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das Erste, 0.9k

Die reine Politik
der Deutschen


Es rappelt in der Hauptstadt und nicht nur dort. Auch in Wolfsburg stehen die Zeichen auf Sturm. Wie konnte es nur dazu kommen, dass deutsche Volksvertreter, zugehörig der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, trotz des Faktes, dass sie keinen Finger krumm machen, Zahlungen vom Automobilriesen“ Volkswagen erhielten? Nach den „Schwarzen Kassen“ des Herren Kohl, der vom Waffenhändler Schreiber kleinere Geldspenden erhalten hat, aber nicht zuletzt nach der Affäre „Laurenz Mayer“, dem von RWE jährlich ein Obolus für Leistungen gezahlt wurde, die der Schwindler nicht erbrachte, ist die Jagd auf die deutschen Kollaborateure mit dem deutschen Kapital eröffnet. Sechs Abgeordnete der SPD im Bundestag stehen bzw. standen auf der Gehaltsliste von Volkswagen. Was ist nur geschehen, fragt sich Deutschland. Die gewählten Volksvertreter, so vermutet man, paktieren mit der Wirtschaft. Eben jene Unternehmer, die die Bosse des kleinen Mannes sind, sind Chefs derjenigen, welche den Bossen Einhalt gebieten sollen. Da muss der Deutsche natürlich auf die Barrikaden gehen. Indem die Abgeordneten im Lohnverhältnis mit VW stehen, so muss man vermuten, sind jene nicht mehr unabhängig und die Rede von der Reintegration in den Arbeitsmarkt nach Abgabe ihrer Mandate scheint eine Farce zu sein, macht es doch eher den Eindruck, sie seien die faulen Marionetten des Kapitals, welches sie protegiert, während sich der kleine Mann Tag für Tag abarbeitet.

Alter Gorilla, 41.9k

VW und Deutschland, das war von jeher eine Liebesbeziehung. VW war nicht nur unter Hitler, sondern auch unter Schröder wie kaum ein anderer Betrieb mit der deutschen Politik verschwistert. Und unter den misstrauischen Linken bis zur FAZ fragt man sich: „Wie viel Politik steckt in VW?“ Und man gibt sich die Antwort: „ In VW steckt viel Politik.“(FAZ)
Welche Politik steckt in VW? Es ist vor allem sozialdemokratische Politik, die in dem Unternehmen steckt. Da hört man dann so große und viel gescholtene Namen wie Peter Hartz, der Personalvorstand der Volkswagen AG ist und dem man sofort den antisozialen Reflex unterjubeln muss, hört man von seiner „Olapaloma-Tätigkeit“, die ja nur darin zu bestehen scheint, auf der Gehaltsliste von VW aufzutauchen, den faul-vollen Bauch in die Sonne zu halten und fiese Reformen auf den Weg zu bringen. Da kann man sich sicher sein, dem Hartz geht es bei VW gut. Zu gut, wie viele meinen, denen es eben nicht so gut geht. Aber auch „unser“ Bundeskanzler, so muss man erschrocken feststellen – wobei die Feststellung nun wahrlich keine neue ist – war bei VW eingebunden. Da Schröder Ministerpräsident Niedersachsens war, saß er auch automatisch im Vorstand von VW, genau wie alle niedersächsischen Ministerpräsidenten vor und nach ihm. Volkswagen, dass ist ein Volksbetrieb, der nicht nur Abgeordnete beschäftigt und beschäftigte, nein, dessen Hauptaktionär auch noch das Land Niedersachsen ist.
Hier treibt es das Land mit der Wirtschaft und die Wirtschaft mit dem Land, so raunt es aus den kritischen Kanälen. Und was machen eigentlich die gewählten Volksvertreter, die, wie der FAZ Redakteur Johannes Ritter nach garantiert reichlichem Überlegen feststellt, eine „Schere im Kopf“ haben müssten? Sie machen eigentlich gar nichts. Es wird sich ein Interessenskonflikt herbeigedacht, der darin bestehen soll, dass sich die Privatinteressen mit den politischen und wirtschaftlichen Interessen, die doch in echt nie voneinander zu trennen sind, vermischen. Und die Frage, die gestellt wird, lautet: Wer entscheidet sich in diesem Sud (der mehr als alles andere zur wahnhaften Spekulation der Deutschen anhält) für die eigenen wirtschaftlichen Interessen, oder die höher gearteten Interessen seiner politischen Herkunft? Da sich Deutschland für die Politik entscheidet, der „Brei“ aus Politik und Wirtschaft aber –wie man ihn sich in seinem ekelhaftesten Gewand herbeihalluziniert – nicht zu überschauen ist, sind die Interessen der Abgeordneten für den Deutschen nicht exakt lokalisierbar und es stellen sich ihm alle Haare auf. Denn er weiß: der, den er gewählt hat, gibt sich womöglich nicht völlig selbst auf und opfert sich nicht total für die eine Sache – die Politik – für die er gewählt wurde. Es ist die Angst vor einer anderen Option im Verhalten, der Eigenwilligkeit. Die Diener des Staates wandeln auch noch auf anderen Pfaden, sie sind eben nicht nur Diener des Staates, sondern neben den Diäten ist auch noch der überwiesene Betrag einer Firma auf dem Kontoauszug ersichtlich. Im konkreten Fall, wohlbemerkt, für eine Tätigkeit, wie sie zum Beispiel die „glorreichen Sieben minus Eins“ der SPD-VW Riege gar nicht mehr ausüben. „Welche Frechheit“, denkt sich Deutschland und wittert den Verrat, den der Abgeordnete dem Wähler und vor allem dem den Einzelnen übergeordneten Volk antut. Er steht nicht auf einer Seite, er ist ein „Mischling“, ein „Bastard“, auf dem man sich wohl nur noch insofern verlassen kann, als dass man weiß: er ist ein Blatt im Winde, zu der Seite sich wendend, in die der Wind ihn treibt. Und immer auch spielt das antiamerikanische Ressentiment – das von Grunde auf antikapitalistisch ist – eine Rolle. Die „Kraken“ der Wirtschaft seien auch jene, die regieren und im Hintergrund, uneinsichtig für den Normalsterblichen, ihre Fäden spinnen. Unter der demokratischen Oberfläche des Staates halluziniert man die personalisierte Macht der Ökonomie, die alles ansaugt, was gerade in ihrem Interesse ist und die Politik geradezu erst ermöglicht; aber lediglich als durchsetztes Anhängsel der Wirtschaft. Das weiß der Deutsche, betrachtet er sich z.B. die Wahlen in den USA, die nichts anderes sind als exorbitante Shows, seien sie von Heinz-Ketchup oder Ölfirmen gesponsert, die ihren Fuß in die Tür zur Politik zu bekommen versuchen, sei es bei den Demokraten oder Republikanern, Kerry oder Bush. Politik aber macht man in Deutschland, und dies ganz konträr zu den USA, nur aus Überzeugung und „dem Deutschen Volke“ zum Gefallen. Nicht des niederen Interesses wegen, oder um den Willen des Geldes, der den politischen Willen verdirbt und jene „Bastarde“ hervorbringt. Von denen gibt es nämlich schon viel zu viele und entgegnen sollte man ihnen in der einzig korrekten Haltung: einer perhorreszierenden. Walter Hiller, der unter Schröder Sozialminister Niedersachsens war, kann wohl als Abziehbild eines solchen „Bastards“ betrachtet werden; einer, wie ihn die Jäger aller „Blutsauger“ hassen. Bevor Hiller Sozialminister wurde, war er Gesamtbetriebsratsvorsitzender von VW und damit im Aufsichtsrat als Beschäftigter. Als Hiller Regierungsmitglied wurde, wechselte er die Seiten. Statt Arbeitnehmervertretung, nahm er nun den Platz der Kapitalvertretung ein, was ihm außerordentliche Vorwürfe einbrachte, wie den, nur nach privat-wirtschaftlichen Interesse gehandelt zu haben. Was zur Zeit von Schröders erster Amtsperiode in Niedersachsen noch möglich gewesen ist, scheint jetzt, wenn auch unter anderen Gesichtspunkten, nicht mehr ohne weiteres möglich. Es bedurfte keines großen politischen Aufsehens, geschweige denn öffentlichen Protestes, da veröffentlichte VW die Namen jener sechs SPD Mitglieder, die es auf seiner Gehaltsliste führte und erklärte gleichzeitig, neue Richtlinien für Beschäftigte mit Mandat einzuführen. Bei VW kümmert man sich – und dies ist selbstredend – ums Volk, was die Verwandtschaft mit der Politik einschließt. Das Verhältnis der Deutschen ist in dieser Hinsicht ambivalent. Die Politik soll mit der Wirtschaft nichts zu tun haben, die Vertreter unabhängig von ihr sein – sie wollen, ganz in diesem Sinne, die reine Politik. Gleichsam sollen der Staat und seine Vertreter die Wirtschaft unter ihre Fittiche nehmen. Dies geht aber nur, wenn eben jene, die sie reglementieren sollen, von ihr unangerührt bleiben, eben nicht korrupt, machtbesessen, in ihrer Abhängigkeit stehend oder faul sind. Unter diesem Primat der Politik offenbart sich die Gefahr des Rufes nach dem starken Staat. Jenem, der es erst ermöglicht, die „saubere“ Politik und das stets regenerative Potential zur Durchdringung aller privaten Bereiche mit Politik zu etablieren und noch den letzten Privatmann durch den Staatsmann zu ersetzen, ja, in letzter Konsequenz alle gleich zu machen. Der den „gläsernen Parlamentarier“; der von Grün bis Schwarz (Gelb ausgenommen) in Eintracht postuliert wird – jedwede Diversität durch völlige Transparenz verunmöglicht – zu seiner Basis rechnen muss. Die Angst des Deutschen, er werde von den eigens bestimmten Volksvertretern betrogen, ist demnach so falsch wie irrational. Denn sie (die Volksvertreter) unterscheiden sich ideologisch kaum von jenen, die ihnen das Vertrauen aussprechen. Von dem Volke, vor dem sie sich in ehrlicher Reue entschuldigen, sobald die Sprache auf sie kommt, und die geloben, sich die Selbstsucht auszutreiben, war sie es doch, die sie als „volksnahe“ Vertreter ihrer Parteien in Misskredit brachte. Die Selbstsucht macht die Anfälligkeit und Schwäche derer offensichtlich, deren Aufgabe doch eigentlich darin bestünde, die Arme hoch zu krempeln und den „starken“, „nach innen wehrhaften Staat“ (NPD) bis aufs Blute zu erkämpfen. Er (der geforderte „starke Staat“) ist mit seinen Führern das Negativ des Verfalles der alten Politik; deren Vertreter zu schwach sind, den Verlockungen des Kapitals zu widerstehen, es in die Hand des Volkes zurück zu führen; eben zu revolutionieren. Gerade durch die potentielle politische Einflussnahme der parteiischen Vorstände auf die „Politik“ eines Unternehmens zeigt sich die Regression, die man nicht mit Hilfe eines gewöhnlichen Basis-Überbauschemas, d.h. das sich der Überbau aus der Basis entfaltet, beschreiben kann. Da es in Deutschland, und ganz speziell hier, nie undenkbar war, dass sich die ökonomische Basis als Stifter des Überbaus von jenem rückwirkend verändert lässt, sich letztlich durch ihn modifiziert und spezifisch formt, ist gerade hier allzeit das Schlimmste zu befürchten. Volkswagen, so erscheint es, hat ein völkisches Gesicht, das beim Ruf der Öffentlichkeit antwortet und ihre Vertreter denunziert. Alles zum Wohle des Volkes natürlich und im Hinblick darauf, dass man sich als ehrliches und der Politik verpflichtet fühlendes Traditionsunternehmen eine andere Politik wünscht, die interessenversöhnend einwirkt.
Wenn Volkswagen die Namen derjenigen, die Mandate führen und Angestellte sind, nennt, hat dieses „Sich zeigen“ ein Ziel. Man weist auf die politische Verantwortung der Firmen fürs Volk hin. Und zeigt darüber hinaus, dass man das bessere deutsche Unternehmen ist. Dies geschieht allein mit dem Telos: Andere mögen sich anschließen! Jedoch es scheint, als wollte man auf Volkswagenebene gar nicht mehr da mitspielen, wo man sich früher die Ohren voll heulte und sich gegenseitig den „Schwarzen Peter“ zuschob. Das Spiel hieß: Wer ist der bessere Volksgenosse? Ein Kampf, Wirtschaft gegen Politik, Politik gegen Bürger, Bürger gegen Wirtschaft, entbrannte. Ziel war es zu beweisen, dass das, was man machte, Deutschland am besten tat und die Widersacher eben schädlich seien. Bei VW hatte man das wirklich nicht mehr nötig und konnte den Stab getrost an andere, zutiefst volksfreundliche Unternehmen, wie den Sportbekleidungshersteller Trigema, der schon seit Jahren und unter allem Druck der internationalen Konkurrenz deutsche Arbeitsplätze schützt(1), weiterreichen. Man gibt auf Grund seines Status nur noch Empfehlungen und ab und zu auch mal einen kritischen Fingerzeig in Richtung: „andere Firmen und deren Probleme mit der Globalisierung“, doch ansonsten ist die Suche nach Reputation, die sich in der Abgrenzung von andern Betrieben verdeutlicht, nicht mehr notwendig. Die Politik steckt in VW und denunziert, ja, konterminiert sich selbst, indem sie auf Jagd nach den Ungleichen geht, die aus ihren eigenen Reihen kommen. Die Lohnarbeiter finden es prima, dass die unwerten Elemente aus der Wirtschaft und der Politik vertrieben werden, die sich an ihrer Arbeit im Unternehmen bereichern. Volkswagen hat diejenigen befriedet, aus denen es sich maßgeblich konstituiert und sein „Engagement“ vor ihnen gezeigt: dem Volk und seinem zu schwachen Herrschaftspersonal.

Kaubi

Fußnoten

(1) Dazu etwas aus der Trigema Firmenphilosophie: „Wir dürfen nicht noch mehr Arbeitsplätze in unserem Heimatland Deutschland abbauen, verdiente Mitarbeiter auf die Straße schicken und der Jugend keine Perspektiven mehr bieten. Der deutsche Arbeitslohn ist nicht zu teuer, wenn die Arbeitskraft richtig eingesetzt, motiviert ist und die Leistung in ein verkaufbares Produkt eingeht. Dies aber ist die Aufgabe von uns Unternehmern. Nicht Macht, Marktanteile und Größe dürfen bestimmend sein, sondern Solidität, Verantwortung für die Mitmenschen, Gerechtigkeit und Beständigkeit. So sehe ich es als meine erste Aufgabe auch in den kommenden Jahren die Verantwortung für unsere große Betriebsfamilie zu tragen, um in der Zukunft unsere Arbeitsplätze garantieren zu können. Ich darf Ihnen versichern, dass ich alles tun werde, was diese meine Aufgabe von mir verlangt.“ Wolfgang Grupp (Chef)

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last modified: 28.3.2007