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lesende, 14.5k

Zwei Dinge.

Um wichtige inhaltliche Diskussionen transparent zu machen, dokumentieren wir an dieser Stelle einen Auszug aus dem 96er Jahresbericht, den der Betreiberverein des Conne Island, der Projekt Verein e.V., alljährlich erstellt.

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Gut, daß es uns gibt. Behaupten nicht nur wir, sondern immerhin gute hunderttausend Besucher alljährlich – zumindest immer noch der überwiegende Teil von denen. 1996 galt das im besonderen Maße.

Bekanntlich sind wir bemüht, all jene Entwicklungen befördernd aufzugreifen, die im weiten Feld der Popkultur vonstatten gehen. Damit ist auch vorprogrammiert, daß die Schwerpunktsetzung nach wie vor in musikalischer Hinsicht erfolgen muß. Schließlich ist die Musik, auch wenn das Andy Warhol und seine Epigonen der Pop-Art einst anders sahen, Dreh- und Angelpunkt schlechthin.
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„konzeptionelle Verfeinerung unserer Monats-Publikation“
Verbunden sind damit heutzutage jedoch Schwierigkeiten, die jemand anderes einstmals mit der sogenannten Kulturindustriethese beschrieb.1 Wie alles andere im Kapitalismus, muß sich auch die Popkultur mit den Problem der Marktförmigkeit – sprich: der Vermarktung jedweder subkultureller Strömung abfinden. Das gilt im besonderen Maße, seit MTV und VIVA über Werden und Fall einer Pop-Gruppe entscheiden.
Entsprechend verändert sich in zunehmender Weise das Rezeptionsverhalten der potentiellen Besucher, Käufer, Kultur-Liebhaber. Die Firmen, die die Musikindustrie beherrschen, sind in der Lage, die jeweilig von den Sub-Szenen gewollten Authentizitäten nicht einfach nur durch sogenannte Hype-Bands zu reproduzieren, sondern sie saugen zielgerichtet die für jede Szenerie wichtigen Schlüsselfiguren auf, um sie als ein für die unterschiedlichst segmentierten Märkte völlig original-authentisches Ding den Zielgruppen zu präsentieren.
Dabei bleibt jedoch alles auf der Strecke, was die Konsumfreudigkeit der Kultur-“Empfänger“ hemmen könnte – leider genau jene Werte, für die wir als Projekt Verein immer noch stehen: Eigeninitiative, Rebellisch-Sein, Selbstorganisierung, Politisierung oder die Ausprägung eines gegenkulturellen Verständnisses.
Genau das meinte auch der Vorwurf oder die Konstatierung des Stadtmagazins KREUZER in der Juni-Ausgabe 1997, als es schrieb, auch wir würden uns „dem Mainstream öffnen“. Mehrere Male 1996 wurden verschiedene Pop-Gruppen, die bei uns auftraten, auf ihren gesamten Tourneen von MTV, VIVA oder gar Zigarettenmarken präsentiert bzw. vermarktet. Dabei handelte es sich teilweise um Gruppen, die vor einiger Zeit noch ohne dieses Brimborium bei uns auftraten. Verbunden ist damit eine Erweiterung des uns frequentierenden Publikums. Und das ist unter den oben beschriebenen Umständen nicht ohne weiteres gutzuheißen. Erweckt es doch in zunehmenden Maße den Eindruck, als wären wir ein Dienstleistungsunternehmen beliebiger Art, für das man löhnt und dann bis zum get no konsumieren kann.
Eine Sensibilität für diese heikle Entwicklung hat sich gerade im Jahr ‘96 bei uns ausgeprägt. Das manifestierte sich beispielsweise in Ergebnissen elendlanger Diskussionen über Sponsoring und Präsentatoren; aber auch im Zusammenhang mit der Diskussion über eine veränderte Preispolitik. So kommt es seit dem zweiten Halbjahr 1996 vor, daß bei ausgewählten Veranstaltungen entsprechend dem zu erwartenden Publikum DM 18,- an der Abendkasse (im Vorverkauf DM 15,-) zu löhnen sind. Das heißt, bei einer Einschätzung unsererseits, daß sich das potentielle Publikum in einem Maße konsumfreudig zeigt, daß es Perlen vor die Säue bedeuten würde, den Eintrittspreis noch niedriger anzusetzen, ist die Möglichkeit gegeben, dieser Tatsache im wahrsten Sinne des Wortes Rechnung zu tragen. Verständnishalber sei erwähnt, daß diese Eintrittspreise trotzdem immer noch ca. um ein Viertel bis zu einem Drittel niedriger liegen, als im Westen oder einer etwaigen durchkommerzialisierten Einrichtung. Was nicht bedeutet, daß wir etwa andere Gagen zu zahlen hätten als handelsüblich – bloß um das nochmal klarzustellen. Der Ost-Bonus ist in dieser Hinsicht schon lange weg.
Trotz mancherlei Anfeindung und Vorwürfen gerade seitens der Connewitzer Szene – siehe beispielsweise das Szenemagazin KLAROFIX von Anfang ‘97 – halten wir den gegangenen Schritt für legitim, zumal damit in keinster Weise unsere Grundintention eines durch und durch sozialen Ansatzes gekippt wurde.
Aus der beschriebenen Konstellation lassen sich perspektivisch zwei Dinge ableiten: zum einen müssen wir uns zukünftig in noch intensiverer Weise überlegen, wie und wo wir für das Conne Island werben bzw. berichten/berichten lassen, weil es vor der medialen Öffentlichkeit unbedingt eines effektiven Schutzes bedarf. Denn schließlich sind es die sogenannten Zeitgeist-Blätter – den KREUZER explizit einschließend – usw., die als Multiplikatoren für diejenigen dienen, die nach unserem Verständnis über genau diese Medien NICHT für die jeweilige Kultursparte, Band oder Künstler interessiert werden sollen. Zum anderen müssen wir unbedingtes Augenmerk auf diejenigen legen, die uns nach unseren eigenen Prämissen und Wertungen am wichtigsten sind.
freisitz, 12.6k
„Unbedingtes Augenmerk auf diejenigen, die uns am wichtigsten sind“
Ein weiteres Beispiel für die problematischen Auswirkungen der Marktmechanismen läßt sich an der Entwicklung im Jugendkulturbereich der Skater- und Inline-Szene beobachten. Auch dort stehen wir vor dem Problem, daß die Nutzung unserer Skateanlage für die meisten Kids als normale reine Dienstleistung begriffen wird. Warum man bei uns während Musikveranstaltungen in der Halle skaten kann oder welche Geschichte sich mit der Anlage verbindet, interessiert dabei kaum jemanden der Nutzer.
Da die Skater in aller Regel Kinder und Jugendliche sind, haben wir nicht zuletzt deretwegen ebenfalls intensiv unser Verständnis von Jugendarbeit hinterfragt.
Unsere Angebote lassen sich bei aller Exklusivität im weitesten Sinne als klassische offene Kinder- und Jugendangebote im Sinne des Kinder- und Jugendhilfegesetzes begreifen. Sie implizieren aber damit auch ein gewisses Stück Anonymität des Betreibervereins. Nach langen Diskussionen haben wir dieses Problemfeld als verkürzendes Manko unseres jugendarbeiterischen Ansatzes herausgestellt. Es ist uns klar geworden, daß es konkreterer Identifikationsmöglichkeiten für die Kids bedarf.
Als Konsequenz daraus gibt es nun die Bestrebungen, tagsüber ein Jugendcafé zu installieren. Wir hoffen, dieses Vorhaben noch in ‘97 verwirklichen zu können.
Weitere konzeptionelle Schwerpunkte für 1996 lagen in der stärkeren Bindung von Initiativgruppen an unsere Einrichtung. Im weiteren sei erwähnt, daß wir seit längerer Zeit mit einer eigenen Homepage im Internet vertreten sind, sowie an der konzeptionellen Verfeinerung unserer Monats-Publikation CEE IEH erfolgreich gearbeitet haben.
Die Durchführung einer Theaterwoche in Kooperation mit der Off-Gruppe MANTELBANDE kann als kritisch beäugter erfolgreicher Versuch gewertet werden. Auch die Möglichkeit für Schülergruppen, bei uns Veranstaltungen durchzuführen, wird als gelungen betrachtet. Unsere inzwischen obligatorischen Sport-Events im Volleyball, Streetball, Tischtennis, Kicker und natürlich im BMX-Biken und Skaten finden nach wie vor großen Anklang.

1gemeint ist Theodor W. Adorno


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last modified: 28.3.2007