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Die Sterne, Tocotronic, Knorr's 0:0, Saturn Quartett, „Willkommen zu Hause, Laika“

Nach „Di Iries“, „Das Weeth Experience“, „Lassie Singers“ und dem „Sound Navigator“, die wir dieses Jahr im Conne Island präsentierten, können wir am 1.11. und am 4.11. zwei andere Perlen der Hamburger Schule(!!) im Conne Island erleben. Diese Konzerte sind sehr empfehlenswert für Leute, die immer noch in der Vergangenheit schweben und zu irgendwelchem Krautrock, „NDW“ oder den „Einstürzenden Neubauten“ ihr Tanzbein schwingen (die typischen Locations dafür in Leipzig sollen hier nicht schon wieder erwähnt werden). Auch sollen mit diesen Konzerten deutsche Hörer, welche die Entwicklung der deutschen (deutsch natürlich mit Vorsicht zu genießen) Undergroundmusik mit ihrer Eigenständigkeit und dem sprachlichen Selbstbewußtsein, in den letzten fünf Jahren entweder beiläufig oder gar nicht zu Kenntnis genommen haben und nun, nach den Erfolgen von Bands wie „Lassie Singers“, „Blumfeld“, „Flowerpornoes“ oder den „Kastrierten Philosophen“ Nachholbedarf verspüren, erreicht werden.

Die Funk Band der neuen Hamburger Schule spielt jetzt jazziger, dynamischer und melodischer. Die Sterne haben es geschafft, den Hamburgsound mitsamt seinen intellektuell-verqueren Texten tanzbar zu machen, allerdings nicht wie „Milch“ (Ladomat) auf einer gesunden Housebasis, sondern eher dem Funk verbunden. Als im Mai ‘94 das zweite Sterne Album „In Echt“ erschien, hat wohl kaum jemand mit einem solchen Erfolg gerechnet. Ein Song auf „In Echt“ hat den Titel „Universal Tellerwäscher“. Dieser Song ist der mit den größten Hitqualitäten. Während der Universal Tellerwäsche sich durchs Leben quält, und „Die Sterne“ ihre Forderung nach Echtheit immer weiter treiben, gipfeln Sie musikalisch in coolen Rhythmen, die sich mit aneinandergereihten Sätzen (die so dahingesagt fast frech sind und gleichzeitig mehr als einmal die Sache auf den Punkt bringen) vereinen.
„...DA WO DU LEBST UND ICH BIN DA AUCH, ES MöCHTE ECHT SEIN, WAS ABENTEUER AUSMACHT UND ABENDE AUCH, DAS IST DER RAUM, DEN DU ATMEST, DIE LUFT DIE DU BRAUCHST, UM ZU EXISTIEREN WIE EIN LEBENDIGES WESEN, ICH HABE ES GETROFFEN NICHT GELESEN...“. Spätestens jetzt hat man gemerkt, bei den Sternen geht’s um was. Was? oder: Wie? Frank Spilker, Sänger, beschrieb seine Form zu Texten in einem Gespräch, das immer wieder um den Begriff „Soul“ kreiste, als „Auseinanderreißen von einem Erzählstrang“, als „splitterhaftes Einwerfen“ von Gedanken, um ausgearbeitete Geschichte zu vermeiden zugunsten einer ehrlicheren Form schriftlicher Repräsentation davon, wie man sich fühlt. „Spiegelbild der Seele“ Die Sterne wollen lieber „wirklich“ als „virtuell“ sein - einfach „Echt“. Diese Einschätzung paßt auch gut zur gravierenden und zwingenden Auswirkung der Texte: Man muß über sie nachdenken. Und wenn man das nicht macht dann nerven sie.
„...ICH STECKE IM TRESEN UND ERSTICKE IM RAUCH, ICH TRINKE SELBST NICHT WENIG UND MEIN NACHBAR SäUFT AUCH, ABER ICH BIN NüCHTERN...“ („Nüchtern“) Ihre Zeit hatten die Sterne neben Bands wie Blumfeld oder Flowerpornoes nach der Zeit vom Hardcore und vor der vom Acid Jazz. Denn obwohl sie vielleicht einer der besten deutschen Rockbands der Neunziger sind, sind sie womöglich doch auch mehr als das - Sie sind die Band mit dem Mehr an Soul. Die Band, die mit Coverversionen von Ton Steine Scherben auf der Acid Jazz Welle quer-, mit- und gegensurft.
„Das verwegenste, was ich an deutschsprachiger Rockmusik seit langem gehört habe“ (S.Zabel in Spex 1990).
Gemeint ist Achim Knorr‘s Band „Der Fremde“, die 1992 nach einem geplatzten Plattendeal auseinanderbrach. Am 1.11.95 ist er wieder live zu erleben als Tour Support bei der befreundeten Band Die Sterne. Knorr‘s 0:0 heißt das neue Projekt, und die dazugehörige Bühnenshow „Ihr habt uns den Feiertag versaut“. Quasi ein 1-Mann-Rocktheater, das der Komödiant und Entertainer, der sich in den letzten Jahren in belustigender Absicht auf den Bühnen unserer Rebuplik herumgetrieben hat, extra für seine Zuschauer konzipiert und realisiert hat. Es wird ein Wiederhören der schönsten Rhythmen von James Last und Franz Lambert geben. Inmitten von Stilbrüchen und Textbasteleien schlummern wirklich traurige Songs, die einem den Buckel runterrutschen, dann aber wirklich nur so lange, wie es die Idee zuläßt (nämlich 20 Sekunden).
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Ein neuer Stern aus der Talenteschmiede der Hamburger Schule ist ohne Zweifel Tocotronic. In entfernte Verwandschaft zu den viel zu früh verblichenen Huah! werfen Tocotronic mit trockenem Humor und betrachtlichem Talent für Entertainment einen amüsierten, aber jeder Alltäglichkeit nehmenden Blick auf ihr Leben in der Stadt. Tocotronics Musik ist Gegenwart. Sie spielen und singen aus eben dieser Gegenwart heraus, die sie nicht etwa kunstvoll analysieren, sondern deren Teil sie sind. Ihre Musik ist ein erweitertes Ausdrucksmittel von Gefühlen und Musik weil Musik Spaß macht. „Ich bin neu in der Hambuger Schule“ singen Tocotronic „und lerne weder Griechisch noch Latein“ - trotzdem scheint die Hamburger Schule eine Eliteschule zu sein. Selbstverständnis, Überheblichkeit oder Sarkasmus? Die Antwort geben sie ein Stück später: „Es ist einfach Rockmusik“, auch wenn sie sich nicht selbst meinen, meinen sie sich natürlich doch selbst. Auf „Digital ist besser“ bekommen wir zu Hören, daß wir hier nicht in Seattle sind, das spricht ja nun dafür, daß es einfach nur Rockmusik ist. Und gut dazu. „Was soll ich noch für Lieder schreiben: Worüber man nicht singen kann, darüber muß man schweigen - ich muß reden auch wen ich schweigen muß“. Alltagsweisheiten mit Beatmusik, klasse Refrains, kleine, große Hits. Ende 1992 lösten die Hamburger Jan Müller und Arne Zank ihre alte Punkband nammens „Punkarsch“ auf. In der Uni traffen Sie den aus Offenburg stammenden Dirk von Lowtzow. Irgendwie waren sie ins Gespräch gekommen und eines Tages spielte Dirk Jan seine Demos vor. Jan gefielen sie sofort, und er wußte, daß auch Arne darauf stehen wird, was der Fall war. Schnell fanden die drei zusammen und Tocotronic war geboren. 1993 veröffentlichte man in Eigenregie die erste 7". Nachdem man vereinzelte Konzerte in diversen Szene-Clubs in Hamburg absolvierte, wurde Jochen Distelmeyer auf Tocotronic aufmerksam und lud sie in sein Studio ein. Danach ging man mit Blumfeld auf Tour und veröffentlichte 1994 die erste LP/CD „Digital ist besser“. Diese wurde zum Ereignis des Frühjahrs ‘95. Also warum warten dachten sich die drei und direkt nach ihrer ersten Solo-Tour durch die Clubs wurde die zweite Platte „Nach der verlorenen Zeit“ eingespielt. „Nach der verlorenen Zeit“ ist einerseits durch Songs wie „Rockmusik“ oder „Ich bin neu in der Hamburger Schule“ Resümee und Standortbestimmung, anderseits eine sehr persönliche Platte. Tocotronic werden sich über kurz oder lang mit dem Gedanken auseinandersetzen müssen, auch außerhalb der Hamburger Schule Narrenfreiheit zu besitzen.
Den Abend beginnen werden zwei Leipziger Bands - zum einen „Wilkommen zu Hause Laika“ und „Saturn Quartett“. Die erst genannte Band besteht aus einem Hausmeister, einem Erzieher in Ausbildung und einem Studenten der Kulturwissenschaft. Die Leipziger Formation spielt Rock’n’Roll - Musik zwischen Krach und Schlager. Musikalisch anders ist da „Saturn Quartett“, die der Meinung sind, daß Popmusik in den letzten Jahren (zumindest in Leipzig) in Verruf gekommen ist. Ein Bass, ein Schlagzeug, eine Gitarre (meistens mit Wah - Pedal gespielt), eine orginale Hammond Orgel oder manchmal auch ein Synthesizer mit den ultmativen Moog - Sounds, einen nicht all zu tiefsinnigen Text, und fertig ist die Pop-Perle.
Also dann bis die Tage und auf das sich die Pop Diskokugel drehe!! G.M.O.


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last modified: 28.3.2007