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Aktuelle Termine

CEE IEH-ARCHIV

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Aktuelles Heft

INHALT #175

Titelbild
Editorial
• das erste: Wer hat Angst vorm Sozialismus?
Easter Ska Jam 2010
To Rococo Rot
Ashers, Ticking Bombs
Bouncing Souls
„It's a virus.“
welcome to electric island?
OH! OH! OH!
Welcome home!
The Artery Foundation Tour
Shrinebuilder
Good Clean Fun
Fight for Freedom!
Benefizdisco
Katatonia
Sondaschule
electric island - love edition
Inspectah Deck
Veranstaltungsanzeigen
• review-corner buch: Hitler war's
• review-corner theater: Die Prinzessin als Anarch
• ABC: M wie Metaphysik
Mit Messer und Axt
• doku: VS wirbt versteckt am schwarzen Brett
• doku: Getrennt in den Farben –Vereint in der Sache
• doku: Wir geben keine Ruhe
• doku: tears please!
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• das letzte: Die Linke Wange auch noch hinhalten

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Bereits in CEE IEH #168 druckten wir eine Stellungnahme der Ultras Red Bulls, in der für den modernen Fußball im Allgemeinen und den RB Leipzig im Besonderen Partei ergriffen wurde. An dieser Stelle dokumentieren wir nun einen weiteren Text, der sich mit der ideologischen Hetze gegen den Verein und seine Fans befasst. Der Text erschien zuerst in der #9 der Hallischen Zeitung Bonjour Tristesse.
Die Redaktion



Getrennt in den Farben –
Vereint in der Sache

Sportplatz

„Bullen jagen!“, das ist das mal heimliche, mal offene Motto der hartgesottenen Fans des „Halleschen Fußballclubs“ (HFC), von „Sachsen Leipzig“, „Rot-Weiß Erfurt“ usw. Gemeint ist der neu gegründete Verein „Red Bull“ (offizieller Name: „Rasenballsport“) Leipzig, der vom gleichnamigen Getränkehersteller gesponsert wird. „Bonjour-Tristesse“-Autor Andreas Reschke hofft nicht nur ganz unsportlich darauf, dass der vereinten Fußballmeute, die bereits Spieler und Anhänger des Leipziger Vereins angegriffen hat, beim nächsten Übergriff von der Polizei das Handwerk gelegt wird. Er freut sich auch darauf, in Zukunft nicht mehr auf die Stümpereien im hallischen „Kurt-Wabbel-Stadion“, der Homebase des HFC, angewiesen zu sein, wenn er einmal ein Livespiel sehen und dafür nicht extra nach München oder Hoffenheim fahren will.

Kaum irgendwo kommt das regressive Bedürfnis nach bedingungsloser Unterordnung unter etwas angeblich Größeres unvermittelter zum Ausdruck als im Fußballstadion. Kaum irgendwo sonst kann man sich so ungebrochen und schamlos mit der eigenen Stadt, dem eigenen Viertel oder der eigenen Region identifizieren wie beim Fußball. Nicht nur, aber besonders im und um das Stadion wird das Recht des Stärkeren nicht nur angewandt, sondern ist innerhalb der jeweiligen Fanszene auch weitgehend akzeptiert. Kein Wunder also, dass sich die rohesten und niedersten Charaktere der Gesellschaft vom Verein ihrer Stadt angezogen fühlen und das tun, was Fußballfans eben tun: saufen, pöbeln und im Zweifel auch, wie es im Brachialjargon des Milieus heißt, „nicht nur zuschaun, sondern auch mal zuhaun“. Ist die Gewalt gegen andere Fans oder die Polizei bei den hauptamtlichen Fußballfreunden auch nicht unumstritten, ist man sich in der Liebe (!) zum jeweiligen Klub, dessen Farben man trägt, und die man nach eigener Auskunft bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen bereit ist, sehr wohl einig. (Vorbei ist die Zeit, in der Bundespräsident Heinemann die Frage nach der Liebe zu etwas vermeintlich Höherem mit der sympathischen Antwort abtat: „Ob ich Deutschland liebe? Ich liebe meine Frau!“) Und so gibt der Fußballfan viel auf Tradition und ist trotz der in den meisten Fällen wenig vorzeigbaren Leistungen stolz auf „seinen“ Verein. Vor allem im Osten – wo lediglich sieben Mannschaften oberhalb der Regionalliga spielen – geht es offensichtlich nicht darum, schöne Fußballspiele zu sehen, da es so etwas dort ganz einfach nicht gibt. Das „große“ Leipziger Fußballderby findet in der Oberliga (Fünfte Liga) statt, und auch andere so genannte ostdeutsche Traditionsvereine sind und bleiben zu Recht in den regionalen Niederungen des deutschen Spielbetriebes versunken. Für diese Vereine interessieren sich oft nur Sponsoren, die sich der Region und nicht einem erfolgreichen Marketing verpflichtet fühlen. Gerade in Halle wird es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft nicht die Möglichkeit geben, höherklassige oder gar internationale Spiele zu sehen.

„Projekt Rasenball“

Diejenigen, die an attraktiven Fußballpartien interessiert sind, dürften daher mit Wohlwollen betrachten, was sich derzeit in der nicht nur sportlich tristen Region tut. Der Getränkehersteller „Red Bull“ hat u.a. die erste Männermannschaft des fünftklassigen Vereins „SSV Markranstädt“ übernommen, um möglichst bald mit dem Namen des neu gegründeten Vereins „Rasenballsport Leipzig“ in der Ersten Fußballbundesliga und später im internationalen Rahmen Wettbewerbe spielen zu können. Aufgrund des deutschen Rechts durfte der Verein nicht – wie z.B. „Red Bull Salzburg“ in Österreich – nach dem dahinterstehenden Produkt benannt werden. Mit viel Geld und einem geschickten Management sollen nun Stück für Stück Spieler, Trainer und Ausstattung gekauft werden, um sportliche Erfolge zu sichern. Eine eigene Jugendabteilung soll darüber hinaus gezielte Nachwuchsförderung betreiben. Selbstverständlich tut der Getränkekonzern das nicht den Fußballinteressierten der Region zuliebe, auch wenn er dies gelegentlich behauptet, sondern aufgrund einer längerfristigen Marketingstrategie. Der Verein „Rasenballsport“ („RB“), der nicht zufällig dieselbe Abkürzung wie das Getränk hat, soll vor allem die Bekanntheit der Marke fördern. „Red Bull“ tut also das, was alle Unternehmen im Kapitalismus tun müssen, um zu überleben: Kapital investieren, um damit noch mehr Kapital zu erwirtschaften. Und im Fall von „RB Leipzig“ sind es erklärtermaßen 100 Millionen Euro, die in den nächsten acht Jahren fließen werden, um die sportlichen Erfolge – und damit zugleich die Marketingziele – zu garantieren. Das ist ein Budget, von dem andere Vereine im Osten nur träumen können. Mit seinen nüchternen Kosten-Nutzen-Erwägungen und der Orientierung am finanziellen Gewinn, der als Beiprodukt hochwertigeren Fußball hervorbringen wird, steht der Verein exemplarisch für modernen Fußball.

„Produkt Rasenball“

Seit der Plan des Getränkeherstellers bekannt wurde, regt sich in den Fanszenen nahezu aller ostdeutschen und vieler westdeutscher Vereine massiver Widerstand gegen das „Produkt Rasenball“. Dabei wird ein Horrorszenario entwickelt, in dem das Vorhaben der österreichischen Getränkefirma als generelle Bedrohung des eigenen Vereins erscheint. Die Protagonisten der Kampagne „gegen den modernen Fußball“ und das „Produkt Rasenball“ sind vornehmlich die Ultras der jeweiligen Vereine. Dabei handelt es sich um Fans, die in den Stadien optische und akustische Unterstützung ihrer Teams organisieren, sich viel auf ihre Kreativität einbilden und am Ende doch immer nur die gleichen Choreografien, Sprechchöre und Lieder fabrizieren. Nicht zufällig erinnern die immergleichen Auftritte der Ultras in ihrer „Kreativität“ und „spontaner Leidenschaft“ an den Ablauf nordkoreanischer Propagandaveranstaltungen. Im Rahmen des jugendlich-rebellischen Gebarens der Ultras gibt es häufig Überschneidungen mit anderen Erneuerungs- und Aufbruchsjugendkulturen der jeweiligen Städte. Viele in der Ultra-Szene fühlen sich der Hip-Hop-Kultur, dem Hardcore, der örtlichen Kameradschaft oder – wenn auch deutlich seltener – der örtlichen Antifa verbunden.
Auch wenn es tatsächlich eine gewisse Unklarheit gibt, was denn der so genannte „Ultra-Gedanke“ ist und welche Aktivitäten dazugehören, gibt es einige übergreifende Merkmale: Neben der Stimmungsmache im Stadion sind Revierkämpfe für die Szene kennzeichnend. Man versucht, sich gegenseitig die Fahnen und Schals zu rauben, um sie beim nächsten Spiel – am besten brennend – zu präsentieren. Das Stadtbild wird mit Sprühereien und Aufklebern markiert. Das gegenseitige Auflauern und Verletzen der gegnerischen Fans vor oder nach dem Spiel ist zwar, wie erwähnt, nicht unumstritten, gehört aber dennoch zu jedem Spieltag. Im Osten kommt es darüber hinaus regelmäßig zu Überschneidungen mit der klassischen Hooliganszene, mit der man sich in der Überzeugung einig ist, dass die „Kommerzialisierung“ und der „Ausverkauf“ des Sports unbedingt zu bekämpfen seien. Nachdem sich der Hass auf den „modernen Fußball“ in der Vergangenheit hauptsächlich gegen die „TSG 1899 Hoffenheim“ richtete, in die ein einzelner Unternehmer mehrere Millionen Euro investierte, um den Verein in wenigen Jahren von der Kreisklasse ins obere Bundesliga-Drittel zu befördern, kanalisiert sich der Hass nun auf „RB Leipzig“. In Hoffenheim gab es, so der Tenor, wenigstens einen Traditionsverein, der aufgepeppt wurde. In Leipzig dagegen sei, so die einhellige Meinung der Ultras, ein „künstliches Projekt“ aus dem Boden gestampft worden.

„Bullen jagen“

Seit Beginn der laufenden Fußballsaison, in der der neue Verein erstmals am Ligabetrieb teilnimmt, hat sich eine paranoide Fußballfan-Volksfront formiert, die dementsprechend aggressiv auftritt. Es gibt in Deutschland kaum eine Ultragruppierung, die im Stadion noch keine Spruchbänder gegen den Getränkehersteller präsentierte. Die Fans des „1. FC Köln“ beispielsweise erklärten: „Red Bull verpiss dich. Der Fußball gehört uns!“ In Lübeck befürchtete man: „Bullen machen unseren Sport kaputt.“ Und die Ultras von „Rot-Weiß Erfurt“ befanden: „Dank Geldgier und Kommerz stirbt Fußball mit Seele und Herz.“ Als Ausweg gebe es nur einen Weg: „Kick the bull. Save our game.“ In fast jeder Stadt, so auch in Halle und Leipzig, gab es ein Spruchband mit der Aufschrift: „Stadt XY sagt Nein zum Produkt Rasenball.“ Bei hassgeladenen Derbys, wie etwa zwischen dem „Halleschen FC“ und dem „Chemnitzer FC“, deren Fans sich im günstigsten Fall nur verachten, wird gemeinsam „Scheiß Red Bull“ gerufen, bevor man sich gegenseitig an die Gurgel geht. Kein anderes Thema, nicht einmal der Hass gegen die Polizei, die an den Fußballfans regelmäßig ihre eigenen Allmachtsphantasien auszuleben versucht, vereinigt die Fans so sehr, wie der Getränkehersteller mit der Flügel verleihenden Brause. In Leipzig, wo die enorme Rivalität der Anhänger immer wieder zu brutalen Auseinandersetzungen führt, gab es sogar ein T-Shirt mit der Aufschrift „Getrennt in den Farben. Vereint in der Sache. Traditionsclubs gegen RB Leipzig“. Das T-Shirt wurde zwar kein Kassenschlager; das Motto wurde allerdings beherzigt: Die Kampagne wurde unabhängig voneinander – und dennoch gemeinsam – fortgesetzt. So ließ die vereinte Fußballfront, von Antifa-Hooligans bis zu NPD-Ultras, ihren Worten bereits Taten folgen: Schon vor dem ersten Heimspiel zerstörten Unbekannte den Rasen des neuen Vereins nachhaltig. Ein „Red Bull“-Werbefahrzeug wurde von den linken „Diablos“ des „BSG Chemie Leipzig“ mit Steinen angegriffen, als die muntermachende Limonade vor einer Diskothek im Leipziger Süden beworben werden sollte. Und bei sämtlichen Spielen, die „RB Leipzig“ in der laufenden Saison bestritt, bedurfte es eines Großaufgebotes der Polizei, da der Hass der gegnerischen Fans auch an den Spielern und Fans konkret abgearbeitet werden wollte. Als bei einem der ersten Auswärtsspiele von „RB“ in Jena gegen die zweite Mannschaft von „Carl-Zeiss“ gespielt wurde, pöbelten die Ultras der eher linken Gruppe „Horda Azzura Jena“ gegen die Spieler, bespuckten sie und bewarfen sie mit Gegenständen. Begleitet wurden die Angriffe von Gesängen wie „Wir erschießen euch“. Die optische Untermalung lieferte ein Spruchband mit der Aufschrift: „Red Bull boykottieren. Die Totengräber der Fußballtradition.“ Nach dem Spiel musste die Mannschaft das Stadion fluchtartig unter Polizeischutz verlassen, da die Angriffe der Jenaer nicht nachließen.
Im Forum der Website „ultras.ws“, das mit mehr als 7.000 angemeldeten Mitgliedern Repräsentativität für die Ultra- und Hooligan-Szene für sich beanspruchen kann, entwickelte sich innerhalb von vier Monaten ein 100-seitiger Thread. Dort wird nicht nur schadenfroh über die Aktionen gegen den Rasen, die Mannschaft und die Fans berichtet. Der Hauptzweck des Threads scheint vor allem zu sein, sich gegenseitig seiner Abneigung gegen den „Retortenverein“, der offenbar nicht so natürlich gewachsen ist, wie alle anderen, zu versichern. Üble Gewaltphantasien gegen die „Red-Bull“-Fans – „Erfolgsfans“, „das sind alles bezahlte Studenten, denen der Kopf gewaschen gehört“, „Bonzenpack“ usw. –, Boykott-Aufrufe und Kampfansagen an Kommerz und „Ausverkauf“ gehören dabei ebenso dazu, wie die immergleiche und unsinnige Behauptung, dass man Emotionen nicht kaufen könne. (In die gleiche Kerbe schlug auch eine Gruppe linker Fußballfans, die die Angriffe auf „RB Leipzig“ im Leipziger Szeneblättchen „CeeIeh“ zwar verurteilte und sich zum Support des Vereins bekannte, sich im gleichen Atemzug aber – was kümmert uns die Konsistenz unseres eigenen Geschwätzes – über die Kommerzialisierung und den Ausverkauf des Fußballs empörte.)(1) Paranoid mutet die Angst an, die viele Fußballfans umtreibt, die befürchten, „ihr Sport“ werde durch einen einzelnen, wenn auch etwas anderen Verein zerstört.
Auf einer Anti-„Red Bull“-Seite, die von Anhängern des „1. FC Lokomotive Leipzig“ betrieben wird, fürchtet man gar um den Ruf der Stadt und Deutschlands. Dort befindet man, dass der „Dosenfabrikant […] nichts in Leipzig zu suchen“ habe. Die Gegner des „Projektes Rasenball“ einigt ein Ressentiment, das an die antisemitische „Heuschrecken“-Metaphorik erinnert, die die Landsleute gern bemühen, wenn (ausländische) Raffgier deutsche Kultur angeblich zu zerstören droht.

„Gegen den modernen Fußball“

Ganz so, als wären die eigenen Lieblingsvereine keine Wirtschaftsunternehmen; ganz so, als wäre es nicht gerade der Kommerzialisierung zu verdanken, dass sich der strunzlangweilige Stehfußball Sepp Herbergers endgültig aus den Stadien verabschiedet hat; und ganz so, als wäre die Verbindung von Fußball und Kommerz nicht gerade der zentrale Antrieb jedes B-Jugend-Spielers – gequält wird sich dort anfangs nicht um des Quälens willen, sondern in der Hoffnung, irgendwann auch ein schnelles Auto, eine Villa und eine eigene Posh Spice zu haben –, schimpft man gegen den „modernen Fußball“ und meint vor allem „RB Leipzig“. Der Hass gegen den Verein ist dabei kaum mehr als Ausdruck der Ablehnung der Moderne. Die Lautsprecher der jeweiligen Ultrafraktionen, die, wie die Mehrheit der Fankurvenbesatzungen, in der Regel auf eine gescheiterte Karriere in irgendeiner Kinder- und Jugendmannschaft zurückblicken können, machen aus ihrer Not nicht nur eine Tugend. Sie wünschen sich zugleich eine leicht zu durchschauende Welt, in der alles eine scheinbar traditionelle Ordnung hat.
Mit anderen Worten: Man wünscht sich das Mittelalter. Genau diese Sehnsucht bringt ein Anti-Red-Bull-Aufkleber zum Ausdruck, der im Umfeld der hallischen Ultragruppe „Saalefront“ entstanden ist und massenhaft Halle verklebt wurde. Eine barbarische mittelalterliche Bauernmeute, die mit Heugabeln und anderem Feldgerät ausgestattet ist, hat sich zum Mob zusammengerottet und ist ganz offensichtlich in Pogromlaune. Die Menschen auf dem Aufkleber wirken finster, hohl und stumpf. Mit martialischer Gewalt soll, so die Implikation des Bildes, der volksfremde Eindringling abgewehrt, vertrieben oder besser: vernichtet werden. So wie man sich als das letzte verbliebene gallische Dorf versteht, das dem römischen Imperium trotzt, fühlt man sich von gesellschaftlichen Entwicklungen bedroht, die man nicht versteht. Auch wenn diese Entwicklungen allgegenwärtig sind, wird alles Bedrohliche in den neuen Verein projiziert, von dem man sich unterwandert, angegriffen und an die Wand gedrängt fühlt. Nicht zufällig drängen sich dabei die Parallelen zum Hass auf die Juden auf. Auch im Falle des Fußballs wird hier zwischen raffendem und schaffendem Kapital unterschieden. Während die „Traditionsvereine“ für eine organisch gewachsene, autochthone Kultur stehen, gilt „RB Leipzig“ als ihr bedrohliches Gegenprinzip. Wenn Erfurter Ultras behaupten: „Dank Rasenball Traditionszerfall“, wird deutlich, wie sehr sie sich in die Enge gedrängt fühlen – was stets zugleich künftiges Losschlagen legitimieren soll. Das Bedürfnis nach unvermittelter Gewalt ist offenkundig. Im Forum von „ultras.ws“ schreibt ein „Alterultra“ pars pro toto: „Nur Krawalle könnten echt helfen. […] Auch wenn ich den Osten nicht mag, ,Red Bull' muss weg, koste es was es wolle.“ Ein anderer kündigt an: „Du wirst sehen, dass es bei vielen Spielen von ,RB Leipzig' Krawalle geben wird; das wird vorprogrammiert sein. […] Ich hoffe, dass diesem Verein das Handwerk gelegt wird.“ Auf der Website der ultraorientierten HFC-Fangruppe „Coesa Per Sempre“ erscheint ein selbstdesigntes Bild mit der Unterschrift: „Dead bulls are good bulls“. Folgerichtig fordert die „Saalefront“: „Bullen jagen!“ Die Spiele der Traditionsvereine gegen das „Red Bull“-Team verliefen dank der Polizei, bis auf wenige Ausnahmen, störungsfrei. Man kann allerdings auch in Zukunft davon ausgehen, dass die vereinigten Barbaren immer wieder versuchen werden, Fans und Spieler bzw. die Polizisten, die beide zu schützen versuchen, anzugreifen. Es bleibt zu hoffen, dass ihnen das nicht gelingen und die Polizei alle entsprechenden Versuche unterbinden wird.
Und trotz aller Anfeindungen und Gewalt: „RB Leipzig“ wird wohl einen ähnlichen Weg einschlagen, wie sein mittlerweile auf internationalem Parkett spielendes Pendant in Österreich. Man wird höherklassigen Fußball sehen, eine halbwegs friedliche Atmosphäre im Stadion genießen und dazu einen „Red Bull“ – vielleicht sogar mit Wodka – trinken können. Die Zivilisationsfeinde werden sich dann noch immer beim „1. FC Lok“, beim „HFC“ oder bei „Sachsen Leipzig“ in den unteren Ligen die Klinke in die Hand geben und neidvoll nach Markranstädt schauen. Besseres sei ihnen auch nicht gegönnt.

Andreas Reschke

Anmerkungen

(1) [Anm. d. Red. CEE IEH: Reschke bezieht sich auf eine Stellungnahme der „Ultras Red Bulls“ in CEE IEH #168; siehe: http://www.conne-island.de/nf/168/22.html]

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