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Die Veranstaltungen:

Samstag, 16. Juni 2001
15 Uhr, Conne Island-Café:

Äußerlichkeiten?
Die deutsche Linke und ihr inniges Verhältnis zu ‘arisiertem’ Besitz.


Eine Veranstaltung mit Günther Jacob (Autor, u.a. konkret)

 
Es gehörte nie zu den bestgehütetsten Geheimnissen, aber auch nicht zum offenen Umgang des Conne Island, daß auf der Immobilie ein Restitutionsanspruch einer Erbengemeinschaft über die Jewish Claim Conference ruhte. Hintergrund des Anspruches ist die mögliche ‘Arisierung’ des Besitzes bzw. der zwangsweise Verkauf in den 30er Jahren.
Der Restitutionsanspruch ist abgelehnt worden und so auch die Betreiberinnen und Betreiber des Conne Island symptomatisch um die fällige Auseinandersetzung mit der Frage ‘Was wäre wenn?’ herumgekommen.
Was wäre also, wenn das Conne Island als ‘arisiertes’ Eigentum die Frage aufwerfen würde, mit welcher Legitimation in einem solchen Fall ein linkes Zentrum dort existieren kann? Ergibt sich aus dem radikalen Bekenntnis zum Antifaschismus selbstredend eine Stellung auf Seiten der „Guten“, sprich: der Opfer des Nationalsozialismus und Kämpferinnen und Kämpfern gegen Faschismus? Gerade der Umgang in der DDR und der Umgang der westdeutschen Linken sollte da allerhand Grund zur Skepsis geben.
Welchen Umgang kann es für ein linkes Zentrum wie dem Conne Island mit deutscher Geschichte geben? Wie sehr werden die Allgemeinplätze und Lippenbekenntnisse im konkreten und besonderen zur Farce? Und wovon sind die Betreiberinnen und Betreiber des Conne Island trotz vollster Verantwortung für ihr Tun und Handeln Spiegelbild eines gesellschaftlichen Konsenses im Umang mit dem Nationalsozialismus?
Der Hamburger Autor Günther Jacob spürt der entstandenen deutschen sogenannten Erinnerungskultur nach und wird dabei nicht umhin kommen zu belegen, daß die Linke hinsichtlich deutscher Nachkriegs-Kultivierung des Umleitens, Verdrängens, Verharmlosens und Ausblendens deutscher ist als ihr lieb sein kann und stärker die deutsche Leitkultur des Umgangs mit der deutschen Geschichte repräsentiert, als sie sich wohl jemals eingestehen wird.
Wie sehr ein spezifisch deutsches kollektives Über-Ich als Verschiebung der Täter-Opfer-Relation gerade von der Linken – der traditionellen wie der 68er – befördert wurde, äußert sich nicht zuletzt in den sich gleichenden individuellen Antworten auf die Frage, was Deutsch-Sein für die absolute Mehrheit der deutschen Staatsbürger bedeutet.
Besonders perfide wird es, wenn Linke auf die Frage, was für sie deutsch ist, antworten, sie seien ja gar nicht deutsch – außer daß es im Paß stünde. Leichter und verlogener läßt es sich aus der Geschichte nicht herausnehmen. Daß das noch jene Dimension der „Unfähigkeit zu trauern“ (die Mitscherlichs) übersteigt und nur in einer Ritualisierung doppelter Moral – einer innerlichen und einer äußerlichen – münden kann, tut da kaum noch wunder.
Samstag, 16. Juni 2001
18 Uhr, Conne Island-Saal:

Kuckuckseier im Nest der Bestie?
Linke Zentren und deren heutige Bedeutung.


Diskussionsveranstaltung mit VertreterInnen von: Rote Flora (Hamburg, tbc), Mehringhof (Berlin, tbc), Conne Island (Leipzig)

Linke Zentren bzw. Häuser sind traditionell Ausdruck dynamischer Bewegungen. Ob es früher zu Zeiten der organisierten Arbeiterbewegung Orte des jeweiligen Milieus waren oder für die Neue Linke Szenetreffs. Immer waren sie kraft ihrer sozialen, politischen, kommunikativen, logistischen oder andersweitig infrastrukturellen Funktionen unmittelbar nicht nur einfach linke Zentren, sondern gerade Zentren der Linken.
Der offensichtliche Zerfall der linken Milieus, Szenen oder Bewegungen spätestens seit Ende der 80er/Anfang der 90er stellt die verbliebenen wenigen expliziten linken Zentren und Häuser vor die Herausforderung zwischen Bestandssicherung des Noch-Existenten und dem Beschreiten neuer Wege.
Die Abwesenheit von traditionell linken Protestbewegungen und ein Dahhindümpeln der linken Milieus schmälert letztlich erheblich die tagtägliche Relevanz und Einmaligkeit. Beides reduziert sich stark auf den Symbolgehalt der bloßen Existenz – nach dem Motto: „Da sind wir aber immer noch!“.
Der unterschiedliche, dennoch aber ausdrücklich linke Charakter von Roter Flora, Mehringhof und Conne Island könnte umfänglicher nicht sein. Er spiegelt die durch gesellschaftliche Entwicklungen und spezifische lokale Geschichte bedingte Ausdifferenzierung linker Ansätze wider, die zugleich Schwäche und Stärke der Linken sind:
Ist der besetzte Status der Roten Flora im Hamburger Schanzenviertel zu einer Glaubensfrage an die linke heilige Kuh des Illegalen geworden, ist das Genossenschaftsmodell des Berliner Mehringhofes als vertretbare kollektive Eigentumsform Grundlage einer linken und alternativen Vielfalt, die so umfänglich ist, wie es die Gesellschaft zuläßt. Das Conne Island als drittes im Bunde repräsentiert insbesondere als klassisch selbstverwaltetes städtisch gefördertes Zentrum mit Betreiberverein jenen 90er Spagat zwischen Pop- und Subkultur-Verortung über dem üblichen Juzi- und AJZ-Niveau und traditionellem linken Zentrum.
Alle drei Zentren stehen exemplarisch für die Bedeutung des Sozialen einer Linken. Der allgemeine soziale Status einer Linken ist – im Gegensatz zu Arbeiterbewegungszeiten – nicht vorherbestimmt, sondern beliebig: von der Millionärstochter bis zum Berber ist alles dabei.
Welches generelle Selbstverständnis hinsichtlich gesellschaftlicher Verantwortung sollte also einem linken Zentrum zu Grunde liegen? Läßt sich dies überhaupt verallgemeinern? Wo fängt soziale Verantwortung an und wo hört sie auf? Wie vermeidet man den Status gesellschaftlicher Problemverwaltung im klassisch sozialarbeiterischen Sinne und welche Relevanz hat der traditionelle Spontiansatz der Politik der ersten Person überhaupt noch? Wo sollte in Zeiten des sogenannten Postfordismus und der sogenannten Deregulierung von Lohnarbeit die Grenze der Kommerzialität liegen? Welche Perspektive hat ein kollektives Betreibermodell in Zeiten von angesagtem Teamwork? Wo liegt der Kompromiß zwischen gegenkulturellem Anspruch und der faktischen Unmöglichkeit von Gegenkultur? Und welche Zukunft ist linken Zentren im Kontext zu erwartender gesellschatlicher Entwicklungen überhaupt vergönnt?
All diese Fragen sollen zumindest ansatzweise auf der Veranstaltung erörtert werden.


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last modified: 28.3.2007