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Die Avantgarde der Berliner Republik

Bewegungslinker Traditionsantifaschismus im Volksfronttaumel gegen „Rechts“(1) – Dem „Alten Mann“ zum Gedenken


Der Zeitgeist ist von einer sich durchsetzenden Praxis auch unter manch sich antideutsch verstehenden Menschen gekennzeichnet, unter allen Umständen irgendwelche Naziaufmärsche verhindern zu wollen und dabei im Verbund mit allen möglichen Linken die Avantgarde der neuen linksdeutschen Staatsräson abzugeben. Beispielhaft ist dafür die Farce vom 8. Mai in Berlin, wo nicht etwa Berlin rot blieb, wie die Antifaschistische Linke Berlin meint, sondern Horst Pankow in der Sache zuzustimmen ist: „Am 8. Mai feierte Berlin den kollektiven deutschen Antifa-Endsieg“ (konkret 6/2005).
Der bewegungslinke Antifaschismus hat den Dauerbrenner Stiefelnazis seit geraumer Zeit im objektiv inhaltlichen Einklang mit der Staatsantifa neu entdeckt, und das nicht zuletzt, um von nazistischen Konstellationen schweigen zu können, die so gar nicht ins linke Bild passen. Beispielsweise hat das sich als antideutsch verstehende BgR Leipzig ein Papier zu den „gesellschaftlichen Ursachen“ „der Naziproblematik“ („Antifa. Mehr als gegen Nazis“; April 2005) verfasst, das im Rundumschlag alle Dinge, die einem am gewöhnlichen Nazi und an den Sympathisanten nicht passen, als „rechts“ definiert.
Dies zeigt nicht nur, wie einfach die linke Frontbegradigung geht, man gerät darüber hinaus – trotz hoffentlich zu unterstellender anderweitiger Absicht – genau durch die Vereinfachung der Problematik als „rechtes“ Phänomen in bedenkliche Nähe zum Aufstand der Anständigen der Berliner Republik. Die Abgrenzung gegen Rechts ist die Klammer einer Volksfront, die seit dem Sommer 2000 dem Postnazismus neue Facetten entlockt.

Vorbemerkung

Grundsätzlich möchte ich voranstellen, dass Nazis so ziemlich die unsympathischste Klientel darstellen, die man sich vorstellen kann. Ich halte diese Vertreter ganz widerlichen Deutschtums für gar nicht sympathisch, da sie ganz einfach politische Optionen im Gepäck haben, wonach Individualität Verderbnis bedeutet und damit die Vernichtungsoption bereits immanent ist. Meint man es mit der Freiheit des Einzelnen als Bedingung der Freiheit Aller ernst, so sollte es daher unstrittig sein, sich diese Leute vom Hals zu halten. Und zwar genau aus diesem egoistischen Grund und nicht etwa, weil man es mit „Rechten“ zu tun hätte.
Allerdings gilt es ebenso, politische Positionen unter Beschuss zu nehmen, die aktuellen nazistischen Bedrohungen absichtsvoll die Aufmerksamkeit entziehen, um sich der Artikulation des besseren Kollektivmodells von links zu widmen und damit dem Imperativ Adornos, etwas Ähnliches wie Auschwitz zu verhindern, kaum Rechnung tragen. Dies wird in aktuellen Fragen deutlich, wenn Kurzsche Wertkritiker nicht in der Lage sind, die Potentiale von Aufklärung zu erkennen, die – wie verkümmert auch immer – dennoch gegen den Tugendterror des antiwestlichen Krieges islamistischer Prägung in Anschlag gebracht gehören – notfalls militärisch. Oder aber wenn manch Antideutscher zwar den Antiamerikanismus und Antisemitismus benennt, aber die Konsequenz der Bekämpfung seiner Protagonisten keinesfalls ziehen will(2). Ganz wild wird es sicherlich, wenn bislang bewegungsverhinderte Untergangstheoretiker in den Protesten gegen Hartz IV einen Hauch von Klassenkampf entdecken und eindeutig antisemitische Denkstrukturen(3) der Protestler absichtsvoll als Sozialneid verharmlosen.

Anti-Nazi-Demos: Problematische Bündnisse oder Konsequenz?

Stefan Wirner stellt in einer Debatte in der Jungle World (Nr. 20, S. 9) fest, dass es am 8. Mai in Berlin wohl eine „problematische“ Konstellation gegeben hätte: „Dass nämlich den Nazis der Tag von einem Bündnis verdorben wurde, das von Wolfgang Thierse bis zur radikalen Antifa reichte“. So problematisch das einem Jungle-World-Redakteur erscheinen mag, so folgerichtig war dieses „Bündnis“ doch. Dieses Bündnis stellte nochmals zur Schau, dass die „radikale Antifa“ nichts anderes ist, als eine militante Lichterkette, die der anvisierten entnazifizierten Volksgemeinschaft der linken Berliner Republik keinesfalls so antagonistisch gegenüber steht, wie es die Aufrufe zum 8. Mai in Berlin erscheinen lassen sollten. Was immer auch subjektiv beabsichtigt war und geschrieben stand, hatte objektiv die Wirkung, dass sich so genannte Linksradikale in die vorderste (Volks-)Front begeben haben, um ein nationales Symbol vor der „Vereinnahmung“ durch Nazis zu schützen.
Die Autonome Antifa Nordost Berlin stellt in einem Papier sehr richtig klar, warum sie sich am Treiben des „roten Berlin“ (Antifaschistische Linke Berlin) nicht beteiligte: „Mit den Linken die deutsche Avantgarde im Kampf gegen anachronistische Störenfriede zu bilden widert uns an“. Die Mehrheit scheint allerdings nichts Störendes an dem Umstand zu finden, dass man die linke Avantgarde einer Volksfront macht, die die Nazis als neue Volksschädlinge nur deshalb im Visier hat, um an ihnen die linke Frontbegradigung „gegen rechts“ vornehmen zu können. In diesem Zusammenhang ist man also der sich militant gebende Part einer „Bewegung“, die in ihrer Struktur ganz und gar nicht antifaschistisch ist.(4)
Aktuell sei betreffs dieser Problematik auf das so genannte „Fest der Völker“ und die entsprechenden Gegenaktivitäten in Jena am 11. Juni verwiesen. Der Grundtenor nach diesem Spektakel war, dass alle (!) Jenaer ihre Stadt verteidigt hätten. Und es war sogar zu lesen, dass sich einige unentwegte Lokalpolitiker schützend vor eine Blockade Linker stellte – sogar ein „rechter“ Kommunalpolitiker der CDU –, um diese symbolisch in ihrem Ansinnen zu unterstützen. Die Einheitsfront der Berliner Republik ist somit auch in der Provinz angekommen.
Dass man bezüglich dieser Faktenlage nicht einmal registriert, aktivistischer Teil einer allgemeinen linksdeutschen Mobilmachung zu sein, stellt allerdings nur einen Teil des Ärgernisses dar. Der andere ist eher theoretischer Natur, wenn man allerlei Antifaschismus als Motivation für sich reklamiert, mittels aufgeschriebener Statements jedoch preisgibt, das Problem nicht einmal ansatzweise zu erfassen.

Wer vom Nazi-Faschismus redet und besser die Klappe halten sollte

Ein Aufruf bspw. der KP Berlin zum 8. Mai, weshalb man sich denn an Aktionen gegen die Nazis zu beteiligen habe, hatte einige Merkwürdigkeiten zu bieten, von denen man dachte, so etwas würden nur noch ganz Verwirrte produzieren können. Doch die Pop-Antifa kann anders. Das gut Gemeinte einer Zwischenüberschrift – „Wer vom Kapitalismus nicht reden will, soll vom Faschismus schweigen“ – wurde im weiteren Textverlauf zu einer Kopie früherer Antifa (M)-Geschmacklosigkeiten. Es wäre im NS nämlich darum gegangen, „eine Krise des Kapitalismus zu überwinden: diese bestand einerseits in starken Arbeiterbewegungen, die die Bewegungsmöglichkeiten des Kapitals einschränkten. … Und es verbanden sich Kapitalinteressen mit dem Traum des deutschen Militärs von der Wiederherstellung alter Glorie“ (www.kp-berlin.de/2005_05_08_aufruf_kp_html)
Darauf wurde weiterhin geschlussfolgert, dass Antifaschismus und Antikapitalismus zusammengehören, da Faschismus (der NS wird da einfach subsumiert) eine Form kapitalistischer Herrschaft sei, die sich unberechtigter Weise an den Bildern der Arbeiterbewegung vergreife. Kein Wort davon, dass der NS eben in Form des eliminatorischen Antisemitismus (die KP spricht u.a. davon, dass die jüdische Bevölkerung aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen wurde) der wahnhafte Versuch war, das unverstandene und halluzinierte Abstrakte mittels einer für deutsche Konstellationen nicht zufälligen Personifizierung zu konkretisieren, was keinesfalls ein bloßes Herrschaftsprojekt, sondern eine Art Kampagnendemokratie von Volk und Führung darstellt – der wahnwitzige Versuch, mittels des Raubmordes sich das Geheimnis des wertverwertenden Wertes anzueignen. Zu diesem Thema wurde ja nun schon einiges geschrieben(5). Dennoch ist nicht oft genug daran zu erinnern, dass der NS eben nicht eine beliebige Form von Kapitalismus darstellt, sondern ein unter speziellen polit-ökonomischen Bedingungen gestarteter Versuch ist, das Kapitalverhältnis negativ aufzuheben: also Antikapitalismus dergestalt, als dass jene Formen, die Marx als historischen Gebrauchswert des Kapitals charakterisiert, nicht zuletzt durch pathische Projektion auf das „Anti-Subjekt“ vernichtet werden. Dabei wäre geschichtlich ohne weiteres jene Banalität nachweisbar, dass deutscher Antikapitalismus im Grunde immer wieder im gleichen Sumpf des kollektiven Ressentiments landete, welches nie wirklich anderes zu bieten hatte, als jene Welterklärung der Nazi-Ideologen, die bis heute in der Sache immer noch an Popularität nichts eingebüßt hat.
Würde man den deutschen Charakter von Antikapitalismus in Antifa-Kreisen einmal berücksichtigen, so müsste man eigentlich in Deutschland zuvörderst für eine bürgerliche Revolution alten Schlages eintreten, anstatt zu faseln, die in Deutschland weder historisch noch jetzt vorhandene Bürgerlichkeit, die auch noch als „rechts“ denunziert wird, sei die Wurzel des Nazi-Faschismus. In Deutschland als dem Exempel nachbürgerlicher Krisenbewältigung ist es die klassenübergreifende Antibürgerlichkeit, die den NS als Volksbewegung etablierte. Der Hass gegen Liberalismus, Tauschbeziehungen, Abstraktheit und Aufklärung ist grundlegend für den NS. Die „kapitalistischste“ aller Gesellschaften, die USA, haben bis zum heutigen Tage keine nazistische Option gewählt. Dies wäre erst einmal zu konstatieren, anstatt sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wie man denn verhindert, in eine „weitere Schnittmenge, nämlich in die zum Liberalismus“ (Ivo Bozic in Jungle World Nr. 20) zu geraten: Anti-Liberalismus verbunden mit dem autoritären Bedürfnis entindividualisierter Subjekte ist das Elixier des Nazismus, sei es nun das deutsche Original oder seine aktuellen Wiedergänger unter dem grünen Banner.

Fahnen …

Wie wenig die Anti-Nazidemonstration am 8. Mai mit Antifaschismus zu tun hatte, wird angesichts einer weiteren Farce seitens der KP Berlin deutlich. Hat man bereits mit dem eigenen Aufruf deutlich gemacht, dass man vom NS und den entsprechend angebrachten Strategien zumindest das Schlimmste zu verhindern, rein gar nichts versteht, so ist das Verhalten dieser Gruppe bezüglich eines neuerlichen „Fahnenstreites“ eine Unglaublichkeit sondergleichen. Die KP ist aus dem Demobündnis ausgestiegen, weil das Bündnis Fahnen der Alliierten und Israels nicht dulden würde und auch keinen Gewaltverzicht gegenüber „antideutschen Provokateuren“ postulieren würde. Ist es bereits ein Witz, dass sich Antifaschisten von Fahnen der Staaten „provoziert“ fühlen, die Nazi-Deutschland in die Knie gezwungen haben, so ist es eine weitere Ungeheuerlichkeit, dass die Fahne jenes Staates, der aufgrund seiner Entstehungsgeschichte der einzig legitime Staat so lange ist, wie Antisemitismus grassiert, als untragbar angesehen wird. Natürlich hatte man sich auf „alle“ Nationalfahnen verständigt, aber das Blinzeln der linken Leithammel haben alle verstanden; wenn alles gemeint zu sein scheint, hat man es natürlich auf Israel und dessen verlässlichsten Verbündeten, die USA, abgesehen.

… und linker Bewegungskitt

Anstatt dies endgültig zum Anlass zu nehmen und diesem Treiben fernzubleiben, wird einfach gekittet was das Zeug hält: „Wir sind am 8. Mai für eine gemeinsame und kämpferische Demonstration aller linken Gruppen…“, man will sich „Peinlichkeit(en) … ersparen“ und „den Tag erfolgreich … begehen“ (www.kp-berlin.de/2005_05_08_buendnis_austritt.html). Tage erfolgreich und ohne Peinlichkeit zu begehen, heißt in der Linken, gemeinsam mit Antizionisten, Judenfeinden und der geballten Gegenaufklärung sich bei den Barrikaden zu treffen.
Dass jene Praxis des Miteinanders, wo es eigentlich nicht eine einzige politische Gemeinsamkeit gibt, auch bei sich explizit israelfreundlich gebenden Menschen nicht ungewöhnlich ist, zeigte sich in Berlin, wo es tatsächlich Leute fertig bekommen, sich mit Israel-Fahnen in vorderster Front neben attac, MLPD oder RK einzureihen – also jenen Linksnazis, die Israel besser heute als morgen von der Landkarte tilgen würden.
Mit Feinden der Aufklärung und mit Judenhassern hat kein Kommunist irgendetwas zu veranstalten, sondern diese Leute sind zu bekämpfen, wie es jeder regressiven Position anstünde, auch wenn sie im vorgeblich humanistischen Gewand daherkommen und dies und jenes vorgeben wollen. Allem Anschein nach hat sich aber genau aus diesem Missverständnis subjektiven Wollens und objektiv Bewirktem auch in manch antideutschem Kreis das Theorem des „Differenzierens“ durchgesetzt, um den linken Laden nicht auseinander fliegen lassen zu müssen. Paradigmatisch für diese Position ist nach wie vor der Text „Neu im Angebot: Antideutsche DifferenziererInnen“ von Sven(6). Dieser Wille zum Differenzieren ist dabei nichts anderes als die Chiffre zum Mitmachen. Der vormals konsequenzenlos postulierte Bruch mit der Linken gerät aber zugleich in Vergessenheit, wenn es um das „vereinte Zuschlagen“ – in dem Falle demonstrieren – gegen den „Hauptfeind“, die Stiefelnazis, geht(7). Wenn dabei wie am 3. Oktober 04 auch bei ernstzunehmenden Antideutschen einer Demo mit explizitem Bezug auf Israel und den unbedingt zu begrüßenden Waffengang der USA gegen die Antisemitische Internationale die Teilnahme verweigert wird und stattdessen der Veranstaltung zum Erhalt des Connewitzer Kiezfriedens der Vorzug gegeben wird, so ist das um so ärgerlicher.

Rechter Konsens oder allgemein falsches Bewusstsein?

Doch kommen wir noch einmal zur sachlichen Übereinstimmung der Bewegungsantifa mit der linken Berliner Republik und deren Anti-Rechts-Volksfront zurück. Das Leipziger BgR stellt in einem Papier zum 1. Mai („Antifa. Mehr als gegen Nazis“) fest, dass es „zu aller erst zu analysieren (gelte), worauf die inhaltliche Zustimmung weiter Teile der Deutschen zur Nazibewegung beruht“. Herausgeholt wird zu diesem Zweck ein fast 10 Jahre altes Konzept: der „rechte Konsens“. Am Anfang des Papiers wurde bereits der erste folgenschwere und für Linke konsequente Fehler platziert, wenn man konstatiert, dass die nationalsozialistische Weltanschauung auf all jenen Elementen beruhen würde, die man als „rechts“ identifiziert, um dann fortzufahren, die Grundpfeiler des diagnostizierten rechten Konsens’ sind die „Vorstellungen vom Staat und dem Verhältnis der Einzelnen zu ihm, als nächstes die am Volk orientierte Eigenwahrnehmung und schließlich die Konstruktionen der Volksfremden“ (ebd.). Auf 3 Punkte des BgR-Papiers sei daher etwas ausführlicher verwiesen:
Erstens: Der Staat fungiere im „rechten Konsens“ als autoritäre Anklageinstanz, deren politische Klasse zuweilen auch des Nichtstuns angeklagt werden kann. Im Gegenzug ordnet sich das Staatsvolk umso blinder dem „starken Mann“ (BgR) unter. Dieser Autoritätsglaube wäre jetzt durch Hartz IV bedroht, da „das eigene Opfer dabei nur widerwillig akzeptiert“ werden würde. In diesem Zusammenhang wäre festzustellen, dass eine autoritäre Staatsfixierung und die Opferbereitschaft für die Nation keinesfalls ein „rechtes“ Phänomen sind, sondern ebenso in der traditionellen Linken fast schon konstitutiv sind. Die KPD beeilte sich bspw. im NS die Nazis nicht etwa wegen ihres Vernichtungswillens zu bekämpfen, sondern weil diese der Nation Schaden zufügen würden. Weiterhin wird in der gegenwärtigen Debatte zu Hartz IV übersehen, dass von tatsächlich wie prospektiv Betroffenen in typisch deutscher Tradition und in Manier pathischer Projektion eben nicht das eigene Opfer in Frage gestellt wird, sondern die Tatsache moniert wird, dass nicht alle genug Opfer bringen. Uli Krug stellt dazu fest: „Erwischen soll es diejenigen, denen man unterstellt, sie lebten besser und sonnten sich in unverdientem ‚Glück‘; wie man früher im deutschen Schlager den ‚lachenden Vagabunden‘ oder Zigeunerjungen um sein Nichtstun bewunderte, so neidet man noch dem offensichtlich Armen seine Beschäftigungslosigkeit. Ein ähnliches ‚unverdientes Glück‘ wittert man aber ausgerechnet auch bei den Kujonierern solcher Parasiten, den Beamten des öffentlichen Dienstes, deren Existenzsicherheit als genauso parasitär am Staat angesehen wird wie das vom Staat verwaltete und alimentierte Elend: Dem Steuerrebell, der gegen Korruption und Verschwendung sich wendet, ist jede Mark zuviel, die in derlei Usurpatoren gesteckt wird. All das gilt ihm als Betrug an der Gemeinschaft, deren innerer Kitt das neidvolle Wachen darüber ist, daß ja keiner aus der Phalanx des Unglücks sich davonstiehlt“.(8) Auch dies wird vom BgR mehr oder minder deutlich konstatiert, jedoch bleibt es dessen Geheimnis, warum die Lösung einer gesellschaftspolitischen Fragestellung, die „im allgemeinen (Herv. M.M.) Bewußtsein nach denselben Mustern (in Angriff genommen) wird, wie sie am Übergang zum Nationalsozialismus sich zeigten“(9), „rechts“ sein soll. Wohlweißlich ist bei Nachtmann von einem allgemeinen Bewusstsein die Rede, das sich nur unter größten Anstrengungen auf ein bestimmtes politisch verortetes Spektrum zurückführen lässt. Dieses Allgemeine ist dabei die Modifizierung des Tradierten unter demokratischen Vorzeichen und wird durch eine Art Dauermobilmachung, die nicht ohne Feindprojektionen und die Definition von Volksschädlingen auskommt, permanent neu „produziert“. Die staatlich initiierte Mobilmachung gegen „rechts“ beispielsweise, die sich dieses allgemeinen und autoritären Bewusstseins bedient und strukturell nazistischen Charakters ist, findet im Falle von rotgrün gar unter Federführung einer Klientel mit linkem und quasi antifaschistischem Selbstverständnis statt. Interessant in diesem Zusammenhang ist dann die Klage nicht weniger Antifas, der Staat nähme den Kampf gegen „rechts“ nicht ganz ernst und die Mobilmachung wäre nur scheinheiligen Charakters.
Zweitens: Die Feinde des Volkes werden heute mittels eines Hasses auf die USA dingfest gemacht, so das BgR, denn: „der Antiamerikanismus nimmt hier in der Gegenwart eine besondere Stellung ein, weil er es vermag, über den klassischen rechten Konsens hinaus Brücken in jene Teile der Gesellschaft zu schlagen, die die Zukunft Deutschlands in einer europäischen Perspektive sehen“ (ebd.). Was zunächst recht plausibel dargestellt wird, schlägt einfach in Falsches um, wenn der Antiamerikanismus als ein Element dargestellt wird, welches exklusiv dem so genannten „rechten Konsens“ zugrunde läge bzw. diesen konstituieren würde. Dabei ist es doch ein offenes Geheimnis, dass eben jener rechts verortete Amerikahass das Bindeglied nicht weniger Bewegungslinker und deren subkulturellem Background ist. Die demgegenüber höchst offizielle offene Frontstellung gegen die USA ist einer der außenpolitischen Pfeiler der linken Berliner Republik. Diese Außenpolitik ist dabei in ihrem Friedenswillen und im appeasement gegenüber jeder Form von Barbarei links was das Zeug hält und keinesfalls rechts.
Drittens: Ganz merkwürdig und schlichtweg falsch führt das BgR den „Rassismus“ in die Argumentation ein. Dieser würde sich u.a. daran aufzeigen lassen, dass im „Umgang mit Islamismus, Ehrenmorden und Zwangsehen“ zu sehen sei, wie „wenig Bedeutung dem Gerede von Integration und Chancengleichheit auch unter rot-grün zukommt“. Dass gerade diese Selbstverständlichkeiten islamistischer Alltagskultur hauptsächlich nicht mit rassistischer Politik, sondern mit einer kulturrelativistischen Multikultipraxis zusammenhängen, innerhalb derer man jeder antizivilisatorischen Schweinerei Verständnis, ja Bewunderung entgegenbringt, muss dem linken Unverstand allerdings verborgen bleiben. Folgerichtig wird vom BgR übersehen, dass dann bspw. jede Kritik am barbarischen, antiaufklärerischen und individualitätsfeindlichen Islam von Linken als Rassismus denunziert wird.(10)
Das Problem, was sich beim BgR mittels des „rechten Konsenses“ auftut ist, dass alles, was einem irgendwie nicht in den Kram passt und sicherlich bei den Nazis Usus ist, als „rechts“ definiert wird, um das linke Gewissen im Gleichgewicht zu halten und letztlich in der Sache inhaltlich konform mit der volksgemeinschaftlichen Mobilmachung gegen rechts zu sein. Es ist sicher sehr richtig, analysieren zu müssen, warum weite Teile der Bevölkerung inhaltlich mit den Nazis konform gehen. Jedoch sollte man den entscheidenden Schritt weitergehen und fragen, warum gerade deshalb die Nazis im gleichen Atemzug als Feindbild und Volksschädling taugen. Diese inhaltliche Übereinstimmung basiert dann aber nicht auf irgend etwas „rechtem“, sondern auf massenkompatiblem deutschen Krisenbewusstsein; auf einem Unverstand der wertverwertenden Unvernunft, dem der gemeinschaftlich exerzierte Opferwahn immanent ist. Sicher konstatiert das BgR, dass die Nazis als Schmuddelkinder eines geläuterten Deutschland fungieren. Jedoch wird die Mobilisierung des nachbürgerlichen, nazistischen Sozialcharakters zur Denunzierung der Nazis als Volksschädlinge, was spätestens seit dem Antifasommer 2000 von einer linken (!) Regierung(11) einvernehmlich mit dem Staatsvolk gestartet wurde, vom BgR weiterhin als „rechtes“ Element betrachtet. Dieses absichtsvolle Missverständnis muss entstehen, wenn man meint, nationalsozialistische Mobilmachung in Vergangenheit und Gegenwart sei weder Voraussetzung noch Ergebnis allgemeinen Bewusstseins in Form eingeübter Krisenprävention und in Form von Dauermobilmachung und verallgemeinerter Feinderklärung – aktuell unter zeitgemäßerer Ägide rotgrüner Nazigegner: internationalistisch, pazifistisch, kulturrelativistisch. Wahrscheinlich völlig unbeabsichtigt tappt das BgR in die Falle des staatlichen Antifaschismus, der, so paradox das klingen mag, auf jener Form von Mobilmachung beruht, deren vormals eifrigste Protagonisten als rechts – und damit außerhalb des Volksganzen befindlich – bekämpft werden.

Schlussbemerkung

In der neuen Volksfront unter Federführung linker, durch die Institutionen gewanderter Ex-Straßenkämpfer, zur Not auch mit Israelfahnen bewaffnet und dabei wiederum im Bündnis mit Antisemiten und Kulturrelativisten (auf Anti-Nazi-Demos) und in der Denunziation all der Dinge als rechts, die man der Linken trotz anderweitiger Faktenlage nicht zutraut (BgR), sind linke Bewegungsantifaschisten einen weiteren Schritt gegangen, in absichtsloser Absichtlichkeit am Problem vorbeizuschlittern, um sich weiter in die Tasche lügen zu können, wonach Nazismus in Vergangenheit und Gegenwart einer Problemlösung von links bedürfte. Einiges wäre gewonnen, wenn man sich dem Problem stellt, indem man die derzeitige Problemdefinition der Staatsantifa – rechts – als demokratisiert-faschistisches Reaktionsschema erkennt und dabei nicht versucht, die linke Avantgarde abzugeben. Es stünde die Bekämpfung der Feinde des Gedankens der Freiheit des Einzelnen an. Konkret heißt das nochmals durchbuchstabiert: die unbedingte Solidarität mit dem Staat Israel, der positive Bezug auf den Kampf gegen die Antisemitische Internationale, den bislang nur eine Koalition unter Führung der USA zu führen bereit ist, die Denunziation jener Gutmenschen, die den barbarischen und letztlich deutschen Charakter des Islamismus kulturrelativistisch rechtfertigen und die Skepsis gegenüber jeder in Deutschland sich formierenden Massenbewegung, wende diese sich nun gegen „rechts“ oder sonstige Volksschädlinge.
Dieses Minimalprogramm ist unter den gegebenen Umständen garantiert nicht links.

Mario Möller

Fußnoten

(1) Ich bedanke mich bei Sören Pünjer für hilfreiche Anregungen und Diskussionen. Weiterhin danke ich Flo aus Berlin für das „Lektorat“.
(2) Das Leipziger BgR ist wohl ein Paradebeispiel dafür, sich als antideutsch zu definieren, aber keine Gelegenheit auszulassen, sich u.a. in Plauderstunden mit Robert Kurz von „Bellizisten“ abzugrenzen und darüber hinaus den durchaus richtig diagnostizierten Antisemitismus und Amerikahass mit alternativen Friedensdemos begegnen zu wollen, anstatt das einzig Richtige zu tun: die Bekämpfung der ärgsten Protagonisten zu fordern und Partei zu ergreifen. In Phase 2.16 schreibt Gruppenmitglied Thomas Hauke, dass deutsche Ideologie Nachahmung außerhalb Deutschlands fände, fällt dann aber hinter diese Erkenntnis zurück: „Nur in Deutschland brachte sie (die deutsche Ideologie, M.M.) den Nationalsozialismus hervor. Hier lebt sie in den Transformationen des Postnazismus fort, und vor allem hier sind für uns die neuesten Wandlungen und Produkte zu erkennen und zu bekämpfen“ (S.40). Von dem grünen Faschismus, d.h. dem Islamismus, kann man demzufolge getrost schweigen. In der selben Ausgabe meldet sich der AFBL in der Sache ähnlich zu Wort und meint Bescheid geben zu müssen, was eigentlich längst als folgenschwerer Irrtum zu diskreditieren wäre: „Die Benennung von Kontinuitäten und Parallelen zum NS mit den Begriffen ‘deutsch’ oder ‘deutsche Ideologie’ ist aber zu weit gegriffen, da sich diese Begriffe auf eine bestimmte räumliche und zeitliche Konstellation (Herv. M.M.) gesellschaftlicher Verhältnisse beziehen“.
(3) vgl. zu dieser Begrifflichkeit Matthias Küntzel und dessen Dossier in Jungle World Nr. 19/2005 „Unschuld und Abwehr“.
(4) Das postnazistische Moment solcherart Veranstaltungen wird im Abschnitt zum BgR expliziter dargestellt.
(5) vgl. u.a. meinen Text in CEE IEH 98; April 2003 „Klassenkampf: Kommunismus oder Volksgemeinschaft?“
(6) CEE IEH #101
(7) Zusammen mit Sören Pünjer habe ich in CEE IEH 102 recht deutlich Position zu derlei Ansinnen bezogen: „Anstatt sich von diesem linken Klüngel nun endgültig zu verabschieden, schonungslose Kritik zu üben und der objektiv zwangsweisen Einsamkeit des Kritikers sowie dessen Ohnmacht gegenüber den Verhältnissen gewahr zu werden, hat man nichts besseres vor, als bezüglich des linken Packs mittels ‘Abgrenzung gemeinsam mit ihren VertreterInnen’ zu marschieren und dabei permanent nach ‘Anknüpfungspunkten’ Ausschau zu halten.“
(8) Uli Krug: Mobilisierte Gesellschaft und autoritärer Staat, in: Stephan Grigat (Hrsg.): Transformation des Postnazismus, S. 101f., Freiburg, 2003.
(9) Clemens Nachtmann: Krisenbewältigung ohne Ende, in Grigat (Hrsg.), a.a.O., S. 76
(10) Zu diesem Thema wäre einiges mehr zu sagen und ist im Grunde in der Broschüre „Wo Multikultis das Land regieren“ (islambroschuere@web.de) auch getan worden. Um der islamistischen Alltagskultur die Basis zu entziehen, wäre es zunächst einmal wichtig, Möglichkeiten zu schaffen, dem Tugendterror entfliehen zu können, u.a. durch die Möglichkeit des freien Zugangs zum Arbeitsmarkt. Des weiteren wäre dafür zu sorgen, dass Kindern, die ihrer community schutzlos ausgeliefert sind zumindest zu ersparen, in Kita und Schule von besonders tugendhaften Erziehern und Lehrern behelligt zu werden, um zumindest den Schein eines Anderen, möglicherweise Besseren, zu erfahren. Wenn eine solche Kritik am „Gerede“ von rotgrün vom BgR intendiert war, so ist es vortrefflich gelungen, dies nicht zu deutlich werden zu lassen.
(11) Nebenbei bemerkt, dennoch nicht bedeutungslos: Die linken Reihen dürften sich nach einem Wahlsieg der CDU bei den gerade anstehenden Neuwahlen nochmals fester schließen, gilt doch die CDU als parlamentarische Rechte, ganz gleich, welches Zeugnis von ihrer Allgemeinwohlorientierung auch angeführt werden mag. Faktenresistenz ist wohl Voraussetzung, um die Realität dem linken Welterklärungsmodell anzupassen.


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last modified: 28.3.2007