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no essig jazzer please, 1.7k

Kruder und Dorfmeister

Warum es keine Pressefreiheit gibt und das ziemlich wichtig für Feindbilder ist, die sich dem Lokalpatriotismus verweigern, weil es um Stil und Niveau geht, deren Tiefe nichts mit Schwermut zu tun hat, macht alles zu seiner Zeit Sinn. von Ralf

kruder & dorfmeister, 5.6k

Um es einmal mehr niederzuschreiben: Die Kategorisierung Trip Hop kann und darf nicht dafür herhalten, eine Selbstbeschränkung herbeizuführen, der Kruder & Dorfmeister ganz bestimmt nicht gerecht würden. Läßt sich jemand auf den Begriff Trip Hop ein, kommt es einer Ehrverletzung dieser beiden Herren gleich. Ihre Musik hat einen Tiefgang, der soviel mit trippen und hoppen zu tun hat, wie ein stockkonservativer Jazzer mit Hip Hop - so gut wie gar nichts also, außer, daß K&D den Sound vorgeben, den andere dann katalogisieren, um daraus Profit zu schlagen. Und die meisten spielen auch dann erst mit, weil sie zu feige sind, sich den abgefuckten Mainstreammedien zu verweigern, an eine Pressefreiheit glauben, die Qualität on the air angeblich zuläßt.
Das ist eigentlich alles nicht neu. Sollte gemeinhin auch bei jedem Conne Island-Besucher ein Allgemeinplatz sein. Ist es aber nicht, und gehört deshalb hier mal wieder eingestreut.
Warum ich das so sauer schreibe, hat viel damit zu tun, daß ich ein dogmatisches Feindbild habe, daß sich immer mehr bestätigt (siehe den Run auf die Leipziger Innenstadt - „Szene-Treffs“ - „TRC“ bis auf demnächst - ja ja - ausgenommen). Es geht hier scheinbar in dieser Stadt nicht um Niveau, sondern um Lokalpatriotismus, der im Conne Island keine Heimstatt finden darf. Und weil das so ist, gibt’s bei uns auch Originale und keine Fälschungen!

„Who and what are the loves of your lives apart from music?“
„Mmmmh, loads of stuff ... to much!“
„Who are your heroes from music past and present?“
„Elvis was a hero in his own way, Miles Davis as well. Today we’re into collectives like the guys from Ninja Tunes, also Gilles Peter“

Deshalb auch Kruder & Dorfmeister, die diese Szene (Szene, welche Szene?!) eigentlich gar nicht verdient hat. Nichtsdestotrotz leisten wir uns diesen Abend, weil uns nicht die Provinz interessiert, sondern die Kultur.
„Niveau ist eine Frage von Stil“, brachte uns jüngst Sir Rocko Schamoni nahe, und wir wollen diesen Leitsatz gern praktisch umsetzen.
„Everyone is a hero - I don’t really like the term hero“, relativieren die Wiener Richard Dorfmeister und Peter Kruder ihre eigenen Verdienste und Qualitäten für die, wie „i-D“ schreibt, „post-Mo’ Wax scene“.
Dabei gilt das Duo in allen möglichen Club-Szenen als Bezugs- und Orientierungsgröße, wie sie ansonsten nur von DJ Shadow oder Krush zu behaupten ist. Geht man von einem gegenwärtigen Dreigestirn als Speerspitze der Wiener Szene aus, zu der neben K&D, Patrick Pulsinger und DJ DSL gezählt werden sollen, so gilt ihre Deepness als so ausgeprägt, wie bei keinem der anderen beiden. Ob als Produzenten, DJs, Remixer oder sonstwas, verwechseln sie Tiefe nicht mit Schwermut, vermeiden sie ein depressives Soundgerüst.
„We lovw hip hop and rough beats, the rhyming, but we rather mix styles all together, electronix, jungle elements, dubreggae, …“
Daß sie die Opulenz ihrer Personen hinter ihren Produkten zurückstellen, ist nicht unbedingt neu, nur einmal mehr bezeichnend, zumal diese Arbeitsweise durchaus zum Gradmesser dient. So versteht sich auch das Cover für ihre EP als ein gutes Stück Selbstironie, die immer wichtig ist. Nachgestellt posieren beide dort im Stile des legendären Simon and Garfunkel-Album-Covers „Bookends“.

„We start with some old Brazilian tunes, Edu Lobo, the late ‘60s bossa tunes that Gilles Peterson used to play. Then we move into uptempo beats. We hold it for two hours, slow it down with more abstract beats and dub like Dephtcharge, then when it’s late we play some jungle, Alex Reece, DJ Krust, that kind of stuff.“

Eine undogmatische Affinität zu anderen Musik-Duos der Historie birgt den indirekten Verweis in sich, daß alles zu seiner Zeit Sinn macht. Auch das Nachdenken über einen Plattendeal mit einem Major, dem sie sich mit einer Gelassenheit hingeben, die die vielen Anfragenden schier verzweifeln läßt. Der Moment für ein Majorsigning ist für sie noch nicht absehbar. Und das ist nach wie vor so gut, wie das Ablehnen von Remixen für Elvis Costello, Fanta Vier oder gar U2. Nur Grace Jones stieß bei ihnen auf offene Ohren.
Ansonsten gilt: „If you do a mix for somebody, you inevitably use material from your own tracks so all the creativity goes to the other artists, which is fine, but then you need time to find more ideas for your own music.“
Anders sollte es auch nicht sein.

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last modified: 28.3.2007