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Fragen und Antworten

Ein LeserInnenbrief zum Artikel: „Genese und Aktualität des Patriarchats“ von Hannes im CEE IEH #114, Oktober 2004

Würde dieser Brief genau so aufgebaut sein wie die Einleitung von Hannes im CEE IEH #114 zur Rezension des Buches von Christoph Türcke, würde hier zunächst stehen: Ich finde Kritik gut, meinetwegen auch wichtig und richtig, ABER kritisiert werden will ich eigentlich nicht, deshalb sage ich euch, dass es so nicht geht. „Genese und Aktualität des Patriarchats“ beginnt mit einer relativen Offenheit der Idee des Ladyfestes gegenüber, nur um diese dann mittels inhaltsloser und verkürzter Kritik am Aufruftext für das Ladyfest(1) wieder zu relativieren. Die Eingangs geäußerte positive Haltung wird damit wieder in Frage gestellt, wenn sie nicht gar zur Worthülse wird.
Hätte also der Anfang gereicht? Wie so oft reichen Einleitungen nicht und erst in der weiteren Äußerung können differenziertere Haltungen erkennbar werden. Das trifft auf Hannes’ Text zu und auch auf den des Ladyfestes. Um sich Kritik und Gegenkritik anzunähern, daher nun ein paar Fragen und Ergänzungen.
Darf frau also erst Texte schreiben, wenn sie ein Philosophiestudium abgelegt hat? Darf frau also erst Texte schreiben, wenn sie sich in den verwendeten Begrifflichkeiten klar deren schulenkonformer Herkunft bewusst ist? Sich zumindest in den Begrifflichkeiten, welche die einzelnen Strömungen und Schulen kennzeichnen, klar ausdrücken und positionieren kann? Also den Brei der Wahrheit mit ganzen Löffeln aufgegessen hat?
Sicher gibt es aus dieser Sicht im Text zum Ladyfest begriffliche Unklarheiten, und wenn das Bedürfnis besteht, diese herauszustellen, dann bitte. Schulenkonformes Schreiben war und ist nicht Absicht des Textes. Der Autor, offensichtlich ein Freund des historischen Materialismus und Marxismus, entdeckt im Ladyfesttext Tautologien. Aus seinem Blickwinkel mag das sein. Die Art und Weise, wie die Kritik daher kommt, offenbart allerdings eine Haltung des Schreibers, die eher für Anzeichen der Profilneurose als dem Umgang mit Prinzipien solidarischer Kritik schließen lassen: Den TextschreiberInnen wird „intellektuelle Redlichkeit“ und „unnötiger Begriffszirkus“(2) vorgeworfen. Diese Kritik wird ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht, tritt sie doch an allen Stellen verkürzt auf. Dass die Begriffe „Prinzip der Zweigeschlechtlichkeit“ und „Geschlechterverhältnis“ nicht dasselbe meinen, dürfte jedem/r aufmerksamen LeserIn des Ladyfesttextes indes aufgefallen sein, trotzdem noch mal zum Unterstreichen: Das erste meint eine historisch gewachsene bipolare Aufspaltung in männlich und weiblich, das zweite vielmehr die hierarchische Aufteilung dieses Verhältnisses.
Dass im Text zum Ladyfest strukturelle Grundlagen und Widersprüche mitgedacht und tatsächlich auch reflektiert werden, sollte man den Schreibenden zugestehen. Sie sind sich vielmehr der Vielschichtigkeit der Problematik durchaus bewusst. Eben genannte gesellschaftliche Verhältnisse sind wohl eher Grund für die Meisten, ein Ladyfest mitzuorganisieren.
Die Verwendung des Begriffes „Konstrukt“ im Ladyfesttext bedeutet nicht, dass es möglich scheint, aus gesellschaftlichen Zwängen und grundlegenden Strukturen, wie dem des Patriarchats, „individuell [zu] entkommen“ wie Hannes meint. Eine derartige Auslegung, so sie denn bewusst geschieht, erscheint mir fast böswillig. Hannes schreibt: „Wäre die Geschichte anders verlaufen – was sie nicht ist – wären vielleicht andere Merkmale betont und die Unterscheidung von Frau und Mann gar nicht erfasst worden.“ Aha, Geschlecht ist also konstruiert? Genau. Nicht mehr oder weniger meint der Begriff „Konstrukt“ im Ladyfesttext.
Und so nimmt keine von den Mitgestalterinnen des Ladyfestes an, dass mit dem Fest selbst tatsächlich gesellschaftliche Realitäten umgestoßen werden könnten. Vielmehr spielen neben einer Kritik an realen Zuständen (Sexismus, Rassismus) auch quasi-hedonistische Absichten eine Rolle. Warum immer nur reden und sich ärgern, anstatt dafür zu sorgen, das direkte Lebensumfeld zumindest zu beeinflussen und zu gestalten, um auch mal schneller zur Lust zu gelangen. Das kann z.B. damit anfangen, dass es durch die Vorarbeit vom Ladyfest einfacher wird, eine Frauenband zu engagieren, ohne vorher erst wieder Diskussionen mit irgendeinem Club führen zu müssen.
Ein Besuch des Ladyfestes macht erfahrbar, was hier mit Begriffen nur schwer zu fassen ist. Dass sich auch reale Zustände (Achtung: Nicht die Gesamt-Verhältnisse) manchmal anders anfühlen können, wenn die Umstände dafür verändert werden. Leider aber eben nur manchmal. Und leider aber eben oft nur für kurze Zeit. Genau dessen sind wir uns bewusst.
Dank trotz allem noch einmal an Papa Hannes für seine Hinweise, wir haben alle darüber mal nachgedacht.

Tine, Ladyfestcrew

Fußnoten

(1) again and again and again – once more in „Incipito #13,5, August 2004
(2) jeweils CEE IEH #114, S. 40


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last modified: 28.3.2007