Mo Di Mi Do Fr Sa So 
00 00 0102030405 
06 07 080910111213141516171819 
20 2122232425 26 
27 28293031

Aktuelle Termine

CEE IEH-ARCHIV

#192, Januar 2012
#193, März 2012
#194, April 2012
#195, Mai 2012
#196, Juni 2012
#197, September 2012
#198, Oktober 2012
#199, November 2012
#200, Dezember 2012

Aktuelles Heft

INHALT #192

Titelbild
Editorial
• das erste: Interview mit dem Booker Jan
Disneyland des Unperfekten
The Bones
ease up^
Titanic Boygroup – die Abschiedstournee
extrem_ist_in
Get sw.amped up
Talib Kweli
Lords of the Underground
• teaser: Februar 2012 im Conne Island
Veranstaltungsanzeigen
• position: Keine Gewalt ist auch keine Lösung?
• leserInnenbrief: Zur sogenannten Gentrifizierung in Connewitz
• doku: 20 Jahre Nebenwiderspruch
• review-corner event: 20 YRS I
• review-corner event: 20 YRS II
• neues vom: Neues aus dem Briefkasten
Anzeigen

LINKS

Eigene Inhalte:
Facebook
Fotos (Flickr)
Tickets (TixforGigs)

Fremde Inhalte:
last.fm
Fotos (Flickr)
Videos (YouTube)
Videos (vimeo)



20 YRS I

Der Verfasser der folgenden Zeilen hatte sich im Alter von 35 geschworen, nie wieder für das CEE IEH zu schreiben, mit 25, keine Konzerte mehr zu besuchen, mit 15, ab sofort an keinen weiteren Geburtstagsfeiern teilzunehmen (nicht mal an den eigenen) und mit fünf, dem Alkohol abzuschwören.
Doch dann wurde das Conne Island 20 Jahre alt – und er schlug all seine Vorsätze in den Wind. Er nahm an der einmonatigen Feier zu Ehren des Projekts, wo er so lange Unterschlupf gefunden hatte, teil. Besuchte gar ein Konzert (nämlich das schönste, es ward vielversprechend mit „20 Jahre schöne Musik“ angekündigt worden). Trank dort, so schien es Sitte zu sein, Cider. Und glaubte danach genug gehört, gesehen und erlebt zu haben, um diesen Bericht niederzuschreiben.



Conne Island-Geburtstage sind an sich nichts Besonderes. 10 und 15 Jahre Conne Island wurden immerhin schon zelebriert. Aber diesmal war es eine besondere Feier. Eigentlich verbieten sich für den Autoren direkte Vergleiche, denn natürlich hatte er vor fünf und zehn Jahren durch Abwesenheit geglänzt. Wenn er sich jedoch auf die schriftlichen Quellen verlassen kann, ergibt sich folgendes Bild:

Viel wichtiger als die Statistik ist jedoch der Ausschlag beim Stimmungsbarometer auf der Party. Und die verzehrten Kalorien am Buffet. Die Lautstärke der Musik. Der Umfang des Drogenkonsums. Der Flirtfaktor. Die Lachquote. Die Facebook-Einträge und SMS am Morgen danach. Und da haben die Jahre 2001 und 2006 nicht viel zu bieten – auch hier stützt sich der Erzähler auf alte Archivfunde, die behaupten damals sei der Geburtstag recht lustlos und nur aus Pflichtgefühl heraus begangen worden. Und das Publikum habe auch gemerkt, dass die Luft im Conne Island ein wenig raus sei.(4) Und Facebook und die richtig guten Drogen gab es damals natürlich auch noch nicht.

Wie kam es also zum diesjährigen Erfolg? Da hilft ein Blick hinter die Kulisse: Die Vorbereitungen für 20 YRS begannen über ein Jahr im Voraus. Es wurden diverse Finanzanträge gestellt und am Ende davon mehr bewilligt, als man sich je erträumt hätte. Es konnte gar eine bezahlte Stelle zur Koordination all der geplanten Aktivitäten für ein Jahr geschaffen werden. Beim ersten Treffen für das Buch waren mehr Menschen anwesend als bei manchem Montagsplenum. Die Motivation war hoch. Es gab auch Zwischentiefs, so wurde die Gala bereits im Sommer mangels Beteiligung zu Grabe getragen, um dann doch noch am 1. Oktober als beste Veranstaltung des gesamten Festmonats über die Bühne zu gehen (wer hier meint: „beste Veranstaltung“ sei aber eine ziemlich subjektive und ungerechte Einschätzung, möge bedenken, dass der Autor ja kaum weitere Veranstaltungen besucht hat). Klar, dass bestimmte Projekte mal hinten runter fallen, wenn einige Personen bei vier verschiedenen Vorbereitungskreisen involviert sind und der Tag im Conne Island laut Comicstrip in der Festschrift auch nur 24 Stunden hat. Einige der angekündigten Projekte harren deswegen bis heute noch ihrer Verwirklichung. Wahrscheinlich werden sie euch dann im Festjahr zum 25. Geburtstag präsentiert.



Am meisten Angst hatten alle wegen der sich in die Länge ziehenden Sanierung des Vorderhauses. Geplant war die Fertigstellung bis Anfang Juni. Im Oktober wurde immer noch eifrig gebaut. Und selbst jetzt ist nicht alles fertig. Trotzdem konnte am 08.09.2011 das Café und die Ausstellung im Vorderhaus feierlich eröffnet werden – und im Saal fand am gleichen Tag die Diashow und die Buchrelease statt. Dass da das Haus noch einer Baustelle glich, schien die anwesenden Honoratioren nicht weiter zu stören – schließlich bekamen sie das beste Buffet ihres Lebens kredenzt und konnten anschließend auf den Fotos von Thomas Steinert sehen, dass marode Bausubstanz auch ihren Charme hat. Entsprechend versprach der Geschäftsführer in seiner Rede, dass das Vorderhaus nach der Bauabnahme zumindest optisch wieder in einen solchen Zustand zurückversetzt werden würde.

Bei Diashow und Buchrelease dann die Conne Island-typische Mischung aus Selbstbeweihräucherung und Größenwahn: Wir sind die besten, ersten, schnellsten, coolsten, politischsten und schönsten. Wird es oft genug wiederholt, glauben es Erzählende wie Zuhörende. Selbst der sonst immer nur nörgelnde Autor konnte sich dem Sog dieser Erzählung während der Festmonate nicht gänzlich entziehen und ging ihr ein wenig auf den Leim (nicht nur zu seinem Schaden, sei hinzugefügt). Vor allem die Medien, die immer zu haben sind für tolle Storys, sprangen begierig auf diese Inszenierung an. Die LVZ, ehemals Hassobjekt Nummer 1 im beiderseitigen Einvernehmen, schüttete Lobeshymnen über das Conne Island aus(5), die man selbst nicht besser hätte schreiben können. Über die komische Berichterstattung in taz, LIZ und Freitag kann man da galant hinwegsehen. Schade nur, dass die taz-Zitatfälschung(6), im Conne Island habe es nie Autonome gegeben, so umstandslos von Leipzigs Autonomen, die nicht im Conne Island verkehren, geglaubt und dem Conne Island zum Vorwurf gemacht wird (aber das ist ja die andere Geschichte — der altautonome Berichterstatter fragt sich zudem ob das überhaupt echte Autonome sind). Aber auch das Conne Island, so denkt er sich, fälscht sich die Geschichte zurecht: Schon der Slogan „20 Jahre electric island“ stimmt doch vorn und hinten nicht. Es gab 20 Jahre Hardcore und eventuell 20 Jahre Subbotnik (das einzige Event im Herbst, welches leider nicht unter dieser Headline stattfand). Alles andere ist erst im Lauf der Zeit entstanden.

Dennoch kann man konstatieren, dass spätestens nach 20 Jahren das Conne Island, das einstige Schmuddelkind der Stadt, in dessen Schoß angekommen ist. Nicht ohne Grund bekam es von den Eltern eine fette, wenn auch nur einmalige Taschengelderhöhung zum Geburtstag, das Spielzimmer wurde für eine Million neu tapeziert und die Unartigkeiten von früher scheinen vergessen oder zumindest verziehen.

Das Conne Island hat sich zum Geburtstag stark musealisiert. Das liegt nicht nur an den drei Ausstellungen, die weit in die Vergangenheit zurück blicken. Auch das Buch hat eine starke historische Schlagseite. Die Diashow beschwor die heroischen Straßenkampfzeiten der Neunziger. Im Zuge der Feierlichkeiten wurden auch erstmals alte und neue Fotos vom Conne Island ins Internet gestellt(7); gerade wird das Videoarchiv mit allen wichtigen Konzertmitschnitten digitalisiert; im neuen Infoladen gibt es inzwischen eine Archiv-Ecke für die Conne Island-Geschichte; im Bookingbüro hängen gerahmte Tourplakate. Aber auch die neue Architektur tut ihr übriges. Dem Verfasser, der auch sein eigenes Leben selbst nur noch als Archivgegenstand begreift, gefällt dies natürlich. Und doch hofft er, dass dies alles auf die jüngere Generation nicht zu steril, belastend und einschüchternd wirkt. Möge sie sich die (Frei)Räume aneignen, wie es all die Generationen vor ihnen getan haben. Unter anderen Ausgangsbedingungen natürlich: Das Video zu 20 Jahre Conne Island(8) frönt einer entpolitisierten, rosaroten Werbeästhetik, bei der sich der Hauptheld selbst nach fünfmaligen Anschauen immer noch nicht gewiss ist, ob er sie einfach genießen soll oder kulturkritisch als verlogen ablehnen. Aber sie ist inzwischen Teil des Status quo am Conne Island, wie er noch vor 10 Jahren unvorstellbar war – und vor 20 Jahren wären alle Beteiligten dafür gesteinigt worden.

Liebes Conne Island, denkt der Autor etwas wehmütig nach diesem anstrengenden Monat: es war schön, die Feier, die Musik, die 4 Promille im Edgebreak-Getränk und selbst die Mühe, einen Text zu schreiben, hat sich gelohnt. Alles ist gelungen und war großartig (bis auf den Poll, kann sich der Zyniker vom Dienst hier leider schon wieder nicht verkneifen, hinzuzufügen(9)). Vielen Dank für das Alles!


Autor 17.11.2011

Anmerkungen

(1) http://www.conne-island.de/nf/78/14.html, http://www.conne-island.de/nf/78/index.html

(2) http://www.conne-island.de/nf/134/4.html, http://15jahre.conne-island.de/broschuere/

(3) http://20jahre.conne-island.de/programm.htm, http://20jahre.conne-island.de/buch.htm

(4) http://20jahre.conne-island.de/dokumente/Klarofix%20Sommer%202001.PDF

(5) http://nachrichten.lvz-online.de/kultur/news/kulturvolle-gegenkultur-seit-20-jahen-das-conne-island-in-leipzig-feiert-geburtstag/r-news-a-101731.html

(6) http://www.taz.de/!78158/

(7) http://www.flickr.com/photos/conneisland

(8) http://vimeo.com/29962953

(9) http://www.conne-island.de/nf/189/23.html

 

26.01.2012
Conne Island, Koburger Str. 3, 04277 Leipzig
Tel.: 0341-3013028, Fax: 0341-3026503
info@conne-island.de, tickets@conne-island.de