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Im Folgenden dokumentieren wir die Zusammenfassung eines Referats über das Buch „Die Kinder des Dschihad“ welches eigentlich im Tomorrow Theorie Café gehalten werden sollte, aber leider nicht stattfand. Trotz mehrmaligen Verteilens an vielen Schulen im Stadtgebiet, hat sich Niemand im B12 eingefunden. Doch dazu vielleicht später mehr. Tomorrow
Tomorrow-Café, 1.5k

Die Kinder des Dschihad


Buchcover, 37.1k

Souad Mekhennet, Claudia Sautter, Michael Hanfeld: Die Kinder des Dschihad. Die neue Generation des islamistischen Terrors in Europa, Piper: 2006, ISBN: 3-492-04933-8, 224 Seiten

Das Buch ist im Infoladen im Conne Island zur Ausleihe erhältlich.
      „Wenn ich groß bin, möchte ich ein Mudschahed werden wie mein Vater und Ungläubige töten.“ (7)
Dies ist nicht etwa ein Tagebucheintrag von Hassan al Banna oder Osama Bin Laden aus ihrer Jugendzeit. Nein! Dies ist die Antwort eines kleinen Fünfjährigen Jungen der in Süddeutschland aufwuchs, auf die Frage eines Polizeibeamten was er denn einmal werden wolle wenn er groß sei. Eigentlich wollte der Beamte nur beruhigend auf den Jungen einwirken, ihm die Angst nehmen. Seine Kollegen waren nämlich gerade dabei die Wohnung der Eltern zu durchsuchen und den Vater, wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung festzunehmen. Doch mit solch einer Antwort hatte selbst der Mann in grün nicht gerechnet.
Ein Fünfjähriger lebt mitten in Deutschland und will töten. Er will in den heiligen Krieg ziehen und Ungläubige vernichten. Es ist sein größter Wunsch sein Leben für eine höhere Sache zu opfern. Er ist eines der „Kinder des Dschihad“ um die es im vorliegenden Buch geht(1) . Die Autoren versuchen aufzeigen, dass die Verbreitung und die damit einhergehende Radikalisierung islamistischen Gedankenguts seit den verheerenden Anschlägen vom 11. September 2001 auf das WTC, sowohl in Europa als auch in der restlichen Welt, stark zugenommen haben. Des Weiteren gilt es für sie herausfinden, warum uns die Islamisten hassen und wie sich ihr inhumanes Welterklärungsmodell, welches für alle Missstände auf Erden die Ungläubigen der westlichen Welt verantwortlich macht, zunehmend in einer Gesellschaft verbreiten kann, welche zumindest formell jedem Menschen die gleichen Rechte zuspricht. So heißt es im Vorwort: „Wir haben uns gefragt, warum junge Menschen, die in Europa aufwachsen, die hier als Kinder der zweiten oder dritten Einwanderergeneration geboren sind, die anscheinend bestens integriert sind und die Chance haben, aus ihrem Leben etwas zu machen, sich re-islamisieren. (...)Warum sie sich von der Gesellschaft abwenden, die ihnen ein Maß an Freiheit und Toleranz beschert, das es in keinem islamischen Land gibt. Liegt es an ihnen? Oder liegt es an unserer Gesellschaft? Wollen sie hier nicht Fuß fassen oder können sie es nicht und stoßen auf Barrieren, die sie nicht überwinden können?“ (9)
Um Antworten auf all die schwierigen Fragen zu finden, besuchten sie „islamische und islamistische Kreise in Deutschland, Dänemark, Groß-britannien, den Niederlanden, in Jordanien, dem Libanon, in Marokko, Afghanistan und Pakistan“ (12f.) und riskierten bei konspirativen Treffen an geheimen Orten nicht selten ihr Leben. Anhand verschiedener Beispiele (welche sich auf Europa beschränken), wie dem Karikaturenstreit in Dänemark, den Anschlägen in London und Madrid, der Existenz der „Ulmer Gruppe“(2) in Deutschland (eine der größten Terrorzellen die jemals in Deutschland existierte und im Jahr 2005 verboten wurde) oder dem Mord an Theo van Gogh in den Niederlanden wollten die Verfasser zeigen, dass die Idee zur Bereitschaft, sein eigenes Leben für eine höhere Sache zu opfern und so viele Zivilisten zu töten wie möglich, nicht nur längst in Europa Fuß gefasst hat, sondern so populär ist wie noch nie. „Hunderttausende muslimischer Jugendlicher radikalisieren sich; auch in Europa ist die zweite und dritte Generation der Einwanderer oft radikaler als ihre Eltern.“ (1)
Sie redeten mit Gegnern und Befürwortern des heiligen Krieges und trafen auf unterschiedlichste Reaktionen. Dabei war ihnen stets bewusst, dass viele Menschen deren Leben sie in ihrem Buch beschrieben haben, die Toleranz gegenüber Andersgläubigen nicht aufbringen wollen, die sie für sich selbst einfordern. Sie sind im Krieg und wollen gar nicht mehr heraus. Da machen sich die Verfasser nichts vor (Vgl. 13). Doch trotzdem wollten sie aufzeigen und verstehen, wozu Menschen, die das Leben hassen und den Tod lieben, bereit sein können, wenn es darum geht, sein eigenes individuelles Leben für den blinden Willen der Gemeinschaft, für den Krieg gegen die westliche Welt zu opfern. Für die Verfasser „ist die Auseinandersetzung mit der islamischen Welt mit diesem Buch noch nicht beendet.“ (17) „Sie wird noch Jahre und Jahrzehnte dauern. Sie wird eine ganze Generation beschäftigen.“ (221)

Die Verbreitung des Hasses scheint unaufhaltsam. Auch in Europa

Der Karikaturenstreit in Dänemark bildet den Anfang des Buches und nimmt eine Art Schlüsselposition ein. „Den notwendigen Dialog, der verhindern könnte, dass sich die Muslime weiter radikalisieren, gibt es hier so gut wie gar nicht mehr.“ (13) Dänemark, und der Imam Abu Laban, der die Proteste anführte und sie sogar in die arabische Welt trug, obwohl er ja angeblich nur die Integration aller Muslime im Sinn habe, fungieren „als Negativbeispiel für ganz Europa“ (a.a.O.).
Was hatte dazu geführt, dass auf der ganzen Welt dänische Flaggen brannten, Menschen starben und dass die Karikaturisten von diesem Tag an bedroht wurden und, unter Polizeischutz gestellt, untertauchen mussten?
Zwölf Karikaturisten hatten im Auftrag von Fleming Rose, dem Kulturredakteur der Zeitung, den Propheten Mohammed gezeichnet und am 30.09.06 veröffentlicht. Die Redakteure wollten testen, ob die Angst der Menschen vor den Fundamentalisten und ihrem heiligen Bilderverbot größer ist, als der Wille zur offenen Auseinandersetzung mit diesem Thema. Sie wollten wissen, inwieweit die Bereitschaft zur freien Meinungsäußerung stärker ist als die Angst vor möglichen Angriffen dogmatischer Islamisten. Der Umstand dass gerade mal zwölf von 40 Zeichnern einwilligten, Mohammed überhaupt zu karikieren, spricht schon allein für sich. Während die Reaktionen anfangs noch recht ruhig verliefen, lief die Sache bald aus dem Ruder. Der als gemäßigt und fortschrittlich geltende Imam Abu Laban, stellte ein Dossier („Die Akte zu den Bildern des Propheten Mohammeds“) zusammen, welches den Hass der westlichen Welt auf Muslime beweisen sollte. Said Tantawi, der als oberster Gelehrter der Al-Azhar Universität von Kairo einen großen Einfluss auf die arabische Welt hat, da dessen Auslegung und Stellungnahmen zu allen Lebensfragen der Gläubigen von großem Gewicht sind, verurteilte die Karikaturen hochoffiziell. Mit dieser Verurteilung begann nun die Jagd auf die Karikaturisten, und die Zahl der Länder, welche den Boykott dänischer Produkte unterstützen, stieg auf über 15 (Vgl. S.30). Ein Minister des indischen Bundesstaates Uttar Pradesh setzte eine Belohnung für die Eliminierung der Karikaturisten in Höhe von elf Millionen Dollar aus (Vgl. S.29). Die dänischen Botschaften in Indonesien, Syrien, im Libanon sowie die österreichische Botschaft im Iran wurden angegriffen (a.a.O.). Die auflagenstärkste Zeitung im Iran „Hamschahri“, ruft zu einem Karikaturenwettbewerb zum Thema Holocaust auf, um die Meinungsfreiheit des Westens zu testen. „Es kommt zu weiteren Demonstrationen, Unruhen oder Übergriffen in Afghanistan, Bangladesch, im Gaza-Streifen, in Indien, Indonesien, dem Irak, in Hongkong, dem Jemen, dem Libanon, in Pakistan, auf den Philippinen, in Somalia, Nigeria, Sri Lanka und Thailand(…)“ (30) Auch in europäischen Großstädten kommt es zu Demonstrationen und Morddrohungen, weil mehrere Zeitungen ihr Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit wahrnehmen wollten. Der als gemäßigt geltende Imam Scheich Mohammed Al Sherif warnte vor Anschlägen in Kopenhagen, wie zuvor in New York, Madrid und London, falls die „Schuldigen“ nicht bestraft würden. (a.a.O.) Es kommt zum Mordversuch auf den Chefredakteur der Welt, da diese, wie viele andere Zeitungen, denen an der Pressefreiheit noch etwas liegt, ebenfalls einige der Karikaturen abdruckte. „Nach Angaben der Organisation Reporter ohne Grenzen werden allein 13 Publikationen in Algerien, Marokko, Jordanien, Jemen, Malaysia und Indonesien wegen des Nachdrucks (…) eingestellt, in Syrien, im Jemen und in Algerien seien insgesamt sieben Journalisten sogar in Haft genommen worden.“ (31) Nach dem Selbstmord des Attentäters Amir C., welcher den Chefredakteur der Welt umbringen wollte, folgte der absurde Vorwurf, er sei von deutschen Polizisten gefoltert worden, woraufhin „im Pakistanischen Peshawar nicht nur eine Puppe des dänischen Ministerpräsidenten Rasmussen, sondern auch eine des deutschen Vizekanzlers Franz Müntefehring symbolisch gehängt (…)“ (a.a.O.) wurde.
Auch wenn hier aus Platzgründen nur ein kleiner Ausschnitt der Ereignisse wiedergegeben werden konnte(3), ist zu erkennen, dass die Bereitschaft zum gewaltvollen Widerstand gegen westliche Werte, auch in Europa, stark zugenommen hat.
Außer dem Karikaturenstreit werden im Buch noch weit mehr Beispiele gebracht (die hier aber nur kurz erwähnt werden können), die verdeutlichen, dass der Hass auf die Ungläubigen der westlichen Welt nicht nur in Ausbildungslagern der Al Quaida gepredigt und verbreitet wird, sondern längst in den Herzen vieler junger Menschen Fuß gefasst hat, die nie direkt in einem Lager ausgebildet wurden. So war es auch bei den Urhebern der vernichtenden Anschläge in London(4), die vorher nicht negativ auffielen und ein Leben führten wie viele ihrer Altersgenossen auch. Nicht auf der britischen Staatsbürgerschaft, sondern auf der Zugehörigkeit zur weiten Gemeinschaft aller Muslime auf der Welt fußte ihre Identität. Angetrieben durch den Generationenkonflikt mit ihren Eltern, denen sie, aufgrund von Integrations-Bemühungen, Verrat am Glauben und damit einhergehendes Versagen vorwarfen, kehrten sie sich von den westlichen Werten ab, die ihre Eltern noch anerkannten. Schon allein der Umstand, dass es nach den Anschlägen eine Veranstaltung junger britischer Muslime gegeben hatte, auf der sich offen gegen eine Verurteilung der Attentate ausgesprochen wurde, da diese ja mit Recht passiert seien, zeigt, dass die „Brit Boys“ mit ihren Gedanken nicht allein gewesen sind. Doch genau wie beim Mörder des niederländischen Regisseurs Theo van Gogh(5), Mohammed Bouyeri, konnte keine offizielle Verbindung zu einer Art terroristischen Dachorganisation nachgewiesen werden, die den Befehl zum Töten gegeben hatte. Aus dem engagierten netten Sozialarbeiter, der feierte und auch mal Hasch rauchte, wurde ein radikaler Prediger, der es als notwendig erachtete, einen Menschen zu töten, weil dieser sich offen gegen die Demütigung der Frau im Namen des Korans aussprach. Die Gefährlichkeit, dass es keine einheitlich organisierte Zentrale des Terrors gibt und es somit auch sehr schwierig ist, gegen die Verbreitung anzukämpfen, wird auch durch die zunehmende Präsenz islamistischen Gedankenguts im Internet(6) deutlich. Es gibt dort nichts, was es nicht gibt. Auf mindestens 4500 Seiten(7), die immer wieder ihre Adresse wechseln (Vgl. S.156), finden begeisterte Dschihadisten alles, was das Herz begehrt. Hinrichtungsvideos, Bombenbauanleitungen, Frontberichte im Wochenschau-Format, antisemitische Hetzschriften, Chaträume und Foren, auf denen beschrieben wird, wie man Anschluss an die Brüder im Irak bekommt, um selbst zu kämpfen, Filme und Comics für Kinder, wo gelehrt wird, dass die Juden an allem Schuld sind, Seiten für Frauen, die auch ihren Beitrag im Kampf gegen die vermeintlichen Kreuzritter des Westens leisten wollen, es gibt einfach alles. Führende Experten und Fahnder gehen sogar davon aus, dass man „(…) heute allein durch die Information im Internet zum Terroristen werden.“ (175) könne. „Die Seiten sind professioneller und brutaler geworden(…)“ (173), was die Bekämpfung dieser basislosen Strukturen immer schwieriger macht.
Um der eher bruchstückhaft beschriebenen fortschreitenden Radikalisierung, welche ein „unaufhaltsamer Prozess“ (221) zu sein scheint und dafür sorgt, dass die „Vorbereitungen auf Anschläge zunehmen“ (a.a.O.) Einhalt zu gebieten, fordern die Verfasser eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Islamismus: „Wir müssen die Motive, der Islamisten durchkreuzen und bearbeiten“ (229). Islamismus, wird hier zwar korrekterweise als „(…)Ideologie(…)“ (223), als „(…)verengtes Verständnis(…)“ (a.a.O.) von der Welt und ihren Zusammenhängen begriffen, welches direkte Parallelen mit den Ansichten, junger Rechts- und Linksextremisten aufweist. Doch, anstatt eine Kritik an der gesamten Gesellschaft zu formulieren, die solche Ideologien überhaupt erst möglich macht, bleiben die Verfasser mit ihren Forderungen auf einer Ebene stehen, die indirekt versucht, den Kapitalismus als ideales Gesellschaftssystem zu retten. Es ist zwar wichtig, freiheitliche Werte gegenüber reaktionären Gesellschaften zu verteidigen, was den Autoren mit dieser informativen Reportage durchaus gelungen ist. Doch wenn dann am Ende festgestellt wird, dass Amerika sich „diese Fundamentalopposition (…) weitgehend selbst herangezogen.“ (231) habe, indem es die Kriege gegen Afghanistan und den Irak führte, oder wenn konstatiert wird, dass die Radikalisierung durch gescheiterte Integrationsbemühungen der Politiker forciert wird, ohne die Frage zu beantworten, ob irrationaler Menschenhass überhaupt integrierbar ist, wird es sich meines Erachtens etwas zu einfach gemacht. Trotzdem liefert dieses Buch, welches hier nur sehr bruchstückhaft wiedergegeben werden konnte, gerade aufgrund seiner Aktualität und seinen vielen Informationen, einen wichtigen Beitrag zum Verständnis des Islamismus.

Steffen und Jochen


Anmerkungen

(1) Souad Mekhennet/Claudia Sautter/Michael Hanfeld, „Die Kinder des Dschihad – Die neue Generation des islamistischen Terrors in Europa“, Piper Verlag GmbH, München 2006. Alle zukünftigen Seitenangaben im Text in Klammern.

(2) Nähere Beschreibung, siehe: S.46-56

(3) Nähere Beschreibung, siehe: S.19-33

(4) Nähere Beschreibung, siehe: S.56-71

(5) Nähere Beschreibung, siehe: S.71-81

(6) Nähere Beschreibung, siehe: S. 156-184

(7) So zum Beispiel unter: www.al-imam.net, www.lg4j.com, www.almagribi.blogspot.com, www.ansar-jihad.com, www.jihad-media.com, www.awladnaa.net und viele mehr

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last modified: 28.3.2007