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Rebellion, Antifa, Kritik

Welche politische Bedeutung hatte das Conne Island in seiner Epoche?

Politische Relevanz mißt man nicht mit dem Lineal, daß macht die Sache schwieriger. Ja es verleiht der Beantwortung der Frage, welche politische Wirkungen 10 Jahre Conne Island zeitigten, einen spekulativen Touch. Kompliziert wird es zudem dann, wenn bedacht wird, daß das Gesamtprojekt nur hin und wieder explizite Ansprüche formuliert hat, die sich im Vergleich zu gesellschaftlichen Zuständen bewerten ließen. Dafür stand und steht das Conne Island um so mehr für eine Vielzahl kultureller und politischer Vorstellungen, die sich nicht immer einfach auf einen Nenner bringen lassen. Im Vergleich dazu ist die symbolische Außenwirkung durchaus verallgemeinerbar und viel eindeutiger. Vom Nazi bis zum OBM, von Blumfeld bis zu den Lokalmatadoren – das Conne Island haßt oder liebt man als linken Laden. Nur im Conne Island selber ist man sich nicht so richtig einig, ob diese Fremdbestimmung als Qualitätssiegel ausreicht. Ja, ob man es überhaupt haben möchte.

Am Anfang war Punk.

Das Ur-Kollektiv des Ladens hatte seine Politisierung noch aus dem Widerspruch zwischen dem Westimport „Gegenkultur“ und der repressiven Alltagsnormierung in der DDR erhalten. Der Niedergang des Staatssozialismus wurde so zunächst als Hoffnungsschimmer wahrgenommen, bald aber offenbarte sich der GründerInnengeneration der Leipziger linken Szene der nationalistische und konsumgeile Charakter des Projekts „Wende“. Aus dieser spezifischen Situation erwuchs eine politische Selbstverortung, die sich nicht nur in Abgrenzung zum im Wendetaumel aufsteigenden Deutschland sah, sondern den „alten“ Feind nicht so schnell vergaß. „Gegen Stalinismus und Kapitalismus“ lautete beispielsweise eine Parole aus dem Jahr 1991. Fast zwangsläufig landete man über diese Abgrenzung und natürlich mit Hilfe vom Punk bei anarchistischen Ansätzen. So symbolisierte die REAKTIONs-Gruppe, die den Grundstein für das heutige Projekt Conne Island legte, schon mit dem eingekreisten „A“ im Namenszug, daß die Suche danach, sowohl den Zwangscharakter des Staatsozialismus als auch des Kapitalismus auf einen Begriff zu bringen und kritisieren zu können, in der generellen Wendung gegen die „Herrschaft“ endete. Die Negation von Herrschaft verband man dabei keinesfalls nur mit der Ablehnung staatlicher Institutionen, sondern gerade in dieser Zeit gab es ein Bewußtsein für die Verstrickung des Subjekts in die hierarchische Ordnung der Welt. Der Einsicht, daß die Menschen immer auch Produkte der Verhältnisse sind, in denen sie leben, wurde eine zweifellos sehr breite und idealistische Vorstellung von Selbstbestimmung gegenübergestellt. Darunter sollte über Jahre hinweg so ziemlich jeder mögliche alternative Lebensstil fallen, sei es das Dasein als PolitaktivistIn, als Fan subkultureller Musiksparten oder das gemütlich vor sich hindümpelnder HausbesetzterInnen.
Die Vorstellung eines autonomen Handlungs- und Entscheidungsspielraums kam – und dies wurde seltener reflektiert – dem bürgerlich-individualistischen Konzept nahe, wonach eigenverantwortliche Individuen, die zur Mündigkeit erzogen wurden, ihren Interessen nachgehen und so im pluralen Wettbewerb die gute Gesellschaft erzeugen. Und trotzdem hatte diese Setzung einen positiven Kern, der bis heute gilt. Sich gegen Ungerechtigkeiten selbst zur Wehr zu setzen, seine Ziele und Vorstellungen nicht zu delegieren, sondern aus der Abgrenzung zum Bestehenden das eigene Engagement zu entwickeln, daß war und ist Vorraussetzung, um nicht schon von vornherein auf Mitmachen oder Stillhalten zu setzen. Letzteres war auch im Conne Island immer verpönt. Nur die Definition, was gerade als Mitmachen, was als Negation und Antihaltung gilt, wandelte sich im Laufe der Jahre. Das Gegebene aber nicht einfach hinzunehmen, die Welt nicht als Fertigmenü zu begreifen, und über die Abgrenzung zum Bestehenden ein kritisches Bewußtsein und dementsprechende Taten zu entwickeln, daß war eine der politischen Lektionen, die das Conne Island vor allem seinen MacherInnen vermittelte. Das heißt noch nicht, daß sie in jedem Fall damit etwas anfangen konnten.
In Leipzig entstand aus oder besser mit diesem Selbstverständnis die Grundlage alternativer Kultur: Besetzte Häuser, Kulturprojekte, Cafés, Bands u.a. Ebenso entwickelte sich aber auch ein Grundverständnis von der Notwendigkeit politischer Abgrenzung über Aktionen und der Vermittlung von Positionen. Dabei traten alternative Kultur und politische Inhalte Anfang der 90er noch viel mehr verknüpft auf, was sich auch an der Geschichte des Conne Island nachvollziehen läßt.
MacherInnen und BesucherInnen vorallem der Hardcore-Konzerte der Anfangsjahre einte eine zumindest oberflächliche Identität, welche sich durch Kleidung, Eßgewohnheiten, Drogen- oder Nichtdrogenkonsum, Musik und politische Aktionen vom Mainstream der Gesellschaft abzugrenzen versuchte. Auch im Bereich der Alternativökonomie, ob nun durch alltäglichen Kleindiebstahl oder soziale Preispolitik in den Projekten, steckte immer auch der Anspruch, Antikapitalismus ein Stück weit vorleben zu können. Daran sollten sich im Laufe der Zeit einige Konflikte enzünden. Der Anspruch, dem kommerziellen Grundprinzip der Gesellschaft auszuweichen, trieb das Conne Island ein ums andere mal fast in den Ruin.
Die Gegenreaktion, aus Gründen der kulturellen Wahrnehmbarkeit und wegen finanzieller Zwänge dem Business die Zügel lockerer zu lassen, ließ einen antikapitalistischen und sozialen Impuls immer weniger durch eine Ladenpraxis vermittelt erscheinen. Dies lag nicht daran, daß die Preise einfach stiegen, denn selbst billige Preise werden in dieser Gesellschaft immer nur als eine Art Schnäppchen wahrgenommen. Conne Island-Cafe vor Jahrzehnten, 8.2k Problematisch war, daß sich das Conne Island auch in Abgrenzung zu immer wieder erhobenen Kommerz-Vorwürfen von der Thematisierung der eigenen „antikapitalistischen“ Ansprüche verabschiedete. Sicher war man schon immer Teil einer Vermarktungsmaschenerie, aber das Leben als Ansammlung von Geld- und Konsumgegenständen, die Profitlogik als allgemein anerkanntes gesellschaftliches Prinzip wurden im Conne Island eigentlich immer negativ bewertet. Einen offiziellen Abschied von dieser Grundhaltung gab es nie, es folgte allerdings eine Phase, in der jeglicher Antikapitalismus und vorallem die Versuche, ihn vorzuleben, keine Rolle mehr spielten oder gar schlecht beleumundet wurden. Der linke Grundwert, gegen Konsumwahn und Vermarktung zu sein, der in der Gründerzeit auf Flugblättern und Transparenten seinen Ausdruck fand, wurde im Laufe der Jahre nicht mehr formuliert. Ja angesichts einer schier unaufhaltsamen Nazi-Offensive, schien es einigen im Conne Island ratsam, im Zweifelsfall lieber auf die zivilisierende Wirkung des westlichen Metropolenkapitalismus zu setzen, als sich im unsicheren Fahrwasser der Kapitalismuskritik eventuell noch in die Nähe des völkischen Sumpfes zu begeben.
Alles im Allen waren der Aufbruch des Conne Island von der Vorstellung einer politisierten Lebenswelt gekennzeichnet. Zeifelsohne stand diese alternative und politisierte Kultur im Widerspuch zu den damals – Anfang der 90er – im Osten breit akzeptierten gesellschaftlichen Wertvorstellungen insbesondere im Osten, auch wenn sich später dann immer klarer abzeichenen sollte, daß eine Alternativstruktur keinesfalls im generellen Widerspruch zu toleranteren Kapitalismuskonzepten steht.

Verweigerung in harten Zeiten.

Seit seiner Gründung war das Conne Island wie andere Projekte auch eine Adresse für all diejenigen, die sich vom Bestehenden abgrenzen wollten. Eine weitergehende Politisierung setzte aber vorerst nicht dadurch ein, daß die Verhältnisse auch offensiv bekämpft wurden. Vielmehr befand man sich bereits in einer doppelten Rückzugs- bzw. Verteidigungsposition. Zum einen entdeckten die Nazis als volkgemeinschaftliche Avantgarde schnell den aus der Reihe fallenden Charakter linker Projekte. Über Jahre hinweg gehörten angedrohte und reale Naziangriffe zum Alltag des Conne Island. In ungezählten Nächten, die man wegen sogenanntem „Faschoalarm“ mit dem Schutz der eigenen Strukturen verbrachte, in ebenso zahlreichen offensiven Aktionen gegen die Naziszene prägte sich ein militantes Grundverständnis ein, welches auf den eigenen und nicht auf den Polizeiknüppel setzte. Es ist also nicht nur eine selbstverliebte Floskel, wenn alte AktivistInnen von den Aktionen vergangener Zeiten schwärmen, denn ohne die militante Gegnwehr hätten die Nazis in ihrer Hochphase die alternative Szene in Leipzig und damit die Anfänge linker Strukturen zerstört. Zum anderen wurde auch das Freiraumkonzept mit der Gründung des Conne Island eher defensiv interpretiert. Dies lag offensichtlich daran, daß angesichts der breiten Zustimmung zum Projekt Großdeutschland und dem sichtbaren Niedergang der linken Bewegung, in deren Strudel auch nach und nach immer mehr linke Jugenzentren von der Bildfläche verschwanden, politische Maximalforderungen und Utopien einen immer realitätsferneren Charakter bekamen. Wer konnte schon angesichts eines rassistischen Konsens’ und nationalistischer Diskurse im politischen Alltag mit Nachdruck und Glaubwürdigkeit für die befreite Gesellschaft agitieren. Aber auch hier war der Übergang von richtiger Ausrichtung der politischen Positionen an den gesellschaftlichen Gegebenheiten und affirmativen Rückzug fließend. Im Conne Island gab es immer die Tendenz, sich mit dem Bestehenden zufrieden zu geben, ließ es sich doch mit einem legalisierten Projekt, einer alternativen Wirtschaftsstruktur und hohem kulturellen Distinktionwert ganz gut leben. Gerade der HC-Kult Anfang bis Ende der 90er Jahre ermöglichte es, sich anders, cool und antifaschistisch zu fühlen, auch ohne sich wirklich kritisch mit der Gesellschaft auseinanderzusetzen und politischen Widerstand organisieren zu müssen.
Diese oberflächliche antifaschistische Politisierung war jedoch nicht ausschließlich bestimmend. Immer mehr entwickelte sich das Conne Island zu einem Projekt, in welchem politische Initiativen, die grundsätzlichere und organisiertere Vorstellungen von linkem Widerstand hatten, an Einfluß gewannen.
Als 1993 die „Wohlfahrtsausschüsse“ mit ihrer programmatischen „Etwas besseres als die Nation“-Tour in Leipzig halt machten, trafen sie zwar noch auf ein diffuses Gemisch von eher sinnlich vermittelter Anti-Nazihaltung, Verteidigung einer antikapitalistisch gemeinten Ostidentität in Abgrenzung zum „Westprojekt“ Wiedervereinigung und auf zaghafte Ansätze einer antideutschen Linken. Trotzdem markierte der Tourstopp den Willen, innerhalb des Conne Island sich intensiver mit der Kritik an den deutschen Zuständen zu befassen. Es mutet heute schon peinlich an, wie damals bei der Suche nach einem politischen Rettungsanker auf ein linkes Ossitum gesetzt wurde, welches antinationale Linke aus dem Westen zu VertreterInnen eines imperialistischen Projekts erklärte.
Nicht zuletzt durch die damaligen Diskussionen angestoßen, entwickelte sich im Laufe der Jahre im Conne Island eine Art polit-kulturelles Abgrenzungsmodell, welches sich vor allem gegen die Identifikation mit Deutschland richtete. Alles Tun wurde danach bewertet, ob sich darin eine Art Verweigerungshaltung gegenüber der rassistischen und nationalistischen Normalität ausdrückte. Dies ließ eine Bündnispolitik unter dem Label Ostopfer nicht zu, weil gerade das den Blick auf den deutschen Normalzustand trübte.
Mit dem Konzept „Verweigerungshaltung“ wurde nicht nur die alltägliche Praxis im Conne Island, also „westliche“ Subkultur zu organisieren, sondern auch traditionelle linke Ansätze gleichzeitigt kritisiert und doch verteidigt. Die Argumentationen konnten damals folgendermaßen lauten: Ein Hip-Hop-Konzert ist nicht unkommerziell, ist aber von Nazis nicht zu goutieren, weil es rassistisch Unterdrückten eine Stimme verleiht. Es ist somit Bestandteil einer kulturellen Gegenstrategie.
Oder: Eine Hausbesetzung ermöglicht zwar nicht das richtige Leben im Falschen und ist auch nicht ein Ausgangspunkt oder Teil sozialer Revolten, es kann aber Strukturen schaffen für subkulturell-poltitische Conne Island-Einfahrt, 15.7k Szenezusammenhänge, die sich dem Mainstream der Gesellschaft verweigern.
So hieß „politisch sein“ im Conne Island jahrelang, antifaschistische Kultur zu fördern. Gleichzeitig gab es aber auch immer ein Bewußtsein dafür, einen wichtigen logistischen Bestandteil einer linken Struktur am Leben zu halten. In diesem Sinne öffnete sich das Conne Island Initiativen, wie dem Infoladen, Antifagruppen etc., auch wenn
keine völlige Übereinstimmung mit deren Zielen bestand bzw. sich mit diesen kaum auseinandergesetzt wurde. Weil man ein herausragendes Stück Infrastruktur absicherte, welches über die Jahre immer Ausgangspunkt von offensiveren und expliziteren Aktionen und Kampagnen war, bekam auch das Conne Island an sich einen politisch radikalen Charakter, der sich eben nicht aus der Summe der indivduellen Einstellungen der „technischen“ BetreiberInnen ergab. Als Sammelpunkt linksradikaler Initiativen wurde das Conne Island politisch, es wurde zu einem linksradikalen Projekt, ohne daß ein Plenum jemals diesen Anspruch formuliert hatte.

Von der Rebellion zur Antifa.

Auch innerhalb des Konzepts „Verweigerung“ gab es Brüche und Gesinnungswandel. Schon 1993 wurde das allzu hoffnungsfrohe Setzen auf die per se linken Wirkungen von Jugendkulturen erschüttert. Die anglo-amerikanische Herkunft, ja selbst explizit antirassistische Wurzeln schützten sie nicht vor der Vereinnahmung und Umkodierung durch Rassisten und Nazis. Festgemacht wurde dies damals sehr oft an der Beobachtung, daß die rassistischen Brandstifter von Rostock nicht nur Metal-T-Shirts, sondern eben auch Malcom X-Kappen tragen konnten. Der punkig-alternative Touch der Nazi-Rock-Szene spricht heute wohl eher für den richtigen Kern dieser Aussage.
Im Conne Island wurde dies durchaus zur Kenntnis genommen und richtigerweise auf die Verteidigung eines Kontext gesetzt, der Subkulturen nicht ihre zivilisierende Wirkungen nimmt. Mit Hip-Hop, DUB, Reggae, Punk, HC, Ska, etc. bot das Conne Island die breite und universale Palette der westlichen Kulturentwicklung an. Gegen Vereinnahmung schützte sowohl die priviliegierte Situation der Metropole und eine schlagkräftige antifaschistische Szene, die nicht abgekoppelt von den popkulturellen Zentren existierte, sondern die Zugangskriterien immer mitbestimmte. Daß Leipzig heute an den normalen Standard westlicher Metropolenkultur herankommt, ist auch ein Ergebnis dieser Strategie. Der politische Wert erschließt sich allerdings erst, wenn man dieses „normal-kapitalistische“ Niveau mit der Situation im Umland der größeren Städte oder mit Stadteilen wie Grünau etc. vergleicht. Dort ist der Ausdruck von kultureller Pluralität oder Multikulturalismus, egal wie marktförmig bzw. quasi-rassistisch sie sind, noch gefährlich, von der Möglichkeit, ein Linkssein öffentlich zu bekunden, ganz zu schweigen.
Der kulturellen Ausrichtung des Ladens haftete aber nicht nur die Intention einer antivölkischen Bewußtseinsbildung an, sondern lange Zeit schwang auch noch die Hoffnung auf eine weitergehende subversive Wirkung mit.
Bis vor ein paar Jahren begriffen sich die Mitglieder der HC-Gemeinde als Teil einer Gegenkultur, die nicht nur eindeutig von einem Mainstream unterschieden werden konnte, sondern diesen subversiv attackiert. Independent-Labels, billige Preise, Selbstausbeutung standen für eine gelebte Systemfeindschaft. Klamotten, Style und der Umgang mit Drogen wurden als Rebellion begriffen. Mitte der 90er verkündete die Zeitschrift 17oC das endgültige Ende des Suversionsmodells Pop-Subkultur, es sollte allerdings noch ein paar Jahre dauern, ehe sich die Erkenntnis auch im Conne Island durchsetzte. Doch auch hier erwies sich der Unterschied zwischen Underground und Mainstream immer mehr als konstruiert. Der Mainstream selbst inszeniert sich minderheitlich in der Form der verschiedenen Musikströmungen und die partikularen Musiksparten offenbaren sich als hervorragende Produktpalette für die Konsumbedürfnisse einer individualisierungshungrigen, weil real gleichgeschalteten und sich gleichschaltenden Masse. Der Anspruch auf gelebte Gegenkultur und Subversion der Verhältnisse verkam zur oberflächlichen Phrase, zum wohlfeilen Gerede über angeblich widerständige Diskurse, die keine reale politische Entsprechung hatten.
Für diejenigen, die sich im Conne Island vom Modell „Subversion“ verabschiedeten, war dies keine unerhebliche Enttäuschungsgeschichte. Hieß dies doch, daß ein Großteil der alltäglichen Praxis nur noch zivilisierende Wirkung hatte, dazu linksradikale Strukturen stärkte, allerdings nicht mehr als permanente Rebellion oder als Vorbereitung darauf verklärt werden konnte. Eine Vorstellung, an die man sich gewöhnen konnte, sorgte doch die neuerliche Nazi-Offensive ab 1995 für einen Politisierungsschub. Ein Umland, daß jugendkulturell von Nazis dominiert wird und indem rassistische Überfälle zum Alltag gehören, ein Deutschland, welches nicht nur wieder ökonomisch und militärisch Weltmachtsambitionen vertritt, sondern mit jeder geschichtspolitischen Debatte die Kontinuitäten zum Dritten Reich aufleben läßt – dies umreist in etwa die Situation, in der in Leipzig die Antifa in organisierter Form und sich als Bestandteil einer bundesweiten Bewegung begreifend zum Politisierungsfaktor Nr. 1 avancierte. Das Conne Island sollte in den letzten Jahren nicht nur für Gruppen zum Treffpunkt, Mobilisierungsraum und teilweise sozialem Zentrum werden. Die Politisierung färbte auf das Ladenkollektiv und natürlich die symbolischen Außenwirkung des Projektes ab. Conne Island – das wird in dieser Zeit auch zu recht zu einem Synonym für Antifa.
Und dies nicht nur oberflächlich. Die Antifa prägt bei ihrer Analyse der gesellschaftlichen Zustände, die den Nazis ein erfolgreiches Handeln ermöglichen, den Begriff „rassistischer Konsens“. Sie beschreibt damit die Tatsache, daß es selbst den radikalsten und militantesten VertreterInnen der deutschen Volksgemeinschaft immer wieder gelingt, in allen Gesellschaftsschichten Verständnis für ihre Taten zu erringen und sie sich zumindest im Osten wie Fische im Wasser bewegen statt permannent ausgegrenzt zu werden.
Wie für die Antifa folgt auch für das Conne Island daraus eine antideutsche Radikalisierung. Schon die alltägliche Ladenpraxis, zumindest die eher punkigen Ordnungs- und Hierarchievorstellungen widersprachen den gängigen deutschen Sekundärtugenden. Auch diese durchaus politische Auswirkung auf nicht nur eine BetreiberInnen- und Publikumsgeneration sollte nicht einfach unter den Tisch gekehrt werden. Aber eigentlich meint Radikalisierung nicht mehr Schmutz und Chaos im Conne Island, sondern daß eine linke Politik, die den Anschluß an die Massen und an gemeinschaftliche Identitäten sucht, stark kritisiert und problematisiert wurde. Schon beim 1995 stattfindenden BesetzterInnenkongreß kam aus den Reihen des Conne Island eine Absage an anbiedernde Kiezpolitik, die „dem rassistischen Bäcker von nebenan“ (so das damalige Gedankenkonstrukt mit wohl vielfacher Entsprechung in der Realität) unter allen Umständen als Unterstützer zu gewinnen sucht.
Mit dem Zusammengehen von antideutscher Strömung und Antifa, wurde die Skepsis gegenüber der rassistischen und nationalistischen Bevölkerungsmehrheit noch mehr vertieft. Im Conne Island gab es keine Volxküche und man veranstaltete auch keinen „Tag der offenen Tür“, mit dem Ziel, BesucherInnen erklären zu wollen, daß alle in „unserem“ Viertel eigentlich an einem Strang ziehen müßten. Doch die Abgrenzung vom allgegenwärtigen Rassismus war nicht ungebrochen. Zweifelsohne holte sich das Conne Island mit einigen Konzerten auch ein „normales“ Publikum ins Haus. Hier wurde immer eine Gratwanderung betrieben, die aber darauf bauen konnte, daß der antifaschistische Kontext des Ladens bekannt war und die Rahmenbedingung ausmachte. Gerade bei Oi-Konzerten hoffte man aus der Verbindung von antifaschistischem Rahmen und Attraktivität angloamerikanischer Subkultur einen pädagogischen Effekt zu fördern, der Skinheads Spaß auf antirassistisch definiert. Ein Konzept, dessen Erfolg nicht nur mit einer persönlichen Biographie belegt werden kann.
Indem die Antifa das Conne Island zu ihrem Homeland machte, politisierte es auch das Ladenkollektiv selber. Bei den vom Conne Island auch explizit vertretenen Allgemeinplätzen „gegen Nazis“, „gegen Rassisten“ zu sein, ein unproblematisches Unterfangen. Mit der Antifa holte man sich allerdings keinen bürgerlichen Erweckungsverein ins Haus, sondern den letzten lebendigen Teil einer linksradikalen Bewegung, welche schon immer eine grundsätzlichere Gesellschaftskritik anstrebte. In einem Laden, indem Oi-Konzerte und Hip-Hop-Jams Alltag sind, brauchte eine Patriarchats- und Sexismuskritik nicht lange nach ihrem Gegenstand zu suchen. Trotzdem brauchte es erst eine Fantifa-Gruppe, welche die Diskussion erzwingen konnte, die dann um so heftiger geführt wurde. Sicher kann man über die Auswirkungen geteilter Meinung sein. Wirkungslos war sie aber auf keinen Fall. In einem „Punk-Schuppen“ überhaupt ein Bewußtsein für den negativen Charakter von Sexismus zu erzeugen und sei es auch nur durch die ständige Aufrechterhaltung einer drohenden Skandalisierung, der ein Verlust von Sozialprestige folgen kann, ist ein nicht von der Hand zu weisender politischer Erfolg. Leider braucht auch dieser kleine Erfolg die Erinnerung an die bewußtlose Normalität des davor als negative Spiegelfläche, um überhaupt erkannt zu werden.


Conne Island-Rundblick, 20.9k


Von der Antifa ins nichts?

Mit der Professionalisierung linker Antifa-Politik und der Absage an subversive Traümereien im Pop-Geschäft ging eine personelle Ausdifferenzierung einer Polit- und Kulturfraktion einher, die sich insbesondere am strategischen Denken über das Projekt Conne Island festmachte. Folgerichtig war die staatstragende zivilgesellschaftliche Antifa-Offensive des letzten Jahres nur für die Politniks am Laden ein einschneidendes Problem. Jahrelang hatte der Antifa-Flügel des Conne Island genau auch diese zivilgesellschaftliche Karte gespielt. Zum einen, um sich in einer anti-linken (Behörden-)Welt überhaupt absichern zu können. Zum anderen aber durchaus als politische antifaschistische, antivölkische Zielvorgabe. Jetzt gab es dafür hochamtliches Lob. Ein Bundestagspräsident zum Anfassen, eine Finanzspritze von einer Stiftung, die im Allgemeinen die Arbeit einer alternativen Kriegstreiberpartei unterstützt. So langsam aber sicher geriet alles durcheinander. Der Blick, der einst auf die Bedrohung durch Nazis und ihre Hegemonie im Umland gerichtet war, wurde nun jäh abgewendet. Nicht weil er sich erübrigte, vielmehr, weil er zum politischen Armutszeugnis erklärt wurde. Besonders den aktionistischen Teilen der Antifa und dem Umfeld fiel die nun aufkommende programmatische Unsicherheit auf die Füße. Militanz und die personifizierte Ablehnung von Rassismus und Nationalismus waren jetzt nicht mehr gleichbedeutend mit einer generellen Abgrenzung von Normalos und Staat. Diese Abgrenzung, die durchaus ernst gemeint, oft auch nur gefühlsmäßig bewußt, aber kein bewußter Radikalinski-Schwindel war, ließ sich jetzt nicht mehr unter den selben Bedingungen vermitteln. In Zeiten des Staatsantifaschismus würde selbst aus einem ähnlich großen Antifa-Riot, wie er am 1. Mai 1998 in Leipzig stattfand, eine demokratische Initiative gemacht oder der Krawall würde einfach unterschlagen. Als Ausdruck einer oppositionellen Haltung, einer grundsätzlichen Ablehnung rassistischer, nationalistischer und kapitalistischer Verhältnisse, ließe er sich von außen kaum wahrnehmen. Für die Antifa bedeutet dies, daß ihre Position als Ausgangspunkt linksradikaler Gesellschaftskritik derzeit kaum sichtbar ist, da sich ein Großteil ihrer politischen Stoßrichtung gegen die Nazis und die sie befördernden Rahmenbedingungen wendete. Ein Problem, welches mittlerweile intensiv diskutiert wird, die Lösungsansätze liegen bis jetzt allerdings größten Teils noch in der Schublade.
Es wird jedoch darauf hinauslaufen, daß die Antifa ihr linksradikales Profil, ihren grundsätzlich gesellschaftskritischen Anspruch schärfen wird. Statt nur gegen Nazis wird eine linke Bewegung demnächst auch auf anderen Themenfeldern agieren. Mobilisierungen gegen den kapitalistischen Wahn, gegen den deutschen Imperialismus und gegen die rassistische Ordnung sind zu erwarten. Früher oder später wird dies auch das Conne Island in seinem Selbstverständnis beeinflussen. Das heißt weniger, daß es seine Praxis verändern muß. Die bleibt mit der Vielzahl von Gruppen, die sich hier treffen, den neuerdings regelmäßig stattfindenen Diskussionsveranstaltungen und dem alten Charakter des Szene-Zentrums, mit dem CEE IEH-Newsflyer, mit dem kollektiven und nicht profitgesteuerten Charakter der Arbeitsorganisation usw. eine linksradikale Praxis. Darüber hinaus braucht es sogar ein Lob der Antifa, welches nicht nur historisch zu verstehen ist. Als jugendkulturelles Politisierungsmodell und besonders als politische Notwendigkeit in einem Deutschland, in dem die nationalsozialistischen Kontinuitäten trotz Staatsantifaschismus weiter lebendig und somit ausbaufähig sind, muß ein linkes Projekt wie das Conne Island „Antifa“ immer mitdenken. Man sollte sich also endlich nur den umfassenden linksradikalen Charakter des Conne Island als Ort der Politisierung, als Bewußtseinsschmiede und mal mehr oder weniger wahrnehmbarer Ort einer Anti-Haltung zugestehen und ihn bewußter nach außen verteidigen. In diesem Sinne ist das Conne Island ein politisches Relikt und ein Zukunftsmodell zugleich.
ulle


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last modified: 28.3.2007