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Über Serienkiller, Eminem und die Bloodhound Gang

Wenn SchülerInnen andere SchülerInnen, respektive ihre LehrerInnen über den Haufen schießen, sind die Schuldigen schnell ausgemacht. Bilder von Gewalt, Serienkillerfilme, Kino und Fernsehen im Allgemeinen. Logischerweise folgt im Dreischritt von Tat, Ursache, Verhütung die Forderung nach Zensur, Fernsehverbot und anderen repressiven Maßnahmen. Die kulturkonservative Seite fuhr immer gut mit dieser Argumentation, entband sie doch von einer genaueren, ja materialistischen Gesellschaftskritik. Zuerst werden die Bilder abgekoppelt von den gesellschaftlichen Hintergründen, vor denen sie entstehen, um dann wieder soziale Phänomene als direkte Folge dieser Bilder zu diskutieren. Wie auch immer: Schuld hat die Abbildung. Vehement beharrte die Gegenposition darauf, daß der gesellschaftliche Rahmen die Kids zur Waffe greifen läßt und nicht etwa ein 2pac-Video. Die Freiheit der Kunst wollte verteidigt sein und gleichzeitig die Kausalität von Vorbild-Nachahmung verabschiedet werden. Gerade die Zeitschrift SPEX tat sich mit dieser Argumentation besonders hervor: Die Welt ist schlecht und gewalttätig, folglich muß sie medial entsprechend vermittelt werden, Ende der Durchsage. Daß wiederum diese Bilder die Zustände, die sie beschreiben, affirmieren und somit vom diskursiven Feld nicht zu trennen sind, bleibt dabei unerwähnt.
In der Juliausgabe der Spex wurde „The Marshall MathersLP“ des Rappers Eminem zur Platte des Monats gekürt. Tobias Thomas durfte rezensieren: Die Platte war kaum in den Regalen, schon regte sich die „internationale Korrektheitsliga“ (diese Wortwahl kommt selbst der Frankfurter Allgemeinen Zeitung nicht unter) in Form der “Gay And Lesbian Alliance Against Defamation” mit der Feststellung: „Eminem’s lyrics are soaked with violence and full of negative comments about many groups, including lesbians and gay men”. Die Spex hält dagegen, daß die Statistik der hate crimes sich keinen Milimeter nach oben oder unten bewegen würde, gebe es Eminem gar nicht. Geschickt, der Nachweis läßt sich weder im Positiven noch Negativen erbringen. Solche Argumentationen machen viellleicht in Bezug auf die Forderung nach Abschaffung der Todesstrafe Sinn, nicht jedoch in der Sprach- und Bildkritik, die Thomas mit weiteren Beispielen wie der häufigen Verwendung des Wortes „nigger“ oder „bitch“, gerade von RapperInnen wie Missy Elliot anfüttert. Solche Begriffe seien dekonstruiert und damit unbrauchbar gemacht worden. Bullshit, denn das trifft natürlich nur auf die Verwendung der Begriffe als ironisch überstrapazierte, identitäre Selbstzuschreibung zu, ihre herabsetzende Wirkung in anderen Kontexten verlieren sie damit noch lange nicht (oder dekonstruiert der Passant durch häufige Beschimpfung des Demofrauenblocks als „Fotzen“ eben diesen Begriff?) Aber egal, wichtig ist einzig, dem „hochbegabten Rapper“ den wohlverdienten Geniebonus anzuerkennen und seine Platte, nicht „auf die Anklagebank“, sondern „auf die Tagesordnung des Diskurses zu setzen“, um sie dann besseren Gewissens hypen zu können.
Ob die Abfolge von materieller Wirklichkeit und deren medialer Vermittlung immer zwingend ist, ist fraglich. Was nicht markiert ist durch Begriff oder Abbildung, existiert trotzdem, ist allerdings nicht verhandelbar. Das hierarchische Geschlechterverhältnis beispielsweise bildet sich auf jedem Lohnzettel ab (die Mark der Frau ist nur 60 Pfennig wert, wie Christiane Rössinger sagt) und existiert nicht erst durch den sexistischen Gestus der Bloodhound Gang, die in ihrer Jugend wohl zu oft Clockwork Orange geschaut haben und die darin thematisierte Verbindung von Gewalt und männlicher Sexualvorstellung nie kapiert, sondern nur auf „das alte Rein-aus-Spiel“ reduziert haben. Doch sie stützen in bekannter Rockermanier den Diskurs, der geführt wird mit dem Ziel, die Verhältnisse so zu belassen wie sie sind. Paul

MC Rene, 11.8k
MC Rene: 90-60-90: nur darauf kommt es an.

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  • Gender Killer - Texte zu Feminismus und Politik, Buch von Cornelia Eichhorn und Sabine Grimm

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last modified: 28.3.2007