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Die Redaktion dokumentiert im Folgenden den Text „Islam is lame!“ der Gruppe Hedonistische Mitte – Brigade Mondän. Der Text wird in zwei Teilen erscheinen und wurde in Zusammenarbeit mit den Autoren redaktionell gekürzt. Er wurde ausgewählt, da er in unseren Augen einen wertvollen Beitrag zur Diskussion um die „Ausformungen des Patriachats in nah und fern“ darstellt, die die Gruppe MFG in den Ausgaben #155 und 156 angestoßen hat. Dabei wollen wir nicht verschweigen, dass wir die Analyse des Verhältnisses von Entblößung und Verhüllung, „Westen“ und „Islam“, bei der Hedonistischen Mitte treffender finden.
dokumentation, 1.1k

Islam is lame!

Das Kopftuchverbot für Schülerinnen als feministische und antirassistische Konsequenz einer Kritik des konservativen Alltagsislam gegen Kulturrelativisten, Traditionslinke und antideutsche Softies verteidigt

      Toll, ganz toll. Dass die Deutschen die Weltmeister sind, wenn es darum geht, bloß nicht als Rassisten zu gelten. Ehrenmorde zu kritisieren, sie zu ächten und das Strafrecht zu ändern, hat nichts, gar nichts mit Rassismus zu tun. Die Leidtragenden dieser besonderen Empfindsamkeit der Gutmenschen gerade dem Islam gegenüber sind wir Frauen. (Seyran Ates)
Aussagen wie diese – aufgegeben von Vernunft und Erfahrung – stoßen bekanntlich bei notorischen Kulturrelativisten und Anhängern des Multikulturalismus auf taube Ohren. Kopfüber schmeißen diese sich ins Fahrwasser eines falsch verstandenen Antirassismus und treiben ans Ufer jenes Unortes, den sie eigentlich nie betreten wollten: Rassismus. Lassen wir zu diesem Zusammenhang Ayaan Hirsi Ali ausführlicher zu Wort kommen – und hören wir zu:
Diejenigen, die sich im Westen schon immer dem Zwang von Glauben und Gewohnheiten widersetzt haben, die weltlichen Liberalen (in manchen Ländern als „links“ bezeichnet) haben bei mir und anderen liberalen Muslimen das kritische Denken angestoßen. Aber die Linken haben im Westen eine merkwürdige Neigung, sich selbst die Schuld zu geben und den Rest der Welt als Opfer zu betrachten, beispielsweise die Muslime. Und Opfer sind bedauernswert und […] per Definition gute Menschen, die wir an unser Herz drücken müssen. […] Kritik an der islamischen Welt, den Palästinensern und den islamischen Minderheiten wird als islamfeindlich und fremdenfeindlich gesehen. Diese Kulturrelativisten sehen jedoch nicht, dass sie, indem sie nichtwestliche Kulturen skrupulös von ihrer Kritik ausnehmen, die Träger dieser Kulturen in ihrer Rückständigkeit einzementieren. Dies geschieht mit den besten Absichten, aber wie bekannt ist der Weg zur Hölle mit guten Absichten gepflastert. Es handelt sich um Rassismus in Reinform. Meine Kritik an der islamischen Religion und Kultur wird gelegentlich als „hart“, „beleidigend“ und „verletzend“ erfahren. Aber die Haltung der […] Kulturrelativisten ist in Wirklichkeit viel härter, beleidigender und verletzender. Eigentlich fühlen sie sich überlegen und betrachten Muslime nicht als ebenbürtige Gesprächspartner, sondern als die „anderen“, die geschont werden müssen.(1)

Die selbstbezogene Sorge, von Dummköpfen für „rassistisch“ gehalten oder von Rassisten instrumentalisiert werden zu können, das heißt die Pflege des eigenen vermeintlich antirassistischen Erscheinungsbildes, scheint allerdings auch Hauptmotiv theoretischen und politischen Agierens eines politischen Spektrums zu sein, das mit Multikulti und Kulturrelativismus auf den ersten Blick nicht viel zu tun hat. Immerhin gehört es dort zum guten Ton, den politischen Islam als den antisemitischen Terror-Verein zu attackieren, der er ist, und den jüdischen Staat gegen sogenannte Israelkritik zu verteidigen. In Opposition zur Avantgarde dieser Politik (der Redaktion Bahamas) hält man allerdings am traditionslinken Antisexismus und Antirassismus fest, in deren Folge man auf dem Unterschied zwischen Islam und Islamismus beharrt. Man erliegt hier ganz selbstbewusst den herrschenden Medien, die dem Publikum nach jedem Terroranschlag, der im Namen des Islam verübt wird, versichern, dass das Wesen des „authentischen“, „wahren“ Islam eigentlich ein friedliches sei, und schlägt im Jargon der Differenziertheit sämtliche unsympathischen Erscheinungen des Islam (wie Steinigungen von Ehebrecherinnen, staatlich und gesellschaftlich institutionalisiertes Kinderficken, Ehrenmorde, Scharia, usw.) dem Islamismus zu. Der Pseudofeminismus dieser Szene hält dann die Kritik an Frauenunterdrückung in islamischen Staaten oder den migrantisch-islamischen Communities des Westens, sofern sie überhaupt artikuliert wird, ganz antirassistisch für weniger bzw. höchstens genauso dringlich, wie die Kritik an deutschem (und linkem) Mackertum, das sich vorwiegend im Unterbrechen von Frauen und anderen stillen und lauten Praktiken (wie Augenrollen, Ironie, Rhetorik und Polemik) äußere.

Diesem aufgrund seiner Hasenfüßigkeit in Sachen politischer Konsequenzen zu Recht mit dem Spitznamen „antideutsch-light“ belegten Spektrum gilt unsere Kritik. Weil wir dort bei Teilen noch eine prinzipielle Empfänglichkeit für sachliche Argumente und wenigstens abstrakte Bekenntnisse zu Feminismus und Antirassismus im kritisch-universalen (statt differenztheoretischen) Sinne unterstellen, machen wir uns die Mühe, ausführlich das Verhältnis von Islamkritik, Feminismus und Antirassismus zu erhellen.

Zur Kritik des konservativ-orthodoxen Alltagsislam

Die gängige Methode, vom „bösen“ Islamismus eine Fiktion des wahren Islam als eigentlich friedfertige und barmherzige Religion abzuspalten, von der man zusätzlich nicht als „dem“ Islam sprechen dürfe, weil „der“ Islam in unübersichtliche disparateste Exegese-Praxen und Sekten zerfallen würde, überrascht nicht nur vor dem Hintergrund, dass sich 1) die islamistischen Ideologen auf den Islam beziehen und ihre Verbrechen im Namen des Islam begehen und dass 2) der Islamismus nicht im luftleeren Raum entstanden ist und entsteht, sondern ein Umfeld braucht, in dem er Wurzeln schlagen und gedeihen, sowie Anhänger rekrutieren kann. Dieses Vorgehen verwundert gerade bei Leuten, denen Wntsprechendes in Bezug auf das Christentum zu Recht nie einfallen würde. Denn, welchen Sinn hätte es, zu Zeiten christlicher antijüdischer Pogrome auf den eigentlich judenfreundlichen Kern des wahren Christentums zu verweisen? Doch höchstens den: das Christentum zu reformieren, indem gewisse abstrakte humanistisch-theologische Grundgehalte (das Gebot der Nächstenliebe etwa) gegen eine wörtliche Auslegung der explizit antijüdischen Evangelien profiliert würden. Das impliziert eine Exegese-Praxis, welche die Texte der Bibel und ihre Produzenten historisiert und kontextualisiert. Wenn es auch in der Geschichte des Christentums grausame Kämpfe um die richtigen Interpretationen biblischer Texte gab, so war eines immerhin von vornherein im Charakter der Bibel angelegt: dass sie eine von vielen Menschen über mehrere Jahrhunderte angelegte Montage unterschiedlichster Textsorten (Historisches, Gesetzestexte, Psalme von Propheten, Berichte über das Leben von Propheten, usw.) ist, von denen in den wenigsten Fällen behauptet wird, sie stammten direkt von Gott. Ein friedliches, säkularisiertes Christentum ist also gerade nicht „authentisch“, sondern in Gegenteil das Resultat von Kämpfen gegen die Buchstäblichkeit.

Statt dem Islam also eine sich als wissenschaftliches Differenzieren gerierende Verteidigungsstrategie angedeihen zu lassen, ist vielmehr zu untersuchen, was (fast) alle Strömungen des Islam bei allen Differenzen im Detail eint, und den Islamismus als deren Avantgarde erscheinen lässt.

Wir unterscheiden bezüglich des Islam im folgenden Islamismus, konservativ-orthodoxen Islam und Reformislam. Vom Islamismus (politischen Islam) machen wir uns einen engen Begriff. Er umfasst Ausführung, Planung und Sympathie des antisemitischen, antiwestlichen, antidemokratischen (Suizid-)Terrors als Selbstzweck wie Mittel zur langfristigen Gewinnung islamischer Weltherrschaft im Sinne der alten Kalifate.(2) Zustimmung zum Terror und explizit politische Anliegen sind für uns dagegen nicht Vorraussetzung, um von einem (authentischen) konservativ-orthodox praktizierten Alltagsislam zu sprechen, der den Koran buchstäblich nimmt. Die Unterschiede von Exegese- und Alltagspraxen innerhalb dieses Islam interessieren dabei zunächst nicht, weil es dort lediglich um Detailfragen, wie beispielsweise Anwendung und Anzahl von Peitschenhieben für bestimmte Verbrechen, geht.(3)Was uns interessiert, sind die zentralen (und von allen Strömungen) geteilten Elemente des Selbstverständnisses dieses konservativ-orthodoxen Islam, die Anknüpfungspunkte, die er für den politischen Islam bereitstellt und insbesondere die Stellung der Frauen in diesem ideologischen wie praktisch-wirksamen System. Der liberale, moderate Islam, den einige dem Islamismus als den „eigentlichen“ Islam gegenüberstellen, ist 1) gerade nicht „authentisch“ und 2) in den islamischen Staaten wie islamischen Communities im Westen eher marginal. Zudem werden dessen Anhänger von Vertretern des Islamismus wie konservativ-orthodoxen Islam psychisch wie physisch unter Druck gesetzt. In noch stärkerem Ausmaß gilt dies für die nicht-religiösen, atheistischen Menschen des „islamischen Kulturkreises“.

Zur Quelle des Islam
      Nicht steht es mir frei, den Koran abzuändern aus eigenem Antrieb. (Koran; Sure 10, Vers 15)

      Es gibt keine Änderung in der Schöpfung Allahs. (Koran; Sure 30, Vers 30)
Der Islam hat nur eine einzige Quelle seiner Ethik/Moral: den Propheten Mohammed, der unfehlbar ist, der beste, perfekteste Mensch, gottähnlich. Im Koran steht, was Mohammed sagte, was Gott ihm (über den Engel Gabriel) gesagt hat. Der Koran ist demnach die Offenbarung des unverfälschten Wortes Gottes. Die Sunna/ Hadithen berichten von den Bräuchen Mohammeds, seinen Aussagen und Taten. Sie stammen von unterschiedlichen Autoren und umfassen auch die Handlungen der ersten vier Kalifen nach Mohammed.
Mohammed, der Religionsstifter des Islam, war zugleich der politische Anführer zunächst eines arabischen Stammes im 7. Jahrhundert. Im Islam synthetisierte er vorislamische lokale spirituelle Praktiken (Beten, Fasten, Beschneidungen, usw.) und traditionelle (politische) Werte arabischer Stämme (Ehre und Schande) zu einer neuen Religion, die nach dem Vorbild und in Steigerung der Buchreligionen streng monotheistisch war und soziale, politische und später auch wirtschaftliche Regeln bereitstellte, die eine Vereinigung der zuvor in grausame Kämpfe verwickelten arabischen Stämme und deren inneren Frieden ermöglichte. Sofern die besiegten arabischen und nicht-arabischen Stämme dem Islam beitraten, wurden sie meistens weder versklavt noch umgebracht (Barmherzigkeit). Die Einheit von politischer und religiöser Führung gilt nicht nur für Mohammed, sondern auch für die folgenden Kalifen.
Koran und Sunna/ Hadithen bilden daher nicht nur die Grundlage für einen moslemischen Glauben, sondern auch für das islamische Recht (Scharia) und damit die (sozial-politische) Lebensweise der Moslems in den politischen und kriegerischen Zusammenhängen des siebten Jahrhunderts ff.(4) Sie regeln und bestimmen die islamischen Dualismen: Kraft-Schwäche, Reinheit-Verunreinigung, Ehre-Schande, Halal (das Erlaubte) – Haram (das Verbotene). Unabhängig von einer moralischen oder politischen Bewertung von Koran und Sunna/ Hadithen als Regelwerken, die für den Alltag eines Gläubigen verbindlich sind, dürften die Schwierigkeiten klar sein, die entstehen, wenn Vorschriften und Gesetze, die im 7. Jahrhundert ff. funktional gewesen sein mögen, als Antworten auf Fragen, die das 21. Jahrhundert stellt, gelesen werden.
Hinsichtlich einer Aktualisierung (Reformierung) des Islam stellt sich daher ein prinzipielles islam-spezifisches Exegese-Problem. Während die Kritik (Historisierung/ Kontextualisierung) christlicher Theologen sich auf Markus, Matthäus, Lukas, Johannes und andere richtet und nicht zwingend auf Gott und Jesus, so wird ein Reformislam um Kritik (Historisierung/ Kontextualisierung) an Allah und Mohammed selbst nicht umhinkommen.(5)
Zum Selbstverständnis des Koran gehört ferner seine Verortung in Kontinuität und Bruch zu den heiligen Schriften der Juden und Christen. Kontinuität, soweit wichtige Persönlichkeiten der Juden und Christen auch von den Moslems als Propheten verehrt werden (Moses wie Jesus). Bruch, soweit Christentum und Judentum des Verrats am reinen Monotheismus bezichtigt werden und der Islam als Wiederherstellung des wahren Monotheismus erscheint, daher die karge Tautologie des Gottesbegriffs. Anders als beim christlichen Antijudaismus, für den der Vorwurf des Gottesmordes zentral ist, resultiert die Judenfeindschaft des traditionellen Islam (incl. der judenfeindlichen Koransuren) vor allem aus diesem religiösen Überlegenheitsgefühl, das natürlich auch mit den militärischen Siegen Mohammeds über die jüdischen Stämme zusammenhängt. Die gesellschaftliche Benachteiligung von Juden in den islamischen Reichen (Dhimmi-Status) traf deshalb auch Christen; und Judenpogrome hielten sich im Vergleich zum christlichen Europa bis zum 19./20. Jahrhundert in der islamischen Welt in Grenzen.
„Islam“ heißt Unterwerfung (unter den Willen Gottes). Der Gottesbegriff ist absolut. Gott fordert völlige Hingabe. Er belohnt, sofern Gebote bis in kleinste Einzelheiten befolgt werden, er straft grausam bei Übertreten von Geboten; im Diesseits mit Krankheiten und Naturkatastrophen, im Jenseits mit dem Höllenfeuer. Allah ist allmächtig und der Mensch ist sein Sklave, der seine Gebote einzuhalten hat. Wie die Beziehungen zwischen dem Moslem und Gott, so regeln Koran und Sunna/ Hadithen auch die Beziehungen unter Moslems und zwischen Moslems und Nicht-Moslems extrem hierarchisch. Diese Beziehungen werden im Folgenden dargestellt.

Sozial-religiöse Ordnung I:
der Moslem und die Anderen
      Ihr Gläubigen […] führt um Gottes willen Krieg! (Koran; Sure 5, Vers 35)
Wer glaubt, was im Koran steht, wer an Allah glaubt und Mohammed als seinen Propheten anerkennt, steht über den Christen und Juden; diese wiederum stehen, als „Völker des Buchs“, über den Ungläubigen, Polytheisten und Abtrünnigen.Die Ungläubigen: sind die Anderen, die Kuffar, asozial, unrein, barbarisch, nicht beschnitten, unmoralisch, gewissenlos und vor allem obszön; Die Ungläubigen sind verflucht und Gott wird sie im Jenseits überaus grausam bestrafen. Ungläubige sind nur auf Erden, um den Gläubigen als Beispiel zu dienen, wie man nicht leben soll.
Die Verräter/Abtrünnigen: stellen den Koran, Mohammed oder den Islam in Teilen oder ganz in Frage. Dies wird als ein grauenhafter Verrat und äußerst schmerzlich erfahren. Die Beleidigten greifen zu gerichtlichen Schritten, Todesdrohungen, Mord gegen die Verräter. Ein Blick in die jüngere Geschichte zeigt, dass nahezu sämtliche Kritiker aus den eigenen Reihen ermordet oder verbannt wurden: Salman Rushdie, Irshad Manji, Taslima Nasreen, Mohammed Abu-Zeid werden von Glaubensgenossen bedroht und von Nicht-Moslems geschützt.
Dem Islam ist die Welt auch geographisch zweigeteilt. Man unterscheidet ein Haus/Reich des Islam (bzw. des „Friedens“, die ideologische „Übersetzung“ des Wortes „Islam“) von einem Haus/Reich des Krieges (das noch nicht mittels Jihad – Heiliger Krieg oder „geistige“ Anstrengung in Glaubensfragen – islamisiert ist).
Die Zweiteilung der Welt und der Jihad-Begriff sind neben der Scharia und dem Überlegenheitsanspruch bzw. Argwohn gegenüber Ungläubigen und Abtrünnigen also Elemente des „authentischen“ Islam, die der politische, terroristische Islam besetzt, radikalisiert. Und auch die Ideologie des Märtyrertodes und der moderne Antisemitismus (mit seinen „Weltverschwörungsjuden“), wie sie der politische Islam vertritt, haben Anknüpfungspunkte im „authentischen“ Islam:
Spätestens mit dem Niedergang des osmanischen Reiches und Kemal Atatürks Beseitigung des letzten Kalifats 1924(6), das wenigstens noch selbst islamisch zunächst über die Araber herrschte und dann von den europäischen Kolonialmächten „abgelöst“ wurde, hat es mit dem ungebrochenen chauvinistischen Überlegenheitsgefühl der Moslems gegenüber den Ungläubigen ein Ende. Dieses Überlegenheitsgefühl, auf das Christen und Europäer entgegen der Annahmen traditioneller Antirassisten und antideutscher Softies kein copyright haben, speiste sich aus jener Zeit, als der Islam bis Spanien, den Balkan und Moskau vordrang (und am Rande erwähnt, diese Blütezeit einer „Liberalität“ verdankte, die neben dem Studium des Koran Naturwissenschaft und nicht-theologische Philosophie zuließ). Nicht nur wurden sie ab dem 16. Jahrhundert aus Europa vertrieben, sondern von den Christen zuweilen in ihre Herkunftsländer verfolgt.(7) Gefühle der Demütigung machten sich breit; der Verlauf der letzten Jahrhunderte gibt den traditionellen Moslems ein Rätsel auf: wie kommt es, dass eine so überlegene Kultur wie der Islam die entscheidenden Schlachten gegen die unterlegenen Ungläubigen verlieren und die meisten islamischen Staaten, bzw. deren Bevölkerungen in die Peripherie der Weltentwicklung gedrängt werden konnten? Während den Linken die ganze Geschichte im bösen Kolonialismus aufgeht, wähnen viele strenggläubige Moslems sich als Opfer einer Verschwörung. Unsichtbare und übernatürliche Mächte müssen ihre Hände im Spiel gehabt haben. Da kommt der moderne Antisemitismus als Exportgut der Europäer (vor allem Deutschen) nicht ungelegen. Zumal angesichts der israelischen Siege von 1948 und 1967 die traditionell-koranische Auffassung von Juden als feigen Schwächlingen an Plausibilität einbüßte. In Form der „zionistischen Weltverschwörung“ (es sind diesem Wahn auch Zionisten-Juden, welche die Außenpolitik der USA bestimmen) bekommt die abstrakte Bedrohung der „islamischen Identität“ (Weltkapitalismus, der traditionelle, patriarchalische Bindungen auflöst) ein konkretes, nämlich jüdisches Gesicht. Judenpogrome sind daher im 20. Jahrhundert keine Seltenheit mehr im islamischen „Orient“. Der Antisemitismus ist jedoch nicht nur bei radikalen Moslems und Fundamentalisten lebendig, sondern gehört auch zum Allgemeingut gemäßigterer Moslems. Nicht zufällig ist „Jude“ in den unterschiedlichsten Sprachen vieler moslemischer Gesellschaften und Communities ein ganz „gewöhnliches“ Schimpfwort, das öffentlich nicht tabuisiert ist. Allerdings liegt der Unterschied darin, dass es die Fanatiker nicht beim Hass belassen, sondern auch zu terroristischen Taten bereit sind.

Sozial-religiöse Ordnung II:
Moslems unter sich
      Jeder kann denken, glauben und zum Ausdruck bringen, was er denkt und glaubt, ohne dass ein anderer einschreitet oder ihn behindert, solange er innerhalb der allgemeinen Grenzen, die die šarî’a vorschreibt, bleibt. Nicht erlaubt ist die Verbreitung von Unwahrheit und die Veröffentlichung dessen, was der Verbreitung der Schamlosigkeit oder Schwächung der Umma dient: „Wenn die Heuchler und diejenigen, die in der Stadt Unruhe stiften, nicht aufhören, werden wir dich bestimmt veranlassen, gegen sie vorzugehen, und sie werden dann nur (noch) kurze Zeit in ihr deine Nachbarn sein. Ein Fluch wird auf ihnen liegen. Wo immer man sie zu fassen bekommt, wird man sie greifen und rücksichtslos umbringen“ (Koran; Sure 33, Vers 60-61). (Artikel 12 der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte im Islam“ vom 19. 9. 1981)(8)
Formend für die islamische Identität sind gesellschaftliche Einheiten, bei denen Ehre und Schande oder Scham zentrale Begriffe sind. Ehre ist eine Angelegenheit der Gruppe, welche immer über dem einzelnen Individuum steht (wer nicht zur eigenen Sippe/Stamm gehört, stößt auf Misstrauen). Die relevanten Gruppen steigern sich von Familien (-clans), Sippe und Stamm zur größten Gemeinschaft der Gläubigen (Umma).
Umma: Allein die Tatsache, dass jemand sich als „Muslim“ bezeichnet, reicht aus, ihn als näherstehend einzuordnen als einen „Nichtmuslimen“. Man fühlt eine emotionale Bindung mit „unterdrückten“ Moslems anderswo auf der Welt. Oft wird die Gemeinschaft der Gläubigen als blutender Körper dargestellt, der Schmerz empfindet, sobald Glaubensbrüder irgendwo leiden oder „unterdrückt“ werden (Kaschmir, Palästina). Mögen gewisse Moslems ein paar Kleinigkeiten auch anders auslegen und praktizieren, als Menschen, die sich auf Allah berufen, gehört ihnen die Solidarität, sind es Brüder und Schwestern. Es geht hier ums Selbstverständnis; dass in der Wirklichkeit der jüngeren Geschichte und Gegenwert mehr Moslems durch Moslems als Nicht-Moslems getötet wurden und werden, tut daher nichts zu dieser Sache.(9)
Stamm/Volk: Jemand aus derselben Region oder demselben Land steht wieder näher als jemand aus einem anderen Land. Das ist weniger an Nationalität (eine moderne Vorstellung) als an eine Abstammungsgemeinschaft gekoppelt, so fühlt sich z.B. ein türkischer Kurde den iranischen und irakischen Kurden verwandt, und nicht seinem türkischen Nachbarn.
Familie/Teilsippe: In vielen Vorschriften des Korans hat der soziale Frieden der eigenen Gruppe die höchste Priorität. Viele der Regeln betreffen die Ehre des Mannes und seiner Familie oder seiner Sippe. Das Pendant zur Ehre bildet die Schande: Genauso leidenschaftlich, wie ein Mann über seine Ehre wacht, ist er davon besessen, Schande oder Scham zu vermeiden. Hierbei spielen Verleugnung und Lüge eine wichtige Rolle. In einer „Scham- und Schuldkultur“ ist es durchaus üblich, ein tatsächliches Ereignis zu ignorieren oder schlicht zu leugnen. Davon erzählen z.B. die arabischen Sprichwörter „Wo du nicht bekannt bist, tue was du willst“ und „Eine verborgene Schande ist zu zwei Dritteln vergeben“.(10)
Dieses Verhalten wird von einem starken Misstrauen begleitet, nicht nur gegenüber Außenstehenden, sondern auch gegenüber Mitgliedern der eigenen Familie und Sippe. In der eigenen Gruppe herrscht ein hohes Maß an sozialer Kontrolle, wobei sich das Misstrauen nicht nur in endlosem Klatsch über (vermeintliche) Verletzungen der Regeln, welche die Ehre der Gruppe aufrechterhalten sollen, äußert.

Sozial-religiöse Ordnung III:
Elemente der islamischen Sexualmoral oder die untergeordnete Stellung der Frau im islamischen Sozialgefüge
      Heiratet eine Jungfrau! Denn sie ist gebärfähig, hat eine süße Zunge, Lippen. Ihre Unreife verhindert Untreue, und sie ist mit euch in allem einverstanden. Im sexuellen Leben hingebungsvoll und genügsam. Ihre sexuellen Organe unbenutzt, kann (sich) eurem anpassen und mehr Lust bringen. (Sunna)(11)
Das gegenwärtige im konservativ-orthodox praktizierten Alltagsislam aufrechterhaltene islamische Patriarchat ist in doppelter Hinsicht anachronistisch. Und zwar ganz allgemein, weil die materielle Grundlage, auf die sich die weltlichen, politischen Herrschaftstechniken des Patriarchen funktional, instrumentell-vernünftig richten, schwindet. In den islamischen Staaten wie in den Communities des Westens ist der durchschnittliche islamische Mann eine von Arbeitslosigkeit erfasste oder bedrohte Warenmonade. Anachronistisch ist dieses Patriarchat auch in seiner spezifisch islamischen Verfasstheit, die in den Allgemeinheiten des politischen Patriarchatsbegriffs nicht aufgeht, bezogen auf die rechtliche Gleichstellung von Frauen und Männern in modernen Gesellschaften. Je offensichtlicher die politisch-materielle und ethisch-moralische Haltlosigkeit dieser Familienstrukturen, desto rigoroser die Praktiken zur totalen Drangsalierung von Frauen. Rekonstruieren wir also zunächst allgemein historisch-soziologisch das islamische Patriarchat und widmen uns danach den spezifischen Herrschaftstechniken, welche das konservativ-orthodox-islamische Alltagsleben zur sozialen Kontrolle von Frauen entwickelt hat.

Personelle und „rechtliche“ Herrschaft von Männern über Frauen (was deren Rechtlosigkeit bedeutet), männliche Polygamie und weibliche Monogamie, kurz Patriarchate sind keine exklusiv westlichen, östlichen, südlichen oder orientalischen Erfindungen. Es sind Herrschaftsformen, die sich in kriegerischen und agrarischen Stammesgesellschaften bis auf wenige Ausnahmen historisch weltweit durchgesetzt hatten. Nach solchen ist die Frau Besitz des Mannes und hat ihm bzw. seinem Clan Kinder zu gebären. Die Polygamie des Mannes ermöglicht viele Kinder. Die Monogamie der Frau sichert die männliche Erbfolge und Stammesverwandtschaft. Söhne steigern die Macht des eigenen Stammes, Töchter schwächen sie, sofern sie fremden Stämmen Söhne gebären und deren Macht vergrößern. Wenn die produktiven Tätigkeiten der Frauen auf die häusliche Sphäre beschränkt bleiben, sie also nicht als Kriegerinnen und/oder wenigstens Produzentinnen des Reichtums des Stammes verwendet werden, sind Töchter eine materielle Belastung der Familie und müssen möglichst schnell verheiratet werden. Ihre wirtschaftliche Ausbeutung – während die Männer Kriege führen oder in Cafe-Häusern philosophieren – steht keineswegs im Widerspruch dazu, dass ihre Hauptaufgabe das Gebären und Aufziehen von Söhnen war (und ist), bzw., dass sie gesellschaftliche Anerkennung, Ehre eben, neben Keuschheit der Anzahl von Söhnen verdanken. Im allgemein-abstrakten Sinne sind Eheschließungen zwischen Kindern eines Stammes bzw. einer Verwandtschaft politische Ehen. Und in diesem Sinne sind die Ehre, die einer Söhne gebärenden und die Schande, die einer Töchter gebärenden Frau zu Teil werden, politisch. Es handelt sich also zunächst (nicht unbedingt ausschließlich) um säkulare Herrschaftstechniken zur Stärkung des eigenen Stammes. Diese säkular-patriarchalische Grundstruktur wird nun religiös überdeterminiert bzw. ausbuchstabiert. Beispielsweise geht der religiöse Keuschheitsimperativ auch für Frauen im Eheleben über das schlichte Monogamiegebot hinaus. Ein solcher Keuschheitsimperativ wird dann z.B. in der islamischen Religion anders legitimiert als in der christlichen und führt zu unterschiedlichen sozialen Techniken zu seiner Durchsetzung.

Die moslemische Frau kann die Ehre ihres Vaters und damit die ihrer Sippe besudeln, indem sie beispielsweise nicht in der jeweils vorgeschriebenen Kleidung das Haus verlässt oder weil sie vor der Ehe Geschlechtsverkehr hat. Die Frau ist damit DIE potentielle Verursacherin der Schande. Die dafür vorgesehenen Strafen reichen von verbalen oder/und körperlichen Warnungen und Misshandlung bis zu Verstoßung und (Ehren)Mord. Bleibt die Betroffene zu Hause, verliert die Familie nicht nur an Achtung, die Frau bleibt auch eine finanzielle Belastung.
Die Tochter ist also viel weniger Wert als der Sohn. Ihre Erziehung ist im Wesentlichen darauf gerichtet, ihre spätere Rolle als tugendhafte, keusche Ehefrau und „Söhnefabrik“ (Hirsi Ali) vorzubereiten, die ihrem Mann zu (auch sexuellen) Diensten zu sein hat. Das schließt nicht mehr immer und überall Schulbesuch/Ausbildung aus, begrenzt sie aber meist auf das heiratsfähige Alter. Vor allem lernt die Tochter, den Vater und die Brüder in Haus/ Wohnung zu bedienen. Zudem wird ihr Wesen auf ihr Jungfernhäutchen reduziert. Die moslemischen Männer, Väter, Onkel, Brüder sind daher verpflichtet, erste sexuelle Kontakte ihrer Töchter, Nichten und Schwestern, sowie außereheliche ihrer Mütter, Tanten, Schwägerinnen und Ehefrauen zu verhindern. Nicht nur Geschlechtsverkehr, sondern auch Blicke auf einen Mann, oder seinen Arm zu streicheln oder ihm die Hand zu geben, sind verboten. Damit stehen und fallen Ansehen und Ehre des Mannes/Bruders und die der Familie/ des Clans.

Das Alltagsleben des konservativ-orthodoxen Islam hat nun eine Vielzahl von Methoden der sozialen Kontrolle von Mädchen/Frauen entwickelt, die Hirsi Ali treffend im Begriff des „Jungfrauenkäfigs“ zusammenfasst.

Als wichtigste Kontrolltechniken seien an dieser Stelle benannt:

1.) Zwangsehen und Verheiratung minderjähriger Mädchen,Vergewaltigungen
2.) Geschlechtliche Apartheid
3.) Kopftücher und andere Bekleidungsvorschriften
4.) Abwertung weiblicher Genitalien und ihre Verstümmelung
5.) Züchtigung, Sharia und Ehrenmorde

Aus Platzgründen wird hier nur der dritte Punkt näher betrachtet:

Kopftücher und andere Bekleidungsvorschriften
      Prophet! Sag deinen Gattinnen und Töchtern und den Frauen der Gläubigen, sie sollen (wenn sie austreten) sich etwas von ihrem Gewand (über den Kopf) herunterziehen. So ist am ehesten gewährleistet, dass sie (als ehrbare Frauen) erkannt und daraufhin nicht belästigt werden. (Koran; Sure 33, Vers 59)
Sexuelle Belästigung und Gewalt scheinen zu Lebzeiten Mohammeds eine ständige Bedrohung für die Frauen gewesen zu sein, was selbst für die Ehefrauen und Töchter des Propheten ein allgegenwärtiges Problem darstellte. Die Männer (von christlichen Kreuzzüglern oder europäischen Kolonialisten ist nicht die Rede) redeten sich oft damit hinaus, sie hätten die Frauen für rechtlose Sklavinnen gehalten, die allzeit verfügbar zu sein hatten. Das Tragen des Gilbab, Gesichtsschleiers, war nun den freien und vornehmen Frauen geboten. Eine Sklavin machte sich hingegen strafbar, wenn sie den Schleier anlegte. Die Frauen und Töchter des Propheten wie der Gläubigen wurden mittels Schleierzwang einerseits sozial aufgewertet, andererseits vor sexuellen Übergriffen dadurch in der Weise geschützt, als nicht die Männer sich zu disziplinieren haben und bei Zuwiderhandlungen bestraft werden, sondern die Verantwortung für männliches Fehlverhalten den Frauen obliegt.
Dem Jungfräulichkeitsdispositiv verpflichtet haben Töchter konservativ-orthodoxer Familien ihren Körper spätestens mit Eintritt der Geschlechtreife/ Pubertät zu desexualisieren, d.h. zu verhüllen. Die Bekleidungsvorschriften reichen vom „harmlosen“ Kopftuch zu extremen Ganzkörperverhüllungen wie z.B. der Burka des Taliban-Afghanistan. Die entsprechende Ideologie lautet: „Männer sind notgeile Ziegenböcke, die ihre Triebe nicht kontrollieren können, das ist ihre Natur, daher kann es nicht darum gehen, die Männer zu disziplinieren, sondern die Frauen haben dem durch entsprechende desexualisierende Bekleidung vorzubeugen. Andernfalls, selbst bei Vergewaltigung, trägt die Frau die Schuld.“ – wobei sie auch dann Schande über die Familie bringt, wenn sie trotz richtiger Bekleidung vergewaltigt wird. Zur Erstickung jeglicher eigener Lust und der Vermeidung einer Weckung von Lust bei anderen gehören für das Mädchen/ die Frau auch ein Gang mit gebeugtem Kopf und gesenktem Blick, so dass jede Art des Kontaktes zu Männern von vornherein ausgeschlossen werden kann.Gleichzeitig richten die Trägerinnen des Kopftuchs (gewollt wie ungewollt) auch eine Botschaft an westliche Frauen oder solche migrantisch-islamischen Hintergrundes, die das Kopftuch abgelegt haben, und/oder gar flirtenden Blicks mit Hüftschwung ihres Weges gehen, nämlich: „Da ihr kein Kopftuch tragt, sagt ihr, dass ihr allen Männern jeder Zeit sexuell zu Diensten seid, ihr Huren.“ Zur Erfahrung dieser Frauen gehört in Bezirken wie Neukölln und Kreuzberg nicht nur die symbolische, sondern auch verbale bis körperliche Beschimpfung durch junge Moslems.
Diese Erfahrungen bzw. deren Äußerung werden von traditionslinken Antirassisten wie antideutschen Softies als „Rassismus“ diskreditiert und nivelliert, indem ohne nachzudenken sofort der Macho und Frauenbeschimpfer der Mehrheitsgesellschaft hervorgekramt wird, dem in der Öffentlichkeit aber selten mehr entspricht, als das Bild des pfeifenden Bauarbeiters. Eine andere Marotte dieses Milieus ist es, die männlich-kulturindustrielle Sexualisierung und Markierung des westlichen Frauenkörpers zu behaupten, die selbst dann, wenn sie wahr wäre, dem islamischen Kleiderzwang nicht vergleichbar ist. Da es diesem Milieu aber nicht um die Wirklichkeit geht, sondern um liebgewonnene linke Phrasen, stellt man sich gar nicht erst folgende zentrale Fragen: welche westlichen Eltern zwingen ihre Töchter in sexy Klamotten, die diese nicht tragen wollen? Welche westlichen Eltern drohen, ihre Töchter zu enterben, nur weil diese mit 14 sich nicht die Brüste mit Silikon aufmotzen lassen wollen?

Zusammenfassung

Auch wenn Traditionslinke, poststrukturalistisch inspirierte Vulgärmarxisten und antideutsche Softies sich auf den Kopf stellen: An Grausamkeit, Perversion und Wahnsinn ist das System Jungfrauenkäfig schwer zu überbieten. Es stellt – um den Foucault-Anhängern verständlich zu bleiben – das alte patriarchalische Allianzdispositiv Europas weit in den Schatten, und ist erst recht nicht mit dem alten oder gar neuen Sexualitätsdispositiv der bürgerlichen Gesellschaft vergleichbar. Seine Effektivität verdankt sich einer Gruppendynamik, die allen Frauen gegenüber misstrauisch ist. Da die Schande der Frau auf die Familienoberhäupter übergeht, stehen auch diese Väter und Brüder unter dem Druck der Gruppe, Gemeinde. Da der Regelkanon den Frauen gegenüber derart streng ist, sind Fehltritte nur die logische Konsequenz, worin sich dem Prinzip der selbsterfüllenden Prophezeiung gemäß das den Frauen entgegengebrachte Misstrauen wiederum bestätigt sehen kann. Aus unterschiedlichsten Motiven werden auch Frauen in diesem System zu Mittäterinnen an ihren (Schwieger-) Töchtern und Nichten und sei es nur, weil sie keine Wahl haben, bzw. die Zurichtung der nächst schwächeren die einzige Möglichkeit weiblicher Machtausübung in diesem System darstellt. Ein System, das von sexuellen Trieben ausgeht, allerdings nur Triebverzicht kennt, da Sexualität der Fortpflanzung untergeordnet ist, und keine Möglichkeiten der Triebsublimierung oder –disziplinierung bereitstellt. Auch für den männlichen Triebverzicht ist die Frau zuständig, indem sie sich desexualisiert. Das diesseitig tugendhafte Leben des Mannes (Entsagung von weltlichen Genüssen) wird dann jenseitig mit etlichen Jungfrauen belohnt (Paradies), an denen der Trieb einseitig-narzisstisch endlich ausagiert werden darf. Der sich selbst versagte Trieb wird dann mitunter den anderen als entfesselter unterstellt (Frauen, Schwulen, Juden, Ungläubigen; schlicht westlicher Dekadenz und Hedonismus) und an ihnen lustvoll verfolgt.

Angesichts dieses offensichtlich perversen Weltbildes stellt sich am Rande die Frage, wie es kommt, dass ein linker Antisexismus, der aus der (bildlichen) expliziten Darstellung aggressiver Sexpraktiken zwischen mündigen Menschen (99,99% der verbreiteten Pornografie) die „Verherrlichung sexualisierter frauenverachtender Gewalt“ macht und bekämpft, nicht den Islam/ Koran als „pornografisch“ denunziert, sondern ausgerechnet Filme, die wie Hirsi Alis/ van Goghs „Submission I“ dieses System kritisieren. Der Verdacht liegt nahe, dass solche Linke das Unbehagen gegenüber der sexuellen Ambivalenz des bürgerlichen Individuums mit dem Islam teilen.

Wie dem auch sei: es sollte deutlich geworden sein, dass die nicht nur heute noch vorhandene, sondern sich ausbreitende obsessive Fixierung auf weibliche Jungfräulichkeit im hegemonial praktizierten Alltagsislam (und um davon zu sprechen, müssen nicht alle Techniken in den drastischsten Varianten vollzogen werden) nicht über Begriffe allgemeiner Patriarchatskritik oder Reflexionen zu Subjektivierungsbedingungen von Frauen in bürgerlichen Gesellschaften erklärt werden kann. Stattdessen wäre folgendem Ansatz nachzugehen(12):

Heute, in der von einigen westlichen Industriestaaten dominierten global-kapitalistischen Welt, sind der Islam und seine Gesellschaften extrem anachronistische Phänomene. Der traditionelle islamische Mann hat drei zentrale Demütigungen erfahren. 1. Den Niedergang des Islam als eine die Geschicke der Welt lenkende Weltmacht; kaum einer der im modernen islamischen Leben verwendeten Alltagsgegenstände ist eine Erfindung der islamischen oder arabischen „Kultur“. 2. Sowohl in den nicht-bürgerlichen Nationalstaaten, sondern häufig despotischen Diktaturen des islamischen „Orients“, als auch den moslemischen „Parallelgesellschaften“ der Diaspora, welche von multikultureller „Integration“ (gewollt oder ungewollt) gestützt werden, fristen die tribalistischen Clanstrukturen ein nur noch prekäres Dasein. 3. Selbst in diesen wenn auch prekär immerhin noch fortwesenden Clanstrukturen ist der moslemische Mann kein „echter“ Patriarch mehr, sondern hier wie dort eine von Arbeitslosigkeit bedrohte oder erfasste Warenmonade.
Der an die Tugend der Frau gekoppelte, überholte Ehrbegriff wie die Rigorosität des Krieges gegen Frauen, den er legitimiert, lässt sich nicht auf die „instrumentelle Vernunft“ prekär gewordener Clanstrukturen zurückführen, sondern auf einen wahnsinnigen und infantilen Amoklauf des traditionellen moslemischen Mannes gegen die (Zumutungen der) Wirklichkeit.
Politischer Islam (Islamismus) und konservativ-orthodoxer Alltagsislam sind „kulturelle“ Verarbeitungsformen der kapitalistischen Zersetzung prämodern-traditionalistischer Herrschaftsverhältnisse; daher eine Verteidigung anachronistischer personeller/feudaler Herrschaftsformen. Nicht das Herrschaftliche in der kapitalistischen Struktur des Westens bildet das ausgewiesene Hassobjekt der Islamisten, sondern im Gegenteil dessen säkulare, politische, soziale und alltagsmoralische „Kultur“. Der Westen steht in dieser Wahrnehmung für eine rationale Entzauberung der Welt durch Kritik, Zweifel, Ambivalenz, der mit einer regressiv-aktivistischen Krisenbewältigung begegnet wird. Das Elend in vielen arabischen und islamischen Staaten ist aber nicht ausschließlich durch extern hereinbrechende kapitalistische Modernisierungsschübe verursacht, sondern darüber hinaus ganz elementar durch interne lokale Herrschafts-, Ausbeutungs-, und Unterdrückungsmechanismen einschließlich despotischer Traditions- und Bereicherungsmuster mitbedingt (Überwachungsapparate, Reste einer Scharia-Gesetzgebung, Unterdrückung von Meinungsfreiheit und Demokratie, willkürlich und korrupt verfahrende Bürokratie, usw.). Deshalb ist der Aufstieg des islamischen Fundamentalismus (politisch wie alltagspraktisch) auch keine (wenn auch falsche) Antwort auf das Scheitern aller westlichen Modelle vom Liberalismus bis zum Marxismus, sondern umgekehrt ist die unzureichende Abkoppelung vom islamisch-despotischen Traditionsbestand die eigentliche Ursache für die fehlgeschlagenen oder steckengebliebenen Modernisierungsversuche. Daher rührt zwangsläufig das irrational-apokalyptische Agieren des politischen wie alltagspraktischen Fundamentalismus. So gibt es nur einen realistischen Ausweg aus dem Elend: Säkularisierung und Demokratisierung der Gesellschaft und Reformierung des Islam.

Der Tendenz nach gehen die meisten islamischen Staaten und islamisch-migrantischen Communities des Westens, wie Umfragen unter Jugendlichen zeigen, den umgekehrten Weg einer Re-Islamisierung. Die Grenzen zwischen konservativ-orthodox praktiziertem Alltagsislam und politischem Islam sind wie gezeigt fließend. Das wichtigste Kennzeichen des konservativ-orthodoxen Islam besteht darin, Religion nicht als individuelle Privatschrulle von Bürgern anzuerkennen, was die Freiheit von Individuen, eine Religion zu wählen oder areligiös zu sein, ein Glaubensbekenntnis jeder Zeit widerrufen zu dürfen, bedeutet. In der BRD wird Kindern dieses Recht mit Vollendung des 14. Lebensjahres eingeräumt (RKEG, §5; bezeichnender Weise jener Zeitpunkt, um den herum die meisten Techniken des Jungfrauenkäfigs durchschnittlich zu greifen beginnen). Ein liberaler, moderater Islam würde sich nun zu aller erst dadurch auszeichnen, sich diesem Recht zu verpflichten. Bliebe es diesbezüglich nicht nur beim Lippenbekenntnis und hielte ein solcher Reformislam gleichzeitig dennoch an z.B. Elementen der repressiven Sexualmoral fest, so gingen ihm voraussichtlich etliche Gläubige verloren (Frauen, Schwule und liberalere „Muslims“ und „Muslimas“). D.h., der Reformislam wäre genötigt, das Selbstverständnis elementarer Bestandteile des „authentischen“ Islam zu überdenken, um die andernfalls verlorenen Schafe weiter an sich binden zu können. Analog hat jeder Pfarrer das Recht, in der Kirche zu predigen, dass die Frau Untertan des Mannes sei (Vgl.: NT, 1. Kor 11, 7). Er hat aber nicht das Recht, jene Frauen, die sich das nicht anhören wollen und folglich diese Kirche nicht betreten, zu verfolgen. Und das Christentum beugt sich nicht nur diesem weltlichen Recht (das tut auch der moslemische Ehrenmörder im Absitzen der Strafe aufgrund des Rechtsbruchs), sondern verinnerlicht es (indem dieses Verbot gar nicht erst missachtet wird).

Eine abschließende Bemerkung, bevor wir zu den politischen Konsequenzen kommen, weil spätestens jetzt ein Geschrei und Gezeter aus dem Lager von Traditionslinken und antideutschen Softies nicht mehr überhörbar sein dürfte, das im Vorwurf einer „Apologie des Christentums“ mündet: Eine Religion, die in ihrer augenblicklich hegemonialen Alltagspraxis Reform und Säkularisierung hinter sich hat (woran die Existenz abseitiger Sekten nichts ändert) positiv einer Religion gegenüberzustellen, für die obiges in ihrer hegemonialen Verfasstheit nicht gilt, verbietet sich nur vom Standpunkt a) eines Dorfatheismus oder b) eines christlich-abendländischen Selbsthasses (aus schlechtem Gewissen). Beides ist unter unserem Niveau.

Hedonistische Mitte – Brigade Mondän

Die Fortsetzung folgt im nächsten CEE IEH.

Anmerkungen

(1) Ayaan Hirsi Ali, Ich klage an. Plädoyer für die Befreiung der muslimischen Frauen, München 2005, S. 12-14.

(2) Zu Entstehung, Ideologie, Praxis und Verbreitung des Islamismus vgl. z.B. Matthias Küntzel, Djihad und Judenhass, Freiburg 2003. Zum Wirken islamistischer Organisationen in der BRD z.B. Günther Lachmann, Tödliche Toleranz. Die Muslime und unsere offene Gesellschaft, München 2005.

(3) Es geht nicht darum, verschiedene kulturell-regionale Differenzierungen des Islam zu leugnen. So leben etwa 1,3 Milliarden Moslems auf der Welt. In ihrer Minderheit sind sie Anhänger eines Schia-Islam. Dazu gehören die mehrheitliche Zwölfer Schia, die Siebener Schia (die Ismailiten) und die Alewiten. Eine deutliche Mehrheit (85-90% aller Moslems) vertritt der Sunna-Islam, der wiederum in vier verschiedenen Rechtsschulen zerfällt. Selbstverständlich ist auch hinsichtlich der gesellschaftlichen Verfasstheit der 46 Staaten, in denen der Islam die Mehrheitsreligion bildet, zu unterscheiden. So gibt es religiös legitimierte traditionelle Monarchien (Marokko, Saudi-Arabien, Jordanien, die Emirate am Golf), „säkulare“ Einparteiensysteme, die über militärische Putsche installiert wurden (Syrien, Irak, Tunesien), Militärregime (Ägypten, Algerien, Libyen) und „Gottesstaaten“ (Taliban-Afghanistan, Iran). Hervorzuheben sind die Türkei – als laizistische Demokratie, wobei sich eine entsprechende Alltagspraxis eher auf Großstädte wie Istanbul und Ankara beschränkt und auch hier Tendenzen eines islamischen Rollbacks zu verzeichnen sind – und Indonesien; ebenfalls demokratisch steht das größte islamische Land der Welt einerseits für einen im internationalen Vergleich ausgesprochen liberalen Islam, anderseits ist es Brutstätte internationaler Terrornetzwerke, gegen welche die indonesische Regierung nur halbherzig vorgeht.

(4) Vorhandensein bzw. Bedeutung eines totalen religiösen Rechts (Scharia), das alles menschliche Handeln nach islamischer Ethik bewertet und durch Gesetze regelt, unterscheidet den Islam von allen anderen Religionen. Die Scharia umfasst Steuerrecht, Handelsrecht, Familienrecht, drakonisches Strafrecht und alle Gebote zur Ausübung der Religion. In allen diesen Bereichen werden Frauen systematisch „benachteiligt“ und sind höchstens halb so viel Wert wie Männer. Strenggläubige Moslems versuchen, nach diesen Gesetzen zu leben.

(5) „Eine historisierende Lesart des Koran-Textes, so wie Christen ihre Bibel textkritisch lesen, wird von den meisten Muslimen […] als häretisch zurückgewiesen. Der Muslim, der hierfür eintritt, setzt sein Leben aufs Spiel.“ (Bassam Tibi, Der wahre Imam. Der Islam von Mohammed bis zur Gegenwart, München 1996, S. 89) Vgl. zu diesem Aspekt auch Dan Diner, Versiegelte Zeit. Über den Stillstand in der islamischen Welt, München 2005.

(6) „Seit mehr als 500 Jahren haben die Regeln und Theorien eines alten Araberscheichs und die abstrusen Auslegungen von Generationen von schmutzigen und unwissenden Pfaffen in der Türkei sämtliche Zivil- und Strafgesetze festgelegt. Sie haben die Form der Verfassung, selbst die kleinsten Handlungen und Gesten eines Bürgers festgelegt, seine Nahrung, die Stunden für Wachen und Schlafen, den Schnitt der Kleider, den Lehrstoff in der Schule, Sitten und Gewohnheiten und selbst die intimsten Gedanken. Der Islam, diese absurde Gotteslehre eines unmoralischen Beduinen, ist ein verwesender Kadaver, der unser Leben vergiftet.“ Es ist Mohammed, den Atatürk hier einen „alten Araberscheich“ bzw. „unmoralischen Beduinen“ nennt. Zitiert nach: Necla Kelek, Die fremde Braut. Ein Bericht aus dem Inneren des türkischen Lebens in Deutschland, Köln 2005, S. 57.

(7) Vgl. zu Aufstieg und Zerfall des islamischen Weltreiches z.B.: Bernard Lewis, Die Araber, München 2003; insbesondere S. 213-246.

(8) Vgl.: www.Dadalos.org/deutsch/Menschenrechte/Grundkurs_MR2/Materialien/dokumente_8.htm

(9) „Etwa 90 % der heutigen Bürgerkriege und Gewalttaten [spielen sich] innerhalb muslimischer Länder oder zumindest mit muslimischer Beteiligung ab.“ (Walter Laqueur, Die globale Bedrohung. Neue Gefahren des Terrorismus, München 2001, S. 341)

(10)
Es geht nicht darum, dass ein etwaiges Verhalten an sich schändlich bzw. unmoralisch wäre, sondern lediglich um das öffentliche Scheitern gesellschaftlich konformen Verhaltens. „Anders also als im Zivilisationsprozess in der westlichen Hemisphäre, der Freud zufolge vor allem als Sublimierung und Internalisierung äußerer Zwänge ablief, bleiben Ge- und Verbote in der islamischen Welt vornehmlich äußerlich. Das Kollektiv befindet anhand eines Sets von Normen, ob etwa eine Ehrverletzung vorliegt.“ „Ehrhaftigkeit ist also nicht Teil eines ins Über-Ich übernommenen Wertekanons, sondern wird kollektiv und entlang koranischer, als unmittelbar von Gott stammenden Vorschriften und Regeln vermittelt.“ In den zitierten Sprichwörtern rationalisiert sich daher das Fehlen internalisierter Kontrollinstanzen (wie Gewissen, Über-Ich, usw.), bzw. zeugen sie zugleich von einem externalisierten Über-Ich (Gemeinde, Koran) und einem auf andere projizierten Es. Vgl. dazu Christian Knoop/ Thomas von der Osten-Sacken, Zur Psychopathologie des Islamisten, in CONTEXT XI, Januar 2005.

(11) Von Necla Kelek (Die fremde Braut. Ein Bericht aus dem Inneren des türkischen Lebens in Deutschland, Köln 2005, S. 159) ohne weitere Angabe zitiertes Hadith.

(12) Vgl. zur „historischen“ Dimension des folgenden Bernard Lewis (Die Araber, München 2003; insbesondere S. 213-246), Hans Magnus Enzensberger (Der radikale Verlierer, in DER SPIEGEL 45/2005) und Leon de Winter (Wacht auf, wir sind im Krieg!, www.cicero.de/97.php?ress_id=1&item=230); zur „psycho(patho)logischen“ Dimension Natascha Wilting (Psychopathologie des Islam, in BAHAMAS 38 oder die gekürzte Fassung desselben Artikels im Reader „Wo Multikultis das Land regieren“, April 2005, Berlin) und Christian Knoop/ Thomas von der Osten-Sacken (Zur Psychopathologie des Islamisten, in CONTEXT XI, Januar 2005.); zur „ökonomie- und ideologiekritischen“ Dimension die Vorgenannten und Hartmut Krauss (Faschismus und Fundamentalismus. Varianten totalitärer Bewegung im Spannungsfeld zwischen „prämoderner“ Herrschaftskultur und kapitalistischer „Moderne“, Osnabrück 2003; insbesondere Teil 4: Zur Konstitution des islamischen Fundamentalismus, S. 183-300). Es liegt in der Natur von Erklärungsansätzen, dass sie nicht erschöpfend sind, sondern richtungsweisend. Der Vorgestellte ist dem linken Mainstream jedoch allemal haushoch überlegen, der die ökonomische, politische, kulturelle Rückständigkeit des islamischen Raumes (antikolonialistisch) ausschließlich auf den Kolonialismus zurückführt oder (vulgärmarxistisch) behauptet, dass die Peripherie unter den Bedingungen des Weltkapitalismus zur Stagnation verdammt sei.


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last modified: 24.8.2008