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das Erste, 0.9k

We got him!


Oder doch nicht? Im Moment sieht’s ganz danach aus, dass der Milch-Müller von der Müller-Milch in letzter Minute doch noch in die Schweiz „türmt“ und sich der Steuerpflicht am Vaterland entzieht. Er betriebe das, was er als Privatmann nach neoklassischer Lehre nun mal tun muss: seinen Nutzen zu maximieren. Doch kaum verhält sich jemand bis in die letzten Details getreu dem Ökonomielehrbuch, ist in Deutschland das Geschrei groß: „Wir sollten dieses Verhalten gesellschaftlich ächten“, meint Gerhard Schröder. Und: Steuerzahlen „darf nicht nur eine Sache der kleinen Leute sein“. Dieses Gemeinnutz-vor-Eigennutz-Getöse ist zwar völlig belanglos für den kapitalistischen Normalbetrieb selbst (der es in Zeiten der Globalisierung nun mal nicht gestattet, rigide Steuergesetze zu erlassen), verweist jedoch auf die sehr deutsche Sehnsucht nach dem gerechten Tausch innerhalb der falschen Gesellschaft. Man kann sich ums Verrecken nicht daran freuen, dass sich da jemand trickreich an einer gesetzlichen Vorschrift vorbei mogelt, sondern will, dass es allen so Scheiße geht, wie einem selbst. In Krisenzeiten steigert sich dieses Bedürfnis – immer mehr wollen, dass es überhaupt niemandem mehr irgendwie geht. „Gemeinnutz vor Eigennutz!“ wird schließlich von der Reichsleitung der NSDAP folgendermaßen präzisiert: „Nicht nötig ist es, daß Du und ich leben, aber nötig ist es, daß das deutsche Volk lebt.“. Wir Linken haben also allen Grund, verdammt neidisch auf Herrn Müller zu sein. Denn nicht wir, sondern er und ein paar prominente Sportler haben den Kanzler aller Autos zu seinem so schmeichelhaften Fluch veranlasst: „Solche Leute verhalten sich unpatriotisch. Mit denen kann man keinen Staat machen.“

Saddam, 25.1k So richtig war dem Saddam Hussein, hauptberuflich Massenmörder und wichtigster Sponsor des palästinensischen Terrors gegen Israel, dann doch nicht nach Märtyrertod zumute. Er äußerte noch den Wunsch, zu „verhandeln“, dem allerdings nicht stattgegeben wurde. Saddam kann nun endlich seiner gerechten Strafe zugeführt werden – Henryk M. Broder plädiert für die Höchststrafe und ich schließe mich ihm an: Der ehemalige irakische Diktator sollte für den Rest seines Lebens sämtliche Reden von Claudia Roth anhören müssen. Die Gefangennahme, die hier auf den ersten Blick wie ein amerikanischer Erfolg im Kampf gegen den Terror aussieht, ist – betrachtet man ihre Begleitumstände – nicht so rosig zu beurteilen, denn: Als die US-Army, Glücksversprechen in Bombern und oberster Zivilisationsverteidiger, Saddam Hussein am 13. Dezember in einem Erdloch aufspürte, ahnte sie nicht, dass ihr im fernen old fuckin’ Europe eine gewaltige Schlappe bevorsteht. Offensichtlich haben sich dort auch ihre bislang glühendsten Verteidiger in die Gemeinschaft erbärmlichster „Pacefisten“, in die Reihe von „Kurzianern“, nationalsozialistischen Antikapitalisten, faschistischen Globalisierungsgegnern „und sonst etwas“ eingeordnet. Mausebär, dem „Kurzianer“ vom Dienst, entgeht bekanntlich nichts und so muss er heute berichten, dass die RedakteurInnen der Zeitschrift „Bahamas“ es bis zum Redaktionsschluss für dieses CEE IEH (Anfang Januar) nicht für nötig hielten, eine Erklärung der Genugtuung zur Verhaftung Saddam Husseins zu veröffentlichen? He, Anti-D’s: Was soll diese schändliche, antikommunistische Entsolidarisierung mit den USA? Könnt ihr das bitte mal erklären? „Ein zynisches, ein barbarisches Verhältnis zur Geschichte“ scheint ihr zu haben, wenn euch die berechtigte Freude des irakischen Volkes derart gleichgültig lässt. Wenigstens die Georg-Weerth-Gesellschaft Köln (eine Ansammlung von Antideutschen der eher niedrigreflektierten Variante) schafft es, einen Tag später „Congratulations to the US Army!“ zu veröffentlichen. Glück gehabt, Freundchen!

Eine weitere Zeitung, die die Welt nicht braucht? Wie auch immer – „sojus – das sächsische Jugendmagazin“ gibt es nun einmal und wartet mit nicht gerade spritzigem Schreiberpersonal auf: Über Volly Tanner, der wie immer schwer gegen Nazis ist, ist überall schon zuviel gesagt worden. Das Blatt ist farbenfroh bis zur Quietschbuntheit, doch auf Ökopapier gedruckt und behandelt eine lustige Mischung: Windkraft, Ausflug nach Auschwitz, Schülerpunk, „Leipziger Tafel“ und schwule Väter. Bei diesem Thema stolpern wir wieder über den unvermeidlichen Daniel Gollasch, der in diesem drögen Blatt weiterhin das einzige macht, was er kann, nämlich die hyperengagierte linke Betriebsnudel zu geben. Im Alter ist auch er milder geworden, von der Rebellion bleibt die Strubbelfrisur; doch der feste Wille, dem Guten in der Welt – diesmal auf sozialdemokratischem Weg – zum Durchbruch zu verhelfen, ist ungebrochen. Diesmal geht’s ihm darum, dass Kinder nicht umgepolt werden, wenn sie schwule Erziehungsberechtigte haben. Meine Nerven! Und so ist diese ganze Zeitung. Entsetzlich gut gemeint und eine einzige Zumutung für denkende Menschen. Was die bürgerrechtsbewegten, profilierungssüchtigen Berufsjugendlichen hier mit Unterstützung der Europäischen Kommission und des Berufsbildungswerkes Leipzig zusammenschreiben, ist genauso lahmarschig wie jedes andere Jugendmagazin auch. Was es ekelhaft macht, ist diese permanente Suche nach dem gesellschaftskritischen Mehrwert, den man nach kurzer Sichtung auf gesellschaftliche Phänomene zu finden wünscht. Diese Juso-Bande, die kein Problem mit dieser Gesellschaft, ihrem Arbeitsterror und ihrem Flexibilitätswahnsinn, aber dafür ein großes Herz für alle Mühseligen und Beladenen hat, solange deren Elend sich für einen Artikel in sojus ausquetschen lässt, würde auch in Kochrezepte noch irgendwas gegen böse Nazis reinschreiben. Geht kacken!

Doch es gibt Leute, die sind aus anderem Holz geschnitzt. Die erfolgreichste linksradikale Aktion der letzten Jahre, sowohl sozialkritisch als auch antideutsch im besten Sinne, ist abgeschlossen. Unter tatkräftiger Anleitung von Matthias von Hermanni – ein erfahrener Genosse aus Hannover, dessen Inkognito nun ein Ende hat – ist es gelungen, dem „deutschen Großmachtstreben“ (vermutl. BgR) einen gewaltigen Schlag zu versetzen. Matthias von Hermanni hat als Chef des Leipziger Betriebes für Beschäftigungsförderung (BfB) eine gigantische Verschwendungsaktion öffentlicher Gelder erfolgreich geplant und durchgeführt. Unter seiner Leitung hat der BfB die öffentlichen Kassen um sage und schreibe 27,4 Millionen Euro erleichtert, hinzu kommen Abwicklungskosten von 6 Millionen Euro. Kein Cent Mehrwertproduktion lässt sich in der Tätigkeit der bei diesem ambitionierten Pyramidenprojekt Beschäftigten entdecken. Konsequent wurde zu Lebzeiten des BfB lediglich von „Wertschöpfung“ gesprochen und niemals auch nur die Frage zugelassen, ob das Zeug, was man da produziert, am Markt irgendwie Bestand hätte. (Das ist kein Aberwitz, sondern angewandter Keynesianismus in Zeiten seiner Unmöglichkeit. Keynes hat ja den Einsatz öffentlicher Gelder explizit für nutzlose Tätigkeiten vorgesehen. Der BfB hat dieses Verwendungskriterium vorbildlich erfüllt.) Bewundernswert auch das Timing der Operation: Der Crash dieses „Unternehmens“ verschärft das Defizit in einer Zeit, in der Leipzig jeden Cent für die Olympiabewerbung braucht.
Hinzu kommt die abschreckende Wirkung für evtl. Planungen neuer Zwangsarbeitsprojekte. Jeder, der mit einer ähnlichen Einrichtung Sozialhilfebezieher zu schikanieren gewillt ist, wird sich fragen lassen müssen: Willst du etwa wieder so ein realsozialistisches Kombinat a la Hermanni?
Und auch in Deutschland haben sich die Uhren weitergedreht: Es scheint nicht alles verloren zu sein bei dieser Bevölkerung, denn als die BfB-Mitarbeiter merkten, dass das Schiff sinkt, hielten sie nicht nach dem Modell 1945 wie Pech und Schwefel zusammen, um ihrem geliebten Projekt die Treue zu bewahren. Im Gegenteil: Sie wickelten in aller Seelenruhe ab, trugen was nicht niet- und nagelfest war zum Betriebstor hinaus, bummelten und prozessierten was das Zeug hält, um gewaltige Abfindungen zu kassieren. Sie machten also all das, was der Vulgärantikapitalismus der Schröders und Thierses Managern und Unternehmern ausreden will: Sich in der falschen Gesellschaft ein Stück vom gesellschaftlichen Reichtum zu sichern.

Dennis von den „Beginnern“ weiß verdammt gut, wie’s so zugeht bei uns Schwulen: „... haben die Nazis doch wirklich in ihrem Style – was die unpolitischen Dinge anbelangt – extrem viele Parallelen zur Schwulenszene, obwohl sie die größten Schwulenfeinde sind: Sie erscheinen wie testosterongeladene schwule Glatzen, die sich nach ihren männerbündigen Aufmärschen gegenseitig durchficken.“ sagt er im Interview mit Hannes und Jeremy (vgl. CEE IEH #105).
Die Zustandsbeschreibung ist erst mal richtig. Die zahlenmäßig immer noch anwachsende Gayskinszene beweist, dass es Parallelen zwischen Skinheadstyle (ob korrekt oder unkorrekt) und dem gibt, worauf viele Schwule abfahren. Dennoch: Vielleicht erklärt dem Dennis ja mal einer die Gründe für den Baggyfetisch-Style in der „Schwulenszene“ (mir würden tausende einfallen!), den es definitiv ohne „testosterongeladene“ HipHopper nicht gäbe.
Ehe der Dennis rein gedanklich weiter parallelisiert hin zur inneren Verwandtschaft von Schwulen und Nazis, sollte er sich im engsten Freundeskreis mal etwas genauer umgucken. Vielleicht bekommt er bei der Gelegenheit ja mit, dass der Jan Eißfeldt mit seiner Stimme nun auch nicht unbedingt das Idealbild des kernigen Heterosexuellen repräsentiert. Vom Penetrantlispler Sammy Deluxe mal abgesehen hat ja wohl niemand einen schwuleren Singsang drauf als dieser süße Schnurps mit dem bizarren Palituchfetisch. Zumindest aus der Szene der schnuckligen Sprechsinger und Hängehosenträger.
Got it?!

Mausebär

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last modified: 28.3.2007