völlig ins Gras beißt und die Abstraktheit schwarzer Buchstaben auf weißem Papier kritisiert, und dass ist die Konsequenz einer textfeindlichen Argumentation, sollte man dann vielleicht doch zu der Einsicht gelangen, anstatt eines Druckerzeugnisses, lieber Talkshows zu machen: „Talk im Kiez“ heute mit dem Thema „Mein Nachbar ließt Bücher“.
Aus taktischen (und wehmütigen) Gründen wünsche ich euch natürlich gutes Gelingen - damit wir auch morgen noch kraftvoll zubeißen können.
Hannes


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last modified: 28.3.2007