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Sebnitz, 3.5k


Im folgenden dokumentieren wir den vorläufigen Aufruf zur Demonstration in Sebnitz, die am 17.02.2001 um 14.00 Uhr stattfinden wird. Wie der richtige Aufruf lautet, erfahrt ihr unter: www.left-action.de und www.antifa.de

17. Februar 2001:
Demonstration „Öffentliche Hinrichtung“ in Sebnitz

Am 13. Februar 2001 jährt sich zum 56. Mal die alliierte Bombardierung von Dresden - ein militärisch notwendiger Schritt, den das Dresdener Täterkollektiv gleichwohl seit genau 56 Jahren als Kriegsverbrechen anklagt. Seit dem 23. November 2000 zieht das kleine Sebnitz mit der großen Landeshauptstadt gleich: Zwar ist Joseph Abdulla tot, „öffentlich hingerichtet“ aber wurde Sebnitz, darin sind sich alle Deutschen mit dem sächsischen Ministerpräsidenten Biedenkopf einig. War die zeitgleich inszenierte staatliche Anti-Nazi-Kampagne nach der Demonstration von 200.000 „Anständigen“ am 9. November 2000 in Berlin ohnehin langsam in die Tage gekommen, so bildete der Fall Sebnitz doch so etwas wie ihren medialen Show-down. Die Gleichzeitigkeit der Demonstrationen „gegen Gewalt, für Toleranz“ und einer anhaltenden Reihe von antisemitischen und rassistischen Anschlägen, ist weder Zufall noch dem Umstand geschuldet, daß noch nicht alle Anständigen aufgestanden sind - zu Recht sieht Schröders Staatsvolk keinen Widerspruch darin, den Standort gegen investitionsfeindliche Elemente von Rechts ebenso zu verteidigen wie gegen „Fremde“. Das Pogrom gehört dazu wie das Entsetzen über dessen, vor allem im „Ausland“ mögliche Folgen.
Während frühere Übergriffe mit dem „zivilgesellschaftlichen“ Ritual: Anschlag, Empörung, Bündnisdemonstration beantwort worden waren, in dem auch linke Antifaschisten ein Forum zum Mitmachen fanden, war in Sebnitz ein Mehr-desselben nicht möglich. Anfangs nicht, weil Sebnitz wirkte wie ein filmreifes Stück deutscher Nachkriegsgeschichte: Ein finsteres Dorf an der tschechischen Grenze, nur Nazis und Rassisten, und weit und breit keiner zum Zivilgesellschaft spielen. Das Zivilgesellschafteln funktionierte nicht, weil die Sebnitzer nicht bereit waren, sich zu verstellen. Jedem Journalisten, der das wollte, sülzten sie ihre dumpfen Sprüche aufs Band. Wenige Tage später kam, was kommen mußte: das Dementi. Nicht nur keine deutschen Täter, überhaupt kein Mord. Von da ab setzt das ein, was einigen vielleicht noch aus Lübeck / Grevesmühlen bekannt ist. Aus Opfern werden Täter: die deutsche Mutter Kantelberg, deren Kind einem brutalen Mordanschlag zum Opfer gefallen ist, wird zur neurotischen Liberalen aus Westdeutschland, die so traumatisiert ist, dass man ihr zutraut, ein ganzes Dorf mit in ihr Unglück zu ziehen. Staatsoberhaupt Rau kommt Wochen später und will versöhnen, wo sich alle schon immer einig waren. Die Entschuldung einer ganzen Stadt erfolgte nicht obwohl, sondern weil sie sich als eine durchgehend rassistisch verfasste Dorfgemeinschaft präsentierte. Seit der staatsanwaltschaftlich beglaubigten These von einem mehr oder weniger gewöhnlichen Badeunglück - die von links bis rechts dankend aufgenommen wurde - gibt es keinen mehr, der dieses Dorf als das bezeichnet was es ist: ein ganz ordinäres deutsches Rassistennest.

Warum in Sebnitz demonstrieren?

Dem dortigen Opferkollektiv haben wir nichts mitzuteilen, sie haben sich für ihren Standort entschieden und gegen die Kantelberg-Abdullas. Auch den Sachsen haben wir nichts mitzuteilen, sie haben sich zur All-Parteienkoalition aus Sebnitz-Deutschen zusammengeschlossen, von der NPD über CDU, SPD zur national verläßlichen PDS. Einziger Sinn dieses Demovorhabens ist es, am Ort des Geschehens, das im Schwimmbad seinen Anfang nahm und im Triumph der rassistischen Bevölkerung über eine Familie, die nicht dazugehören soll, endete, darauf hinzuweisen, daß wir den faulen Frieden nicht hinnehmen werden und weiterhin mit dem Finger auf die Sebnitz-deutschen Verhältnisse deuten werden.
Das geschieht in der bescheidenen Hoffnung, den Sebnitzern die Suppe ein wenig versalzen zu können und andere dazu aufzustacheln, endlich jenseits falscher Rücksichtnahmen auf demokratischen Bündnisse und ähnlichen Täterschutz ihre Kritik an Verhältnissen, die in der Konsequenz auf Sebnitz hinauslaufen müssen, radikal und ohne Rückversicherung zu äußern.
Der deutschen demokratischen Logik sich zu widersetzen heißt zuallererst, die juristische Unschuldsvermutung umzudrehen. Weil der Weg von Hoyerswerda nach Sebnitz über Rostock, Mölln, Lübeck, Guben und und und ... immer über Leichen ging, hätte allen, die sich auch nur die Medienberichte über Sebnitz angesehen haben, klar sein müssen, daß, auch wenn ein rassistischer Mord an Joseph Abdulla nie nachgewiesen werden kann, in Sebnitz alle Voraussetzungen für eine solche Tat erfüllt sind: Eine fast ausländerfreie Gemeinschaft, in der es nur eine Meinung gibt und in der alle vom Stadtpfarrer zum Bürgermeister entgegen jeder Evidenz schwören: „Bei uns gibt es keine Nazis“ - in einer solchen Stadt hat ein Junge wie Joseph Abdulla keine Chance.
Gerade dort, wo der gerühmte „Aufstand der Anständigen“ auf den Punkt kommt: in der offensiven Selbststilisierung der Täter als Opfer, muß jede Kritik ansetzen. Denn der Schutz, den anständige Deutsche ihren prospektiven Opfern gewähren, ist die „Schutzhaft“, die ein Cottbusser Polizist einem bedrohten jüdischen Ehepaar in der Neujahrsnacht anbot. Der Schutz, den sie meinen, ist der der Deutschen vor allen, die nicht dazugehören sollen. Deswegen richtet sich diese Demonstration nicht gegen den rechten Rand, sondern gegen die demokratische Mehrheit der Deutschen.

AG Sebnitz
Fon / Fax: 0351 / 8 045 444,
E-Mail: agsebnitz@web.de



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last modified: 28.3.2007