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Bedingungsloses Grundeinkommen


1. Einleitung

Wenn vom bedingungslosen Grundeinkommen die Rede ist, dann wird an das Arbeitslosengeld II gedacht. Dieses ist an drei Bedingungen geknüpft, die mit dem neuem Konzept überwunden werden sollen: 1. Die Knüpfung des Geldes an den Nachweis der Arbeitswilligkeit. 2. Die Knüpfung des Geldes an sonstige Einkommen oder Vermögensbestände. 3. Familiäre oder Lebenspartnerschaftliche Zuordnungen. Diese Bedingungen sollen für das neue Grundeinkommen nicht mehr gelten, deshalb redet man vom bedingungslosen Grundeinkommen.

Ein vielleicht abstrakter, aber für den späteren Teil nicht unwichtiger Hinweis, ist, dass das Grundeinkommen natürlich in anderen Hinsichten nicht bedingungslos ist. 1. Der politische Wille muss vorhanden sein, um das Grundeinkommen zu zahlen. 2. Die nationale Wirtschaft muss das Geld hervorbringen, das der Staat dann für das Grundeinkommen über Steuern abzweigt.

Auffällig an der Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen ist die Tatsache, dass diese von Leuten aus der CDU, FDP, den Grünen, der Linkspartei bis hin in die außerparlamentarische Linke Unterstützer findet. Manche Konzepte entsprechen nicht immer einem bedingungslosen Maleranleitung, 18.3k Grundeinkommen, obwohl sie unter diesem Titel verhandelt werden. Dennoch – von konservativer und wirtschaftsliberaler Seite gibt es Unterstützung für das reine Konzept einer bedingungslosen Grundsicherung.

Das alleine könnte schon stutzig machen. Noch vielmehr sollte stutzig machen, dass diejenigen Politiker, die sich gerade alle Mühe geben, den Kostenfaktor Arbeit für den deutschen Standort zu senken, bei dem bedingungslosen Grundeinkommen keine Angst vor einem eventuell zu kleinem Niedriglohnbereich haben. Die Linken dagegen erwarten, dass die Arbeitslosen nicht mehr jeden beschissenen Job annehmen müssten und damit zugleich eine Grundlage der Lohndrückerei bei den noch Beschäftigten entfallen würde.

Entsprechend unterschiedlich sind die Ausgangspunkte bei den Vertretern, es stellt sich also die Frage: Was stört die Vertreter an der aktuellen gesellschaftlichen Lage?

Unterschiedlich sehen die Hoffnungen aus, also: Welche Vorteile verspricht das neue Konzept?

Und nicht zuletzt unterscheidet sich der materielle Umfang der bedingungslosen Grundsicherung in den verschiedenen Modellen. Damit ist nicht nur die Höhe des Grundeinkommens gemeint, sondern auch die Steuersätze, die Streichung sonstiger Sozialstaatsleistungen etc.

Das macht die Diskussion dieses Konzeptes einigermaßen unübersichtlich. Ich versuche im Folgenden erstmal darzustellen, was der thüringische Ministerpräsident von der CDU Althaus und der Unternehmer Götz Werner von der Drogeriekette DM an dem Konzept „bedingungslose Grundsicherung“ spannend finden. Im zweiten Schritt will ich dann die linken Vorstellungen aus dem grünen Lager und der Linkspartei in ihren Gemeinsamkeiten und Unterschieden dazu besprechen. Der dritte Punkt wird dann diejenigen linken Positionen behandeln, die zu wissen glauben, dass mit dem „bedingungslosen Grundeinkommen“ nicht alles in Butter ist, die Umsetzung des Konzepts aber trotzdem für einen „Schritt in die richtige Richtung“ halten. Damit sind Teile der Linkspartei gemeint genauso wie Menschen aus der außerparlamentarischen Linken. Davon sollen viertens wiederum diejenigen unterschieden werden, die die Forderung nach dem „bedingungslosen Grundeinkommen“ für eine rein taktische Frage halten. Sie wissen, dass ein „bedingungsloses Grundeinkommen“, dass die Lage der Arbeitslosen und beschäftigen Leute materiell wirklich verbessern würde, im Kapitalismus ein Unding ist. Sie stellen die Forderung trotzdem, weil sie hoffen, dass die Bürger das Konzept gut finden und am Scheitern des Konzeptes merken, dass eine grundlegende Umwälzung der Verhältnisse fällig wäre. Diese letzte Position wird im Folgenden nicht verhandelt, weil es unser Eindruck ist, dass in dieser Taktik das Konzept des „bedingungslosen Grundeinkommens“ komplett austauschbar ist mit anderen Forderungen (siehe z.B. den Text „Auf nach Prag“ auf www.junge-linke.de, in dem diese Taktik anhand der Mobilisierung gegen eine IWF/Weltbank-Tagung kritisiert wurde).

2. Althaus und DM-Geschäftsführer Götz Werner

Zunächst einige Zitate der beiden Grundeinkommensvertreter:

Althaus:

„Das Bürgergeld ist ein Grundeinkommen, das der Staat allen Bürgern unabhängig von ihrem Einkommen und ihrer Tätigkeit zahlt. Für Althaus ist es der beste Weg aus dem ‚nicht mehr finanzierbaren Sozialstaat'. Das bestehende System zeige ‚zu geringe Effizienz, zu geringe Treffsicherheit, zu viel Bürokratie'. Die Bundesagentur für Arbeit beschäftige 95 000 Mitarbeiter. Insgesamt gebe es 155 Sozialleistungen, die von 37 Stellen angeboten würden. Althaus: ‚Lösungen innerhalb des Systems genügen nicht. Nur ein Systemwechsel bietet die Chance, dass sich der Arbeitsmarkt als Markt entfalten kann.'“ www.tagesspiegel.de/politik/archiv/21.07.2006/2670612.asp

Götz Werner-Modell:

„Durch die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens würde zudem eine Reihe von Entwicklungen in Gang gesetzt, die eine ‚heilende' Wirkung auf unser Gemeinwesen und nicht zuletzt die desolate Situation der öffentlichen Finanzen hätten.
(…) Ein großer Teil der Menschen in Deutschland erhält bereits heute Geldzahlungen vom Staat, denen keine direkten Leistungen gegenüberstehen. Werden all diese Leistungen zu einem bedingungslosen Grundeinkommen zusammengefasst und entfällt mit der Anspruchsprüfung auch die Verwaltungsbürokratie, kann ein nennenswertes Grundeinkommen an alle Bürger ausgezahlt werden.“ www.unternimm-die-zukunft.de/index.php?id=54

Mit dem auf innovativem Geist beruhenden technischen Fortschritt haben wir im wirtschaftlichen Leben einen enormen Zuwachs an Produktivität erzielt. Die Folgen des technischen Fortschritts scheinen jedoch paradox: trotz gestiegener Produktions- und Versorgungsfähigkeit nehmen Armut und soziale Ungleichheit zu. Erwerbsarbeit wird zunehmend einkommenslos – die ökonomische Entwertung der Arbeit –, gleichzeitig werden Einkommen in Form steigender Kapitalerträge zunehmend ohne Arbeit erzielt.
(…) Die Politik reagiert auf diese paradoxe Faktenlage und Entwicklung, indem sie gebetsmühlenartig neue „Jobs“ fordert. Die Lösung der Probleme wird jedoch immer teurer. Die Kosten der sozialen Ungleichheit wie ihrer Verwaltung und die Zerstörung von Leistungsbereitschaft nehmen weiter zu.“ www.unternimm-die-zukunft.de

Beide Vertreter des „bedingungslosen Grundeinkommens“ treibt die finanzielle Belastung für den Staat um, die durch die bisherige Organisation des Sozialstaates entsteht. Die öffentlichen Finanzen seien desolat oder sie könnten einfach die sozialen Kosten der Marktwirtschaft nicht mehr finanzieren. Zweitens behaupten sie beide, dass die bisherige Verwaltung zu ineffizient sei: Zuviel Bürokratie, die zu wenig bewirke. Werner spricht gleich davon, dass man sich dieses Geld sparen könnte. Drittens halten sie die bisherige Organisation für eine Behinderung von Leistungsbereitschaft und versprechen sich von der Neuorganisation mit dem „bedingungslosen Grundeinkommen“ eine Entfaltung des Arbeitsmarktes und mehr Leistungsbereitschaft.

Erstens: Relativ zu der Masse an Leuten, die realistischerweise nie wieder eine geregelte Lohnarbeit bekommen werden, sagen sie: da lohnt sich der bürokratische Aufwand der Überwachung und Drangsalierung nicht.
Dieser Standpunkt ist nicht neu, was ich an einem Rückblick auf das bundesdeutsche Sozialsystem deutlich machen will. Mit der Riester-Rente wurden die gesetzlichen Rentenansprüche mal wieder gesenkt und die damalige Regierung hat zugleich eine Änderung der Sozialhilfe für Menschen im Rentenalter durchgeführt. Mussten zuvor auch Leute über 65, die auf Sozialhilfe angewiesen waren, noch den Nachweis zur Arbeitswilligkeit erbringen, wurde dies mit der Riester-Rente abgeschafft. Man könnte sagen, die rot-grüne Regierung hat nach einer Hälfte das bedingungslose Grundeinkommen für Menschen über 65 eingeführt. Das haben die beiden Parteien damals als große soziale Tat herausgekehrt. Dabei war das ganze eine äußerst zynische Ergänzung zur Rentenkürzung. Die Berechnung ging darauf, dass mit der erneuten Rentenkürzung völlig klar ist, dass massenhaft Menschen im Alter auf Sozialhilfe angewiesen sind oder sein werden. Diesen Teil der Gesellschaft zu drangsalieren, schien ihnen vom bürokratischen Aufwand her nicht lohnend, also haben sie es gelassen.

Fazit: Bedingungsloses Grundeinkommen wird von Politikern deshalb in Betracht gezogen oder vertreten, weil sie mit der massenhaften Armut rechnen, diesen Teil abschreiben und das Drängen auf oder die Weiterbildung für den Arbeitsmarkt für unproduktive Geldverschwendung halten.
Wenn aber der Blickwinkel auf diesen Teil der Bevölkerung der ist, dass Bemühungen für sie „verschwendetes Geld“ sind, dann muss man sich auch nicht wundern bzw. man kann damit rechnen, dass die Höhe des bedingungslosen Grundeinkommens ebenfalls minimal ausfallen wird.

Zweitens: Völlig abschreiben wollen sie beide (Althaus und Werner) die arbeitslosen Grundeinkommensempfänger nicht. Beide sind sich sicher, dass das Grundeinkommensmodell nicht für einen Wegfall des Niedriglohnbereichs und willige Arbeitskräfte sorgen wird. Im kompletten Gegensatz zu linken Hoffnungen glauben sie nicht, dass Lohnarbeiter aufgrund des Grundeinkommens nicht mehr jeden Drecksjob annehmen werden. Wie kommts?

Der Witz der Modelle, egal mit welchen Stufen oder steuerlichen Varianten, läuft darauf hinaus, dass die Arbeitslosen materiell nicht besser gestellt sind als heutige Hartz IV-Empfänger. Alle anderen gesetzlichen Sozialkassen sollen ja gestrichen werden. Rente und Gesundheitsbeiträge privat getragen werden und steuerlich ist bei Götz Werner an Mehrwertssteuersätzen bis zu 50 % gedacht, während alle anderen Steuern gestrichen werden sollen.
Sie gehen zu Recht davon aus, dass sich niemand mit so einem geringen Einkommen dauerhaft abfinden wird und kann und somit alle, die noch physisch und psychisch dazu in der Lage sind, sich weiterhin auf dem Arbeitsmarkt herumtreiben.

Dieser Punkt wird von einigen linken Verfechtern des „bedingungslosen Grundeinkommens“ bestritten. Deshalb dazu noch ein paar Ausführungen zur Funktionsweise des „Arbeitsmarktes“ und zwei Beispiele.

Beispiel 1: Auf einer anderen Veranstaltung zum selben Thema hat jemand gesagt, dass sich mit der Grundsicherung die Leute nicht mehr mit billigen Stundenlöhnen abspeisen lassen würden. Zugleich bemerkte er, dass viele Menschen derzeit die Hartz IV-1 Euro-Löhne gar nicht nur aus Zwang der Arbeitsagenturen annehmen, sondern sich eigenständig darum reißen. Diesen Widerspruch löste er dahingehend auf, dass er die Leute moralisch verurteilte – die wüßten einfach nicht, dass sich so was nicht gehörte. Die machten doch glatt, ohne Not, den anderen Arbeitern die Löhne kaputt, war seine Aussage.

Dagegen muss man erstmal festhalten: Gerade für diejenigen, die am wenigsten haben, sich am strengsten einteilen müssen usw. ist jeder Euro mehr eine spürbare Verbesserung. Anders vielleicht bei jemandem, der 2000 Euro Netto verdient. Dem erscheinen 100 Euro mehr oder weniger eher kein Anreiz zu sein, sage 20 Stunden mehr im Monat zu arbeiten.
Weniger von der subjektiven Empfindung aus, sondern objektiv ausgedrückt: Wo die Not groß ist, da besteht keine Wahl, sondern da muss man sich um jedes wenig mehr reißen. Wo dagegen die materielle Versorgung halbwegs gesichert ist, da fängt überhaupt erst das Entscheiden an. Auf diesem Grundsatz beruht ja auch die linke Hoffnung auf eine materielle Verbesserung für alle Beschäftigten durch das Grundeinkommen.

Beispiel 2: Auf derselben Veranstaltung sagte jemand: „Selbst bei 400 Euro Grundeinkommen, kommt doch reell mehr materielle Freiheit herum. Ich brauch nur noch 20 Stunden die Woche zu arbeiten und komm auf meine 1.200 Euro, das fände ich toll.“ Mal beiseite gelassen, ob 1.200 zum Leben locker reichen, wenn man Krankenkasse, Medikamente, nicht gedeckte Behandlungen und private Zusatzrente zahlt (letzteres empfiehlt sich bei gerade mal 400 Euro Grundsicherung – nur als Beispiel: er müsste 40 Jahre lang 250 Euro bei einer Verzinsung von 5 % zahlen, damit er regelmäßig zusätzlich 500 Euro im Lebensalter bekommt – und wenn ein Börsencrash nicht einen Strich durch diese Rechnung macht.). Auch beiseite gelassen, dass bei 50 % Mehrwertsteuer im Werner-Modell oder 25-50 % Einkommenssteuer im Althaus-Modell von den 1.200 Euro nicht viel bleibt. Die Idee lebt davon, dass die Stundenlöhne konstant bleiben oder sogar steigen. In dem Beispiel ist ein Stundenlohn von 5 Euro unterstellt.

Dazu eine kleine politökonomische Ausführung zum Thema Arbeitsmarkt: Zunächst zum Markt überhaupt, also auch Unternehmen mit eingeschlossen. Am Markt konkurrieren alle um das zahlungskräftige Bedürfnis der Gesellschaft. Dabei ist jeder Gebrauchswert zunächst gleich gut. Mit privater „Müllabfuhr“ lässt sich genauso gut verdienen, wie mit Goldabbau, vielleicht sogar mehr. Lässt sich mit einer Sache besonders gut verdienen, dann finden sich Unternehmen, die umsatteln und auch diese Sache produzieren. Die Konkurrenz sorgt dafür, dass das „Überdurchschnittlich gut verdienen“ in einem Bereich nur vorübergehend ist. Andersherum: Wird in einer Branche unterdurchschnittlich verdient, dann gehen Betriebe Pleite oder wechseln den Bereich. Die unterdurchschnittliche Branche wird so langsam wieder attraktiv, sofern der produzierte Gebrauchsgegenstand nicht von anderen Sachen völlig ersetzt wurde. Unterstellt ist dabei natürlich immer, dass die Marktteilnehmer die Branche wechseln können, also Geld vorhanden ist oder Sachkapital, dass sich verkaufen lässt, damit man in die andere Branche einsteigen kann. Vorteile haben natürlich die Firmen, die in Branchen tätig sind, in die nicht so schnell zu wechseln ist oder deren Produktion patentiert ist. Sie können dauerhaft überdurchschnittlich verdienen.
Dieses Prinzip gilt allgemein am Markt. Was ist jetzt mit den Arbeitern? Sie sind in einer Branche tätig, die immer mehr Zufluss erhält. Mit jeder Rationalisierung werden mehr Leute arbeitslos, mit jeder Krise wird eine neue Million in die Arbeitslosigkeit gespült. Und die ein, zwei Jahre Aufschwung, in denen mal neue Arbeiter eingestellt werden, haben selten das Niveau, dass sich der Arbeitsmarkt wieder entspannt. Der ständige Prozess der Technikentwicklung in der Produktion, sorgt auch dafür, dass ein zeitweises Monopol einer Berufsfähigkeit kaputt gemacht wird. Webseiten betreuen kann heutzutage durch Standardisierungsprogramme nicht jeder Hans und Franz, aber schon ziemlich viele.
Ein Arbeiter kann aber nie sagen, Arbeitskraft verkaufen lohnt sich nicht mehr, dann mach ich jetzt selbstständig in Handy-Produktion. Die Konkurrenz in der Arbeiterklasse verhindert, dass sich ein Durchschnittsgewinn bzw. ein durchschnittlicher Lohn einstellt, von dem man gut leben kann, sondern die Konkurrenz sorgt dafür, dass alle um jeden Preis sich verkaufen müssen. Damit machen sie sich wechselseitig die Preise kaputt, was den Druck erhöht, sich noch billiger anzubieten und noch mehr Stunden zu arbeiten.

Zurück zu dem Beispiel, dass man mit 400 Euro Grundeinkommen dann einfach weniger arbeiten müsste, weil die Löhne stabil bleiben oder man sie sogar erhöhen kann, weil man den Druck nicht hätte, arbeiten zu gehen:
Vielleicht wird jemand nicht gleich im ersten Monat den erstschlechtesten Job annehmen, wie die ALG II-Empfänger mit Druck von der Arbeitsagentur heutzutage, aber spätestens nach drei, vier Monaten machen die Leute das schon. Nach wie vor werden sich also 4 bis 5 Millionen Leute um Zuverdienste kümmern und damit weiterhin den Druck auf den Arbeitsmarkt ausüben, wie er heutzutage besteht. Mit dem Resultat: billige Löhne.

Um es umgekehrt nochmal deutlich zu machen: Das bedingungslose Grundeinkommen müsste schon eine Höhe haben, die absolut existenzsichernd ist. Erst dann wäre man in der Lage zu entscheiden, was man sonst noch machen will. Sobald das Einkommen darunter liegt, müssten sich alle notwendigerweise um Lohn kümmern und diese Lage würden die Unternehmen zugunsten ihres Betriebszweckes ausnutzen.

Für die Unternehmen und daher auch für die Wirtschaftspolitik sind damit zwei weitere attraktive Änderungen eingeschlossen, welche das bedingungslose Grundeinkommen für die so genannte gesellschaftliche Mitte interessant macht:
  1. Die Grundsicherung hat die Wirkung eines Kombilohnes, so dass sie weiterhin und verstärkt Löhne und Verträge abschließen können, die ohne weiteres keinen Lohnarbeiter ernähren können.
  2. Die Lohnnebenkosten fallen für die Unternehmen weg, weil die Menschen sich jetzt eigenständig versichern sollen.
3. Übergang zu den linken Verfechtern des bedingungslosen Grundeinkommens

Keine Partei vertritt das bedingungslose Grundeinkommen als ihr Hauptprogramm. Aber die Vertreter dieses Konzeptes innerhalb der Parteien werden von den anderen auch nicht als Spinner abgetan, sondern als Leute mit interessanten Konzepten, die man langfristig diskutieren sollte usw.
Das enthält einen Übergang in der Legitimation der Politik. Früher ist noch jeder Kanzler angetreten mit dem Ziel die Arbeitslosigkeit zu halbieren und langfristig wieder Vollbeschäftigung zu schaffen. Die Sozialkassen sollten wieder gefüllt und bestimmte Standards gehalten werden. Die 1960er und frühen 70er Jahre galten als idealer Durchschnitt, als Vorbild, dass durch die richtige Politik wieder hergestellt werden könnte.
Linke haben früher darauf beharrt, dass der Kapitalismus notwendigerweise die Armut hervorbringe und deswegen eine grundlegende gesellschaftliche Umwälzung fällig wäre.

Mittlerweile, das hat Merkel gelernt, versprechen Politiker nichts mehr. Dass es einen dauerhaften hohen Bodensatz an Arbeitslosigkeit in Zukunft weiter geben wird, wird als Faktum akzeptiert, mit dem man jetzt umgehen müsse. Bei den Sozialleistungen betonen Politiker heute, dass der Satz vom Blüm „die Rente ist sicher“ nicht stimmt.
  • Rechte bzw. bürgerliche Politiker sagen jetzt: Kapitalismus kann nicht alle versorgen, damit müssen wir uns abfinden.
  • Linke sagen heute: Klar kann der Kapitalismus alle versorgen, wenn man es nur richtig anstellt.
4. Linke Forderungen nach einem bedingungslosen Grundeinkommen

Für diejenigen, die meinen, dass es auf Lohnarbeit angewiesenen Leuten jetzt und heute besser gehen sollte und nicht, dass es den Unternehmen jetzt und heute besser gehen sollte, damit man die Hoffnung auf die Zukunft hat, sind die Vertreter der obigen Konzepte politische Gegner. Viele Vertreter des bedingungslosen Grundeinkommens überschlagen sich aber mit dem Hinweis, dass ihr Konzept ganz realistisch ist, weil Althaus und Werner das immerhin auch fordern. Vielleicht wollen sie ja auch gar nichts anderes, vielleicht sehen sie ja auch den Widerspruch nicht. Vielleicht sind sie aber auch bereit, das Ziel einer materiellen Verbesserung schnell zu vergessen, wenn es um das Ziel „realistisch“ geht.
Linke Forderungen nach einem bedingungslosen Grundeinkommen wissen um die oben beschriebenen Konsequenzen eines bedingungslosen Einkommens. Damit ihr Konzept nicht Arbeitslose hinterlässt, die noch weniger Geld bekommen als heutzutage, damit das Konzept nicht den Niedriglohnsektor weiter fördert, müssen zusätzliche Forderungen her:
  • Die Höhe des bedingungslosen Grundeinkommens muss höher sein als 800 Euro.
  • Sonstige bisherige Sozialleistungen dürfen nicht privatisiert werden (Gesundheitsprämie, Wohngeld, Studiengebühren, Kindergarten).
  • Die zusätzlichen Steuereinnahmen dürfen nicht aus der Mehrwertsteuer kommen, sondern von den Vermögenden. Substanzbesteuerung von Unternehmen wollen auch sie nicht, aber Kapitaltransfer – zumal der internationale – soll besteuert werden.
  • Einführung eines Mindestlohns.
Zusammengefasst könnte man sagen: Das Konzept „bedingungslose Grundsicherung“ ist bei den Linken kein völlig neues Gegenkonzept gegenüber (ehemaligen) sozialdemokratischen Forderungen, die alle vorhandenen Sozialstaatsmaßnahmen weiter ausbauen wollen, sondern eine ergänzende, modifizierende Forderung. Im Grunde fällt die Forderung zusammen mit der Aussage: Drangsaliert doch die armen Arbeitslosen nicht. Das ist zwar sympathisch, aber eigentlich kommt es auf die anderen Forderungen an, damit aus der ganzen Sache eine materielle Verbesserung für Lohnabhängige und Arbeitslose wird.

5. Ein Schritt in die richtige Richtung?

Das Ziel des Konzepts „bedingungsloses Grundeinkommen“ wird daher immer ein Stück runtergehängt. Es heißt dann „immerhin“ bzw. dies sei „ein Schritt in die richtige Richtung“. Dabei muss erstmal geklärt werden, was das Ziel eigentlich sein soll. Wenn das Ziel schlicht darin besteht, Armut zu lindern, muss erstmal deutlich gemacht werden, dass dieses Ziel sich grundlegend unterscheidet von „Armut beseitigen“ und materielle Bedürfnisbefriedigung dauerhaft sicherstellen.
Wenn das Ziel aber darin besteht, dass z.B. keine persönlichen Abhängigkeiten mehr bestehen sollen, wie z.B. Kinder müssen für die Eltern und umgekehrt aufkommen, Lebensgemeinschaften sowieso – wenn das das Ziel ist, dann muss klar sein, dass mit der persönlichen Freiheit andere Abhängigkeiten mit Zwangscharakter gar nicht abgeschafft sind, was sich am freien Lohnarbeiter zeigt. Das Ziel, persönliche Abhängigkeit mit Zwangscharakter abzuschaffen, unterscheidet sich grundlegend von dem Ziel, Abhängigkeiten mit Zwangscharakter abzuschaffen.

Danach entscheidet sich dann auch, ob die Durchsetzung irgendeiner Forderung, hier das bedingungslose Grundeinkommen, ein Schritt in die richtige Richtung Maleranleitung, 17.6k ist. Um Missverständnissen vorzubeugen. Gerade wenn man wenig Geld hat, z.B. als ALG II-Empfänger, ist jeder Euro mehr eine spürbare materielle Verbesserung, wenn er nicht auf der anderen Seite durch Mehrwertsteuererhöhung, Inflation, Mietsteigerungen usw. aufgefressen wird. Der ALG II-Empfänger bleibt aber mit den paar Euro nach wie vor arm, muss sich einteilen usw. Verbesserung heißt hier allenfalls: Eine schlechtere materielle Situation wird durch eine schlechte abgelöst.

Wenn ich einem Bettler einen Euro gebe, dann hat er mehr Geld als vorher. Seinen Bettlerstatus hab ich dadurch nicht behoben und vielleicht sitzen nächstes Jahr an derselben Stelle zwei Bettler, weil mit dem Euro mehr der Grund der Armut eben nicht abgeschafft wurde. Ich habe dem Bettler zwar unmittelbar geholfen, aber ein Schritt in „die richtige Richtung“ (Armut abschaffen) war meine Spende nicht.

Fazit: Wenn die Linkspartei und ihr außerparlamentarisches Umfeld die alte Sozialdemokratie ablöst und deren Forderungen stellt, um Armut zu lindern, dann ist das kein Schritt in eine Richtung, die Armut ein für allemal abschaffen würde. Um letzteres zu machen, müsste man erstmal wissen, was Armut hervorbringt. Um letzteres Wissen drückt sich eine Linke, die „realistische“ Politik machen will.

Auch hier soll Missverständnissen vorgebeugt werden: Diese Linke (von linken Gewerkschaftern bis hin zur Mayday-Bewegung) benennt und schreibt über Phänomene der Armut. Sie weist auch daraufhin, dass ein Arbeitsplatz an sich kein Ziel ist, sondern Löhne aus dem Blickwinkel der Lohnabhängigen ein Mittel zum Leben sind, daher auch die eigentliche Frage ist: Kann man von den Löhnen auch leben? Sie beschreibt und benennt auch die besonders schlechte Situation von Migranten, von Illegalisierten usw.
Diese Linke versucht in ihren Flugblättern und Beiträgen nachzuweisen, dass so ziemlich jede Reform der letzten Jahre eine Verschlechterung der materiellen Lebensverhältnisse nach sich gezogen hat, was eine richtige Feststellung ist.

Aber: Bei jeder Kritik an den Verschlechterungen, z.B. im Sozialstaat, wird so getan, als wenn der bisherige Standard was Gutes gewesen wäre. Wird die Arbeitslosenhilfe faktisch gestrichen, dann wird der Regierung nachgesagt, sie mache eine einseitige Politik für die Unternehmen gegen die Lohnabhängigen. Nie wird aber ein Wort darüber verloren, was denn vorher los war. Wozu war die Arbeitslosenhilfe da? Auch sie war eine beschissene Armutsverwaltung der vom Kapital nicht benutzten Arbeitskräfte. Auch an der Höhe der ehemaligen Arbeitslosenhilfe und der Konditionen, die an sie geknüpft waren, konnte man leicht erschließen, dass nicht die Versorgung der Menschen der Zweck war. Ihre Nützlichkeit sollte erhalten werden, für den Fall, dass „die Wirtschaft“ sie mal wieder braucht. Zynischer geht es kaum: Zu viel zum sterben, zu wenig für ein gutes Leben, damit man derjenigen Wirtschaft zur Verfügung bleibt, welche die Menschen arm macht und eine Produktion für ihre Bedürfnisbefriedigung ausschließt.
Wenn Linke gegen die neue Maßnahme agitieren, kümmern sie sich nicht um die Vergangenheit. So trennen sie die neue Verschlechterung vom alten Zustand, sagen, dass der Sozialstaat eigentlich eine gute Angelegenheit gewesen sei bzw. sein könnte und prangern eben nur den Missbrauch durch die jeweilige aktuelle Regierung an.
Diese Ignoranz oder auch explizit affirmative Haltung gegenüber der alten „Lage“ enthält folgende Urteile:
Erstens: Das Wirtschaften für den Markt, für das Geld, ist an sich richtig. Nur durch falsche Politik kommen immer wieder die falschen Resultate raus. Zum Geld wird sich ganz naiv gestellt und gesagt: Mit Geld kann man sich alles besorgen, wenn man genug davon hat. Also ist das Geld eigentlich eine feine Angelegenheit. Dass Geld die Schranke ist, an denen die Bedürfnisse der armen Menschen scheitern, interessiert nicht.
Zweitens: Der Staat, die Herrschaft über Land und Leute, ist an sich eine gute Sache, nur mit den falschen Figuren an der Macht, kommt Armut raus. Der Staat hat die Macht, also können wir, wenn wir sie mit welcher Parteienkonstellation auch immer erobern, die Reichen besteuern und den Armen Geld geben. Also eine Art Robin Hood, nur dass gemeint ist, man könnte ein besserer Robin Hood sein, wäreman der Sheriff von Nottingham.
Drittens: Der Sozialstaat ist keine Armutsverwaltung, sondern eigentlich eine Armutsverhinderungssache, also eine gute Sache, wenn es nur die Richtigen machen würden.
Naiv wird die Höhe der Sozialstaatsmaßnahmen ignoriert und gefragt, was los wäre, wenn es keinen Sozialstaat gäbe – Manchester-Kapitalismus soll dann immer die Antwort sein. Dagegen muss man sagen: Ohne Sozialstaat gäbe es die Einkommensquelle Lohnarbeit auf Dauer gar nicht und damit auch keinen Kapitalismus.

Es gibt einen Kampf um Rechte statt Kritik der Ökonomie. Und es gibt einen Kampf um die Verteilungspolitik statt die Zwecke der Produktion zu kritisieren, welche viele Menschen arm macht. Das Projekt „bedingungslose Grundsicherung“ ist kein Schritt in die richtige Richtung, sondern ein Projekt darum, wie man Armut besser verwalten, also erhalten kann. Chancen auf eine Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens gibt es: Linke agitieren dafür und wenn SPD, CDU, Grüne usw. das interessant finden, setzen sie das Konzept um – entsprechend ihrer Maßstäbe. Dann wird es von links wieder heißen: Ein erster Schritt, aber das reicht noch nicht, damit aus diesem Schritt ein Schritt Richtung vernünftige Gesellschaft wird. Dieser Kampf kann dauern und solange werden wir ihn kritisieren.

www.junge-linke.de



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last modified: 10.7.2007