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Droge Arbeit


„Es begann mit einzelnen Überstunden.“


Workaholic, 27.8k Aktengefüllte Schreibtische, hohe Planvorgaben, kaum Zeit für das Private. Jeder kennt diese Situationen. Fast alle Menschen in Deutschland gehen einer geregelten Arbeit nach. Und immer mit der Angst im Nacken, eines Tages ohne den Job aufzuwachen. Aufzuwachen ohne Hoffnung auf den nächsten Kick einer bezahlten Tätigkeit. Mittlerweile haben ca. 4 Millionen Menschen den schweren Absprung aus dem Kreislauf der Arbeit geschafft. Doch auch diese so genannten Arbeitslosen werden oftmals rückfällig oder fallen durch Schwarzarbeit oder ständiges Schreiben von Bewerbungen in ihre alte Abhängigkeit zurück.
Und der Staat kassiert nicht schlecht an der Sucht der Menschen – zig Milliarden Euro an Lohnsteuer wandern Jahr für Jahr in einen Haushalt, der nur ein Ziel zu haben scheint: Noch mehr Menschen in die Abhängigkeit zu treiben. Arbeit, Arbeit und nochmals Arbeit. Die perverse Losung aus dem Dritten Reich „Arbeit macht frei“ haben sich die politischen Arbeitsdealer schon seit langem wieder – mit unsichtbarer Tinte – übergroß auf die profitgetränkten Fahnen geschrieben.
In eigens dafür geschaffenen Arbeitsämtern vermitteln ausgebildete Fach-Dealer die gefährliche Droge an die kranken, süchtigen Arbeitslosen. Die Entzugserscheinungen sind den meisten anzusehen. Und zusätzlich dazu machen es die Beamten den Menschen nicht gerade einfach. Mit Sozialkürzungen und anderen Repressalien werden die inzwischen freien Arbeitslosen gezwungen, immer wieder um ihre Ration Arbeit zu betteln. „Irgendwann werden sie uns alle so weit haben. Wir alle werden systematisch in die Arbeitssucht zurückgeführt. Die wollen doch gar nicht, dass wir gesund werden, frei von Arbeit“, so ein Betroffener aus Berlin.
Jahrelang füllte Arbeit sein ganzes Leben aus. Er war glücklich mit seiner Sucht. Doch mit der Zeit konnte der ehemalige Abteilungsleiter die Droge kaum noch kontrollieren. Der Süchtige wollte mehr. Immer mehr Arbeit! „Es begann mit einzelnen Überstunden. Ich war kaum noch zu Hause.“ Schnell ging es auch bergab. Seine Familie verließ ihn nach zwei Jahren, als sie nicht mehr mit ansehen konnten, wie der Workaholic unter seiner Sucht litt. Schon bald organisierte er sich in immer kürzeren Abständen immer mehr Arbeit. Er schlug Kollegen, vertrieb sie aus ihren Büroeinheiten, um ihnen ihre Arbeit zu stehlen. Beschaffungskriminalität – abwechselnd mit quälenden Arbeitspausen und Selbstvorwürfen – bestimmte sein Leben. Die Sucht nach Arbeit hatte den einst so lebenslustigen Berliner gefangen. „Mehrmals erlitt ich durch eine Überdosis Arbeit einen Herzinfarkt oder bekam Depressionen.“ Als er eines Tages seine Sekretärin mit einem Laserdrucker erschlug, um die anfallenden Korrespondenzen selber zu erledigen, wurde er entlassen. Es begann das nervenaufreibende Pendeln zwischen dem Wunsch gesund zu werden und mehrfachen Rückfällen. Kurzarbeit, Hilfsjobs und die lichten Momente, in denen er hoffte, doch noch gesund zu werden. Doch schon eine Woche später hing er wieder an einer bezahlten Stelle.
„Ich habe meinen Dealer beim Arbeitsamt angefleht, mir nichts mehr zu geben. Ich habe geweint und gebetet. Doch diese ... diese ... diese Roboter kennen keine Gnade. Sie haben kein Interesse daran, dass es mir wieder besser geht. Sogar regelmäßig melden muss ich mich bei denen. Nur, damit sie mir immer wieder ihren Dreck verpassen können.“
Schilderungen eines Suchtkranken, die betroffen machen. Probleme und Sorgen, die schon lange keine Einzelfälle mehr darstellen. Selbst Kinder werden von organisierten, so genannten „Berufsberatern“ mit der Droge Arbeit verseucht. In Schulen und Betrieben werden die Jugendlichen durch Ferienarbeit oder Praktikumsplätze schon frühzeitig mit dem tödlichen Stoff angefixt. Permanentes Wiederholen von geringfügigen Jobs macht Kinder schließlich so süchtig, dass sie sich schon in der neunten Schulklasse ein Leben ohne Arbeit kaum noch vorstellen können.
Will man in Zukunft diesen menschenfeindlichen Tendenzen geschlossen entgegentreten, so wird man nicht auf die Hilfe von offiziellen Stellen zählen können. Der Zusammenhalt von staatlichen und wirtschaftlichen Arbeits-Dealern ist stark. Die Droge Arbeit ist weit verbreitet. Doch die Arbeitlosen, die sich von der Sucht befreien konnten, eint vor allem eines: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Falk



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last modified: 28.3.2007