home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt
[123][<<][>>]

Kultur-Report, 1.7k

Arbeit mit Schwung


      „Lichtdurchflutet, transparent, offen – die atmende Fabrik.“ (BMW)
Die Architektin Zaha Hadid, die im Jahre 2004 den „Nobelpreis der Architektur“, d.i. der Pritzker-Preis, erhalten hatte, setzt den Jubel der Leipziger über die BMW-Werke architektonisch fort. Geschwungene, zickzackige und schräge Formen bilden das Ambiente der Autoproduktion im Leipziger Norden. Erhoben sich einst die Maschine und später der Chip zu den Vorbildern moderner Architektur, womit Funktionalität und Effizienz unverschleiert als Leitbild in Szene gesetzt worden, ist Zaha Hadid um mehr
BWM-Fabrik, 10.1k
BWM-Fabrik, 8.1k
BWM-Fabrik, 9.7k
Menschlichkeit bemüht. Sie hat das Zentralgebäude gestaltet, welches als „aktives Nervenzentrum“ und „Drehscheibe“ der produzierten Autos die drei Fabrikhallen miteinander verbindet. Zaha Hadid: „Das Zentralgebäude bündelt und verteilt alle wesentlichen Bewegungsflüsse des Werkes. Dieses Projekt ist deshalb für uns eine wunderbare Gelegenheit, Bewegung in Architektur umzusetzen.“ Es soll die gesamte Belegschaft des riesigen Werks als Team konstituieren, das den Arbeitsprozess in einem ständigen Kommunikationsprozess zu meistern hat. Die Hierarchien innerhalb des Kommunikationsprozesses sind in der Architektur elegant berücksichtigt. Terrassenartig schlängelt sich der Officebereich über den Köpfen der Autobauer am Ufer des Produktionsprozesses entlang. Von dort aus können Ingenieure und Manager über den Produktionsprozess ohne technische Zwischengeräte wachen und Instruktionen geben. Mittendrin und doch residierend über den Autobauern. Zudem suggerieren die Terrassen der höhergestellten Mitarbeiter, dass die Menschen über die Maschinerie und nicht die „totgeschlagene Materie“ (Karl Marx) respektive Kapital über die Menschen herrschen würde.
Wie die gemeinsam am Endprodukt über diverse Hierarchiestufen hinweg zusammenarbeitenden Menschen so sollen auch Mensch, Maschine und digitale Information durch das fließende Arbeitsumfeld harmonisiert werden. Die Förderbänder hängen von oben herab und sind überall frei einzusehen. Die Autos schweben an ihnen entlang und drehen sich an einigen Stellen auf überdimensionalen Plattenspielern einmal um die eigene Achse, um sich, wie Models auf einem Laufsteg, begutachten zu lassen. „Produktion hautnah“ (BMW) . Nahtlos, sauber, balletreif werden die Teile zu einem Ganzen gefügt. Wenn die Beschäftigten in der Cafeteria pausieren, so können und müssen sie weiterhin zusehen, wie sich die Produktionsstränge zur Endfertigung verdichten; auch beim Essen wird ihnen der Sinn ihrer Präsenz vor Augen geführt.
Laut Selbstanspruch wollte dekonstruktivistische Architektur die reinen Formen der gängigen Architektur aufbrechen und die „Symptome einer verdrängten Unreinheit [...] an die Oberfläche“ holen (Philip Johnson u. Mark Wigley). Eine berühmte Protagonistin dekonstruktivistischer Architektur, Zaha Hadid, hat nun unweit von Leipzig, nachdem dort Planierrauben Tabula rasa gemacht hatten, reine Formen vermieden – das Grauen am Arbeitsprozess wurde dadurch jedoch in der Architektur nicht sichtbar, sondern durch diese drapiert.

Hannes

home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt |
[123][<<][>>][top]

last modified: 28.3.2007