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Eine nationale Alternative?

aus junge welt, 1.9k

Den nebenstehend faksimilierten Artikel entnahmen wir nebst Bild der jungen Welt vom 16. Januar 1997.
Das Bündnis gegen Rechts hat uns freundlicherweise das bei der Veranstaltung nicht mehr gehaltene, eigentlich geplante Einleitungsreferat zur Verfügung gestellt.
Wir dokumentieren es hier im vollen Wortlaut.

Zu Anfang möchte ich aus einem Leserbrief zitieren, der 1994 an „konkret“ geschrieben wurde. Er soll an dieser Stelle den für meine Begriffe notwendigen Rahmen für diese Veranstaltung abgeben: „... Es ist so wurst: das reale Leben geht an Euch vorbei. Ihr bewegt nichts und niemanden, außer einer Handvoll Leute, die sich an solcherlei Diskussion ergötzen.“
Dieses Zitat ist eine durchaus treffend reflektierte Analyse, die mehr über den Zustand der Rest-Linken aussagt, als der Autor vermuten mag.
Jenes Zitat ist von einer Person, die die soziale Frage nicht nur wieder und immer wieder stellt, sondern auch zu verblüffenden Einsichten wie der folgenden gelangt: „Selbst in den entwickelten Industriestaaten verschärfen direkte Eingriffe zur Untergrabung des Marktes die sozialen Negativwirkungen ... Wir müssen zu den konsequentesten Einforderern der Entwicklung und des Ausbaus der Marktwirtschaft werden.“ Auf dem 3. Parteitag der PDS von Thomas Ebermann, dem einen oder anderen ja vielleicht aus seiner Zeit bei den Grünen bekannt, befragt, ob Christine Ostrowski, von der beide Zitate stammen, diese Theorie immer noch vertrete, antwortete sie: „Irren ist menschlich“.
Man könnte also bei der Politikerin Ostrowski davon ausgehen, daß ihrem Poltikverständnis ohnehin nur eine Geschichte von Irrungen zugrunde liegt.
Doch genau dies ist falsch. Ihre Abkehr vom Neoliberalismus als menschliche Irrung kompensiert Frau Ostrowski konsequent mit der Hinwendung zum „bodenständigen Kleinunternehmertum, daß im Mittelpunkt linker Wirtschaftspolitk stehen muß“. Denn, so schlußfolgert sie im allbekannten „Brief aus Sachsen“, „ohne den einheimischen Mittelstand wird es keine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung geben.“
Besonders interessant wird diese Konvertierung aber erst, wenn man die vermeintlichen Widersprüche der Frau Ostrowski anhand einiger ihrer Äußerungen zu einem ganzen zusammensetzt. Bekanntermaßen ist der Mittelstand historisch die entscheidende Stütze der Volksgemeinschaft. Und an dieser sind auch die sozialen Ihnalte Ostrowskischer Politik ausgerichtet.
Dabei ist jedoch nicht nur die uns allen geläufige Symphatieerklärung gegenüber den Nazis von der Nationalen Offensive – zur Erinnerung: „Unserer sozialen Forderungen stimmen im Grunde überein, bis hin zum Wortlaut“ – hervorzuheben, sondern auch eine Reihe weiterer Zitate. Wer sich einmal den anfang 1993 erschienen Band in der Reihe „Ostdeutsche Biografien“ zur Hand genommen hat, weiß, wovon ich rede. Jener Sammelband stellt größtenteils ein Selbstporträt der Christine Ostrowski dar. Hier also einiges auf den Diskussionstisch:
– „Wir müssen ständig versuchen, die Befindlichkeiten der Menschen harauszufinden, um unsere Politikangebote darauf einzustellen.“
– „Ich halte nichts von solchen pauschalisierenden Etiketten. Schwarz, Rot, Links, Rechts usw. Wer solche Begriffe verwendet, begibt sich in Gefahr, die konkreten Menschen zu vergessen.“
– „Ich hasse überhaupt nichts und niemanden... Was ich an meiner Heimat liebe, sind Menschen, die ich mag ... die nicht mit einem Feindbild vor der Stirn herumlaufen, wer auch immer der Feind sein mag. Ob der Ausländer, der Kommunist oder andererseits der Kapitalist...“
Als auf einer Veranstaltung des ND zum „Brief aus Sachsen“ ein Junge Freiheit-Nazi auftaucht und Symphatieerklärungen für die Ostrowski-Politik abgibt, in dem er „Für einen neuen Regionalismus“ plädiert, ist dies Anlaß für einige Antifas, den Nazi aus dem Saal zu verweisen. Frau Ostrowski weiß das zu kommentieren. Zu Angela Marquardt gewandt sagt sie: „Da sieht man, wer hier randaliert, nämlich eure Leute, nicht die Rechten.“ Ja, und tatsächlich, in bezug auf die Volkspolitikerin Ostrowski randaliert wirklich kein Nazi. Im Gegenteil. Selbst der Wahlunterstützung aus den Reihen des Hitlerjugend-Nachfolgers Wiking-Jugend kann sie sich gewiß sein.
auf pds-parteitag, 6.9k
„Da sieht man, wer her randaliert, nämlich eure Leute, nicht die Rechten“ – PDS-Sprecher Hanno Harnisch trägt einen Journalisten der Nazi-Postille „Junge Freiheit“ aus dem Sitzungssaal des PDS-Parteitages in Schwerin.
Die besondere Verbindung zwischen den Wurzener Nazis und Frau Ostrowski besteht in der jeweiligen Sachkompetenz für Kommunalpolitik, die sich den Menschen verbunden fühlt: Frau Ostrowski versteht sich als die Anwältin der Nöte und Sorgen der Dresdener. Die Nazis in Wurzen sind die Fürsprecher der Mehrheit der dortigen Bevölkerung. Beide agieren dort, wo das mit linkem Selbstverständnis Unvereinbare exisitiert: in der Mitte der Gesellschaft. Ostrowski/Weckesser im „Brief aus Sachsen“: „Wer nur mit Nationalismus- und Faschismus-Vorwürfen um sich wirft, erweist sich als unredlich und politkunfähig. Wir nehmen die Menschen so, wie sie sind.“
Ich plädiere ebenfalls dafür, das Volk beim Wort zu nehmen. Dann wird nämlich klar, daß die Linke mit jenem nichts am Hut haben kann. Insofern sollte man dankbar sein, daß Frau Ostrowski die Demonstration in Wurzen nicht unterstützt hat.

(Wie der Zufall es so wollte, verriet Die Zeit vom 16. Januar noch einiges mehr über das Politikverständnis der Christine Ostrowski. Wer also Interesse hat, sollte auch dort nochmal nachschlagen. – die Cee Ieh-Red.)


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last modified: 28.3.2007