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Aktuelles Heft

INHALT #244

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Großwetterlage
• das erste: Lückenbüßer
Apotheose des Revolutionärs - Che Guevara als Lichtgestalt der Linken
Vitamin X, Night Fever, Messerschießerei
Offenes Antifa Treffen
HVOB + Winston Marshall
Neck Deep
Swans + Baby Dee
Q. Szenische Lesung des Romans von Luther Blissett
Erhobenen Hauptes. (Über)Leben im Kibbuz Ma'abarot.
And So I Watch You from Afar + Fargo + Kid Dad
• doku: ZDF-Doku: Rechte Propaganda gegen Links
• review-corner event: Unversöhnlich in Wurzen
• das letzte: Ein Grusz aus der Zukunft1
Nix einreißen lassen?
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Ein Grusz aus der Zukunft1


Merkel hat es wieder geschafft: Sie bleibt an der Macht und hat nun die realistische Chance, den kohlschen Amtszeitrekord einzustellen. Schon vor der Wahl war dies eigentlich klar, aber am Wahlabend hat sich auch gezeigt, dass die Unionsparteien gut in der Lage waren (vielleicht auch durch das Schreckgespenst AfD), ihre Wähler*innen zu mobilisieren. Selbst wenn das Ergebnis nicht deutlich über den Umfragen lag, so bilden die Unionsparteien nun die deutlich größte Fraktion im 19. Deutschen Bundestag mit fast doppelt so vielen Abgeordneten wie die SPD, die noch hinter ihren Erwartungen zurückblieb und nur mit Mühe die 20%-Hürde überspringen konnte. Da bleibt nun nur noch die Frage offen, welches Amt Martin Schulz in der neu zu bildenden Regierung antreten wird.

Die Schwarz-Gelb-Grüne Allianz ist schon nach den ersten Sondierungsgesprächen auseinander gebrochen und für ein Bündnis allein aus der Union und der FDP reichte es einfach nicht. Die Grünen fuhren mit weniger als 7% der abgegebenen, gültigen Stimmen ein katstrophales Ergebnis ein und wollen sich in der Opposition neu ordnen. Diese Chance hat nun auch die FDP, deren Spitzenkandidat und Parteichef Linder sicherlich zum guten Ergebnis (mehr als 9%) beigetragen hat. Aber keine der beiden liberalen Parteien hat es geschafft, den prestigeträchtigen dritten Platz zu erreichen. Dieses Feld wurde einer anderen Partei überlassen.
Damit kämen wir auch zur einzigen Überraschung des Wahlabends: Drittstärkste Kraft und somit Anführerin der Opposition wird nicht – wie teilweise vorhergesagt – die AfD, sondern die Linkspartei. Auch wenn der Abstand zwischen beiden Parteien weniger als 0,5% beträgt, hat sich die sozialdemokratische Alternative zur SPD den Platz auf dem Treppchen hinter den beiden großen Koalitionspartner*innen sicher können. Für die anderen Fraktionen im Bundestag ist dies immernoch erfreulicher als eine drittplatzierte AfD, die dadurch auch besseres Rederecht und die Leitung des Haushaltsausschusses gewonnen hätte.
Doch auch die faschistische Alternative hat leider ein beachtliches Ergebnis eingefahren. Nicht nur, dass sie in den östlichen Bundesländern teilweise erschreckend hohe Stimmzahlen erreichte, ihr gelang auch in allen westlichen Bundesländern der Sprung über die 5%-Hürde, teilweise sogar sehr deutlich. Zu guter Letzt wurde die Stärke der AfD in den Umfragen recht realistisch eingeschätzt. (Anmerkung dazu: Da die AfD im Osten mehr als drei Direktmandate erringen konnte, wäre sie auch mit weniger als 5% der Zweitstimmen in Fraktionsstärke im Bundestag vertreten.)

Es gibt also nicht allzu viel zu lachen nach dieser Wahl. Die AfD hat sich in der deutschen Parteienlandschaft etabliert und ist neben dem Bundestag in fast allen Landtagen vertreten. Das wird auch einen weiteren größeren Geldfluss zur Folge haben, der die Partei langfristig stärken könnte. Was allerdings nach der Wahl wieder auf den Tisch kam, ist die dubiose und vermutlich illegale Wahlkampfunterstützung für die AfD durch unbekannte, wohlhabende Spender*innen. Es besteht die Möglichkeit, dass hierzu sogar ein Untersuchungsauschuss eingerichtet wird, was der AfD zumindest finanziell schaden könnte. Alice Weidel, die die neue Fraktion im Bundestag anführen wird, äußerte sich empört über die »Diskriminierung« durch die »Blockparteien«.

Die unsäglichen »Tabubrüche«, die die AfD immer mehr in die Nähe neofaschistischer Parteien gerückt haben, werden dagegen kein Thema im neuen Bundestag sein. Auch wenn es einige Anzeigen gegen rassistische Wahlplakate und Sprüche des AfD-Spitzenpersonals gab, so ist davon kaum ein Schaden für die Partei zu erwarten. Dazu lässt sich auch nur noch festhalten, dass das Parteiausschlussverfahren gegen Björn Höcke drei Wochen nach der Wahl eingestellt wurde und der thüringische Landesvorsitzende der Partei nur eine interne Rüge erhielt. Daraufhin taten Frauke Petry und Markus Pretzell von allen Parteiämtern zurück (und aus der AfD-Bundestagsfraktion aus) und warnten von einer »rechtsextremen Radikalisierung« der Partei. (Unbestätigten Gerüchten zufolge soll Bernd Lucke beim Hören dieser Meldung seinen Frühstückskaffee über seinen Schreibtisch im EU-Parlament verteilt haben – durch Lachen, versteht sich.)

Einen Hoffnungsschimmer gibt es aber am Horizont: Die Partei DIE PARTEI fuhr ein Rekordergebnis (nahezu 2%) ein und wird nun in den Genuss der Wahlkampfkostenerstattung kommen und in vier Jahren einen wesentlich präsenteren Wahlkampf betreiben können. Viele Frustrierte, die keine Lust auf den Populismus einer Wagenknecht hatten, haben sich für die spaßigere Variante entschieden. Zwar mag Serdar Somuncu den Einzug in den Bundestag nur knapp verpasst haben (ihm fehlten etwa 6% der Erststimmen in Friedrichshain-Kreuzberg), aber er kündigte schon an, den anderen Parteien bei der nächsten Wahl »kräftig ins Gesicht zu treten«.

Wir Nichtwähler*innen teilen mit den Wähler*innen das Schicksal, nun noch weitere vier Jahre Merkel (und Schulz!) ertragen zu müssen. Die Verhandlungen über die de facto notwendige »Große Koalition« nähern sich dem Abschluss und auch die Zustimmung der SPD-Parteibasis gilt als beschlossene Sache. Expert*innen prophezeihen der Sozialdemokratie für die Wahl im Jahre 2021 nun einen Absturz unter die magische 20%-Grenze, aber eigentlich ist es nicht möglich, so weit in die Zukunft zu blicken. Für Prognosen wären eigentlich schon ein paar Wochen genug.


Leauthier

Anmerkungen

(1) Dieser Text wurde am 19. September 2017 verfasst, enthält aber Informationen aus dem kommenden Oktober.

04.10.2017
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