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Katastrophaler Flankenschutz

Wie die Antideutschen mit einem Demonstration-Vorhaben in Sebnitz zur Antifa übergelaufen sind

      „(...) und schon fühlt man sich auch ein wenig fremden-gehaßt.“
      (Die Goldenen Zitronen in: Ein bißchen Totschlag)
In Zittau, unweit von Sebnitz, verfügt der Naziverein „Nationaler Jugendblock“ in der dortigen Südstraße über ein eigenes städtisches Haus. Mike Wohne, der Vorsitzende des Multikulturellen Zentrums Zittau, weiß um dieses Problem. Als der Spiegel vor einigen Wochen über das Nazizentrum berichtete, empörte sich Wohne in einem Leserbrief an das Nachrichtenmagazin. Kein Wort hätten die Autoren über die „Bemühungen gegen rechtsextreme Gewalt im Dreiländereck, nichts über die Anstrengungen der Bürger um gute Nachbarschaft über Grenzen hinweg“ berichtet, empörte sich Wohne über die Anmaßung des Blattes, über örtliche Nazis zu schreiben, ohne auch nur nicht über sie zu berichten. Daß das aber gar nicht geht im deutschen Dreiländerkaff, das betonte der multikulturelle Vorsitzende jedoch unfreiwillig. Im Oktober dieses Jahres schließlich haben „Politiker, Bürger und Medienvertreter gemeinsam mit den Jugendlichen der Südstraße über Möglichkeiten und Lösungen (...) im Rathaus“ der Stadt diskutiert. Dort sei auch die „gemeinsame Idee“ der gemeinsamen Sanierung des Nazi-Hauses entstanden. „Das Multikulturelle Zentrum Zittau, ein gemeinnütziger Verein, der sich seit Jahren um Integration müht, hat sich bereit erklärt, die Trägerschaft“ zur Sanierung des Nazihauses zu übernehmen „und damit auch die Regeln zu bestimmen“, stellt Mike Wohne klar. Schließlich sei das ja auch erfolgsversprechende Integration: „Zusammenarbeit in kleinen Schritten statt Ausgrenzung ist und bleibt für uns der Weg für ein gemeinsames tolerantes und friedliches Miteinander an der Grenze zu unseren Nachbarn Tschechien und Polen“, stellt Wohne dann abschließend fest.
Daß ein „tolerantes und friedliches Miteinander“ Grenzen hat, weiß im Osten das gemeine Ossitum nur zu gut. In diesem Fall ist es die „Grenze zu unseren Nachbarn“. Grenzenlose Toleranz für die abertausenden „Jugendlichen“ auf den Südstraßen der Zone, ergibt sich schon aus der autoritären und ressentimentgeladenen Kollektiv-Bittstellung der Sanierung der Zone an die Wessis. Sinnbildlich also bringt der Leserbrief aus Zittau auf den Punkt, was in den Köpfen der Zonenprovinzler abgeht: Multikultur im Osten ist die Unsichtbarmachung der Nazis – „statt Ausgrenzung“ –, die auf ihren Kameradschaftstreffen auch mal Döner vom türkischen Cateringservice nicht ausschlagen sollten. Denn alle Kultur wirkt bereichernd, wenn die deutsche Leitkultur zäh wie Leder den deutschen Eichen-Stamm-Baum umhüllt.
Daß die Situation im tief-sächsischen Sebnitz nicht anders sein kann, nun, wer könnte daran ernsthaft zweifeln.
Daran nicht zu verzweifeln und kühlen Kopf zu bewahren, ist schwer – auch für antideutsche und antinationale Linke sehr schwer. Denn die notwendigen Kollektivschuldvorwürfe gegen das gemeine Ossitum machen keine Freunde – nicht mal Sympathisanten. Weder die Familie Kantelberg-Abdullah des toten Klein-Joseph steht auf sowas noch der Familien-Helfer in der Not, der Politologe Hajo Funke. Funke weiß, „daß Kollektivschuldvorwürfe (...) nicht in eine Demokratie“ passen und „wenig angebracht“ sind.
Wie urdeutsch der gesamte Sebnitz-Streit überhaupt ist, wußte einst Adorno gut zu umschreiben, als er anmerkte, daß ein Deutscher ein Mensch sei, der keine Lüge aussprechen könne, ohne sie selbst zu glauben. Dieses verbindendende nationale Element bildet die Klammer um die Familie Kantelberg-Abdullah und dem gemeinen Ossitum. Sich darin nicht zu positionieren, sollte sich für ernstzunehmende Linke von selbst verstehen. Wenn die nationalrevolutionäre Tasgeszeitung junge Welt also den Vorwurf an die Antideutschen bzw. Antinationalen richtet, nur „mainstreamgerecht gegen ein ostdeutsches ‘Rassistennest’ zu Felde zu ziehen“, so hat sie - nicht gerade überraschend – mal wieder nicht begreifen können.
Die vom Spiegel diagnostizierte „Traumatisierung“ der Sebnitzer als Bewohner einer Stadt, denen „man kollektives Wegschauen zugetraut hat“, läßt sich negativ wie positiv nur dann beklagen, wenn man den Glauben an die bürgerliche Meinungsbildung moralisch idealisiert. In diese Falle bürgerlicher Verklärung der abstrakten Ware Infomation tappt man schnell. Allgemeiner Ausdruck davon ist die Skandalisierung als öffentliches Instrumentarium. Es ist dabei nur ein Frage der Frontenzuordnung, warum man beklagt, was der Deutsche Presserat stellvertretend bezüglich der Sebnitz-Bericherstattung bei Bild, Berliner Morgenpost und taz gerügt hat: die „Grenze zwischen zuverlässiger Verdachtsberichterstattung und unzulässiger Tatsachenbehauptung“ sei „überschritten“ worden.
Es wurde also vom Deutschen Presserat aus moralapostelnden Gründen der verlogenen Seriösitätsgläubigkeit getadelt, was in der Logik der Zeitschrift konkret hätte gar nicht mehr kritisiert werden können. Konkret nämlich meint, daß die deutschen „Medien (...) unisono ihr kurzfristiges Engagement, den Tod des sechsjährigen Joseph Abdulla aufzuklären“, zutiefst bereuten. Sie hätten also Buße getan, nachdem sie sündigten. Zumindest christliche Vergebung also kennt der Deutsche Presserat dann scheinbar nicht.
Daß Biedenkopf mit seiner Wut über ein „öffentlich hingerichtetes“ Sebnitz wohl weniger die antideutschen/antinationalen Linken meinte als wohl die deutsche Öffentlichkeit mit allem pi-pa-po, geht in diesem Zusammenhang auch nur als Randglosse durch. Ebenso wie der bezeichnenderweise bewußt übergangene Widerspruch, daß Frau Kantelberg-Abdullah verblüffenderweise in Sebnitz so sehr ausgegrenzt wurde, daß es geradeso zu einem SPD-Stadtrats-Mandat reichte. (Was ein politisches Mandat in so einem Kaff besagt, können wohl letztlich nur die richtig einordnen, die um den Kollektiv-Mief in der Provinz wissen, wo zur Mandatsträgerschaft nicht bloß einfache Mehrheiten nötig sind, sondern unbescholtene Anpassung pur.)
Die entscheidende Frage für die Linken ist, wie konkret und andere durchaus richtig am Gegenstand verhandeln, inwieweit der Charakter der Berliner Republik und Sebnitz-Deutschland zusammenfallen.
Es geht also um die dialektische Betrachtung von Allgemeinem und Besonderen, deren Synthesis die radikale ablehnende Kritik der Verhältnisse hervorbringen sollte.
Es ist dafür zu konstatieren, daß im Nationalsozialismus, wie Adorno/Horkheimer feststellten, die Dialektik der bürgerlichen Aufklärung in der Aufhebung von Allgemeinem und Besonderen in der deutschen Volksgemeinschaft landete. Dieses Ergebnis bürgerlicher Aufklärung – gipfelnd im Holocaust – konstatierend, so Adorno, könne es nur noch eine negative Dialektik, aber eben eine Dialektik von allgemeiner Vergesellschaftung als objektivem Wesen und besonderer Erscheinung geben.
Die postfaschistische deutsche und österreichische Gesellschaft basiert also auf dem Zusammenfallen von volksgemeinschaftlicher Vergesellschaftung, der sich im autoritären Charakter des Staatsvolkes ausdrückt. Bekannlich ist diesem autoritärem Staatsvolk im Westen und Österreich eine bürgerliche Form der Rechtssubjektivität übergestülpt worden, deren allgemeine Bürgerlichkeit sich unter den Begriff Demokratie subsumiert und deren Besonderes die volksgemeinschaftlich-völkischen Charaktere der einzelnen Rechtssubjekte ausmacht. Daß diese demokratische Überstülpung in der Zone erst 1989 passierte, dürfte allgemein bekannt sein. Auch, daß unter dem Deckmantel des staatsozialistischen Kapitalismus der DDR das Deutschtum nicht nur schlummern durfte, sondern sich auch weiter konkret (nicht abstrakt!) frei entfalten konnte.
Die Bestimmung des Charakters der postfaschistischen Gesellschaft ist die Bestimmung des Ganzen, das heißt der allgemeinen Zwangs-Bedingungen bürgerlicher Gesellschaft ebenso wie die Besonderheiten Deutschlands und Österreichs, deren Wesens- und Erscheinungsmerkmale.
Dem dialektischen Denken äußerlich ist die postrukturalistische Mikropolitik. Mit diesem Instrumentarium zerfällt gewolltermaßen selbst schon der Anspruch auf Makropolitik(1) in die unsäglichen kleinen Schritte.
Der besondere Charakter der postfaschistischen Gesellschaft, so stellt Andreas Benl in der Zeitschrift karoshi (Nummer vier) im Februar 1999 fest, verlange, daß „die Vermittlung von kapitalistischem Allgemeinen und deutschem Besonderen (...) vor diesem Hintergrund völlig neu bestimmt werden“ müsse. Denn „die Ausgangsfrage, worin das spezifische german problem besteht“, ließe sich „mit dem theoretischen Instrumentarium des traditionellen Marxismus nicht beantworten.“
Sicherlich streiten über diese Frage nicht nur antideutsche Kleingeister. Und es ist wohl auch kein Zufall, daß letztlich die Wertkritik als objektiviertes Allgemeines nicht im antideutschen Rampenlicht steht, sondern vielmehr auch bei den Antideutschen und Antinationalen die von Joachim Bruhn schon während des konkret-Kongresses anfang der Neunziger beklagte „Psychologisierung des Rassisten“ sich, wie Bruhn feststellte, als „einigermaßen linksbürgerlich“ entpuppt.
Wie gesagt, die Legitimierung der mikropolitischen Besonderheit entspringt der Bejahung der Frage, ob in den postfaschistischen Staaten Deutschland und Österreich das Allgemeine und das Besondere im völkischen Sinne der Volksgemeinschaft nach wie vor zusammenfallen.
Schauen wir also einmal, welche Antwort uns im Falle Sebnitz zum einen die konkret gibt und zum anderen der von Antideutschen initiierte Aufruf zu einer Demonstration am 17. Februar in Sebnitz, der unter anderem maßgeblich von der Redaktion der antideutschen Zeitung Bahamas unterstützt wurde.
In letzterem Aufruf teilen uns die Verfasser mit, daß in Deutschland das Pogrom zum Charakter dazugehöre „wie das Entsetzen über dessen – vor allem im ‘Ausland’ – mögliche Folgen“. Das läge daran, daß „in postfaschistischen Zeiten (...) sich der Wille zur Volksgemeinschaft sogar am scheinbar widersinnigen Objekt, den aktiven Nazis selber, austoben“ könne. Deshalb zwischen „Nazis und Anständigen“ nicht zu unterscheiden, „sondern die Nähe zwischen beiden Erscheinungen deutscher Staatsbürgermentalität (sic!) (...) ins Zentrum der Kritik“ zu rücken, um so sich nicht „im Konkurrenzkampf zwischen völkischen und ‘anständigen’ Deutschen positionieren“ zu müssen, sei entscheidend.
In der konkret weiß Autor Tjark Kunstreich, „wie wenig Volksgemeinschaft und Demokratie sich ausschließen.“ An Sebnitz breche „sich die Staats-Antifa-Welle und der kollektive Freispruch für einen Ort“ sei „gleichbedeutend mit der Anerkennung aller ‘national befreiten Zonen’“. Schließlich und schlußendlich wirke „die Sebnitz-Affäre wie eine Inszenierung zum Abschluß des Antifa-Sommers“.
In der Zeitschrift karoshi Nr. 5 vom November 2000 wird hinsichtlich des von oben verordneten Antifaschismus in der Berliner Republik festgestellt: „Der masssiven Verunsicherung durch die Tatsache, daß Auschwitz zum Material für die nationale Identitätsbildung der ‘Berliner Republik’ wird, begegnen deren KritikerInnen häufig mit dem Hinweis auf harte materielle Fakten“. In der Lesart der Demo-Aufrufer versteht sich das dann so: „(...) Dieser Sommer hat ein gespenstisches Volksbündnis aller guten Deutschen gegen rechts beschert, das vielen konkreten Nazis zwar schadet, die gesellschaftliche Stimmung, die sie dauernd erzeugt, aber weiter festigt.“
Hier entpuppen sich die oben besagten „harten materiellen Fakten“ als „gespenstisches Volksbündnis (...), das nur alles „weiter befestigt“ und überhaupt nichts ändere.
Es stellt sich also ernsthaft die Frage, was mit den Antideutschen los ist, die sich strikt weigern, auch nur ein Mü aus dem mikropolitischen Kosmos sich zu entfernen und einer radikalen Kritik der Verhältnisse auch auf der Makroebene sich zuzuwenden.
Das Problem, vor dem die antideutschen Linken stehen, offenbart der Charakter der Berliner Republik: dort fallen Mikro und Makro eben nicht mehr zusammen. Die postfaschistische Gesellschaft ist mit dem Rot-Grünen Machtwechsel in eine neue nachfaschistische Phase eingetreten, die sich der positiven Umdeutung von Auschwitz annimmt und authentischerweise auch annehmen kann, um auf dieser Grundlage eine neues imperialistisches deutsches Großprojekt zu forcieren.
Es ist somit nicht mehr die versuchte „Normalisierung“ Deutschlands als Ent-sorgung von Auschwitz anzugreifen, sondern der permanente deutsche Versuch der Ver-sorgung Europas mit dem Holocaust (vgl. z.B. den Ablauf der Stockholmer Holocaust-Konferenz oder das dieses Jahr erstmalige europaweit veranstaltete Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar). In dieser Rolle des Versorgers gefällt sich Deutschland wunderbar. Sie gibt ihm die moralische Höhe – denn nur „wir“ haben das mit Auschwitz hingekriegt und haben diese Erfahrung, niemand sonst –, von der sie endgültig – wieder – zur imperialistischen Weltmacht aufsteigen kann.
Wenn man wirklich, wie der Aufruf zur Sebnitz-Demo feststellt, „Erscheinungen deutscher Staatsbürgermentalität ins Zentrum der Kritik“ stellen will, dann ist zum einen zu kritisieren, daß sich mit dem Anspruch radikaler Gesellschaftskritik ausschließlich nur an Erscheinungen orientiert und das Wesen scheinbar vernachlässigt werden soll, und zum anderen, daß zu dieser deutschen Staatsbürgermentalität der autoritäre Charakter gehört wie das Ei zur Henne.(2) Die Vorgaben der „Anständigkeit“, die Verordnungen „von oben“, werden also, über kurz oder lang, bis ins letzte Glied durchgestellt werden müssen, weil der Korporatismus und die ihn kennzeichnende politische Willensbildung im deutschen Gemeinwesen gar nicht anders funktionieren kann. Denn soviel historische Kontinuität ist tatsächlich existent. Zwar ist der deutsche Korporatismus allgemeiner Ausdruck postfaschistischer Konstitution, jedoch nicht gleichzeitig sein Besonderes als Ausdruck eines völkischen Volkswillens.
Würde es die antideutsche Migrantengruppe Café Morgenland noch geben, so müßte auch sie im Angesicht der Berliner Republik mit ihrem Spruch anläßlich der Entlastung der mutmaßlich deutschen Täter des Lübecker Brandanschlages neu konfrontiert werden. 1996 stellte sie fest: es gehe in Deutschland nicht um die „Suche der Nadel im Heuhaufen, sondern um die Suche der Nadel im Nadelhaufen.“ Das Problem, was sich auch hier offenbart, besteht aus dem Auseinanderklaffen der Realität Sebnitzer Verhältnisse als Erscheinung, für die der Spruch nach wie vor gilt, und dem Wesensgehalt Deutschlands. Zwischen genau diesen beiden Polen (Wesen und Erscheinung) steht tatsächlich eine linke Neuverhandlung am Gegenstand Deutschland an. In Sebnitz und sonstwo in der Zone zeigt eben nicht die Berliner, sondern die perpektivisch für obsolet zu erklärende Bonner Republik ihre häßliche Fratze.
Auch oder gerade in Hinblick auf den verordneten Antifaschismus in der Berliner Republik ist der Initiative Sozialistisches Forum (ISF) nur zuzustimmen und den Antideutschen und Antinationalen für alle Fälle ins Stammbuch zu schreiben, auf welcher Grundlage radikale Gesellschaftskritik möglich würde: „Es bleibt der an der Wertformanalyse von Marx orientierten Kritik vorbehalten, den Gegensatz von abstrakt und konkret nicht als quasi-natürliche Denkvoraussetzung zu ontologisieren, sondern als notwendiges Resultat des Denkens in der Form des Werts selbst zu begreifen – einem Denken, dem Antisemitismus und Rassismus nicht als kulturelle oder ökonomische oder politische Phänomene hinzutreten, sondern als notwendig falsches Bewußtsein völlig immanent sind. Den Zusammenhang von Kritik der politischen Ökonomie und Erkenntniskritik ignorierend, haben linksakademische Theorien des Antisemitismus und Rassismus etwa denselben Stellenwert wie gutgemeinte Sonntagsreden des Bundespräsidenten: sie versuchen zu verstehen, was, wollte man es wirklich bekämpfen, abzuschaffen wäre.“ (Aus: „Die Gemeinschaft der Guten – der antifaschistische Staat und seine Nazis“)
Ob die für den 17. Februar in Sebnitz geplante Demonstration nun stattfand oder nicht, entzog sich zum Zeitpunkt der Textproduktion der Kenntnis des Autors. Dennoch seien ein paar Bemerkungen dazu gestattet.
Ein Motiv der Demonstration, so läßt sich polemisierend festhalten, lag gut und gerne in dem Aufatmen im antideutschen/antinationalen Kollektiv, daß der Antifa-Sommer nun doch nichts geändert hätte und man weiter machen könne wie bisher. Daß man sich damit gehörig geschnitten hat, Sebnitz und Berliner Republik gerade keine Symbiose eingehen und auch nicht zusammenfallen, sollte aus oben stehenden Zeilen in kurzer Form ersichtlich werden.
Sebnitz als Symbol kam also gerade recht. So erklärt sich auch die Antifa-like Schnellschußvariante, mit der die Demo durchgepaukt werden sollte. Solcherlei dünnbrettrigen Aktionismus kennt man eigentlich sonst nur zu gut von unseren taumeligen Antifa-Freunden. Die Rede, mal vom deutschen Opferkollektiv, das in Sebnitz zu sich komme, mal vom Sebnitzer Opferkollektiv, belegt die Begriffsbeliebigkeit, die sonst ebenfalls vor allem aus Antifa-Kreisen notorisch bekannt ist. So läßt sich der Eindruck nicht von der Hand weisen, daß Sebnitz in Form einer Inszenierung im bürgerlichen Sinne skandalisiert werden sollte und dabei mehr auf den Skandal des fehlenden „Aufstandes der Zuständigen“ (Michel Friedman) abgestellt wurde als auf radikale Kritik, deren Fehlen zuweilen gar mit persönlicher antideutscher/antinationaler Leiden-schaft kompensiert wurde. An der inhaltlichen Ausrichtung der Sebnitz-Demo wird deutlich, daß antideutsche/antinationale Kritik als berechtigter permanenter Un-Frieden mit Deutschland im Zweifelsfall längst seinen Frieden mit dem Kapitalismus gemacht hat.
An der Ausrichtung der Sebnitz-Aktion ist auffällig, daß sie starke Züge einer Antifa-Anbiederei seitens der Antideutschen/Antinationalen trägt. Sicherlich gibt es berechtigte Hoffnungen, daß die Antifa im Angesicht ihrer Krise vom halbtoten Gaul der Bewegungshuberei endgültig herunter zu holen ist. Von jenem Gaul also, den sie sich jahrelang zum hohen Roß der organisierten Linken zurechthalluzinierte und vom dem sie trotz unzähliger antideutscher/antinationaler Versuche als stolzer Reiter einfach nicht herunterzuholen war.
Roß und Reiter namens Antifa sind am Ende. Das bestreiten nur die treudoofsten Seelen immer noch. Auch der Antifa-Aufruf des Leipziger Bündnis gegen Rechts (BgR) zur Sebnitz-Demo bezeugt das einmal mehr. So liest sich der Aufruf denn auch als der krampfhafte Versuch, sich seiner eigenen Legtimation auf Gedeih und Verderb zu versichern: „Soviel neues gibt es im Antifa-Sommer nun auch nicht zu entdecken (...) Nazis waren schon länger unbeliebt, auch wenn es so offen schon lange nicht mehr ausgesprochen wurde.“
Wie immer bei der Antifa! Als drehte sich die ganze Welt nur um Nazis! Es verwundert auch nicht, daß man auf eigenen Flyern und Plakaten ganz und gar auf die Anti-Nazi-Karte gesetzt hat und den Sebnitz-O-Ton – „Bei uns gibt es keine Nazis“ – kleingeistig skandalisierte.
Weiter heißt es im Aufruftext: „Es gilt, gerade in Sebnitz zu zeigen, wie der sogenannte Antifa-Sommer weder den rassistischen Konsens im Osten mindern konnte noch selbst antirassistisch ist. In Sebnitz muß deutlich gemacht werden, daß sich mit dem staatlichen der linksradikale Antifaschismus nicht erübrigt hat, sondern notwendig ist wie zuvor.“ Notwendig wie zuvor, was soll man dazu noch sagen. Genau darum, um mehr nicht, geht es heute noch bei Antifa. Jede Äußerung, jede Aktion ist nur noch reine Selbstvergewisserung, weiter nichts!
Besser als die beiden Quintessenzen des Flugblattes läßt sich die erbärmliche Agonie der Antifa nicht verdeutlichen. So heißt es zum einen, „Nazis stellen nach wie vor eine Bedrohung für Migranten, Linke usw. dar und daran wird sich so schnell nichts ändern“(3), und zum anderen: „In Sebnitz hätte schon viel eher reagiert werden müssen.“ Halten wir interpretierend fest: Der „Verweis auf die harten materiellen Fakten“ (karoshi, siehe weiter oben), daß die Nazis nicht einfach wie vom Erdboden verschwunden sind und irgendwie von der Regierung dann doch nicht weggebeamt wurden, legitimiert einfach mal alles und jeden. Daß man schon viel eher hätte „reagieren“ müssen, ist des Pudels Kern der bewegungsimmanenten „Praxis“-Getriebenheit der Antifa.
Daß sich Antideutsche/Antinationale mit einer halbgewalkten Aktion der Antifa-Verfaßtheit quasi ebenbürtig machen und an den Hals werfen, zumindest aber mit ihr kungeln, konterkariert, gelinde gesagt, ein gewichtiges Stück jener Kritik an der Antifa und der Bewegungslinken der Vergangenheit, die man mit viel Gewinn in einer Zeitung wie der Bahamas zum Beispiel immer gern gelesen hat. Die aufflackernde Antifa-Terminologie (z.B. „Antifa heißt Angriff“ plötzlich positiv besetzt) und der praktizierte Schnellschuß-Aktionismus läßt durchaus die Frage aufkommen, ob die Antifa nicht die Antideutschen/Antinationalen schluckt.
Es ist staatskritisch davor zu warnen, in die Mühlen der Systemopposition zu geraten, in denen in den vergangenen Jahren gerade die Antifa sich selbst mürbe gemacht hat. In jene Oppositionsrolle also zu verfallen, die der Staat der außerparlamentarischen Linken in einer sogenannten repräsentativen Demokratie zuschreibt, um sie zum unabdingbaren Mitmachen zu zwingen.
Weil das Allgemeine in Sebnitz nicht mit dem Besonderen zusammenfällt, kommt schon allein der Intention der Sebnitz-Demonstration von ihrer Ausrichtung her automatisch jene staatsoppositionelle Rolle zu, deren Charakter die kritische politische Vermittlungsarbeit im unfreiwilligen Auftrage des Allgemeinen ist. Sie drückt jenen antideutschen/antinationalen katastrophalen Flankenschutz für das imperialistische Groß-Deutschland namens Berliner Republik aus, dessen Aufgabe darin besteht, die störenden Naziflecken und die einschlägigen Sympathien den Deutschen auszutreiben – ganz im Sinne der für notwendig erachteten Gemeinwesenarbeit im deutschen Ländle von Schröder, Fischer und Schily. Einfach Scheiße is das!
Ralf

(1) Ich vernachlässige an dieser Stelle mal eine Kritik der Politik wegen ihres immer schon verstaateten Wesens.
(2) Im übrigen, wenn die Henne keine Eier mehr legt, wird sie im Kapitalismus geschlachtet. Das ist, schlicht und ergreifend, Wertkritik der einfachen Warenform.
(3) Mit Verlaub, wann bitteschön, stellen Nazis keine „Bedrohung für Migranten, Linke usw.“ dar? Daß dieser Lapsus trotz kollektiver Textdiskussion scheinbar niemanden aufgefallen ist, nun ja, auch das spricht für sich.


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last modified: 28.3.2007