home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt
[149][<<][>>]

das Letzte, 1.2k

Die Reste 2007


Wieder nähert sich ein Jahr dem Übergang zur anderen Seite. Für diejenigen aber, welche noch ein wenig zu bleiben gedenken, ist es die Zeit des Innehaltens, der Rückschau und der inneren Einkehr. Wo kommen wir her, wo gehen wir hin, was soll der Scheiß?
Das Ziel der CEE IEH-Redaktion, diese kleine Kolumne quasi zur Zentrale der sittlichen Mobilmachung der „Jugend“ genannten demographischen Katastrophe auszubauen, wäre ohne die große Anzahl von Helferinnen und Helfer nicht einmal denkbar gewesen. Stellvertretend für alle sei einigen an dieser Stelle gedankt. Olli Reinhard, der Pop-Proll der Sächsischen Heimat-Zeitung. Der David Copperfield des Wortes, der Magier der abgeschriebenen Sätze, Dr. Reiner Burger von der „Zeitung für Deutschland“. Und selbstverständlich Antje „Eva“ Hermenau, die Nervensäge Gottes, ein unsterblicher Blondinen-Witz. Eine Niederkunft
Ortseingang Oberpöbel, 29.1k Wer raucht, den frißt das Krokodil, 19.9k
der Niedrigkeit mit den Charakteristika „unbequeme Wahrheit“, „kritische Denke“ und tiefe, tiefe geistige Bescheidenheit.
Und ich verrate sicher nicht zu viel, wenn ich sage, dass alle sich bereit erklärt haben, im kommenden Jahr mit allerlei Schabernack weiter ihren Quatsch-Comedy-Club zu betreiben.
Aber auch Kritik und Selbstkritik gehören in die Jahresabschluss-Bilanz. Wo sich so viele so viel Mühe gaben, wäre das Unternehmen fast am Moderator gescheitert, von dem es in Heftchen #145 hieß:

„Bildung ist was Schönes, besonders wenn man sie auch in nichtrevolutionären Zeiten anwenden kann, wie das sozialistische Überschriftenbastler-Kollektiv in der „sozialistischen Tageszeitung“:
      Gaza wird zum Gordischen Knoten
Wenn der alte Fahrensmann Flash Gordon, der Erfinder des Gebindes, davon erführe, nähme er wohl das Damoklesschwert aus der Büchse der Pandora im Inneren des Pergamon, ginge durch den Augiasstall, befragte das Orakel von Neu Dehli, sagte ‚Hossa` zur heißen Hydra... Zum Ende hin würde er den ganzen bedeutungshubernden Sprachabfall und die ihn produzierenden Presskanaillen mit einem Hieb zerschlagen wie den Knoten. Was aber würde aus Gaza?“

Sicher, das war wohl gut gemeint, musste aber in seiner intellektuellen Hilflosigkeit ein Dokument des Scheiterns darstellen. Denn knapp zwei Wochen später lautete die im Text verschwiegene Überschrift:
      Gaza ist zur Hölle geworden,
woraufhin die neue Unübersichtlichkeit eine weitere Form annahm.
      Gaza im Strudel der Gewalt,
protokollierte das Neue Deutschland Mitte Juni, um am folgenden Wochenende statt zu präzisieren, die Gänsefüßchen zur Differenzierung einführte:
      Gaza-Streifen wird zu „Hamastan“.
Und Ende Juni war es dann nicht mehr zu verheimlichen.
      Desaströse Lage in Gaza
Der als Gordischer Knoten gedachte Gaza-Streifen, mutierte kurzfristig zur Hölle, die im Strudel der Gewalt die Gestalt erneut, diesmal zu „Hamastan“, ändert. Das ließ keinen anderen Schluss zu, es ist eine desaströse Lage in Gaza.
Tja, darauf muss man kommen, was nicht heißt, es dann auch so trefflich formulieren zu können.

Bonus-Track: Der letzte Scheiß 2007 (Alles muss raus!)

Markus Langner, Dresdner Morgenpost. Sein erster Satz:
      Dieser Schnellschuss geht hoffentlich in die Hose.
Uli Brockmeyer, unsere zeit. Überzogen hochgespieltes Atmen für den Frieden:
      Das vom Westen immer wieder überzogen hochgespielte Atemprogramm der KDVR ist offensichtlich für Südkorea kein Hindernis für weitere Gespräche.
Reinhard Müller, Frankfurter Allgemeine Zeitung. Knast wie für andere Nazis auch:
      Mit guten Gründen kann man annehmen, dass die früheren RAF-Terroristen nach mehr als zwanzig Jahren Haft nicht mehr gefährlich sind. Sie lassen sich wieder in die Gesellschaft integrieren, wie einst NS-Verbrecher auch. Aber bitte erst, wenn die langen, aber angesichts der monströsen Taten immer noch vergleichsweise moderaten Strafen verbüßt sind.
Andreas Platthaus, ebd. Über einen Nazi-Wehrmachtsoffizier, der seine lange Strafe verbüßt hat:
      Helmut Schmidt hat den Krieg erlebt (...) Der Altkanzler nacht keinen Hehl daraus, dass er über Leichen gehen musste, auch wenn er als Flaksoldat die toten Gegner nicht sah.
Donna San Floriante, Junge Welt. Rechnen wie Antje Hermenau:
      Wer heute Pete Seegers Auftritt am 5. Januar 1967 in der Westberliner Schaubühne hört, (...) auf nun endlich 30 Jahre später herausgebrachten zwei CDs (...)
Uwe Peter, Sächsische Heimat-Zeitung, im Mai. Dieser Prophet gilt nichts im Heiligen Land:
      Und so geschieht das nun auch in Israel. Egal wie sehr Olmert sich in den nächsten Tagen möglicherweise noch an sein Amt klammert – seine Tage als Premier sind gezählt (...)
      Innenpolitisch derart angeschlagen wäre er dann auch kein ernst zu nehmender Gesprächspartner mehr für Palästinenser und Araber. Ein starker Premier aber ist für Israel jetzt ebenso wichtig wie für die gesamte krisengeschüttelte Region Nahost.
Wolfgang David, ebd. die 15.000 Seiten Zuständigkeit auf der Waage, die hielte, glaubt man Lutz:
      So, wenn der Autor Lutz Rathenow, der mit 15.000 Seiten Stasi-Akten (über ihn, nicht von ihm) einiges an Zuständigkeit auf die Waage bringt, glaubt, dass eine Mehrheit der Ostdeutschen die DDR nicht für eine Diktatur hielte.
Holger Oppenhäuser, monitor - rundbrief des apabiz e.v. Die Selbstverortung in Verhältnissen der Krisenphasen als verständliche Alternative gegen die Couleur der Konjunktur:
      Es geht darum, verständliche Alternativen zu einer inhumanen Ideologie anzubieten, die offensichtlich einer beachtlichen Menge von Menschen in ökonomischen Krisenphasen - in denen Antikapitalismus jeglicher Couleur Konjunktur hat - zur Selbstverortung in den unübersichtlichen gesellschaftlichen Verhältnissen nutzt.
Bernd Hilder, Leipziger Volkszeitung. Ein Feldzug für die Pressfreiheit des Profits, endlich sagt es mal einer:
      Umso wichtiger war der juristische Feldzug der Cicero-Verantwortlichen gegen das offensichtliche Unrecht: Sie haben der Pressefreiheit in Deutschland zu einem Sieg verholfen, von dem auch andere Medien profitieren werden.
***

Das Letzte aber kann selbst der Anfang sein. Vielleicht ist, wie der Dichter sagt, im Untergang die Botschaft der Rettung enthalten. So hören wir auch am diesjährigen 31. Dezember jene ewigen Worte des Alfred Tetzlaff („Ein Herz und eine Seele: Silvesterpunsch“), die seit über drei Jahrzehnten Mahnung und Anklage sind, die stillschweigende Demut und Umkehr hervorrufen.
      Journalist, mein lieber Mann, das ist vielleicht ein Beruf. Das sind doch lauter gescheiterte Existenzen. Wenn einer zu faul ist oder zu dumm, einen richtigen Beruf zu erlernen, dann wird er Journalist.
Gunnar Schubert

home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt |
[149][<<][>>][top]

last modified: 25.11.2007