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kulturreport, 1.7k

„The Making of the
Lord of the Rings“

Anmerkungen anhand einer neuen Form kulturindustrieller Vermittlung

1.

Auf wenige Phänomene scheint der Satz Hegels „Der Prozess verschwindet im Resultat“ besser passend als auf den Film. Dennoch trifft er im interessierenden Kontext nicht ganz die von Hegel intendierte Pointe. Er gilt nicht allgemein. Es bedarf keines Philosophen oder Kritikers, um den Prozess der Filmproduktion, dessen Resultat die Manipulation der Wahrnehmung ist, wieder sichtbar zu machen. Der Film als Unterhaltungsfilm gelingt nur dann, wenn seine Entstehung für die Beteiligten am Produktionsprozess absolut offen und nachvollziehbar bleibt. Filme sind eine bewusst hergestellte Verdinglichung, eine intendierte Manipulation. Es ist somit wesentlich leichter die Produktionsgeschichte eines Filmes zu erzählen, als die Entstehung des Bewusstseins in Freiheit zu konstruieren, wie es in Hegels Absicht lag. Dies ist zumindest die eine – die technische – Seite. Denn auch der Prozess des Filmemachens ist in gewisser Hinsicht ein Resultat und bestimmte Bedingungen, ohne die ein guter Unterhaltungsfilm kein solcher wäre, dürfen den Beteiligten an der Produktion nicht ins Bewusstsein treten. Wären ihnen die Grenzen und Restriktionen des Mediums Films und seines Produktionsprozesses, die ihre Bedingung in seinem Gebrauchswert für das Massenpublikum haben, jedoch auch im Medium als solchen liegen, bewusst, könnten sie keine perfekte Unterhaltung liefern. Sie wären gezwungen, den Begriff der perfekten Unterhaltung zu kritisieren. Inwieweit dies überhaupt innerhalb des Mediums selbst möglich ist, ist äußerst fragwürdig. Als Medium der bewegten Bilder setzt der Film im Moment des Betrachtens der begrifflichen Reflexion Grenzen.

The Lord of the Rings, 30.1k

Der Film ist Ausdruck einer doppelten Verdinglichung. Seine Macher kreieren mit höchstem Bewusstsein die – gemessen am jeweiligen Stand der Filmtechnik – perfekte Manipulation, sprich die perfekte Unterhaltung und sie tun recht daran: Das Publikum will es so. Sie können und dürfen jedoch den Geschmack des Publikums nicht noch einmal selbst als verdinglicht in den Blick nehmen. Sie müssen ihm folgen. Damit herrscht im Film im gewissen Sinn ein absolutes Primat des Gebrauchswerts, durch das sich das Verwertungsinteresse vermittelt und dem sich das persönliche Interesse der Filmemacher unterzuordnen hat. Außer Frage steht dabei, dass das Bedürfnis nach bestimmten Gebrauchswerten selbst wieder hervorgerufen und manipuliert werden kann, oft genug aber ist es einfach da: Mode ist kein absolut steuerbarer Prozess. Sie lädt aber zu einer funktionalen Betrachtung geradezu ein, ohne sie wäre die Konsumgesellschaft nicht vorstellbar. Die Filmemacher müssen wissen, was der Publikumsgeschmack ist, aber nicht, warum dieser oder jener Effekt wirkt, warum diese oder jene Story anrührend ist. So gibt es im Film letzte Standards, denen sich angedient werden muss. Auch diese kann man zwar durch einen gewissen Kriterienkatalog eingrenzen, aber das sind lediglich immanente Abstraktionen, deren Infragestellung den Gebrauchswert des Films destruieren würde.
Es liegt im Wesen des Films, Medium der Überwältigung zu sein. Fast alle Sinne des Zuschauers werden angesprochen und in permanente höchste Aufmerksamkeit versetzt. Das Medium Film unterwirft die betrachtenden Individuen, indem es sie Bild- und Geräuschschocks aussetzt, denen sie sich weder entziehen können noch wollen. Es erfüllt das Moment, das Einstieg in jede Droge sein kann: Man setzt sich ihr aus, um von ihr beherrscht zu werden. Film ist in dieser Hinsicht ein äußerlicher Rausch. Er löst das Versprechen nach totaler Unterhaltung ein, indem er an der ‚schwächsten' Stelle des menschlichen Geistes ansetzt: der sinnlichen Wahrnehmung. Diese ist vom Individuum nicht beherrschbar und nur in Grenzen manipulierbar. Sie darf es nicht sein, wenn sie Realitätswahrnehmung sein will, daher ist sie immer auch aufnehmend und passiv. Wahrnehmung reagiert auf naturüberkommene, wie auf gesellschaftlich instituierte Reizauslöser und sie versetzt – und dies simuliert der Film – den Menschen in einen Zustand des Reflexes, nicht jedoch in den der Reflexion. Natürlich weiß man beim Schauen des Films um seinen simulierenden Charakter, nicht zuletzt deswegen sieht man ihn sich ja an. Aber die Sinne wissen nicht darum. Man kann also Gefahren und Glücksmomente erleben und erfühlen, ohne sie real durchleben zu müssen, zumindest sobald man in der Technik des Filmsehens eingeübt ist. Ohne diese Kompetenz reagiert man tatsächlich reflexhaft: Einer der ersten Katastrophenfilme, der eine Eisenbahn zeigte, wie sie auf den Zuschauerraum zurollt, löste dort eine Panik aus. Das Publikum versteckte sich hinter seinen Sitzen. Ähnliche Reaktionen lassen sich noch heute bei Kleinkindern beobachten. Gut gemachte Filme lassen keine Außenwelt zu. Die Welt reduziert sich für den Betrachter im Moment des Zuschauens ganz auf die Abläufe auf der Leinwand. Eine solche Manipulation des Bewusstseins kann dabei niemals das Werk der Technik allein sein. Der Film muss stets, wenn er fesseln will, gewisse gesellschaftliche Standards bedienen und gesellschaftliche Bilder abrufen. Er muss Identifikationsmomente anbieten, in denen sich das Publikum wiedererkennt. Der Film kann dabei durchaus auch zur (pseudo-)revolutionären Tat aufrufen, wenn er nur auf das richtige, perzeptionsfähige Publikum trifft. In fast jedem Fall ist er Stütze der eigenen Identität: Der Intellektuelle finden sich in den Filmen Woody Allens wieder, allen Antifakids sei „Brennender Asphalt“ empfohlen.
Die Zwangsgewalt des Films ist nicht rein technisch. Sie begründet sich auf gesellschaftlich geprägten Wahrnehmungsmustern, die durch die Technik verstärkt werden. Seine überwältigende Kraft, seine Unterhaltungskraft, ist konstitutives Moment und er darf auf diese – außer in der Komödie – selber nicht hinweisen. Es entstünde ein Riss, die Realität begänne einzusickern und der Simulationseffekt wäre dahin.

2.

Nun gibt es seit einiger Zeit das „Making Of“, den Film über den Film. Diese ursprünglich im Fernsehen als Werbemittel eingesetzten Sendungen dienen inzwischen vor allem dazu, die Special Editions der DVDs aufzufüllen und so den Konsumierenden noch einmal einige Euros mehr aus dem Geldbeutel zu locken. Sie bieten meistens keinen oder nur einen äußerst begrenzten Blick auf den Produktionsprozess, beschränken sich auf persönliche Anekdoten und gegenseitiges Abfeiern der Schauspieler und Regisseure. Produziert man jedoch ein Making Of, dessen Dauer sich auf gut und gerne 30 Stunden beläuft, dann kann es dabei nicht bleiben, dann muss zwangsläufig mehr vom Prozess des Filmemachens sichtbar werden. Man kann dann etwas von den Konstitutionsbedingungen des Films als Ware erfahren, von den Arbeitsverhältnissen und von den Motivationen der Menschen, die sich diesen aussetzen und von den Techniken, die die (gewollte) Manipulation des Publikums ermöglichen. Und all dies kann man in den sog. „Anhängen“ des bis dato wohl größten Filmprojektes, des „Herr der Ringe“ entdecken.
Bevor man jedoch abstrakt das Besondere für das Allgemeine nimmt und dieses Making Of zum Anzeiger des reinen filmischen Wesens erklärt, sind gewisse Einschränkungen vorzunehmen. Denn natürlich ist auch dieses Making Of ein Film, unterliegt damit den selben Bedingungen wie das Hauptprodukt, und stellt in keiner Weise einen unmittelbaren Zugriff auf die Wirklichkeit dar. Es wird auch in den „Anhängen“ nicht alles gesagt und es kommen auch nicht alle am Produktionsprozess Beteiligten zu Wort – kein Putzpersonal und keine Kulissenarbeiter also. Auch ist der „Herr der Ringe“ kein Film wie alle anderen. Er hat seinen spezifischen Überschuss darin, dass er auch und wesentlich ein Fanprojekt ist. Viele der Beteiligten wähnen sich berufen für eine höhere Mission, sie spüren den Auftrag, die von ihnen erlebte Schönheit und Tiefe des Originals filmisch umzusetzen. Der „Herr der Ringe“ ist damit kein rein kommerzieller Film. Regisseur Peter Jackson bringt dies ein Stück weit – rechnet man das gehörige Stück Selbstbetrug in dieser Aussage ab – auf den Punkt: „It was the biggest home movie in the world.“ Die durchaus ernst gemeinte und hochproblematische Treue zur Vorlage führt zu Konflikten mit den Gesetzen des Films. Tolkiens Buch muss als Film fürs große Publikum kommensurabel gemacht werden. Unauflösbar ist dabei die Verschränkung der gegenseitigen Manipulation von Produzenten und Konsumenten. Regisseur und Drehbuchautoren vergießen Tränen darüber, dem Original nicht gerecht werden zu können, weil sie der Dramaturgie des geldheckenden Gebrauchswerts gehorchen müssen.
Bedingt durch das nicht kommerzielle Selbstverständnis der Filmemacher sind die „Making Of des Herr der Ringe“ ein Stück weit Selbstdarstellung kulturindustrieller Mechanismen ohne schlechtes Gewissen. Die Beteiligten imaginieren sich als letzten Zweck eben nicht das Plus auf dem Konto, sondern die Sache selbst und damit ist der letzte Zweck des Filmes auch nicht alleinig die Geschäftemacherei. Anders formuliert – und das ist wohl nicht nur beim „Herrn der Ringe“ so: Der Film würde sich nicht verkaufen, wenn die Beteiligten nicht ihre ganze Kraft in ihn hineinstecken würden. Sie dürfen ihre Arbeit nicht als Entfremdungsverhältnis begreifen.
Noch ein weiterer Aspekt tritt hinzu: Der Film ist in Neuseeland produziert und gedreht. Für Millionen Zuschauer wurde durch diesen Film Neuseeland überhaupt erst zu etwas Konkretem. Der Film erschafft damit in gewisser Weise Realität. Neuseeland wird zu Neuseeland als „Mittelerde“. Insofern ist der Stolz der Neuseeländer über „ihr“ Produkt vielleicht berechtigt und ohne die Hilfe der Allgemeinheit – des Staates wie der Zivilgesellschaft – hätte der Film auch nicht gedreht werden können. Die prime minister deklarierte bei der Premiere des dritten Teils in Wellington: „A huge day not only for the film, not only for the crew, but for New Seeland.“ Der Stolz einen perfekten Film gedreht zu haben, speist sich aber nicht nur aus einem positiven Nationalgefühl. Als negatives Motivationsmoment und imaginiertes Anderes dient die Traumfabrik Hollywood – dies wird in den dokumentierten Interviews immer wieder deutlich. Der Herr der Ringe will kein seelenloses Produkt der perfekten Maschinerie sein, sondern reale Verwirklichung eigener Interessen, unmittelbare Entäußerung der eigenen Kreativität, kein Teil des geldheckenden Molochs. Diese ideologische Verbrämung der eigenen Produktionstechniken wie -ziele gewinnt ein Stück weit Realität, da sich die Filmschaffenden an ihr orientieren und sich nach ihr verhalten.

3.

Die beiden oben angedeuteten Ebenen der Verdinglichung und Manipulation – die unbewusste, gesellschaftliche und die bewusste, technische – sind nicht völlig zu trennen. Sie sind aneinander angelehnt und stützen sich. Wird die eine produziert, ist die andere als Untergrund bereits gesetzt.
Mit der Digitalisierung des Films sind dem Darstellbaren zunehmend weniger technische Grenzen gesetzt. Fast alles was an Bildern erdacht werden kann, kann auch dargestellt werden. Es ist zwar immer noch nicht möglich, die Schauspieler zu ersetzen und der „Herr der Ringe“ arbeitet in extenso mit Modellen und nicht-digitalem Material. Es zeichnet sich aber mehr und mehr ab, dass nicht mehr die Computertechnik Grenzen setzt, sondern der global vorhandene Vorrat an Mythen und Bildern. Will der Film das Publikum bedienen, darf er über diesen Vorrat nicht hinausgehen, das Moment des Wiedererkennens wäre verloren. Es gibt wohl keinen Film der sich derart am kulturellen Gedächtnis und am kulturellen Material der Menschheit bedient, wie der „Herr der Ringe“. Schließlich müssen etwas um die zwanzig Kulturen (bzw. „Rassen“) dargestellt werden. Ihre Identität, ihre Normen und Werte, sollen auf den ersten Blick erkennbar und memorierbar sein. So entstehen die Hobbits, die Elben, die Zwerge und was da sonst noch kreucht und fleucht als buntes Potpourri menschlicher Epochen und Stile. Die Wahrnehmung des Zuschauers dockt gewissermaßen an den im globalen Gedächtnis vorhandenen Stereotypen an. Der Betrachter spürt bereits aufgrund der Kleidung, des Habitus und der Architektur, was er von welcher Kultur zu erwarten hat. Kultur gerinnt zur Funktion, indem sie plagiiert wird. Diese liegt aber nicht nur in der Kreation des Identifikationsmoments, sondern auch – für einen Fantasiefilm besonders wichtig – in der Schaffung von „Tiefe“. So sind bspw. die verschiedenen Stadtteile einer der wichtigsten Kulissen (Minas Tirith) unterschiedlichen und aufeinanderfolgenden architektonischen Epochen zuzuordnen. Der Eindruck von Tiefe wird so durch die Imaginierung von Komplexität erzeugt. Die Zitation der Geschichte hört bei der Schaffung der verschiedenen Kulturen nicht auf. Viele Bauwerke sind Höhepunkten menschlichen, künstlerischen Schaffens nachgebildet: Sei es der Thronraum Denethors, der der Grabeshalle Karls des Großen, sei es das große Tor von Minas Tirith, dessen Schnitzwerk den filigranen Reliefs Ghibertis am Baptisterium in Florenz nachgebildet ist. Die Waffen und die Kleidung der Hauptpersonen sind auf ihre Persönlichkeit wie auf ihre Kultur abgestimmt, kein Detail welches nicht stimmig ist. Paradox ist, dass man all dies nicht sieht, das Tor beispielsweise ist nur sekundenlang eingeblendet. Man nimmt die Bilder nicht bewusst wahr, aber sie wirken. All das verlangt höchste künstlerische und handwerkliche Perfektion, doch steht sie einzig unter dem Zweck der Erheischung von „Eindruck“, „Gefühl“ und „Tiefe“. Die Funktionalisierung des kulturellen Gedächtnisses kennt dabei keine Grenzen: Der Traum Frodos von der Zerstörung des Auenlandes und der Versklavung der Hobbits – eine Szene im ersten Teil von ca. 20 Sekunden Länge – soll nach Aussage der Beteiligten die Bilder des Holocaust wachrufen. Es gibt nichts, was nicht integriert werden kann.
Die Möglichkeiten der Manipulation sind so vielfältig wie die Menge der benötigten Arbeitsschritte. Der Produktionsprozess beginnt beim Drehbuch, geht über die Erschaffung der Kulissen und Requisiten, die Formung der Landschaft, die Modellierung von Musik und Ton, die digitale Nachbearbeitung der Szenen, die Erstellung der Special Effekts zum Schnitt. Alles dient dem Zweck der Überwältigung des Zuschauers. Kein Bild im Film, dessen Farben nicht verändert wurden, um der jeweiligen Stimmungslage der Szene gerechter zu werden. Die Helligkeit einzelner Bildausschnitte wurde erhöht, bei anderen wurde sie abgesenkt, damit das Auge gezwungen ist, seine Aufmerksamkeit auch auf das Entscheidende zu richten. Die Musikstücke – die man oft genug ebenfalls nicht bewusst hört, sondern nur fühlt – sind in Augenblicken der Gefahr atonal, was dem Massengeschmack als eigentlich unhörbar gilt, es gewinnt seine Funktion in der Betonung des Schreckens.

4.

Nicht zuletzt ist ein Film ein Produkt menschlicher Arbeitsteilung in höchster Komplexität. Er ist aber vor allem Produkt kreativer Arbeit, d.h. er verlangt zwar das Rädchendasein der einzelnen Produktionsagenten, muss diesen aber auch geistige Befriedigung bieten, denn diese ist Voraussetzung des Schöpferischen. Die Befriedigung merkt man all den Designern, Grafikern, Programmierern und Schauspielern, die im Making Of zu Wort kommen, auch an. Die Leute sind stolz auf ihr Produkt und die Perfektion, in der sie es geschaffen haben. Die Schaffung von publikumswirksamen Bildern, von Tiefe und Eindruck ist ein künstlerischer Prozess und kein technischer. Der Film ist das Kunstwerk als Ware. Er verweist zwar nicht auf einen das Gegenwärtige transzendierenden utopischen Fluchtpunkt, wie kritische Kunst es vielleicht sollte, aber den Anspruch auf Repräsentation und Größe, den führt er mit sich. Er fasst die Träume seiner Zeit in Bildern. Inwieweit ihm dies gelingt, zeigt sich ganz demokratisch an den Kinokassen. Kunst als Film ist Triumph des Gegenwärtigen, der Film braucht sich darin nicht hinter dem Petersdom, dem Pergamonaltar oder den Twin Towers zu verstecken.
Ganz wie bei diesen architektonischen Meisterleistungen, verschwinden die Leiden des Arbeitsprozesses auch beim „Herrn der Ringe“ im Produkt. Einige der im Kino zu hörenden Schreie der Stuntman und Darsteller sind echte Schreie, sie zeugen von gebrochenen Gliedmaßen, Quetschungen und Prellungen. Ihrer Authentizität wegen blieben sie auf der Tonspur. Anderes bleibt gänzlich unsichtbar. Stundenlanges Schminken, permanenter Schlafmangel, Drehtermine auf verminten militärischem Sperrgebiet. „Alle, die an dem Film mitgearbeitet hatten, mussten irgendwelche Qualen ertragen“, sagt der Darsteller des Sam. „Es würde sehr schlimm aussehen, was Gesundheit, zerbrochene Familien, Freundinnen und Freunde angeht“, ein anderer. Ein Dritter: „Ich habe meinen Sohn nicht groß werden sehen.“
Und alle, die zu Wort kommen, taten ihre Arbeit gerne. „Wer sich darauf nicht einlassen kann, im positiven wie im negativen Sinn, sollte sich eine Arbeit suchen, die besser für den Blutdruck ist“, so die Chefin des Kostümdesigns – und man kann sich sicher sein, dass dieses Sollen schnell in ein Müssen umschlug. Die, die den Arbeitsprozess nicht ertrugen, bleiben stumm. Der Rest durfte sich als „große Familie“ wähnen, „mit Liebe an die Sache herangehen“, und „hours and hours and hours of work“ investieren. „Hier sind alle mit Leidenschaft dabei, die Leidenschaft treibt alles.“ Es gibt keinen Grund an diesen Aussagen zu zweifeln, nur so ist ein solches Projekt überhaupt zu verwirklichen. Die Dreharbeiten erzeugten ein Gemeinschaftsgefühl, letztlich gar einen Lebenssinn. Es war für viele der Beteiligten die „schönste und intensivste Zeit“ ihres Lebens.
Die Filmgemeinschaft organisiert sich dabei nicht als egalitäre. Sie ist diktatorisch und diese Diktatur ist nur insofern gebrochen, als dass die einzelnen Glieder des arbeitsteiligen Zusammenhangs nicht beliebig ersetzbar sind. Die Produzenten können den Regisseur nicht feuern und dieser nicht die wichtigeren Schauspieler. Damit stürbe das Projekt. Die Diktatur organisiert sich dabei als Anerkennungsverhältnis. „Es ist das Größte, seinen eigenen Regisseur zu rühren“, so eine der Darstellerinnen. Peter Jackson füllt dabei die Vaterrolle in der „großen Familie“ mit Bravour.
Was bleibt ist die Einsicht, dass der Film auch mit dem Wissen um seine Entstehung funktioniert. Die Lust an der Überwältigung vergeht nicht, wenn man ihren stets prekären Charakter bedenkt.

Michael Reich


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last modified: 28.3.2007