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Punk und R’n’R BILDet sich...

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Geschlechterkonstruktion, Vermarktungsstrategien, Männliche Phantasien – und das alles auf einem Plakat.

Das diesjährige Tourplakat der Turbo AC’s fährt in der gleichen Kategorie wie die täglichen Seite-Eins-Mädchen der Bildzeitung. Es befriedigt krude 80er-Jahre-Trucker-Phantasien, die in „Szenezusammenhängen“ als überwunden galten. Es sollte Anlaß genug sein, über Frauendarstellungen im R’n’R/Punk nachzudenken. Das Turbo AC’s Plakat, auf dem eine bikinibekleidete Schöne neben einem weniger schönen Truck posiert, geht meines Turbo AC's-Plakat, 28.1k Erachtens über eine sexuelle Vermarktungsstrategie hinaus. Hier wird versucht, eine nicht mehr männerdominierte Musikkultur wieder zurückzuerobern, da mit dem Plakat ausschließliche das schlichte männliche Gemüt angesprochen wird. In diese Richtung weisen auch Erscheinungen wie die Macho-Fernsehshow „XXX“ in Großbritannien, im „normalen“ gesellschaftlichen Umfeld. Das dies bei den Turbo AC's auftritt, ist nichts neues, ihre Platte „Damnation Overdrive“ zeigt eine angebliche Tankwärterin mit Zapfhahn. „Angeblich“ weil sie für die Aufgabe als Tankwärterin völlig unpassend gekleidet scheint. Unklar bleibt nur, warum sich die Band mit beispielsweise sexistischen Texten zurückhält. Mag nun jemand sagen, daß dies alles zum R’n’R dazugehört, ist das falsch. Bei den frühen Rock’n’Roll-Plakaten wurde meist die Band mit ihren Instrumenten (mit einem „fetzigem“ Hintergrund) abgebildet. R’n’R-Bands der 50er Jahre zeigten niemals derartige Pin up Darstellungen wie es hier der Fall ist. Auch wenn dies eher in der damaligen Prüderie als im Antisexismus begründet war.
Anderseits sind die Turbo AC’s auch keine reine R’n’R- Band. Was uns zum Punk bringt. Punk war die Brutstätte einer Tradition von Männerbands, die sich halb ironisch nach völlig übertriebenen phallischen Symbolen nannten – Sex Pistols, Revolting Cocks, Dickies – ... und so ein bestimmtes männliches Selbstbewußtsein postulierten.(1)Hier sind oftmals Darstellungen anzutreffen, welche für sexistisch gehalten werden könnten. Im Gegensatz dazu gibt (und gab es auch in den frühen Jahren des Punk – Blondie) eine große Anzahl weiblicher Bands, die mit demselben Vokabular aufwarteten (Hole, Thrush, Dickless ...), bzw übertriebene Männlichkeit kritisierten (Spitboy, Pork, Weenie Roast). Punk gilt immer noch als provokant/provozierend, deshalb kann mensch (in diesem Fall wohl eher Mann) sich dort scheinbar alles erlauben, was sexistische Darstellungen betrifft. Im Gegensatz dazu haben weibliche Punkbands (Riot Grrrls) die Bilderstürmerei der frühen Punks in veränderter Form übernommen. Sie haben den zornigen Masochismus von Punk durch ein Bewußtsein von Mißbrauch und eine viel stärkere Kritik am Patriarchat ersetzt(2). Oftmals sind das vulgär-pornographische Kopulationsdarstellungen, die abstoßend wirken sollen. Praktisch die Umkehrung der sex sells Strategie – oder auch nicht. Daß das oben erwähnte Plakat provozierend wirken soll, kann ich bestätigen, provozierend zum Abreißen!
u.s.t.

(1) Die Beute 4/94
(2) Gottlieb, Joanne & Wald, Gayle 1994: Smells like teen spirit. In: Gender Killer: Texte zum Feminismus und Politik, Berlin.


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last modified: 28.3.2007