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Bürger-Bullen-Schweine.

Nächstes Jahr soll er im Freisstaat Sachsen starten, der Modellversuch „Polizei - Sicherheitswacht“. Voerst in Leipzig und Pirna sollen freiwillige Helfer und Helferinnen in Zusammenarbeit mit regulären Bullenkräften für die Einhaltung der deutschen Sekundärtugenden - „Ordnung und Sicherheit“ - sorgen. Bewährt sich das Modell, welches bereits in Bayern, Baden-Württemberg und Brandenburg verwirklicht wurde, sollen in Zukunft 600 halb ehrenamtliche, nur mit einer Aufwandsentschädigung besoldete Aufpasser verpflichtet werden. Warum neben dem schärfsten Polizeigesetz in der BRD in Sachsen nun auch diese Zumutung installiert werden soll, warum es für den Großteil der Bevölkerung keine Zumutung ist, sondern sie sich willfährig dem Denunziantentum hingeben wird und warum trotzdem die eine oder andere Frage offen bleibt, kann nicht nur der Innenminister beantworten.

zwei zivis, 6.1k
Stehen bald an jeder Ecke?

„Ziel ist es, zuverlässige Bürgerinnen und Bürger in die Bewahrung von öffentlicher Sicherheit und Ordnung einzubeziehen, um die polizeiliche Präsenz zu erhöhen“, so der sächsische Staatssekretär Hubert Winkler. Kaum war die Ankündigung heraus, da reit sich neben den üblichen Innere Sicherheits-Beschwörern auch schon das Neue Deutschland, die Zeitung für spezifische Sicherheitsinteressen Deutscher zweiter Klasse, in Persona Marcel Baumann - und schon der Name klingt gefährlich nach Plattenbausiedlung - in die Sicherheitsfront ein. Pflichtgemäß sekundiert er: „Die sogenannte Alltagskrimminalität nervt die Bevölkerung“. Wen die Bevölkerung so alles nervt, interessiert ja heute keinen mehr, aber deswegen das Stigma Bulle gleich zu einem staatlich geförderten Hobby machen? Doch es geht nicht um sinnvolle Freizeitgestaltung, denn in Zeiten organisiert-krimmineller Ausschweifungen, in denen die vor Angst schlotternden Menschen nur noch gebückt und mit Dünnpfiiff in der Hose rumlaufen, da geht es einfach darum, das Angstempfinden der Bevölkerung produktiv zu institutionalisieren. (Hinweis am Rande: Am Leipziger Hauptbahnhof wird mittlerweile schon relativ unorganisiert rum-krimminalisiert, d.h. plan- aber nicht ziel- und trefferlos scharf geschossen. Es empfiehlt sich die präventive Maßnahme, des auf den Bauch legens, um dem Maleur eines Wadendurschußes zu entgehen. Ebenfalls günstig, zumindestens für das persönliche Selbstwertgefühl, ist eine rückwärtsgewandte Gangart, durch welche sich das potentielle Ziel, und das können wir alle sein, den Blick auf die mörderische Kugel erspart.) Deshalb und außerdem sowieso muß die Sicherheitswacht (Siwa) her, auch wenn es nach Meinung des Ex-Ministers Eggert schöner wäre, „wenn es bei den Menschen zur guten Gewohnheit wird, verdächtige Beobachtungen schnell mitzuteilen“. Da hat der Penner mal wieder geschlafen, denn dem Großteil der Deutschen dürfte das Anschwärzen vermeintlicher Störsubjekte der volksgemeinschaftlichen Ruhe und Ordnung vertraut sein. Die in ihrer Zeit funktionierenden Blockwart-, ABV- (incl. Hilfspolizisten) -Systeme als volksnahe Ansprechpartner für die Freizeitspitzel nur kurz erwähnt, hat sich auch in der jüngsten deutschen Geschichte die Bevölkerung in Bezug auf Eggerts Forderung als absolut zuverlässig erwiesen. Zum Beispiel: an der hochgerüsteten deutschen Ost-Grenze wurden tausende Haushalte mit Funktelefonen ausgerüstet, um verdächtige Personen, d.h. nach rassistischen Kriterien kategorisierte Menschen, dem Bundesgrenzschutz zu melden. Die Einheimischen erwiesen sich dermaßen produktiv bei der Jagd auf „illegale Einwanderer“, daß ein Teil von ihnen als „einsatzbereite, pflichtbewußte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Tätigkeiten im Bereich grenzpolizeilicher Aufgaben an der Grenze zu Polen“ eingestellt wurden, um nun staatlich finanziert die „Flut“ von Einwanderern zu stoppen. Über die Flüchtlinge, denen die deutsche Wertarbeit an der Grenze das Leben kostete, wird natürlich beflissentlich geschwiegen. Also wenn der Staasregierung etwas vorzuwerfen ist, dann daß sie nicht eher zur Tat geschritten ist und die historisch erprobte und allgegenwärtige Denunziantenbereitschaft nicht eher institutionalisierte. Dabei schwebt schon seit Jahren die Gefahr, daß sich 47% der Bevölkerung, die Bürgerwehren für notwendig halten, wie ein Damoklesschwert über der nur scheinbaren Hinnahme, der von Experten zugegebenen und der Realität widersprechenden puren Einbildung des Anwachsens von Krimminalität.

noch zwei zivis, 4.0k
Wo muß ich reinschlagen?

Zum Glück gibt es seit ‘68 in der Bundesrepublik einige Bedenken gegenüber unautorisierten Bewegungen und so konnte mit der jetzigen Initiative verhindert werden, daß wieder tausende von Bürgerinnen und Bürgern in das Gelbe vom Ei strömen und lauthals skandieren: Wir sind ein Volk! Wir sind ein wehrhaftes Volk! Wir sind die Bürger eines wehrhaften Volks! Wir sind eine Bürgerwehr! Also schnell die Sicherheitswacht ins Leben geschubst und „dann wird sich mancher überlegen, ob er immer noch Wände beschmieren will“, weiß der Sprecher des Innenministers O. Mager. Mal abgesehen von diesem recht mageren Einsatzgebiet und dem Wissen, daß die, die Wände beschmieren wollen, daß trotz der Siwa wollen, höchstens nicht mehr so einfach können, aber im Risiko bekanntlich der Reiz liegt, haben sich die Initiatoren des Hobby-Bullen-Versuchs noch mehr Aufgaben für ihre ABC-Schützen ausgedacht. In erster Linie sollen sie nämlich „durch Kontakt zur Bevölkerung deren subjektives Sicherheitsgefühl verbessern. Praktisch wird dann vielleicht irgendwann an jeder Straßenecke so ein Freizeit-Bulle rumlungern und die Menschen mit ausgewählten Imperativen von psychischen, motorischen, politischen usw. Selbstverständnissen entlasten. Vielleicht werden sie nur mit einem vielsagenden Augenaufschlag und einem im Umgang mit der hiesigen Bevölkerung geschulten Dialekt den Passanten entgegendröhnen: Alles ruisch! Sie gönnen gehen! Oder eben auch nicht, denn der Quasi-Bulle von Morgen hat noch andere Befugnisse. Er darf verdächtige Passanten nicht nur anhalten, sondern auch befragen, Personalien feststellen, Platzverweise aussprechen und Sachen sicherstellen. Weil zu befürchten stand, daß die Siwas an der Herausforderung, ihre Legitamtion für ihren Aufpasser-Job in zusammenhängenden Sätzen zu schildern, scheitern würden, bekommen sie vom Staat einen „Blouson mit Aufschrift“ zu verfügen. Und ein Funkgerät, welches ihre einzigste „Waffe“ wäre, weswegen sie auch als „wandelnde Notrufsäulen“ betrachtet werden könnten. Gerne natürlich, nur müssen Notrufsäulen vor Inbetriebnahme irgendwo entsiegelt und geöffnet oder gar an einer bestimmten Stelle eine Sicherheitsabdeckung mit purer Gewalt entfernt werden. Ich frage die Staatsregierung, wo befindet sich bei den Siwas der Deckel, den es zu öffnen gilt, reicht ein herkömmlicher Pflasterstein, um die Sicherheitsabdeckung zu zertrümmern und einen Notruf abzusenden. Alles in Allen, wie funktioniert so ein Ding? Ich frage außerdem, wenn ein Bulle nicht mehr ein Bulle sondern eine Säule ist, warum werden diese Säulen nicht außerhalb ihres tristen Denunzianetenalltags zur Absicherung der Zuschauer bei den aktuell so angesagten illegalen Autorennen verwendet. Diese bekämen damit einen organisatorisch-rechtlichen Rahmen und nebenbei könnte das diesbezügliche Angebot noch um die Disziplin Slalom ergänzt werden. Durch Fehlsteuerungen der Schumi-Jünger verursachte Ausfälle dürften kein Problem darstellen, ist doch die soziale Perspektive „Bürger-Bullen-Schwein“ nach Angaben des Innenministeriums sehr verlockend und bereits jetzt, wo der Modellversuch noch nicht einmal angelaufen ist, müßten Anwärter beschwichtigt werden.

abgefuehrt, 5.1k
Erteilen Platzverweise?

Natürlich wäre es sehr begrüßenswert, würde sich der Auto-Proll-Fascho durch sein Fehlverhalten gleich mit entsorgen, nur sind die GTI’s scheiße sicher und eine Gruppe „Hoppla! Rad ab bei 150!“ hat sich leider noch nicht konstituiert.) Weiterhin völlig unverständlich bleibt, wie mit Einführung der Siwas ein Funkgerät nicht mehr ein technisches Hifsmittel für interpersonale Kommunikation sein soll, sondern eine Waffe. Zwar bemerkte schon 1993 der damalige Innenminister Heinz Eggert, daß Polizeihilfskräfte die „Zielscheibe von Agressionen wären, ohne daß sie sich in der notwendigen Weise schützen könnten“. Und angenehm wäre es, hätte er damit recht. Aber deswegen jetzt die Siwas so zu verarschen? Die Vorstellung, daß die Jung-Bullen in Anfällen infantiler Regression oder wegen genereller intelektueller Schwierigkeiten oder auch nur verwirrt von den semantischen Verwirrspielen der sächsischen Staatsregierung mit der Antenne des Walkie-Talkie auf die Stirn eines vermeintlichen Ladendiebes zielen, „Hände hoch“ schreien, um dann beim Gewahrwerden der sichtbaren Mühe, die der Betroffene aufwendet, um cool zu bleiben, sechs, acht,... mal, also je nach Art des Funkgeräts bzw. individuellen Vorstellungsvermögens „peng, peng, peng,....“ machen, mag vorerst noch belustigen. Aber sollte die Entwicklung wirklich in diese Richtung gehen und z.B. die Kategorie „Ladendiebe“ daraus die Konsequenz ziehen, sich ihrerseits mit Bananen o.ä. zu bewaffnen, wird das Gemetzel vor Kaufhäusern fürchterlich sein. Es gibt noch ein Problem. Eins der Hauptbefugnisse der Bürger-Bullen, die Möglichkeit unerwünschten Elementen einen Platzverweis zu erteilen, muß aus Effizienskriterien als Rückschritt bewertet werden. Hier waren die Bürger und Bürgerinnen schon einmal weiter und überbrachten Platzverweise in Form leicht brennbarer Flüssigkeiten. Aber die von „Oben“ autorisierte Durchsetzung des deutschen Reinheitsgebots an öffentlichen Plätzen, macht bestimmt auch viel Spaß. Warum es zur Auffrischung der Freund/Feind-Konstellation für die Siwa’s allerdings noch einer 60 stündigen Ausbildung bedarf, bleibt schleierhaft, hat doch jeder anständige Bewohner dieses Landes jenen Instinkt im Blut. Und wer mit diesen natürlichen Anlagen noch nicht handlungsfähig ist, erkennt nach einer halben Stunde „xy-ungelöst“ auf Anhieb die Mitglieder der Balkan-Banden oder chinesische/polnische/russische/... Mafiosi. Im Prinzip kann es also sofort losgehen und auch von den negativen Erfahrungen die in Bayern und Berlin mit den Hilfs-Bullen gemacht wurden, sollte sich keiner die Vorfreude verderben. Was ist denn daran schlimm, wenn in München penible Siwas jeden Hundehaufen auf der Straße an die Zentrale gemeldet haben und der Soziologe Ronald Hitzler den bayrischen Wächter-Persönlichkeiten im Zuge einer begleitenden Untersuchung des dortigen Modellversuchs eine ausgeprägte Bereitschaft zur Unterordnung attestierte; wenn sich in den Reihen der Freiwilligen Polizeireserve in Berlin hunderte Straftäter, Sexualverbrecher und Neonazis tümmeln. Was den einen recht ist, ist den anderen bloß zu teuer. So sorgten sich die wenigen Gegener der sächsischen Siwa vor allem um die finanzielle Absicherung des Modellversuchs. Die PDS ward’s zufrieden, als die Staatsregieung zusicherte, daß keine weiteren Mehrkosten für die so geliebte Bevölkerung entstehen werden und die sozialdemokratischen Zweifler wollten auch nur mit den auzuwendenten Mitteln lieber die regulären Vertreter des staatlichen Gewaltmomopols ausgerüstet sehen. Und das ist ja nun wirklich ein Pseudo-Argument, denn die personell und technisch besserer Ausstattung der Polizei packen wir hier im Freistaat auch noch mit „Links“.
(Noch nicht beworben, aber stark am überlegen - Ulle.)

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last modified: 28.3.2007