home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt
[64][<<][>>]

Im Rahmen der Kampagne gegen Sicherheitspolitik und Videoüberwachung fanden in der Woche vom 31.1. bis zum 4.2.2000 Demonstrationen in Leipzig-Connewitz statt. Im folgenden dokumentieren wir einen auswertenden Text der „AG Öffentliche Räume beim Bündnis gegen Rechts“ sowie zwei der gehaltenen Redebeiträge.

Demo-Auswertung der AG "Öffentliche Räume" beim BGR
Demo-Redebeitrag der Ökologischen Linken

, 0.0k
Überwachungsgesellschaft, 9.1k

, 0.0k

Redebeitrag der AG Öffentliche Räume beim BGR

„Ich liebe doch alle!“ – Mit diesem Satz hatte Stasi-Chef Mielke das zusammenbrechende Überwachungssystem der DDR endgültig lächerlich gemacht. Das ist nun gut zehn Jahre her. Und diese zehn Jahre haben offensichtlich ausgereicht, daß die Ideale von Freiheit und unveräußerlichen Grundrechten kaum noch jemanden interessieren.
Wieder werden ganze Bereiche der Öffentlichkeit von den Staatsorganen überwacht. Wieder werden alle, die abweichen, ausgegrenzt und verfolgt. So schikaniert die Polizei in Connewitz seit einiger Zeit gezielt alle Menschen, die in ihr Feindbild von linker Szene passen. Da kann es schon mal vorkommen, daß einer in einer halben Stunde vier Verkehrskontrollen über sich ergehen lassen muß. Da kann es auch schon mal vorkommen, daß eine andere 200 Mark für die fehlende Hundeleine bezahlen soll. Da kam es auch schon vor, daß Leute grundlos in Gewahrsam kamen oder verprügelt wurden.

Ausriss aus LVZ und BILD, 27.9k

Die Stadt Leipzig hat sich offensichtlich vorgenommen, alles, was noch an alternativer Szene vorhanden ist, zu zerschlagen. Spätestens seit der Einweihung des Goerdeler-Denkmals ist klar, wie Bürgermeister und Stadtverwaltung mit abweichenden politischen Meinungen umgehen:
Damals war „Ehrengast“ Klaus von Dohnanyi gewalttätig auf Menschen losgegangen, die den Antisemitismus Goerdelers nicht leugnen wollten. Die Stadt ließ einen brutalen Polizeieinsatz folgen. Und OBM Tiefensee entblödete sich nicht, dem Kulturprojekt Conne Island wegen der Vorfälle die Streichung von Geldern anzudrohen.
Was im Rathaus unter Demokratie verstanden wird, beweist auch Ordnungsdezernent Tschense: Er warf den AnmelderInnen dieser und der folgenden Demos mangelndes Demokratieverständnis vor, weil sie ein Kooperationsgespräch abgelehnt hatten! Wer also auf Geheiß des Ordnungamtes nicht antanzt, ist undemokratisch. Zumal die Stadt in der Vergangenheit die Anmelderinnen und Anmelder bei diesen Gesprächen hauptsächlich drängte, ihre Anmeldung zurückzuziehen.
Tief blicken läßt auch der Auflagenbescheid, in dem das Recht auf freien Verkehrsfluß höher bewertet wurde als das Demonstrationsrecht.
Aber im Ordnungsdenken von Leuten wie Tschense oder Wassermann ist halt alles undemokratisch, was ihnen wagt zu widersprechen.
Zur Rechtfertigung ihres Tuns betreiben sie eine paranoide Kriminalisierung der unliebsamen Szene. Dabei wird dasselbe Schema benutzt, dem Nichtdeutsche seit Jahren ausgesetzt sind: Weil die Polizei ein bestimmtes Feindbild hat, werden eben Leute, die diesem entsprechen, verstärkt verdächtigt. Und wenn neun von zehn kontrollierten Leuten dieser Feindbildgruppe angehören, taucht die konstruierte Tätergruppe natürlich prompt in der Statistik auf. Churchill hätte anerkennend genickt. Die Hofpresse LVZ geht mittlerweile sogar soweit, bereits pauschal von „krimineller Szene“ zu reden.

Ausriss aus Süddeutsche Zeitung, 25.1k

Dabei ist dieser Trend natürlich nicht auf Leipzig beschränkt. Seit Jahren ist die Rede von innerer Sicherheit, wenn es um Einschränkung von Grundrechten und die Erweiterung des Überwachungssystems geht. Es wird ein diffuses Unsicherheitsgefühl aufgebaut, das meist in keiner Beziehung zur Realität steht. Aus allen Statistiken geht hervor, daß die Kriminalität seit Jahren zurückgeht. Wie viele der Bürgerinnen und Bürger, die sich wegen der Kamera am Kreuz angeblich sicherer fühlen, waren denn wirklich schon einmal Opfer krimineller Handlungen? Alle haben immer nur von irgendjemand anderem etwas gehört. Nachgefragt wird nicht. Auch statistisch ist das Connewitzer Kreuz mitnichten ein Kriminalitätsschwerpunkt. Alles, worauf sich die Stadt berufen kann, sind drei Vorfälle von Landfriedensbruch und Sachbeschädigung im Zeitraum von zweieinhalb Jahren! Da ist jede CDU-Geschäftsstelle wahrscheinlich ein krasserer Schwerpunkt!
Wenn sich gegen diese Sicherheitspolitik jetzt kein Widerstand regt, werden auf zwei Kameras in Leipzig weitere folgen. Und auf die Kameras wird immer verschäftere Kontrolle von Menschen folgen, die der selbsternannten Obrigkeit mißliebig sind. Diejenigen, die hinter den Kameras sitzen – unkontrolliert und im Machtrausch, werden nie aufhören, mehr Macht zu fordern. Und sie werden immer brutaler gegen alle vorgehen, die ihnen diese Macht absprechen.
Deshalb sind wir hier.
Wir fordern eine sofortige Demontage der Kamera am Kreuz und in der Innenstadt! Der Polizeiterror in Connewitz muß aufhören! Wir wollen keine Stadt, in der die Luft zum Atmen fehlt, weil machtgierige Stasi-Nachfolger alles und jeden unter Kontrolle halten wollen! Schluß mit der bundesweiten Kampagne für mehr „Innere Sicherheit“!
Sonst steht eines Tages wieder jemand da und sagt: „Ich liebe doch alle!“



home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt |
[64][<<][>>][top]

last modified: 28.3.2007