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Tomorrow-Café, 1.5k

Einführung in den
Anarchismus – Teil 1

Zusammenfassung einer Vortragsreihe im Theorie-Café(1)

Beinahe jede Person nicht nur aus linken Kreisen kennt es: das häufigste Graffity der Welt. Ein simples, von einem Kreis umschlossenes A. Seine zahlreiche Verwendung macht es beinahe populärer als den roten Stern und die meisten haben es zumindestens zeitweise an Wänden, auf Schulbänken oder Papierseiten in nicht geringer Anzahl hinterlassen. Als Symbol, welches das Aufbegehren gegen Autoritäten, die Forderung nach höchstmöglicher Freiheit und die Ablehnung jeglicher Staatsform repräsentiert, ist es Identifikationsmoment für tausende nicht nur jugendliche Menschen. In dieser Funktion ist es allerdings auch nicht viel mehr. In ihrer Schlichtheit strahlen die oben aufgezählten Ideale ebenso eine scheinbar unwiderstehliche Radikalität aus, wie sie genug Raum lassen, um durch breite Auslegungsmöglichkeiten jedem seine ganz eigene „anarchistische“ Auffassung zuzugestehen. Die Antwort auf die Frage, was denn Anarchismus oder Anarchie sei, wird nicht selten mit einem „Anarchismus ist für mich persönlich“ begonnen und endet mit einer schwammigen Füllung des Begriffs durch eigene, revolutionär anmutende Gedanken. Wie auch ich es tat, als jenes A noch so klar und eindeutig sinnstiftend für mich schien, ignoriert ein überwältigender Großteil der sich selbst anarchistisch nennenden Revoluzzer die lange Geschichte anarchistischer Bewegungen, die Fülle und Bedeutung anarchistischer Theorien und die Versuche ihrer praktischen Umsetzung. Auch wenn scheinbar mit einer Selbstbezeichnung als Anarchist nicht viel gesagt ist, so stellt man sich doch damit in die Tradition klar benennbarer Theorien. Wie jeder Begriff, so hat auch der des Anarchismus eine Geschichte und sollte nicht abgetrennt davon benutzt oder gar - jene Geschichte ignorierend - völlig neu ausgelegt werden.
Ein individuell ausgedachter Anarchismus ist meines Erachtens zwar unberechtigt, da mit der Verwendung dieses Begriffs klar der Bezug auf eine bestimmte politische Bewegung gegeben ist, allerdings sollte ebenso einer scharfen und eindeutigen Definition ihrer „eigentlichen“ Inhalte keine große Bedeutung zukommen. Wie sich zeigen wird, sind die Theorien des Anarchismus unmöglich auf bloß einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Nicht nur, weil seine Vertreter unglaublich vielfältige, sich größtenteils widersprechende Theorien und Organisationsformen prägten, sondern v.a. auch, weil ein Großteil die Prognose einer vielschichtigen und heterogenen Organisationsform der Annahme vorzieht, es gäbe nur eine Möglichkeit der freien Assoziation. Da es einen Anarchismus „an sich“ also überhaupt nicht gibt(2), ist es umso schwieriger, eine Einführung in seine Theorien und deren geschichtliche Bedeutung umfassend zu gestalten. In ihrer Unvollständigkeit berücksichtigen folgende Ausführungen zwar keineswegs alle Formen anarchistischer Gesellschaftstheorie, jedoch ist meine Auswahl ebenso wenig willkürlich. Zum Einen wird sie an der Popularität anarchistischer Theoretiker orientiert sein und zum Anderen von dem Versuch geprägt, möglichst unterschiedlichste Ansätze zu betrachten. In dieser Funktion hat folgende Arbeit zwar größtenteils informativen Charakter, aber eine neutrale und bewertungsfreie Darstellung soll keineswegs mein Ziel sein. Einem solchen akademischen Ideal gerecht zu werden halte ich nicht nur für unmöglich, da bspw. bereits die Auswahl der Quellen teilweise eine Bewertung beinhaltet, sondern ich verurteile diese Form der Darstellung zudem, da mein Anliegen nicht der bloßen Bildung dienen soll, sondern der kritischen Auseinandersetzung. Zwar ist ein Großteil des hier vorgelegten Stoffes zunächst die bloße Darstellung anarchistischer Theorie und gibt keineswegs meine eigene Position wieder, jedoch ist dies Vorraussetzung, um überhaupt erst eine generelle Kritik des Anarchismus verständlich zu gestalten. Zur tiefergehenden Diskussion ist die hier versuchte Einführung jedoch keineswegs ausreichend, nicht nur weil der Umfang dieses Aufsatzes diesem Vorhaben nicht genügen würde, sondern v.a. weil die von mir dargebotene Sammlung und Kritik anarchistischer Theorien niemals die eigene Beschäftigung mit ihnen ersetzen kann.
Jenes Vorhaben ebenso wie die damit verbundene Empfehlung, die Inhalte des Anarchismus ernsthaft zu diskutieren, ist zunächst verschiedenst motiviert. Da ja lange Zeit die sozialistische Diktatur bspw. der UdSSR und ihre staatlich geregelte Produktion als einzige Alternative zum westlich geprägten Kapitalismus galt, kam der Diskussion bzw. der Neuaneignung anarchistischer Theorien vor allem nach dem Zusammenbruch des Ostblocks zu Beginn der 90er Jahre immer mehr Bedeutung zu. Da die russische Revolution letztlich zu einer äußerst brutalen und repressiven Form staatlicher Zentralverwaltung und keineswegs zu einer Gesellschaft mit Perspektive auf Befreiung führte, gewannen anarchistische Theorien nicht zuletzt deswegen an Attraktivität, weil nahezu alle ihre Vertreter eine konsequente Ablehnung jeglicher staatlichen Organisation und den absoluten Vorrang des Individuums formulierten. Dem Anarchismus soll hier allerdings nicht nur Bedeutung zukommen aufgrund seiner Frontstellung zu sozialistischen Positionen, die nicht nur wegen ihrer Staats- und Autoritätsfixierung, sondern auch erstmals wieder wegen ihrer Glorifizierung der Arbeit kritisiert wurden. Vor allem lässt sich an vielen Anarchisten nachvollziehen, wie anfangs äußerst radikale und gutzuheißende Forderungen oder Grundsätze in ihrer Weiterentwicklung der bürgerlichen Realität auf den Leim gingen und an kritischem Gehalt stark verloren. Doch dazu später.
Da wie schon erwähnt kaum ein theoretischer Grundsatz von allen Anarchisten getragen wird, soll hier zunächst mit der begrifflichen Geschichte begonnen werden.

Anarchismus und Anarchie

Die heutzutage am meisten Verwendete Bedeutung des Begriffs Anarchie ist wohl in eins zu setzen mit Zerstörung, Gewalt, Gesetzlosigkeit und Chaos. Sieht man bspw. im Fernsehen plündernde, zerstörende oder mordende Menschenmassen, so ist meist von „anarchischen Zuständen“ die Rede und auch mit Wendungen wie der „Anarchie des Marktes“ o.ä. wird eine klar negative Bestimmung des Begriffs zum Ausdruck gebracht. Dass diese Auslegung von den politischen Gegnern des Anarchismus etabliert wurde, der Ausgrenzung und Beleidigung diente und schlichtweg dumm wie unreflektiert ist, sollte klar sein. Aus dem Altgriechischem von den Worten an und archos kommend, bedeutet Anarchie soviel wie das Gegenteil oder die Abwesenheit von Herrschaft(3). Im alten Griechenland brachte das soviel zum Ausdruck wie „Herrenlosigkeit, Mangel an Oberbefehl, gesetzloser Zustand, Zügellosigkeit“ oder „keinen Führer zu haben“. Ebenso wie bei Aristoteles, der Anarchie als „Zustand der Sklaven ohne Herren“ und als „Entartung der Demokratie“ beschreibt, war der führer- oder regierungslose Zustand meist eindeutig negativ als Mangelzustand besetzt. Einzig die Philosophie Zenons von Kition (ca. 342-270 v.u.Z.), dem Begründer der Stoiker, nimmt positiven Bezug. Als Gegensatz zur Staatsutopie Platons, beschreibt Zenon Anarchie als Gesellschaft ohne Regierung, ohne Gewalt, ohne Tempelrituale und ohne Geld. Der Austausch zwischen den Menschen hätte dann eher den Charakter freiwilliger Geschenke und auch der später wieder auftauchende Ansatz, den Menschen als natürlich geselliges Wesen und nicht als einseitig egoistisch zu beschreiben, findet sich teilweise schon bei ihm. Die Überlieferungen Zenons sind allerdings äußerst fragmentarisch, weswegen auf seine Philosophie hier nicht weiter eingegangen werden soll.
In der Theologie des Mittelalters galt Anarchie nun wiederum als ein für den Menschen unerreichbarer, vollkommener Zustand, als das Höchste und Freieste, was der menschliche Geist sich vorstellen kann und damit als Zustand, in dem sich Gott befinden würde.
Auch bei Immanuel Kant findet man Anarchie als Zustand beschrieben, dem die Menschen als angebliche Mangelwesen nicht gewachsen seien. In seiner „Anthropologie in pragmatischer Absicht“ wird sie charakterisiert als „Gesetz und Freiheit, ohne Gewalt“. Erst P.J. Proudhon, von dem später noch mehr zu lesen sein wird, führte Anarchie als Begriff für seine angestrebte Gesellschaftsform ein, d.h. für einen Zustand, den die Menschen sehr wohl erreichen können und auch sollten. Obwohl sich die konkreten Vorstellungen über jene Gesellschaftsform wie schon gesagt äußerst verschieden entwickelten, ist Anarchismus seitdem also ganz allgemein der Begriff für eine politische Bewegung, die den Zustand der Herrschaftslosigkeit, die Anarchie anstrebt. Um bereits hier einigen Missverständnissen vorzubeugen sei erwähnt, dass mit der Forderung nach einem herrschafts- bzw. gewaltfreien Zustand noch nichts darüber gesagt ist, auf welchem Weg man ihn erreichen will. Beispielsweise ist die Anwendung von Gewalt dabei nicht von vornherein ausgeschlossen und steht prinzipiell ebenso wenig im Widerspruch zu dem Bestreben, sie endgültig abzuschaffen.

2. Anarchistische Grundsätze

Der Versuch, klare Grundannahmen des Anarchismus zu bestimmen, verbietet sich angesichts seiner Heterogenität zwar eigentlich, jedoch schätze ich eine vorerst grobe Skizzierung „typisch anarchistischer“ Ansichten als guten Ausblick auf die folgenden Ausführungen ein. Ich werde sie daher kurz umreißen ohne eine allgemeine Gültigkeit für jede einzelne Strömung zu beanspruchen.
Zentraler Bestandteil anarchistischer Gesellschaftstheorie ist zunächst die Einschätzung des menschlichen Wesens, d.h. eine grobe Charakterisierung der Eigenschaften, welche jedem Menschen quasi naturgemäß und vom Individuum unveränderlich mitgegeben sind. Diese Beantwortung der Frage, was denn nun den Menschen im Innersten ausmache, ist wohl für alle Gesellschaftstheoretiker von so großer Bedeutung, weil nach ihrer Beantwortung sehr viel klarer festgelegt sein müsste, welche gesellschaftliche Organisation am gerechtesten oder angemessensten erscheint. Im Anarchismus wird jene Frage größtenteils mit der Annahme beantwortet, Menschen seien prinzipiell gute Wesen und hätten eine natürliche Neigung zur Gesellschaftlichkeit, Freiheit und Solidarität. Aufgabe der Gesellschaft sei es somit nur, gute Entwicklungschancen und eine angemessene Umgebung, sozusagen ein „einwandfreies Gedeihen“ des eigentlich von Natur aus guten Menschen zu gewährleisten(4). Damit vollzieht der Anarchismus zum Einen die Abgrenzung zum Liberalismus, welcher ja dem Menschen ein prinzipiell egoistisches Wesen unterstellt; zum Anderen entfernt er sich aber auch von der Marxschen Theorie, welche behauptet, der Mensch sei immer nur so gut, wie die Gesellschaft, die ihn prägt.
Folgt man diesem anarchistischen Menschenbild, so ist eine herrschaftsfreie Gesellschaft nicht mehr nur möglich, sondern durch die Veranlagung der Menschheit sogar naturnotwendig. Der Umstand allerdings, und dass war im 19. Jahrhundert nicht anders, dass die Menschen sich keineswegs einseitig solidarisch zueinander verhalten, wird verschiedenst begründet. Als Hauptursache für das Ausbleiben einer freiwilligen Assoziation solidarischer Menschen wird jedoch bei den meisten Anarchisten klar die Macht des Staates und seiner Institutionen ausgemacht. Dabei wird bei der allgemeinen Staatskritik bewusst von Unterschieden in der Staatsform, sei sie nun demokratisch, absolutistisch oder faschistisch, abgesehen. Was für die Anarchisten zählt, ist die Tatsache, dass der Staat mit seinen Bestandteilen wie z.B. dem durch Polizei und Justiz gesicherten Gesetz, das Individuum und seine besonderen Ausprägungen einschränkt. Da er durch Gewalt die Einhaltung von für alle Menschen geltenden Regeln gewährleisten muss, kann er erstens ein individuelles Interesse nicht in Gänze beachten und berücksichtigen, bzw. er muss es sogar teilweise gewalttätig unterbinden und zweitens, und das ist auch ein großer Anklagepunkt anarchistischer Staatskritik, sichert er vorherrschende, ungerechte Eigentumsverhältnisse. Als Staatsbürger sollen die Menschen im Idealfall nämlich vor dem Gesetz gleich sein, was ihnen zwar die selben Möglichkeiten auf dem Spielfeld der Justiz zugesteht, aber im Endeffekt die Tatsache ignoriert, dass Menschen in der Realität höchst ungleich sind, nämlich bspw. arm und reich, schwach und stark, gut versorgt oder hungerleidend. Der Staat als „rohe Maschine“ kann darauf nicht Rücksicht nehmen und verewigt somit den Kampf der Menschen untereinander um Wohlstand und Eigentum. Sein Anspruch, Prinzipien zu verkörpern, die für alle Menschen gelten sollen, zwingt ihn von den Besonderheiten jedes einzelnen Menschen abzusehen.
Folgt man dem Anarchismus, so ist der Staat als Gefüge von Institutionen, welche von Menschen besetzt werden um die Gesellschaft zu regieren, die reine Inkarnation der Herrschaft zwischen Menschen. Seiner Auffassung nach, versucht jede Gruppe, die staatlichen Einrichtungen so gut es geht nach den eigenen Vorteilen auszurichten. Das Bestreben, letztlich die Herrschaft zwischen Menschen abzuschaffen, verbietet demnach auch prinzipiell eine Beteiligung anarchistischer Gruppen an der Organisation der Staatsgewalt. Neben der Kritik seiner allgemeinen Gewalt, meiden Anarchisten bspw. die Besetzung von staatlichen Ämtern v.a. auch wegen der Gefahr, dass Menschen, die einmal Macht bekommen haben, nicht ihre Abschaffung vorantreiben, sondern versuchen, sie längstmöglich an sich zu reißen(5).
Dieses Misstrauen gegenüber staatlicher Gewalt ist auch als eindeutige Kritik bspw. staatsozialistischer Bestrebungen zu verstehen, denen vorgeworfen wurde, dass die Besetzung der Staatsgewalt niemals eine Zwischenetappe ihrer Auflösung sein kann, sondern nur zu ihrer Fortführung unter anderen Vorzeichen führt(6). Ein Vorwurf, der geschichtlich betrachtet, mehr als berechtigt war.
Die Einrichtung der Anarchie als freie und herrschaftslose Gesellschaft ist also zentral an die unmittelbare Abschaffung des Staates und seiner Institutionen gekoppelt, da dies aus anarchistischer Sicht eine freie Vereinigung von Individuen erst ermöglicht. Zum anderen heißt dies aber auch, dass eine gemeinschaftlich organisierte, genossenschaftliche Produktion und Verteilung sowie die dadurch eintretende Abschaffung von Privateigentum, die Notwenigkeit staatlicher Organisation ebenso überflüssig macht.
Diese Veränderung der Eigentums- und Herrschaftsverhältnisse ist bei den meisten Anarchisten sozialistisch(7) gedacht, d.h. durch eine revolutionäre Umgestaltung der gesamten gesellschaftlichen Organisation und nicht durch eine individuelle Verhaltens- oder Meinungsänderung einzelner Menschen. Da dies jedoch auch nicht für jede Form des Anarchismus zutrifft, werden im folgenden noch in aller Kürze zwei Exkurse zu Theoretikern zu lesen sein, welche zwar auch teilweise als anarchistisch bezeichnet werden, aber keine revolutionär-sozialistische Umgestaltung fordern. Zu Ihnen wird im Verlauf dieser Einführung keine weitere Auseinandersetzung folgen.

1: Max Stirners (1806-1859) „Individualanarchismus“

„Ich bin zu allem berechtigt, dessen ich mächtig bin, bin durch mich berechtigt zu morden [...]. Ist es mir recht, so ist es recht. Möglich, daß es darum anderen noch nicht recht ist; das ist ihre Sorge, nicht meine, sie mögen sich wehren. Und wäre etwas der ganzen Welt nicht recht, Mir aber wäre es recht [...] so früge ich nach der ganzen Welt nichts.“ (Max Stirner: Der Einzige und sein Eigentum)

Die Konsequenz Max Stirners Theorien, die teilweise als anarchistischer Individualismus bezeichnet werden, kommen im obigen Zitat wohl eindeutig zum Ausdruck. Seine Charakterisierung der Menschen als „Einzelne“ beinhaltet die Vorstellung, dass menschliche Freiheit nur in einem völlig uneingeschränkten und rücksichtslosen Handlungsspielraum des Individuums denkbar ist. Dabei genügt sich zwar prinzipiell jeder Mensch selbst, jedoch schließt dies keineswegs einen freiwilligen Bund „Einzelner“ aus. Stirner unterscheidet klar zwischen unfreien Assoziationen, wie bspw. der Ehe, der staatlichen Organisation, der Klasse o.ä., und der freien Assoziation selbstbestimmter Menschen, also einer Verbindung, die nur durch den Vorteil Berechtigung hat, der aus ihr für die Individuen erwächst. Dass gesellschaftliche Organisation am Individuum zu messen ist und für sich allein weder Bedeutung genießen darf, noch die Ziele „der Gesellschaft“ höher zu setzen hat als die des einzelnen Menschen, ist zwar ein wichtiger Gedankengang Stirners, jedoch kann er die Freiheit des „Einzelnen“ stets nur als bloße Willkür denken, d.h. eben als uneingeschränkte Handlungsfreiheit bis hin zur Möglichkeit des Mordes.
Meines Erachtens ist dies ein bedeutender Fehlschluss aus der kurzsichtigen Betrachtung realer, unfreier Verhältnisse, da es einen so heftigen Widerspruch zwischen Eigeninteresse und dem gesellschaftlichen Zusammenschluss nur in einer Gesellschaftsordnung gibt, in den Menschen auch tatsächlich leiden lässt, seine individuellen Vorlieben ignoriert und ihn zwingt nach allgemeinen Bestimmungen zu handeln, die nicht seinen eigenen entsprechen. Nur im Rahmen einer unfreien Gesellschaft wie der unsrigen stehen sich Einzel- und Allgemeininteresse entgegen. In einer freien Gesellschaft hingegen müssten sich diese scheinbaren Pole viel eher ergänzen, d.h. dass zum Einen eine Vereinigung nur durch den freiwilligen und am individuellen Interesse orientierten Zusammenschluss zustande kommt, zum Anderen die Gesellschaft aber auch Grundlage ist für die Sicherstellung allgemeiner Versorgung und ein enorm gesteigertes Potential an Handlungsmöglichkeiten (z.B. durch die Aufteilung von Tätigkeiten, Verfügbarmachung von Technologien, weltweite Kommunikation usw.).

Exkurs 2: H.D. Thoreau (1817-1862) und W. Godwin (1756-1836): Staatskritik als konsequenter Liberalismus

„Die rechtmäßige Regierungsgewalt [...] ist immer unvollständig: um nämlich unbedingt gerecht zu sein, muß sie die Vollmacht und Zustimmung der Regierten haben. Sie kann kein umfassendes Recht über mich und mein Eigentum haben, sondern nur soweit, wie ich zustimme. [...] Nie wird es einen wirklich freien und aufgeklärten Staat geben, solange sich der Staat nicht bequemt, das Individuum als größere und unabhängige Macht anzuerkennen“ (Henry D. Thoreau: Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat)

Die Staatskritiker Henry David Thoreau und William Godwin bezeichneten ihre Überlegungen zwar nicht als explizit anarchistisch, jedoch nähern sie sich in ihren Idealen stark „klassisch anarchistischen“ Positionen an und können wie im Fall Godwin sogar als deren Vorläufer bezeichnet werden. Im Folgenden soll nur die besondere Form der Staatskritik und deren praktische Folgerungen dargestellt werden.
Ausgangspunkt dafür ist die u.a. in der frühen Staatstheorie des Liberalismus und auch Heute noch bspw. im Gemeinschaftskundeunterricht o.ä. oft herangezogene Erklärung des Staates als Gesellschaftsvertrag seiner Mitglieder(8). In aller Kürze bedeutet das ungefähr, dass der Staat hier nicht durch einen göttlichen Willen, die Natur des Menschen o.ä. legitimiert wird, sondern als Ergebnis von vertraglichen Vereinbarungen. Sein Charakter sei dadurch einerseits geprägt durch das Gewährleisten ihrer Einhaltung – wenn nötig mit Gewalt - und andererseits, als Inhalt dieser Verträge, durch die Erfüllung bestimmter Funktionen wie Verteidigungs- Schul- oder Transportwesen. Dieser Gesellschaftsvertrag zwischen allen Mitgliedern einer Nation wird als von Generation zu Generation stillschweigend erneuerte Vereinbarung angesehen.
Obwohl eine solche „vertragliche Vereinbarung“ an keinem Punkt der Geschichte Bedeutung hatte für die Entstehung des modernen Staates, diese Erklärung als Gesellschaftsvertrag also eine verharmlosende Lüge ist, wird bspw. von H.D. Thoreau an genau diese Darstellung angesetzt. Er verneint sie nicht, sondern klagt darauf positiv Bezug nehmend ein, dass, wenn der Staat Berechtigung durch Verträge seiner Mitglieder habe, er sich auch stets aufs Neue das Einverständnis dieser einholen müsste. Diese Staatskritik, welche auch im obigen Zitat zum Ausdruck kommt, greift also das liberale Erklärungsmodell des Staates nicht prinzipiell an, sondern treibt es mit der Forderung, dass der Staat die Zustimmung seiner Mitglieder benötige, lediglich auf die Spitze. Die von Thoreau formulierte politische Praxis ist somit auch keine der sozialen, umwälzenden Revolution, sondern die der individuellen Verweigerung, was nicht nur Inspiration war für Teile des Anarchismus, sondern v.a. für Bürgerrechtsbewegungen wie die der Hippies, Wehrdienstverweigerer oder Anhänger Mahatma Gandhis.
Auch kann wohl das Leben H.D. Thoreaus als Paradebeispiel für eine so inspirierte politische Praxis herhalten. So erklärte er öffentlich, dass er keiner Vereinigung angehören möchte, ohne durch eigenen Entschluss Mitglied geworden zu sein. Seine Konsequenz, keine Steuern mehr zu bezahlen und dem Wehrdienst nicht nachzugehen, ist daher für ihn gerechtfertigt durch die Behauptung, er sei dem Verein „Staat“ niemals beigetreten. In Folge dessen bezog er eine eigenst errichtete Holzhütte im Wald. Da den Behörden seine Erklärung wohl nicht ganz zusagte, wurde er jedoch bei einem Besuch in der Stadt wegen Steuerverweigerung festgenommen. Ein solcher Versuch, Steuerbelastungen oder den Wehrdienst zu umgehen, würde wohl auch heutzutage auf dasselbe hinauslaufen. Thoreaus Kritik hat also wenigstens mit der Anklage recht, dass eine Staatsbürgerschaft nicht vertragliche Vereinbarung, sondern damals wie heute eine Zwangsmitgliedschaft ist.

3. Theoretiker und Geschichte des Anarchismus(9)

Wie schon erwähnt, geht der Großteil anarchistischer Theoretiker nicht von einer individuellen Verweigerung oder eines bloßen Ungehorsams gegen den Staat aus, wie bspw. Thoreau, sondern von einer sozialistischen Veränderung der gesamten Gesellschaft. Verknüpft mit der ebenso verbreiteten Annahme, Menschen seien von Natur aus solidarisch und freiheitlich veranlagt, ergeben sich bereits an diesem Punkt einige kritikwürdige Ansichten bezüglich dieses Umwälzungsprozesses.
Die frühen Anarchisten P.J. Proudhon und M. Bakunin beispielsweise sehen Revolutionen nicht als herbeiführbar an, sondern als vorbestimmte Prozesse mit eigener Dynamik(10). Als ob der Lauf der Geschichte wie vorprogrammiert ablaufen würde, werden gesellschaftliche Umwälzungsprozesse, wie aus den Zitaten in Fußnote 10 zu entnehmen ist, recht schwammig erklärt durch „den Instinkt des Volkes“, durch „Schicksal“ oder den „Ruf der Geschichte“. Sollte die Aufgabe der Anarchisten etwa nur darin liegen, jene gesellschaftliche Veränderung voraus zu sagen? Wäre dem so, dann könnte man getrost auf sie verzichten, da ihre Bedeutung nur die wäre, den sowieso schon vorherbestimmte Geschichtslauf zu theoretisieren oder bestenfalls als Avantgarde der Revolution letzte Aufgaben zu übernehmen.
Um diese Kritik des Geschichtsdeterminismus vieler Anarchisten zu vertiefen oder um zu analysieren, warum angeblich doch eine anarchistische Bewegung zur Einrichtung einer freien und gerechten Gesellschaft von Nöten sein sollte, wird nun eine genauere Betrachtung ihrer ersten populären Theoretiker unumgänglich sein.

3.1. Pierre Joseph Proudhon – Eigentum ist Diebstahl*

P.J. Proudhon (1809-1865) benutze wie bereits erwähnt erstmals den Namen Anarchie für die von ihm erstrebte Gesellschaftsform. Aufgrund der zahlreichen Missverständnisse und politischen Diffamierungen gegenüber Anhängern des Anarchismus verwendete er später mehr und mehr die Bezeichnung Mutualismus, welche auch von seinen Anhängern bevorzugt wird.
Der bis dahin völlig unbekannte Proudhon wurde 1842 schlagartig durch seine Schrift „Was ist das Eigentum?“ berühmt, aus der die auch heutzutage von Anarchisten viel benutzte Parole „Eigentum ist Diebstahl!“ stammt. Zu dieser Zeit auch noch sehr geschätzt von Zeitgenossen wie bspw. Karl Marx(11), betrachtete er das Eigentum nicht von der bis dahin zu seiner Rechtfertigung herangezogenen Seite, dem Reichtum, Wohlstand und Überfluss, sondern aus der seiner Abwesenheit, also der negativen Sicht des Elends und der Armut. Proudhon nahm die Ideale und Versprechen der bürgerlichen Gesellschaft ernst und stellte sie der harten Realität gegenüber, welche eben keineswegs von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, sondern von Ungleichheit, Verarmung und Elend geprägt war. An diesem Punkt seines Wirkens war auch seine Zielsetzung noch der Marxschen recht ähnlich. Er forderte die Überwindung kapitalistischer Verhältnisse zugunsten einer sozialistischen Demokratie, die Abschaffung des Elends (was Proudhon zufolge erst mit dem Proletariat entstand), die Thematisierung und Aufhebung der Entfremdung(12) in der kapitalistischen Gesellschaft und die Abschaffung des Privateigentums. Diese doch recht allgemeine Darstellung der Zielsetzung Proudhons bezieht sich nur auf seine Anfänge. Es ist nicht mein Anliegen, eine Einstimmigkeit seiner Theorie zu vermitteln, welche in seinen Werken nicht vorliegt. Ebenso wie die konkret politischen Ausformungen, so entwickelte Proudhon seine Theorien bis zuletzt weiter, was auch seine späteren, äußerst heftigen Differenzen zu Marx erklärt. Diese Frontstellung zu Marx ist u.a. der Grund, weswegen ich die Beschäftigung mit ihm für besonders wichtig halte. Ich meine, in der Auseinandersetzung mit beiden zwei grundlegend verschiedene Herangehensweisen in der Kritik kapitalistischer Verhältnisse gegenüberstellen zu können.
Um seine früh aufgestellte, später relativierte Forderung nach der Aufhebung des Eigentums nachzuvollziehen, ist die Unterscheidung von Besitz und Eigentum nötig. Proudhon zitiert in „Was ist das Eigentum?“ Duranton, welcher schrieb: „Der Besitz ist eine Tatsache und kein Recht“. Mit Besitz ist im Gegensatz zum Eigentum also nur der Zustand des Benutzens oder Verwendens einer bestimmten Sache gemeint, und nicht das juristische Herrenrecht, für immer über etwas zu verfügen. Dies wird vielleicht an einigen Beispielen verständlicher. So könnte man den Mieter, den Pachtenden oder den Bauern als Besitzende, den Vermieter, den Pächter oder den Grundeigentümer des Feldes als Eigentümer bezeichnen. Proudhon wählt u.a. das Beispiel, der Ehemann sei Eigentümer, der Liebhaber Besitzender.
Anhand dieser Unterscheidung formuliert er auch sein Programm mit Bezug zum alten römischen Recht. In ihm gibt es zum einen das jus in re (Recht an der Sache), das Herrenrecht auf schon Erworbenes, und das jus ad rem (Recht auf die Sache), das Recht, weswegen man beansprucht, Eigentümer zu werden. Adäquat dazu gab es zwei Stufen eines Prozesses. In erster Instanz, dem Petitorium, galt es zu beweisen, dass einem bestimmtes Eigentum zusteht, bevor man dann die Verfügung darüber im Possesorium einklagen konnte. Proudhon formuliert nun anhand dieser Unterscheidungen sein politisches und ökonomisches Programm als Anklage: „Indem ich dieses Werk gegen das Eigentum schreibe, erhebe ich gegen die ganze bürgerliche Gesellschaft eine petitorische Klage; ich beweise, daß die Nichtbesitzenden heute mit demselben Recht wie die Besitzenden Eigentümer sind; aber statt daraus zu schließen, daß das Eigentum unter alle aufgeteilt werden müsse, fordere ich, daß es um der allgemeinen Sicherheit willen für alle aufgehoben werde.“ (Was ist das Eigentum?).
Er versteht seine Theorie zwar in der Tradition der französischen Revolution, jedoch relativiert er stark deren Bedeutung(13) und sieht deren Prinzipien erst verwirklicht, wenn sie nicht nur auf die Politik angewendet werden sondern auch in der Ökonomie als Gleichheit der Bedingungen durchgesetzt sind. Neben der Forderung nach Abschaffung des Erbrechts, des privaten Eigentums usw. richtet sich diese Kritik Proudhons v.a. in späteren Werken gegen das Geld als sogenannte „privilegierte Ware“. Nach der Abschaffung des Königtums der Menschen, geht es ihm also darum, das Königtum des Geldes zu überwinden.
Diese Kritik des Geldes beruht im wesentlichen auf der Annahme, Geld sei im Vergleich zu anderen Waren im Wert unveränderlich und könne u.a. durch seine Eigenschaft, gegen alle anderen Waren austauschbar zu sein, in großer Menge angehäuft werden. Daraus ergibt sich angeblich ein Privileg für Menschen, welche über großen Reichtum in Geldform verfügen, da sie dadurch in der Lage seien, von anderen Menschen einen Zins für das Verleihen von Geld zu erpressen.
Diese Kritik ist in zweierlei Hinsicht falsch und kurzsichtig. Erstens verliert Geld sehr wohl an Wert und ist ebenso Marktschwankungen unterworfen wie jede andere Ware auch. Selbst zu Proudhons Lebzeiten, als Geldsummen noch durch Gold gedeckt wurden, änderte sich ihr Wert bspw. bei der Entdeckung großer Goldsummen ebenso wie bei Produktionskrisen. Und erst recht nach den Erfahrungen erster Hyperinflationen wie der in Deutschland 1923, als Geldscheine nahezu völlig entwertet wurden und Besitzer von Produktionsmitteln, Immobilien o.ä. im Vorteil waren, ist die Behauptung abstrus, Geld verliere nicht an Wert. Zudem reflektiert Proudhon nicht darauf, dass bspw. Banken zwar Zinsen auf die von Ihnen verliehenen Geldsummen vergeben, jedoch dieser Prozess niemals abgespalten von der Sphäre der Produktion gesehen werden kann. Große Geldsummen werden nämlich nicht einfach nur in der Zirkulation hin und her geschoben, um ungerechterweise Zinsen zu erpressen, sondern spätestens seit der Industrialisierung und der Entstehung finanziell aufwendigerer Projekte wie der Eisenbahn u.ä., benötigte der Kapitalismus andere Reichtumsquellen als das private Vermögen. Der Zins von Krediten, aber auch bspw. Renditen von steigenden Aktien sind sozusagen der Anteil, welcher für die Geldgeber von einem Produktionsprozess abspringt, der einer Fremdfinanzierung bedarf und durch die Erwirtschaftung eines Profits auch real Geld vermehrt.
Warum aber erkennt Proudhon diesen notwendigen Zusammenhang von Produktions- und Zirkulationssphäre nicht? Seine Theorie basiert auf dem Ideal eines gerechten Tauschs zwischen Arbeitern(14), welche genossenschaftlich ihre Produktionsmittel verwalten und dadurch voll entlohnt werden. Vor diesem Hintergrund kann eine Vermehrung von Geld durch bloßes Tauschen, bzw. Verleihen, also eine sich selbst vermehrende Geldsumme (G-G’) nur Ungerechtigkeit im Tausch und die Erpressung fremden Reichtums bedeuten. Die Konsequenzen dieser Fixierung auf die bloße Zirkulation werde ich gleich noch erwähnen.
In späteren Werken, wie der „Philosophie der Noth“ (auch Philosophie des Elends), hat Proudhon selbst kein Problem mehr mit dem Verhältnis des Unternehmers zu seinen Arbeitern, nämlich dass unter ihnen nicht der volle Ertrag der Summe an Geld aufgeteilt wird, welche durch den Verkauf der von ihnen produzierten Waren erwirtschaftet wurde. Vor dem Ideal des gerechten Tauschs erklärt er sich diesen Abzug an Lohn gegenüber den Arbeitern als Tausch mit dem Verwalter der Produktionsmittel(15) für die Leistung, Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen. Ein Unternehmer, welcher durch eine gut laufende Produktion Geld vermehrt, hat für Proudhon noch nichts mit einem Kapitalisten zu tun. Er kann Kapital nur als Geld und nicht als Maschinen für die Produktion oder angekaufte Arbeitskraft denken, ebenso wie er Kapitalisten nur als Geldverleiher definiert. Dieser Fehlschluss erlaubt es ihm, das Ideal eines gesamtgesellschaftlich gerechten Tausches aufrecht zu erhalten durch die Vorstellung, nur durch den Zins und das Geld würde er verfälscht und ungerecht werden.
Die anfänglich radikale Ablehnung von Kategorien wie Eigentum und Staat ändert sich durch die „Weiterentwicklung“ seiner Theorien zum sogenannten „System der Widersprüche“ gewaltig(16) und selbst das Geld spielt dann eine widersprüchliche Rolle, da er die Funktion des allgemeinen Tauschmittel akzeptiert. Seine konkreten Vorstellungen einer auch ökonomisch gleichen und freien Gesellschaft sind nun recht eindeutig ausformuliert: Das Erbrecht wird aufgehoben, Produktionsmittel werden zu allgemeinem Eigentum erklärt und Arbeiter schließen sich zu genossenschaftlichen Betrieben zusammen, die gemeinsam ihre Produktion regeln. Das Aufgabengebiet dieser Kollektive kann sich zwar mit den sonst staatlich organisierten Institutionen wie Bildung, Infrastruktur u.a. überschneiden, aber für Proudhon ist nun auch ein Staat in der Funktion vorstellbar, bestimmte Institutionen zu initiieren und sich dann von ihrer Organisation zurückzuziehen. Ansonsten erfolgt die Vernetzung und Kommunikation zwischen Betrieben nicht von oben herab durch eine zentralisierte Verwaltung, sondern durch den föderalistischen und freiwilligen Zusammenschluss selbstorganisierter Kollektive. Arbeiter werden nicht in Geld, sondern in Arbeitsstundenzetteln ausgezahlt, da dies die einzige Form des allgemeinen Tauschmittels ist, welche für Proudhon einem gerechten Tausch entspricht(17). In der völligen Gleichmachung jeder menschlichen Arbeit meint er die ökonomische Entsprechung der bisher nur politischen Gleichheit ausmachen zu können. Zur Sicherstellung, das bei der Vergabe von Arbeitsstundenzetteln und bei deren Tausch gegen konkrete Waren kein Betrug zustande kommen kann, schlägt er die Einrichtung einer Tausch- oder auch Volksbank vor, in welche die Genossenschaften und Arbeiter freiwillig eintreten können. Dieses von ihm propagierte Allheilmittel müsste eine alle Betriebe kontrollierende und beaufsichtigende Institution sein, welche an bürokratischem Aufwand noch die staatliche Produktion des Staatssozialismus übertreffen müsste. Und in der Tat sieht Proudhon im Rechnungswesen und der mathematischen Erfassung eine ungeheuer revolutionäre Kraft: „Das Problem des Elends läßt sich also lösen, indem man die Wissenschaft des Rechnungswesens auf eine höhere Ebene hebt, die Bücher der Gesellschaft anlegt [...] Endlich, um meinen Vergleich zu vollenden, ist es nötig, die Bücher offen zu führen, das heißt, die Rechte und Pflichten genau zu bestimmen, und zwar so, daß man in jedem Augenblick die Ordnung oder Unordnung nachzuweisen und die BILANZ zu ziehen imstande ist“ (Bekenntnisse eines Revolutionärs). Neben dieser Überwachung der Produktion soll die Tauschbank zudem Kredite vergeben, allerdings ohne Zinsen. Diese einzige Möglichkeit, größere Mengen an Geld – pardon – an Arbeitsstundenzetteln zu bekommen, lässt die Mitgliedschaft in der Tauschbank wiederum ein wenig unfreiwilliger erscheinen.
Neben dieser bürokratischen Garantie eines „gerechten und freien“ Tauschs vertraut Proudhon zudem auf andere Faktoren zur Gewährleitung einer gut funktionierenden Zirkulation von Waren. Dass er mit dem Zwang der Konkurrenz im Allgemeinen kein Problem hat, ist schon Fußnote 16 zu entnehmen, sie ist ein notwendiger Bestandteil seines „Gesetzes der Werthmäßigkeit“ und es geht ihm nun wortwörtlich nur noch darum, „ihre polizeiliche Ordnung“(18) zu finden. Weiterhin ist es beinahe selbstverständlich, dass seine rein mathematische und bürokratische Vorstellung einer vernünftigen und gerechten Gesellschaft, die Sanktion von Müßiggang und Faulheit ebenso wie klaren Zwang zur Arbeit beinhaltet(19).
Die Fixierung Proudhons auf die Zirkulation des Geldes und seine Hetze auf „Geldkapitalisten“ und deren Zinsen hat zudem weitere schwerwiegende Folgen. Die Unterscheidung von produktiver Arbeit, ehrlichem Unternehmertum und gerechtem Tausch auf der einen und dem ungerechten Erpressen von Zinsen auf der anderen Seite gleicht nicht nur rein inhaltlich dem antisemitischen Klischee von „schaffender Arbeit“ und „raffendem Jude“. Auch in seinen politischen Äußerungen gibt sich der Vater zahlreicher anarchistischer Wirtschaftstheorien strikt antisemitisch und dass sogar in äußerst vernichtender Form(20). Neben diesen Beispielen seiner klar reaktionären politischen Theorie sollen zum Abschluss noch einige Worte darüber verloren werden, warum seine Herangehensweise auch rein methodisch schon abzulehnen ist.
Ich halte es nämlich für unzulänglich, P.J. Proudhons Fehler ausschließlich durch bloße Unachtsamkeit, Naivität oder Dummheit zu erklären. Die Systematik dieser Fehlschlüsse lässt bessere Erklärungen zu. So hat Proudhon zwar wie bereits erwähnt, die bürgerlichen Ideale und Versprechen ernst genommen und der weniger rosigen Realität gegenübergestellt, jedoch ließ er sich von dem Schein trügen, welche die kapitalistische Gesellschaft von sich selbst produziert. Seine Betrachtung des Eigentums war zwar einschneidend, jedoch blieb er wie auch der traditionelle Marxismus bei der Änderung der rein juristischen Besitz- und Herrschaftsverhältnisse stehen. Dieses fehlende Verständnis für die Vermittlung von Produktion, Zirkulation und deren juristischem Ausdruck führte nicht nur zu der antisemitischen Fixierung auf die Zirkulation des Geldes, sondern auch zu der Tatsache, dass Proudhon zwar seiner Zielsetzung gemäß den Kapitalismus überwinden wollte, aber in der Entwicklung seiner Eigentumskritik bei der bloßen Umverteilung stehen blieb.
Dieses Unverständnis dafür, Kategorien der bürgerlichen Gesellschaft nicht als eigenständig sondern in ihrer Vermittlung zu begreifen, zeigt sich auch bei anderen Kategorien als dem Eigentum. Indem Proudhon die bereits entwickelte Zirkulationssphäre der bürgerlichen Gesellschaft als Ausgangsbasis nimmt und den von ihr produzierten Schein eines idealen und gerechten Tausch als Ideal setzt, verdreht er die Kategorien bürgerlicher Gesellschaft doppelt. Zum Einen reflektiert er nicht auf die Vermittlung des „gerechten Tauschs“ und einer Produktionsform, welche höchst ungerecht auf verschiedenen Eigentumsverhältnissen, der Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft und der endlosen Kapitalakkumulation basiert, zum Anderen verwendet er dieses kurzsichtig bestimmte Ideal von Gerechtigkeit, um an ihm einzelne Erscheinungen der Realität unvermittelt und aus dem gesellschaftlichen Zusammenhang herausgerissen zu messen. In Folge dessen betreibt er nichts anderes als bürgerliche Apologetik, da er ohne seine eigenen Grundlagen herleiten zu können, Bestandteile der kapitalistischen Gesellschaftsform wie Konkurrenz, Eigentum, Arbeit, Warentausch usw. als natürliche Kategorien verklärt.
Seine politische Theorie ist somit nichts anderes als das Herausreißen bürgerlicher Kategorien aus ihrem Zusammenhang und das Ausspielen vermeintlich guter Seiten gegen vermeintlich böse. Proudhon will die Ware ohne das Geld, die Konkurrenz ohne deren Folgen, die Bank ohne Zins usw. Als ob die Bestandteile kapitalistischer Vergesellschaftung rein zufällig und ohne notwendigen Zusammenhang zustande kämen.
An dieser Stelle wären vielleicht noch einige Kommentare zu den schon anfänglich erwähnten Differenzen zwischen der Herangehensweise P.J. Proudhons und der Marxschen angebracht. Auch wenn das Werk von Karl Marx ebenso wenig einstimmig und widerspruchsfrei ist, so ist doch seine Methode, Kritik der kapitalistischen Gesellschaft zu formulieren, eine völlig andere. Während Proudhon in den Kategorien der bürgerlichen Gesellschaft „gute“ und „schlechte“ Seiten zu erkennen glaubt, ist die Marxsche Darstellung bspw. im „Kapital“ der Versuch, die Kategorien kapitalistischer Verhältnisse überhaupt erst zu entwickeln. Indem Marx mit der Analyse der Ware beginnend versucht, den gesellschaftlichen Prozess herauszukristallisieren, welcher die konkreten Erscheinungen der Produktion und des Marktes in notwendigem Zusammenhang hervorbringt, wendet er sich nicht gegen einzelne, vermeintlich „schlechte Seiten“ der bürgerlichen Gesellschaft, sondern stellt deren Form der Vermittlung im Allgemeinen zur Disposition.
Durch die Analyse des Kapitalprozesses, kann Marx auch das Eigentum besser fassen. Auf ihn geht die Analyse zurück, dass Kapital nicht einfach nur ein großer Haufen Geld, Maschinen oder Rohstoffe ist, sondern ein endloser Prozess. Jegliche kapitalistische Produktion muss der Konkurrenz und des Überlebens wegen daran interessiert sein, die Menge an investiertem Reichtum durch den Verkauf produzierter Waren nicht nur wieder zu erlangen, sondern zu übertreffen. Das nicht nur, weil der Kapitalist als Besitzer der Produktionsmittel neben den Betriebskosten auch das eigene Überleben sichern muss, sondern weil jegliches Unternehmen gezwungen ist, vermehrtes Geld in eine noch größere oder modernere Produktion zu investieren, um der Konkurrenz des Weltmarktes gewachsen zu sein. Kapital ist also viel eher ein unendlicher Prozess der Geldvermehrung mit ständigem Formwechsel. Eine Menge an Kapital in Geldform wird für eine Produktion genutzt und somit in die Form konkreter Waren überführt. Diese haben nun zwar potentiell Wert, dieser kann sich allerdings erst in der Sphäre der Warenzirkulation oder des Marktes durch den Tausch gegen Geld oder andere Waren realisieren. Läuft alles Bestens, steht am Ende dieses Prozesses ein größerer Haufen Geld, als investiert wurde.
Weil die Menschen ihre Produktionsweise an der endlosen Vermehrung von Geld ausrichten, sollte man die Kritik kapitalistischer Zustände nicht mit einer Umverteilung des Reichtums oder einer einseitig zirkulationsfixierten Verurteilung des Zinses bzw. des Geldes verwechseln. Kritik kapitalistischer Verhältnisse sollte darstellen, wie durch die Art und Weise, in der Menschen in ihr Produktion und allgemeinen Austausch herstellen, notwendig ein Gesellschaftsprinzip hervorgebracht wird, welches als Zweck die Geldvermehrung hat und somit Menschen stets nur als Mittel für diesen selbstzweckhaften Prozess ansehen kann. Sei es als Arbeiter oder Kapitalist, als Händler oder als Käufer usw. Erst wenn man Eigentum auch als Kapitalprozess versteht, beschreibt man es nicht mehr nur als eine juristische Kategorie ungerechter Verteilung, sondern als soziales Verhältnis, welches zwar Wohlstand für die hervorbringen kann, die sich nützlich für eine gelingende Kapitalakkumulation erweisen aber auch jene vom gesellschaftlichen Reichtum ausschließt, welche aufgrund von Arbeitslosigkeit o.ä. nicht fähig sind genug Geld für ihr Überleben zusammen zu bekommen
Nichtsdestotrotz versuchte Proudhon tatsächlich, die von ihm propagierte Tauschbank ins Leben zu rufen und genossenschaftliche Produktionsstätten zum Eintritt zu bewegen. Obwohl diese Bank zeitweise bis zu 50.000 Mitglieder hatte, musste das Projekt aufgegeben werden, da ein Haftbefehl gegen ihn seine Ausreise aus Frankreich unweigerlich nach sich zog. Bei der Einschätzung seiner Vorhaben ist Proudhon allerdings an Selbstsicherheit und Zuversicht kaum zu übertreffen und seine Aussage könnte wohl auf die Worte reduziert werden: wenn alles klappt, ist in 50 Jahren alles Bestens: „Binnen eines halben Jahrhunderts wird das ganze National-Kapital beweglich gemacht und jeder angelegte Wert welcher der Produktion als Werkzeug dient unter irgendeiner Gesellschaftsfirma eingeschrieben sein“ (zit. nach Cantzen, R.: Weniger Staat – Mehr Gesellschaft, S. 103)

Ende von Teil 1. Teil Zwei dieser Einführung wird sich zentral mit den Theorien M. Bakunins und P. Kropotkins, sowie mit der geschichtlichen Bedeutung des Anarchismus beschäftigen.

Arthur

Fussnoten

(1) Die Vortragsreihe umfasste drei Vorträge, welche sich inhaltlich stark an den Fragen und Interessen des Publikums orientierten. Die hier veröffentlichte Fassung beinhaltet daher nur einen Bruchteil des im Vortrag ausgeführten Stoffes. Jene Teile der Einführung, welche am meisten unter meinen Kürzungen zu leiden hatten, sind mit einem * gekennzeichnet. Besonders die genauere Untersuchung der populären anarchistischen Theoretiker, die fundierte und ausführliche Kritik ihrer Standpunkte ebenso wie andere spezielle Ausführungen werden hier nur in Ansätzen zu finden sein. Auf der Website von Tomorrow (tomorrow.de.ms) ist in Kürze eine Version dieses Textes zu finden, welche um die hier fehlenden inhaltlichen Punkte ergänzt sein wird. Vor allem, ausführlichere Argumentationen anstelle von bloßer Darstellung und Kritik sind dort zu finden
(2) Ein Fakt, der keineswegs einseitig auf den Anarchismus zu beziehen ist und bspw. ebenso auch für den Kommunismus gilt. Linke Gruppen, die sich in der Tradition von Karl Marx und der Kritischen Theorie sehen, Antideutsche ebenso wie Maoisten, Trotzkisten und Leninisten reklamieren den Begriff „Kommunismus“ für sich. Auch Stalin bspw. war ein Kommunist.
(3) Bereits damit ist klar, dass eine Verwendung als Synonym für Gewalt und chaotische Zerstörung sich verbietet. Wenden Menschen Gewalt gegenüber anderen Menschen an, stellen sie sich über sie. Als primitivste Form einer Hierarchie ist dies eindeutig Herrschaft.
(4) Wohl am eindeutigsten findet man diese Position bei P. Kropotkin, der durch wissenschaftliche Untersuchungen versuchte, einen „Geselligkeitstrieb“ nachzuweisen. Von diesem Standpunkt ausklammern könnte man bspw. die Theorien , des auch als „Individualanarchisten“ bezeichneten Max Stirner. Dazu später mehr.
(5) Exemplarisch für diese Ablehnung einer staatlichen Beteiligung anarchistischer Gruppen sei hier ein Zitat von M. Bakunin: „Nehmt den radikalsten Revolutionär und setzt ihn auf den Thron aller Reussen oder verleiht ihm eine diktatorische Macht [...], und ehe ein Jahr vergeht, wird er schlimmer als der Zar selbst geworden sein.“ (M. Bakunin; zit. nach Guerin, D.: Anarchismus – Begriff und Praxis, Frankfurt/M 1967, S.26)
(6) „Sie [die Staatssozialisten] behaupten [...] Anarchie oder Freiheit ist das Ziel, Staat oder Diktatur das Mittel [...]. Wir dagegen behaupten, daß die Diktatur kein anderes Ziel haben kann, als nur das eine, sich zu verewigen“ (M. Bakunin, zit. nach Cantzen, R.: Weniger Staat – Mehr Gesellschaft, Grafenau 1995, S. 50)
(7) Die in diesem Text verwendete Bedeutung des Wortes sozialistisch ist nicht in eins zu setzen, mit den heute damit verbundenen Strömungen staatssozialistischer Prägung, wie dem Leninismus, dem Stalinismus o.ä.. Sozialistisch soll hier zunächst nur die Orientierung der Gesellschaft an den Bedürfnissen und Interessen aller Menschen zum Ausdruck bringen, bspw. im Gegensatz zur Orientierung an der Geldvermehrung, dem Königtum u.a. Damit kommt dem Begriff Sozialismus also hier nicht mehr Bedeutung zu, als ein Überbegriff für Strömungen wie Anarchismus, Kommunismus usw. zu sein.
(8) So z.B. in J. Rousseaus „Gesellschaftsvertrag“
(9) Ich werde im folgenden versuchen, einige Theorien des Anarchismus chronologisch und teilweise verknüpft mit dem geschichtlichen Hintergrund ihrer Entstehung zu erörtern.
(10) „Die Revolution kennt keine Initiatoren; sie entstehen, wenn der Ruf des Schicksals an sie ergeht; sie halten inne; wenn die geheimnisvolle Kraft, die sie ausbrechen läßt, erschöpft ist [...] Wenn das Volk einzig seinem Instinkt überlassen ist, reagiert und agiert es viel richtiger, als wenn es durch die Politik seiner Führer geleitet wird“ (P.-J. Proudhon, zit. nach Guerin, D.: Anarchismus – Begriff und Praxis, Frankfurt/M 1967, S. 33) Bakunin meint, dass Revolutionen „durch die Gewalt der Sachen hervorgebracht“ werden. „Sie bereiten sich lange in der Tiefe [...] der Volksmassen vor – dann brechen sie los, [...] Man kann sie voraussehen, [...] aber man kann niemals ihren Ausbruch beschleunigen“ (M. Bakunin, ebenda S. 33)
(11) Karl Marx meinte, Proudhons Analyse des Eigentums sei für die moderne Ökonomie so bedeutend gewesen, wie die Sieyesche Schrift „Was ist der 3. Stand?“ für die moderne Politik
(12) Man kann zahlreiche Formen der Entfremdung der Menschen von sich selbst beobachten. Z.B. Für Geld Arbeiten tun zu müssen, deren Tätigkeiten nicht den eigenen Interessen entsprechen; die eigenen Kompetenzen und Leistungen, ebenso wie die der Gesellschaft, durch das Wirken eines Gott zu erklären u.a.*
(13) „Nachdem das Volk so lange Opfer des monarchischen Egoismus gewesen war, glaubte es sich davon zu befreien, indem es sich allein für souverän erklärte. Aber was ist die Monarchie? Die Souveränität eines Menschen. Was ist die Demokratie? Die Souveränität eines Volkes oder, richtiger gesagt, der Mehrheit der Nation. Aber stets wird die Souveränität des Menschen an Stelle der Souveränität des Gesetzes gesetzt, die Souveränität der Willkür an Stelle der Souveränität der Vernunft [...] Gewiß ist es ein Fortschritt, wenn ein Volk seinen monarchischen Staat in einen demokratischen verwandelt, [...] aber schließlich, eine Revolution in der Regierung tritt nicht ein, denn das Prinzip ist dasselbe geblieben. Nun, wir haben heute den Beweis, daß man unter der vollkommensten Demokratie durch aus unfrei sein kann.“ (P.J. Proudhon, „Was ist das Eigentum?“) Bereits hier tauchen m.E. höchst kritikwürdige Formulierungen auf, welche man in späteren Werken als politisches Programm ausformuliert findet. So drängt sich mir die Vorstellung auf, dass Proudhon Freiheit als nur als rationale „Herrschaft der Vernunft“ denken kann. Dies wird später im Text noch einmal aufgegriffen.
(14) Und keineswegs Arbeiterinnen. Der Frauenfeind Proudhon schrieb 1848 in seinem „Revolutionäre[n] Programm“: „ Der Haushalt [...] ist das Königreich der Frau“. Weiterhin kündigt er darin an, als Abgeordneter werde er „jedes Gesetz über die Ehescheidung als Ermunterung zur Ausschweifung und als Rückschritt ansehen“
(15) also bspw. Maschinen und andere Technologien, Produktionsräume usw.
(16) „Eigentum ist Diebstahl, Eigentum ist Freiheit. Diese beiden Sätze sind auf gleiche Weise bewiesen und bestehen nebeneinander in dem ‚System der Widersprüche ’. Ich operierte ebenso mit jeder anderen ökonomischen Kategorie, der ‚Arbeitsteilung ’, der ‚Konkurrenz ’, dem ‚Staat ’, dem ‚Kredit ’, der ‚Gütergemeinschaft ’ usw. Ich bewies der Reihe nach, wie jede dieser Ideen und folglich die Institutionen, welche von ihnen erzeugt werden, eine positive und eine negative Seite haben“ (P.J. Proudhon: Bekenntnisse eines Revolutionärs)
(17) Proudhons Einschätzung des Geldes ebenso wie die Einführung „neutraler Marken“ als Tauschmittel wird beinahe komplett übernommen und zum „Schwundgeld“ weiterentwickelt von dem späteren Kaufmann Silvio Gesell, welcher von Klaus Schmitt im gleichnamigen Buch als „Der Marx der Anarchisten“ bezeichnet wird. Die antisemitische, rassenhygienische und frauenfeindliche Dimension des Denkens beider ist m.E. sehr gut in einem Vortrag von Peter Bierl zusammengestellt, dem ich allerdings rein inhaltlich nicht in Gänze zustimmen würde. Er ist zu finden unter: http://www.rote-ruhr-uni.com/texte/bierl_tauschring.pdf
(18) zit. nach N. Rackowitz: Einfache Warenproduktion, S. 71
(19) „ Das Einkommen, das man an einen Müßigen auszahlt, gleicht einem Werthe, den man in den Schlund des Aetnas wirft; ebenso gleicht ein Arbeiter, den man übertriebenen Lohn bezahlt, einem Schnitter, dem man ein ganzes Brod geben würde, damit er eine Ähre pflücke: mit einem Worte, Alles, was die Oekonomen als eine unproduktive Konsumtion bezeichnen, ist im Grunde Nichts als eine Verletzung des Gesetztes der Verhältnismäßigkeit“ (Philosophie der Noth)
(20) „Wir lehnen uns gegen die Wiederkehr der Geldjuden und der monarchischen Restauration auf; wir sind im permanenten Aufstand gegen das Kapital und gegen die öffentliche Gewalt begriffen“ (Die Tauschbank)
Man müsse begreifen, dass der Jude „vom Temperament her ein Anti-Produzent ist, kein Bauer, ja noch nicht einmal ein richtiger Kaufmann“ und „Man muss diese Rasse nach Asien zurückschicken oder ausrotten“ (zit. nach George L. Mosse, Die Geschichte des Rassismus in Europa)

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last modified: 28.3.2007