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Lebt denn dr alte Arafat noch?


"Schauen Sie, 'würdevoll' und 'Arafat' sind zwei Worte, die nicht zusammen passen."
(Salman Shoval, außenpolitischer Berater der israelischen Likud-Partei, im Deutschlandfunk am Morgen der Beerdigung auf die Frage, ob Israel Arafat einen würdevollen Abschied ermöglichen würde)

"In Israel wird gemunkelt, die israelische Regierung wehre sich deshalb so gegen eine Beisetzung Arafats in Jerusalem, weil dort schon einmal einer nach drei Tagen wieder auferstanden sei." (www.israelnetz.de)

Ein bisschen Voodoo war schon dabei: „Arafat ist vor 15 Minuten gestorben.“ Jean Claude Juncker (der luxemburgische Ministerpräsident) war der Erste, der Arafats Tod verkündete (als dieser noch lebte). George Bush wurde bei einer Pressekonferenz mit der Nachricht (die nicht zutraf) konfrontiert und nach seiner ersten Reaktion gefragt. Die Antwort: „My first reaction: May God bless his soul.“ Schon ein paar Tage später konnten dann die Maschinen abgestellt werden, die Arafat nicht, wie man hätte denken können, die letzten Jahre, sondern nur die letzten 14 Tage am Leben erhalten hatten.

Frauen der Welt, 31.4k Das „palästinensische Volk“ hat mit Arafat nicht nur einen der gefährlichsten Verbrecher der Welt, sondern auch eine unglaubliche Witzfigur verloren. Der Mann, der nicht nur nachweislich für die Finanzierung des antiisraelischen Palästinenserterrors sorgte, sondern diesen maßgeblich mitorganisierte, der Mann, der mit den eigenen Händen gemordet hat, der Mann, der das Elend der palästinensischen Bevölkerung verlängert hat, damit er sich von den Hilfsgeldern Hunderte Millionen Dollar einstecken konnte, dieser Mann hatte zwei Schokoladenweihnachtsmänner auf dem Schreibtisch und das Abzeichen eines chilenischen Fußballvereins an seiner Phantasieuniform, die vom selben Schneider gewesen sein muss, wie die Hemden von Ghaddafi und die Uniform von Fidel Castro.

Ulrich Sahm, Israel-Korrespondent von n-tv und einer derjenigen Journalisten, die dem Rais öfter begegnet sind, berichtet über das Gesprächsverhalten des späten Arafat: „Wichtige Worte wie El Kuds (Jerusalem) wiederholte ergerne dreimal. Er konnte sich vor Lachen nicht einholen, wenn er eine besonders ‚gelungene‘ Wortschöpfung gemacht hatte, wie ‚Dscheningrad‘, nach dem angeblichen Massaker mit ‚Tausenden‘ Opfern in Dschenin.“

Arafats Frau sitzt mit der gemeinsamen neunjährigen Tochter in Paris und nimmt übel. Es darf gemutmaßt werden, dass der Missmut mit Jassir Arafats Erbe zu tun hat. Das Geld gehört Palästina, sagen die Herren von der „Führung“ in Ramallah; das Geld gehört mir, denkt Suha Arafat. Und versucht ihre Ansprüche durchzusetzen, indem sie bei Al Dschasira telefonisch rumkreischt, man wolle ihren Mann lebendig begraben. Es gehe ihm gut. Er könne das Krankenhaus jederzeit verlassen. Und das zu einer Zeit, wo George Bush seiner Seele schon alles Gute wünscht.

Arafat ist vermutlich 1929 in Kairo geboren. Er selbst behauptete, in Jerusalem geboren zu sein. Dort ist er jedenfalls – neben Gaza und Ägypten – aufgewachsen. Er hat in Kairo Ingenieurwesen studiert und sich politisch für die Muslimbrüderschaft, die eine Vorläuferorganisation der Hamas ist, engagiert. Mütterlicherseits ist er verwandt mit dem damaligen Großmufti von Jerusalem, Hadsch Amin al Husseini, der eng mit den Nationalsozialisten kooperierte, um die jüdische Einwanderung und die Gründung Israels zu verhindern. Arafat hat öffentlich erklärt, dass dieser Mann sein Vorbild sei. In Kuweit, wo er einige Zeit ein Ingenieurbüro betrieb, gründete Arafat „Al Fatah“, was soviel wie „Öffnung“ oder auch „Eroberung“ heißt. Noch heute ist die Fatah eine wichtige Unterorganisation der PLO, deren Vorsitzender Arafat nach dem Scheitern von Ahmad Schukeiri jahrzehntelang war. Zuerst war die PLO-Programmatik am „Realsozialismus“ orientiert, auch um sich die Unterstützung der damaligen Weltmacht Sowjetunion zu sichern. An die Stelle Israels sollte nach dessen Beseitigung ein „sozialistisches Palästina“ treten, in dem Muslime, Juden und Christen gemeinsam leben. Unter der Führung der Muslime versteht sich.

Über Beirut und Tripolis ging Arafat (und mit ihm die PLO) nach Tunis. Dort, im Exil, konstituierte sich die Clique derjenigen, die heute als Arafats Nachfolger gehandelt werden. Sie zählen als die „alte Garde der Tunesier“. Zu ihnen gehören der heutige Ministerpräsident Achmed Kurei, sein Vorgänger im Amt Machmud Abbas und Außenminister Nabil Schaath, die über wenig Rückhalt in der Bevölkerung verfügen, aber die Macht zunächst – und bis zu den für den neunten Januar geplanten Wahlen – übernommen haben. Sie waren zusammen mit Jassir Arafat nach den Osloer Verträgen, an denen sie mitgewirkt hatten und die das Ende der ersten Intifada markierten und zu einer wesentlichen Entspannung im israelisch-palästinensischen Verhältnis geführt hatten, Mitte der neunziger Jahre aus dem tunesischen Exil in die Palästinensergebiete – zuletzt nach Ramallah im Westjordanland – zurückgekehrt.

Hausarbeit, 10.6k Machmud Abbas ist Pragmatiker. Er unterscheidet sich auch äußerlich schon von Arafats Folklore-Militarismus. Abbas lehnt Gewalt gegen Israel auch öffentlich ab und hielt die zweite Intifada, die im Jahr 2000 begonnen hatte, von Anfang an für einen Fehler. Gegen Arafat hatte er noch aufgeben müssen. Er trat vom Amt des Ministerpräsidenten zurück als klar wurde, dass Arafat von seinen Kompetenzen nichts abgeben wollte. Abbas‘ Nachfolger Kurei war nicht sonderlich erfolgreich beim Versuch, die islamistischen Kräfte von Hamas und Dschihad in den Plan einzubinden, auf demokratischem Weg ein Gemeinwesen zu etablieren, das in absehbarer Zeit eine Staatsgründung erreichen könnte. Mehr als die Zusage, mit den Anschlägen bis zu einer Konsolidierung der neuen Führung zu warten, die „Operationen“ dann aber um so tatkräftiger fortzusetzen, war bei den Gesprächen, die er in Vorbereitung des Ablebens des „Führers“ angestrengt hatte, nicht erreicht worden.

Nicht nur die islamistischen Kräfte könnten der Autonomieverwaltung, wie sie sich gerade konstituiert, im Wege stehen. Es gibt – neben der „alten Garde aus Tunis“ nämlich auch noch aufstrebende Politiker der nächsten Generation, die in den Palästinensergebieten geboren sind und dort ihr ganzes Leben gelebt haben. Mohammed Dahlan ist einer von ihnen. Er war an den Friedensgesprächen in Camp David im Jahr 2000 beteiligt, wo er wohl Arafat davon überzeugen wollte, das Angebot des israelischen Premiers Ehud Barak anzunehmen, was dann aber an Arafats Widerwillen gescheitert war. Dahlan war mehrfach in israelischer Haft, der Gesprächsfaden zu ihm aber ist nie gerissen. Er käme als Verhandlungspartner für Israel in Frage. Die Anti-Arafat-Unruhen vor kurzem im Gaza-Streifen sollen von Mohammed Dahlan mitorganisiert gewesen sein. Frau Arafat soll sich gemäß verschiedenen Berichten besonders geärgert haben, dass ausgerechnet Dahlan den zuletzt – wie Michael Borgstede richtig bemerkt – doch recht oberschlumpfig wirkenden Jassir Arafat nach Paris begleitet hat. Dann ist da noch Dschibril Radschub, der zuletzt Sicherheitsberater Arafats war und ein bekannter Gegner der militanten Islamisten ist.

Am beliebtesten in der Bevölkerung allerdings ist ein weiterer Mann aus der jungen Garde der palästinensischen Politiker: Marwan Barghuti. Er gilt als geschickter Vertreter der Interessen der Bevölkerung, die wohl weniger für die Zerstörung Israels und im nächsten Schritt die Vernichtung Amerikas und aller anderen „Ungläubigen“ sind als vielmehr für die Verbesserung der Versorgungslage und die Beendigung des aus zynisch-polittaktischen Gründen künstlich verlängerten „Flüchtlings“-Elends vieler Palästinenser sein dürften. Vereinzelt gibt es jetzt auch schon öffentlich geäußerten Unmut über Kassam-Raketenangriffe aus Wohnvierteln im Gaza-Streifen, die doch nur zu Aktionen der israelischen Armee führten. Und letztens drang sogar die Kunde nach außen, dass sich Vater und Mutter des 16-jährigen Selbstmordattentäters, der sich auf dem Carmel-Markt in Tel Aviv in die Luft sprengte und drei Israelis mit in den Tod riss, beschwerten, bei der Rekrutierung ihres Sohnes hätte es sich eindeutig um Kindesmissbrauch gehandelt. Barghuti wäre nach Umfragen bei Wahlen der aussichtsreichste Kandidat. Er könnte mit den Israelis sehr leicht verhandeln, denn er spricht fließend Hebräisch. Derzeit wohnt er sogar in Israel – der Haken ist: Er verbüßt dort eine fünffach lebenslange Haftstrafe wegen der Beteiligung an der Planung von Attentaten. Sollte er allerdings, zum Beispiel bei einem Gefangenenaustausch, entlassen werden, ist er ein heißer Kandidat auf den Job des gewählten Vertreters einer Bevölkerung, die zuletzt 1996 Arafat per „Wahl“ auf seinem Posten bestätigen durfte.

Israel, so scheint es und so kann man es verschiedentlich lesen, hält sich mit der Bewertung der derzeitigen Vorgänge in der palästinensischen Führungsriege zurück. Man möchte nicht einen Kandidaten als besonders gut geeignet bezeichnen, weil man Angst hat, dieser Kandidat hätte dann in der palästinensischen Diskussion keine Chance mehr. Statt dessen setzt Israel auf Kontinuität und Verlässlichkeit, setzt den einseitigen Abzug aus dem Gazastreifen fort und baut den Sicherheitszaun weiter. Damit findet, wenn auch bisher nicht offen zugegeben, sehr wohl eine Vorbereitung auf die nicht allzu ferne Realität zweier Staaten statt. Und obwohl Robert Kurz nicht oft genug Recht gegeben werden kann in der Analyse, dass die Palästinenser sich schon vor der Staatsgründung in der poststaatlichen Phase befinden, ist dem israelischen Unterfangen der Trennung unbedingt Glück zu wünschen.
Sven


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last modified: 28.3.2007