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Zur spezifischen Situation von Flüchtlingsfrauen.

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Angesichts der dramatischen Situation im Kosovo kursieren aktuell wieder verstärkt Bilder und Begrifflichkeiten von „Flüchtlingsströmen“ und ihrem Weg in die Bundesrepublik, so daß der Verdacht sich geradezu aufdrängt, es handelt sich hierbei um ein neuzeitliches Phänomen. Doch weit gefehlt. Daß sich Menschen über ihre eigenen Ländergrenzen hinaus bewegen, gehört zum Charakteristikum menschlicher Existenz. Sowohl interne Ursachen (wirtschaftliche Mißstände, politische Umbrüche etc.) als auch äußere Faktoren (z.B. Kriege, Umweltkatastrophen) führen zu Flucht- und Migrationsbewegungen. Mit der Konsequenz, daß es international üblich ist, eine Kategorisierung in politische und wirtschaftliche Flüchtlinge vorzunehmen. Ökonomische Krisen und Umweltzerstörung implizieren jedoch immer auch einen Einschnitt in politische Rechte und Freiheiten sowie in die Existenzgrundlagen breiter Bevölkerungsschichten, so daß eine Differenzierung zwischen Flucht und Migration in der Praxis kaum möglich ist.
Weltweit stellen Frauen und Kinder mit 80% den größten Anteil der Flüchtlinge, was u.a. auch in der veränderten Kriegsführung, die verstärkt die Zivilbevölkerung zur Zielscheibe hat, begründet ist. Dennoch sind Frauenfluchtbewegungen regional begrenzt, was insbesondere auch eine Folge der geschlechtsspezifischen Sozialisation von Frauen und den damit verbundenen Rollenauffassungen ist. In Konsequenz dessen sind Frauen weitestgehend von materiellen Ressourcen ausgeschlossen, ebenso von Bildung und Wissen, so daß die Flucht gerade von alleinstehenden Frauen ohne männliche Begleitung aus dem nichteuropäischen Ausland eine Eliteangelegenheit darstellt.
In der aktuellen politischen Diskussion wird seit geraumer Zeit verstärkt die besondere Situation von Flüchtlingsfrauen eingebracht. Waren Frauen bislang lediglich als „Anhängsel“ ihrer Ehemänner oder sonstigen Familienmitglieder zur Kenntniss genommen worden, so hat der Begriff geschlechtsspezifische Verfolgung von Frauen heute Eingang in die politische Öffentlichkeit gefunden. Denn nur Frauen werden für Übertretungen bzw. Nichteinhaltung von Normen und Werten, die oft einen extremen Eingriff in ihre psychische und physische Entwicklung bedeuten, bestraft (Kleidervorschriften, Mitgiftmorde, Genitalverstümmmelungen, Tötung wegen Verletzung der Familienehre etc.). Die Frauenspezifik einer Verfolgungssituation impliziert immer sexuelle Gewalt, die nicht an einen konkreten Verfolgungsgrund gebunden ist und deren Auswirkungen um so gravierender für die Frauen sind, je strenger die Moralvorschriften ausgelegt werden. Dabei kann sexuelle Gewalt nicht nur eine Form, sondern auch die Ursache von Verfolgung aufgrund der Nichteinhaltung von frauenspezifischen Normen- und Wertemustern sein. Frauen sind quasi neben allgemeinen Verfolgungsgründen zugleich mit dem Moment der sexuellen Gewalt potentiell konfrontiert, so daß in diesem Kontext auch von einer „doppelten Verfolgung“ gesprochen wird.
Dennoch hat sich trotz der zunehmenden Thematisierung geschlechtsspezifischer Verfolgung hinsichtlich der rechtlichen Situation von asylsuchenden Frauen kaum etwas in der bundesdeutschen Rechtssprechung geändert. Frauenspezifische Fluchtgründe sind anders als in den USA oder Kanada weder in normative noch in administrative Regelungen für die Richtlinien für die Prüfung von Asylanträgen integriert worden. Stattdessen sind Frauen in der BRD bezüglich ihres aufenthaltsrechtlichen Status von ihren Ehemännern abhängig, d.h. im Fall einer Scheidung droht den Frauen die Abschiebung.


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last modified: 28.3.2007