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Der Anti-EXPO-Zeitung „Lieberexpo verhindern“ entnahmen wir die folgenden, durch uns leicht überarbeiteten Texte zu den EXPO-Projekten der Stadt Leipzig. Weitere Infos zur EXPO und den Gegenaktionen sind im Internet unter www.expo-no.de zu finden.
Die Stadt Leipzig präsentiert ihre Projekte unter: www.leipzig.de/expo/
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... Geschichte wird gemacht!

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Helden, EXPO, Leipzig

EXPO 2000 – ein deutsches Projekt!

Betrachtet man sich die EXPO, so wird man sehen, dass sie symptomatisch für weltweite Entwicklungen ist. Bis Ende der achtziger/Anfang der neunziger Jahre gab es weltweit zwei Gesellschaftssysteme, die sich in direkter Konkurrenz zueinander befanden. Mit dem Ende der Blöckekonfrontastion sowie des real existierenden Sozialismus wurde das westliche, „demokratische“, kapitalistische Gesellschaftssystem zum weltweit dominierenden.
Es wird suggeriert, daß einzige Alternative zur freien Marktwirtschaft die „Sozialistische Planwirtschaft“ mit ihrer zentralisierten staatlichen Lenkung sei – und somit keine „wahre“ Alternative existieren könne. Dabei wird zunehmend die DDR mit dem Nationalsozialismus gleichgesetzt. Der Zusammenbruch des Ostblocks wird zu einem Beweis der Unfehlbarkeit des freien Marktes und seines politischen Systems der Demokratie umgedeutet. Man geht sogar soweit, ihm einen naturgesetzähnlichen Charakter anzudichten, welcher seine Akzeptanz unvermeidlich machen soll.
Ende des 20. Jahrhunderts muss sich der Kapitalismus nur noch an sich selbst messen, doch wachsende ökonomische, ökologische sowie soziale Probleme lassen die Akzeptanz, vor allem durch die direkt Betroffenen, für die gesellschaftlichen Herrschaftsstrukturen schwinden.
Das vielbeschworene kapitalistische, demokratische Gesellschaftssystem ist kein zentral und bewusst gesteuertes, sondern eine komplexe Struktur verschiedener korrespondierender Interessen. Innerhalb dieser Interessen besteht durchaus eine Konkurrenz um Einfluss und Macht zwischen den wirtschaftlichen und politischen Zentren. Deutschland, dem während der Blöckekonfrontation eher eine Schlüsselrolle zukam, ist nach der Wiedervereinigung wieder zu einer Macht mit immer stärkeren weltweiten wirtschaftlichen und politischen Bedeutungen geworden. Diesen Einfluss gilt es auszubauen – das ist sowohl das Interesse der deutschen Wirtschaft wie der Politik.
Seit einiger Zeit ist zu beobachten, dass sich sowohl die deutsche Regierung als auch die deutsche Wirtschaft international immer stärker als „Lenker“ etablieren wollen. Deutschland agiert außenpolitisch immer offensiver und aggressiver, um seine Führungsansprüche zu verdeutlichen und umzusetzen. Als Beispiele seien hier der Kosovokonflikt genannt, in dem Deutschland die treibende Kraft war, und die Debatte um den IWF-Vorsitz, in der Schröder für Deutschland seine Kandidaten erst in der EU durchsetzte, um ihn dann als EU-Kandidaten gegen die USA durchzusetzen. In der Sprache der Präsentation auf der EXPO heisst das dann: „Wir präsentieren uns als ein Land, das seine Verantwortung für die Schöpfung kennt“ (Helmut Kohl, 1997).
Die EU steht dabei nicht im Gegensatz zu deutschen Interessen, sondern ist ein geeignetes Instrument, diese weltweit durchzusetzen. In diesem Zusammenhang erscheint eine Geschichte, die Vergleiche zulässt und aus deren Konsequenzen derartiges Agieren sogar einst verfassungsmäßig untersagt wurde, als hinderlich und wird zunehmend umgedeutet, relativiert bzw. als abgeschlossen definiert.
Deutschland präsentiert sich als demokratischer, geläuterter Staat, frei von Rassismus und Antisemitismus. EXPO-Generalkommissarin Birgit Breuel sagte 1996 dazu: „Das Bild der Deutschen im Ausland wird mit der EXPO 2000 vielfach neu bestimmt (...) Deutschland kann mit der EXPO 2000 einmal mehr beweisen, dass es aus dem Schatten dieses Jahrhunderts mit zwei Weltkriegen herausgetreten ist und sich zu einer lebendigen Demokratie entwickelt hat. Und zehn Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung (...) können wir (...) zeigen, was wir daraus gemacht haben aus der Chance, neu zu beginnen.“
Und in die gleiche Kerbe haut Helmut Kohl (1997): „Auf der EXPO können wir zeigen, wie wir sind – weltoffen, mit gelebter Menschlichkeit, mit der Fähigkeit zu internationaler Solidarität als eines der reichsten Länder der Welt.“ Auf wen sich die Weltoffenheit beschränkt, zeigt Gerhard Schröders Forderung nach 30.000 Computerspezialisten aus dem Ausland. Bei der daraufhin entbrannten öffentlichen Debatte ist der Grundkonsens, dass die Arbeitsplätze eigentlich für Deutsche wären und „Fremdarbeiter“ das Land zu verlassen haben, wenn sie nicht benötigt werden. Bemerkenswert ist die Arroganz, mit der Schröder über „beispielsweise indische Computerfachleute“ verfügt, die er sich in Land holen will.

„Leipzig den Wandel zeigen“

Das ist das verbindende Motto, unter dem alle vier Leipziger EXPO-Projekte laufen. Die Leipziger Projekte hätte es, wie alle externen EXPO-Projekte, sowieso gegeben, nur „durch die EXPO erhalten sie zusätzlichen Schub und hilfreichen Rückenwind“.

Wendepunkt Leipzig – Herbst 89:
Vom Aufbruch zum Alltag


Dieses Projekt soll zum 10. Jahrestag an „die Ereignisse von damals“ erinnern, die durch die Wende ausgelösten Veränderungen“ sollen, „wie unter einem Brennglas zu sehen sein“. In der öffentlichen Projektdarstellung wird unverhohlen damit gedroht, dass das „alles [inklusive ‘Deutschland einig Vaterland’-schreiendem Mob] auf Monitoren wieder zu sehen sein wird.“
Dafür wird es keine intensiven und kritischen Betrachtungen der Ereignisse „vom Aufbruch zum Alltag“ und keine öffentliche Auseinandersetzung mit damaligen Intentionen und Forderungen und den heute erreichten Ergebnissen geben. Statt dessen wird eine totale Vermarktung der Geschehnisse forciert. Der Leiter der Leipziger Touristeninformation will „den Herbst ’89 dauerhaft zu einem touristischen Artikel machen“ (LVZ vom 9.10.99)
Projekte wie das „zeitgenössische Forum“ und das Museum über das ehemalige Ministerium für Staatssicherheit tauchen in diesem Zusammenhang immer wieder auf bzw. werden zum Anlass der Feierlichkeiten eröffnet.
Das alles impliziert eins: „Freiheit“ gibt es nur mit der Demokratie bzw. Marktwirtschaft und Unterdrückung liefern die totalitären Systeme. Die DDR und der Nationalsozialismus werden zunehmend gleichgesetzt. Das hat zur Folge und zum Ziel, dass die Verbrechen des Nationalsozialismus relativiert werden und mit dem Ende der DDR ebenfalls als abgeschlossen gelten können. Die Schlussfolgerungen aus diesem Geschichtsverständnis sind bekannt – aus dieser Verantwortung heraus muss Deutschland diese „grenzenlosen Freiheiten“ und die Einhaltung „demokratischer Grundstandards“ (wie z.B. das Recht auf Eigentum) weltweit mit durchsetzen.
Dass Deutschland sich mit seiner rigiden (Innen-)Politik derartig unverhohlen ein Saubermann-Image verpassen kann, ohne nennenswert gestört zu werden, lässt böses befürchten. Das Projekt EXPO ist also historisch in jedem Fall in einem Zusammenhang zu der Walser-Debatte, dem geplanten Holocaust-Mahnmal und der Auseinandersetzung um die „Entschädigung“ von ZwangsarbeiterInnen zu betrachten. Es läuft alles darauf hinaus, dass gesagt wird: Wir haben doch, und nun ist aber Schluss...

„Plagwitz auf dem Weg ins 21. Jahrhundert“: Die nachwendlichen Veränderungen des
Industriequartiers Plagwitz


Bei diesem EXPO-Projekt finden wir einen DDR-BRD-Vergleich. Das geschieht z.B. über Fotogegenüberstellungen in den begleitenden Broschüren. Die Aufnahmen, die während der DDR-Zeit gemacht wurden, wirken immer grau und düster. Die von heute dagegen sind bunt und einfach schön. Sprachlich wird dies durch die Zuordnung eindeutig negativer bzw. positiver Attribute verstärkt.
Bei diesem Projekt tummeln sich jede Menge profilierungssüchtige Stadtplaner, die sich mit der historischen Struktur auseinandersetzen und sich „den besonderen Anforderungen eines Stadtteils auf der Schwelle der Industriegesellschaft zur Dienstleistungsgesellschaft“ stellen und sie dann in Beziehung zur Moderne setzen. Hauptsache, man kann später mit dem Finger drauf zeigen und inbrünstig behaupten: „Das hab’ ich mit geplant“. Wie treffend formulierte doch eine Aktionsgruppe: „Stadtplaner ins Legoland“.
Ansonsten wird die Karl-Heinesche Gründerzeitmentalität abgefeiert. Fragt sich nur, was daran so toll sein soll, dass jemand einen Stadtteil nur nach finanziellen Interessen plante und erbauen ließ? Eins jedenfalls haben der „alte“ und „neue Gründergeist“ gemeinsam: Die Menschen sind für sie nur Kalkulationsfaktor und Berechnungsgröße.

Landschaftsnutzung-Landschaftspflege –
vom Kontrast zum Konsens:
Ein ehemaliger Braunkohletagebau wird der Cospudener See.


Dieses Projekt steht ebenfalls im Kontext der „DDR=alles schlecht, BRD=alles gut“-Argumentation. Es wird eine wertende Gegenüberstellung der beiden Nutzungen des „Leipziger Südraumes“ gezeigt. Dabei wird ebenfalls extrem mit den in der Darstellung verwendeten Begrifflichkeiten manipuliert. Früher wurde nämlich der „Südraum ausgebeutet“, „die seltene Auenlandschaft fast vernichtet, der gesamte Naturraum schwer geschädigt“, heute aber „von der Stadt bewirtschaftet“ und „die Landschaft revitalisiert“. Es geht uns nicht darum, die Energie- und Umweltpolitik der DDR zu verteidigen, aber mit solchen platten Phrasen wird eine Analyse der gesellschaftlichen Umstände, welche zu den unterschiedlichen Nutzungen führten, vermieden.

Wertende Gegenüberstellung:

Tagebau im Süden Leipzig, 11.4k

einst: Blühender, naturbelassener Tagebau im Leipziger Süden...

Cospudener See, 15.5k

... und heute: Verschandelte Landschaft voll dahinsiechender Menschen und dreckigem Wasser

Denn einer Nutzung derartiger „Naturräume“ ganz im Sinne einer Dienstleistungs- und Freizeitgesellschaft ist ein Luxus, den sich Deutschland als wirtschaftliches Zentrum leisten kann und setzt eine intensive Ausplünderung der Rohstoffe in anderen Teilen der Welt voraus. Die der DDR zugeschriebene „schwere Schädigung des Naturraumes“ findet im Falle der BRD einfach in anderen Ländern statt.
Der Anspruch der Rückgewinnung des Naturraumes kann getrost als Quatsch bezeichnet werden. Die Natürlichkeit dient hier der Vermarktung. Der Umweltverband „Leipziger Ökolöwe“ bestätigte in einer durch die Stadt Leipzig beauftragten Studie zur Bewertung der ökologischen Gesichtspunkte, daß ein grosser Teil der Projekte am Cospudner See im Widerspruch zum herrschenden Verständnis von „Naturraum“ steht. Oder meint Naturraum nur, dass es sich bei dem Golfplatz, Vergnügungspark, Autobahn, Yachthafen um die Befriedigung „natürlicher“ Bedürfnisse in der Dienstleistungsgesellschaft handelt?
Ansonsten ist der titulierte Konsens eine Farce – lediglich ein paar etablierte und unkritische Umweltgruppen sind in die Planung mit einbezogen worden. Das ist beispielhaft für die EXPO-typische Affirmationsstrategie und dient lediglich der Legitimation des Projektes.



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last modified: 28.3.2007