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Unkritische Popkultur.


    „Dass wir als LadenbetreiberInnen im Kulturbereich immer eine Gratwanderung beschreiten, ist völlig unstrittig. Worum es uns gehen kann, ist eine Grenzziehung, wo wir uns ganz klar einigen können, was für uns definitiv nicht tragbar ist, gemessen an unserem eigenen Selbstverständnis.“
    Stellungnahme des Conne Island, 13. Mai 2002, CEE IEH #89
Oben stehende Erklärung wurde vor zwei Jahren vom Conne Island beschlossen, weil „Schlaubi“, ein Schreiberling des hauseigenen Vereinsblättels CEE IEH, den Auftritt der Band „Die Kassierer“ einforderte. Die Motive des Autors, eine Band in den Eiskeller zu holen, die fast ausschließlich das männliche Glied besingt, können lediglich Gegenstand psychologischer Forschung sein. Dass die Band und ihr Publikum eher auf die Psychologencouch, als in den Saal des Conne Islands gehören, sah das Conne Island schließlich ein. Nach internem Gezerre entschloß man sich letztlich, den Ambitionen des Autors einen Riegel vorzuschieben und distanzierte sich von dem betreffenden Artikel.
Wer meint, dass man im Conne Island infolge dieser Auseinandersetzung dazu gelernt hat, befindet sich auf dem Holzweg. Nur zwei Jahre hat es gedauert, bis das CI-Plenum, diesmal in Eigeninitiative, den aufgestellten Anspruch über Bord gehen ließ. So beschloss das Plenum, den Rapper Kool King Savas auf die heimische Bühne zu holen. Dieser Beschluß wurde glücklicherweise im nächsten Plenum wieder rückgängig gemacht, der Auftritt von KKS musste abgesagt werden. Die Fraktion, die einen Auftritt befürwortete (ich bezeichne sie im folgenden der Einfachheit halber als „KKS-Fanclub“), brachte zu ihrer Verteidigung vor, dass erstens nicht sie Kool Savas, sondern die Booking-Agentur von KKS das Conne Island angefragt hat. Es kommt aber nicht darauf an, wer die Telefonnummer zuerst gewählt hat, sondern dass am Ende ein Auftritt von KKS im Eiskeller beschlossen wurde. Zweitens wurde vom „KKS-Fanclub“ behauptet, dass Kool Savas „kulturell wichtig“ sei. Mit dieser nebulösen Formulierung ist einfach nur gemeint, dass Kool Savas viele Platten verkauft und in der Szene angesagt ist. Für einen Laden, der als Teil der Kulturindustrie angesagt sein muss, liegt es also nahe, KKS auf die Bühne zu holen. Wer sich aber, wie der Eiskeller, auf einen linken Anspruch beruft, muss auch an diesem gemessen werden. Dass der geplante Auftritt des Rappers mit einem kritischen Anspruch nicht überein geht, wird im Laufe dieses Textes noch zu beweisen sein. Drittens wurde das Unternehmen „CI-KKS“ damit flankiert, dass man sich ja schließlich nur mit denen auseinandersetzen könne, die auch im Laden spielen würden. Da zu diesem Zeitpunkt das Konzert lediglich drei Wochen entfernt gewesen wäre, muß es gestattet sein zu fragen, wann die Auseinandersetzung transparent gemacht werden sollte? Ob ein Vertreter des Plenums auf dem Konzert Kool Savas mit Battle-Raps konfrontiert hätte? Die Frage, wie in so kurzer Zeit eine „kritische Auseinandersetzung“ geführt werden solle, wußte dann auch während des Montagsplenums niemand zu beantworten. Warum Kool Savas für eine Auseinandersetzung anwesend sein muss, ist mir schleierhaft und konnte auch von Vertretern des „KKS-Fanclubs“ nicht näher begründet werden.
Da der Auftritt von Kool Savas fürs Erste nicht stattfindet, soll an dieser Stelle den LeserInnen des CEE IEH nicht vorenthalten werden, was sie verpassen. Für alle, die noch nicht die Chance hatten, ihn live zu erleben, hier also eine kleine Einführung. KKS ist ein mittelmäßiger Rapper aus Berlin, dem 2000 mit der Maxi „Lutsch meinen Schwanz“ der Durchbruch in der deutschen HipHop-Szene gelang. Im Gegensatz zu den Kassierern, die immerhin noch ein Philosophiestudium vorweisen konnten, als sie sich mit Texten wie „Mach die Titten frei, ich will wichsen“ ins Herz der linken Szene spielten, ist KKS richtig „real“. Denn KKS ist in Kreuzberg als Sohn türkischer Eltern aufgewachsen, hat schlechte Noten in der Schule gehabt und ist somit ein deutsches „Ghetto-Kid“, wie es im Buche steht. Alles in allem „rough enough“ für einen Laden wie das Conne Island. Um sich vom flachen deutschen Comedy-HipHop abzugrenzen, bringt er Battle-Raps gegen „Schwule Rapper“ und betont auf der Homepage seines Labels „Optik Records“, wie ernst es ihm ist: „Die Ernsthaftigkeit habe ich wohl von meinen Eltern. (...) Deswegen habe ich mir beim Rap-Ding von Anfang an total Mühe gegeben und das total ernst genommen.“ Bei seinen Texten handelt es sich folglich um keinen Scherz, was die Sache nicht besser machen würde. Hier ein Auszug zum Mitrappen für den KKS-Fanclub im Conne Island: „Ich mach’ auf künstlich interessiert und Nutten denken ich bin nett – doch wenn ich fertig bin mit rammeln, sieht dein Loch aus wie Kotelette, Fotze! – Genug gesabbelt, lass’ uns ficken bis es knallt – Steck’ die Zunge in mein Arschloch und ich scheiss dir in den Hals.“
Mit Sprüchen wie „Savas geht ab wie die SS“ wollte sich Kool Savas vom „politisch korrekten“ deutschen HipHop absetzen, auch wenn es sich dabei um eine Fata Morgana handelt. Da die HipHop-Szene nie „politisch korrekt“ war, entfällt auch die Notwendigkeit einer Abgrenzung. Jedoch macht es auch aus emanzipatorischer Sicht keinen Sinn, auf „political correctness“ zu setzen. Denn beispielsweise „FaschistInnen“ statt „Faschisten“ in Aufrufe zu schreiben, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Wesen unserer Sprache trotzdem patriarchal bleibt, auch wenn sich ein paar Silben ändern. Wenn auf Hardcore-Konzerten sogenannte „linke“ Bands spielen, dann heißt das noch lange nicht, dass das Auftreten der Band oder der Pogo unter den Gästen weniger „männlich“ wäre. Das Beharren auf „political correctness“ verhindert vielmehr eine kritische Auseinandersetzung mit Sexismus, weil es auf einer formalen Ebene bleibt und nicht den Inhalt berührt. Da es an einem kritischen Begriff von dieser Gesellschaft mangelt, wird die notwendige Reflexion des Subjekts auf das eigene Handeln zugunsten antisexistischer Richtlinienpolitik fallen gelassen. Die Kritik an der auf Wert und Abspaltung beruhenden Gesellschaft, die konstitutiv für die Unterordnung der Frau unter den Mann ist, legt aber die Notwendigkeit einer Reflexion auf die Gesellschaft und sich selbst, als Teil von ihr, nahe. Daher geht es nicht darum, den „KKS-Fanclub“ im Conne Island zu kritisieren, weil er nicht „politisch korrekt“ ist, sondern dafür, dass er sich mit dem Begriff Sexismus offenkundig nicht auseinandergesetzt hat. Trotzdem wäre ein Auftritt von KKS im Conne Island selbst hinter das, was man als „politisch korrekt“ bezeichnen kann, zurückgefallen.
Kool Savas lässt sich auch nicht allein auf seine „Skills“ oder irgendeinen „Flow“ reduzieren. Die ekelerregende Demonstration von Männlichkeit macht den Reiz für die Zuhörer aus. Hier ein Zitat für einen möglichen Rap-Lehrgang des „KKS-Fanclub“ im Conne Island: „Savas kommt und Fotzen fangen an zu würgen – geht’s um’s Ficken werd’ ich ungerecht wie Türken – ich bin der Rap-Udo Jürgens und bürge für meine Eichel – egal, ob Nutten sportlich sind, ich ficke sie zu Leichen!“ Die Gewalt, die durch die Hineinpressung der Individuen in die Rollen von „Mann“ und „Frau“ geschieht, wird von KKS kultiviert, indem er die Unterordnung der Frau unter den Mann durch Vergewaltigung darstellt. Wenn der Rapper „potenter als ein Ochse“ sein will, wird das Zurschaustellen der Männlichkeit ein Wert an sich. Weil die Verwilderung des Patriarchats (Roswitha Scholz) an stelle der traditionellen Rollenmuster von „Mann“ und „Frau“ neue flexible Identitäten hervorbringt, in welcher der „männliche“ und „weibliche“ Part zwar nicht aufgehoben, aber miteinander verwoben sind, gewinnen die Texte von Kool Savas eine eigentümliche Attraktivität. Denn sie versprechen dem Zuhörer eine Versicherung auf Männlichkeit, welche die heutige Gesellschaft kaum mehr bietet. Je mehr infolge postmoderner Flexi-Identitäten die alten Rollenbilder brüchig werden, desto krampfhafter wird an ihnen festgehalten. Das gilt sowohl für das Publikum, wie den Rapper: „Ficksau, ich bums’ dich in die Klinik! Bitch: Fresse! Bevor ich dir den Sack in den Mund presse“ KKS kann man zumindest den Verdienst anrechnen, die Brutalität der männlichen Selbstbehauptung aufrichtig auszusprechen und kein Blatt vor den Mund zu nehmen.
Ob es das war, was das Montagstreffen des Conne Island anfangs überzeugte? Wir wissen es nicht. Was zumindest der „KKS-Fanclub“ im Conne Island weiß, ist, dass Kool Savas eine Entwicklung durchgemacht hat und auf seinem aktuellen Album ruhigere Töne anschlägt. Die Auffassung seiner Befürworter hindert ihn freilich nicht daran, in seinem neuen Album weiterhin schwulenfeindliche und sexistische Statements unterzubringen, auch wenn sie nicht an die Gnadenlosigkeit früherer Songs anknüpfen können. Dieses „Defizit“ macht KKS auf seinem neuen Album teilweise wieder wett, beispielsweise dann, wenn er rappt: „Mund auf und Penis rein, saug du Schädel“. Die „Entwicklung“ die vom „KKS-Fanclub“ herausgekramt wird, ist dann auch keine. Es gab von Kool Savas nie eine öffentliche Abkehr von seinen früheren Inhalten, nie fand eine bewusste Auseinandersetzung mit Sexismus statt, welche m.E. die Vorraussetzung für seinen Auftritt im Conne Island sein müsste. Die einzige Entwicklung, die stattfand, war eine Kommerzialisierung der Musik, die zur Folge hatte, dass für die Massenkompatibilität einige Textpassagen abgemildert wurden. Dass man ihm keine Reflexion unterschieben kann, verdeutlicht er selbst in einem Interview: „Mittlerweile hat sich lyrisch aber schon etwas verändert. Auf dem neuen Album hat die Musik viel mehr Inhalt. Und sie ist flowmäßig besser als alles, was ich davor gemacht habe. Von daher habe ich das Beste von früher mitgenommen und das Beste von jetzt draufgelegt.“ Von einem Bruch ist auch auf seiner Website nichts zu merken, schließlich sind dort alle seine Lieder, inklusive dem Bestseller „Lutsch meinen Schwanz“, zu finden. KKS hat niemals mit seinen früheren Statements gebrochen. Statt dessen hat er das Label „Kool Savas“ weiter geführt und profitiert maßgeblich von den Liedern, die dieser Marke zu ihrem Bekanntheitsgrad verholfen haben. Sein Erfolg gründet sich auf der abscheulichen Hetze gegen „Nutten“, „Fotzen“ und „Arschficker“. Dass er nicht in der Lage ist, dafür die Verantwortung zu übernehmen, sagt er selbst: „Ich will einfach nur Battle-Rap machen und wenn darin Wörter wie Fotze, Schwanz oder Pisse, Kacke oder sowas vorkommen, dann ist es nicht meine Schuld [...].“ Wer sonst die Schuld tragen soll, vermochte der Interviewer ihm nicht zu entlocken.
Wer sich mit solchen Leuten gemein macht, der verdient nichts anderes als Denunziation. Das Gerede von „kritischer Popkultur“ entlarvt das Conne Island selbst als hohle Phrase. Wahrscheinlich galt diese Worthülse ohnehin nur gegen Antisemitismus und Antiamerikanismus. Sexismus ist nicht das Problem und das wird es auch in Zukunft nicht sein.

Martin K.

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last modified: 28.3.2007