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(K)eine Gratulation zum Hundertsten.


Warum das CEE IEH zwar als Medizin, aber nicht als Nahrungsmittel taugt

Geburtstag 1: Fußnoten-Industrie, 15.1k

Im aktuellen CEE IEH erscheint ein Artikel(1), in dem folgendes geschrieben steht: „Die Behauptung, die Deutschen seien fremdenfeindlich, ist eine Lüge. Denn Fremdenfeindlichkeit ist ein Beleg für eine aufgeklärte kapitalistische Gesellschaft. In Deutschland dagegen ist man von jeher fremdenfreundlich. Und Fremdenfreundlichkeit ist das Herzstück der antirassistischen Ideologie. Insofern kann man sagen: Das deutsche Problem besteht darin, daß Deutsche traditionell eher antirassistisch sind, weil sie nämlich weniger gegen andere Rassen und Kulturen sind, sondern vielmehr für diese – die Juden als die unermeßlich leidtragende Ausnahme widerlegen dies nicht, sondern bestätigen die Regel vielmehr gerade dadurch, daß sie als wurzellos und als eine Art Anti-Rasse angesehen werden. ... Weil der Deutsche sich nach ’45 nichts sehnlicher wünscht, als daß die Fremden nicht wie die Deutschen unter dem Wohlstand und der westlichen Freiheit leiden müssen wie sie selbst, sie also bloß nicht damit in Berührung kommen sollen, versteht er unter Integration die Förderung der interkulturellen Einpassung statt der leitkulturellen Anpassung an die Gesellschaft. ... Deutschland heute, das ist ein antirassistisches Friedensmonster mit einem seit 1945 ungebrochenem Herrenmenschen-Willen zur moralisch überlegenen antiimperialistischen Volksgemeinschaft.“
Fazit: Rassismus würde den so antirassistischen Deutschen also gut tun, damit sie endlich eine aufgeklärte kapitalistischen Gesellschaft werden. Diejenigen Deutschen, die sich AntirassistInnen nennen, vertreten als Vorhut die deutsche Ideologie in Reinform und sind deswegen unsere größten Feinde. Die Leitkultur-Debatte der CDU sowie die Pogrome in Rostock-Lichtenhagen waren zivilisatorische Fortschritte, die leider durch den rot-grünen Multikulturalismus und den autonomen Antifaschismus inzwischen wieder zurückgedrängt wurden. Und dass das Conne Island AsylbewerberInnen kostenlos Eintritt gewährt, erklärt sich aus dem antisemitischen Charakter des Conne Island-Plenums, deren Mitglieder sich lieber von Freßpaketen nach Asylbewerberleistungsgesetz ernähren und in Flüchtlingsheimen hausen würden, statt gepflegt auf der Südmeile zu speisen und in WGs zu leben. Und am 20.04. jeden Jahres ehren die Deutschen den größten Antirassisten aller Zeiten: Hitler, der in seiner unendlichen Liebe zu fremden „Rassen und Kulturen“ diese zu vernichten versuchte.

Geburtstag 2: Malkurs, 12.4k

Warum auf solchen Mist überhaupt reagieren? Es ist nicht das erste Mal, dass der Autor so über den Antirassismus schreibt. Es ist sogar Mode im CEE IEH geworden, alle emanzipatorischen Bewegungen, sei es Antifa oder Antira, HausbesetzerInnen oder ZeitungsmacherInnen, nicht etwas für ihre Fehler zu kritisieren, sondern als Fehler an sich zu diffamieren. Von Seiten der CEE IEH-Redaktion gab es bislang – von vereinzelten Einwürfen weniger AutorInnen mal abgesehen – keine Reaktionen darauf. Vielmehr bewies die Veröffentlichungspraxis, dass der Großteil der Redaktion diese Thesen entweder teilt (und deswegen ähnlich lautende Bahamas-Erklärungen gern dokumentiert) oder zumindest duldet. Der hier kritisierte Artikel lag der Redaktion einen Monat vor Erscheinen des Heftes vor – sie hatte genügend Zeit, den Text zu lesen, zu diskutieren, abzulehnen oder Änderungen vorzuschlagen. Der einzige, der sich gegen eine Veröffentlichung in der Form aussprach, war ich. Der Rest der Redaktion stimmte einer Veröffentlichung zu bzw. äußerte sich zumindest nicht gegenteilig. Warum sich darüber aufregen?

Geburtstag 3: arte, 12.0k

Seit fast zehn Jahren war ich Mitglied in allen linken antirassistischen Gruppen Leipzigs. Ich habe in der Zeit sicher einiges sinnvolles und -loses gemacht, falsche und richtige Analysen gehabt, gute und lächerliche Aktionen durchgeführt und viel Zeit sowie Geld verschwendet. Es gäbe etliches zum antirassistischen Engagement in Leipzig zu sagen, auszuwerten und zu kritisieren: vor allem, dass es immer so marginal blieb. Darum geht es in den oben zitierten Zeilen aber nicht. Pauschal wird mein gegen die rassistische Mehrheitsgesellschaft gerichtetes Engagement mit dem Rassismus eben jener in einen Topf gehauen – und dieser Rassismus vorher zur „Fremdenfreundlichkeit“ umgelogen. Warum Sören das tut, darüber lässt sich nur spekulieren. Argumente bringt er leider nicht. Eine Spurensuche in der Bahamas ergibt, dass aus der ehemals am meisten antirassistischen Zeitschrift spätestens mit der UNO-Konferenz „gegen Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und verwandte Intoleranz“ in Durban im Jahr 2001 ein anti-antirassistisches Hetzblatt wurde.(2) Auf dieser Konferenz, vielmehr aber noch auf dem begleitenden NGO-Forum, wurde Israel als der Apartheidsstaat schlechthin gebrandmarkt. Übelste antisemitische Reden wurden toleriert, antizionistische Resolutionen verabschiedet – nur die Delegationen der USA und von Israel verließen die Konferenz. Innerhalb der linken antirassistischen Szene in der BRD spielte Durban keine Rolle, d.h. es wurde sich weder auf den dort grassierenden Antisemitismus positiv bezogen, noch wurde er verurteilt. Anwesende NGOs aus der BRD wie Pro Asyl distanzierten sich deutlich von den antizionistischen Resolutionen.
Welche Schlußfolgerungen sind daraus zu ziehen? Die UNO ist keine Institution, auf die sich Israel verlassen könnte. Das ist allerdings spätestens seit 1975 klar, damals schon verurteilte die UNO den Zionismus als Rassismus. Viele NGOs, vor allem aus dem Trikont, sind antisemitisch. Auch das hätte vor Durban bekannt sein können. Deutsche AntirassistInnen sind, mal abgesehen von ihrer völligen Bedeutungslosigkeit, auch keine Gruppe, auf die sich Israel verlassen könnte, da ihnen Israel in der Regel relativ egal ist. Selbst diese Erkenntnis ist weder überraschend noch neu.
Allerdings gilt auch – und dies übersehen die bekennenden Anti-AntirassistInnen der Bahamas und aus dem CEE IEH –, dass die UNO keine antirassistische Institution ist, auf die sich Opfer des Rassismus verlassen könnten. Die wohlfeilen Reden eines Außenminister Fischers in Durban machen Deutschland genau so wenig zu einem antirassistischen Land, wie die Entschädigungszahlungen an ZwangsarbeiterInnen oder der Bau eines Holocaustmahnmals in Berlin in positiver Weise darüber Auskunft geben könnten, Deutschland hätte „seine Vergangenheit bewältigt“. Die NGOs sind nicht antisemitisch, weil sie antirassistisch sind. Und die deutschen AntirassistInnen sind in ihrer Mehrheit aufgrund ihrer Theoriedefizite (nämlich der Subsumierung des Antisemitismus unter den Rassismus) davor gefeit, offen antisemitisch zu sein, genauso wie sie unfähig sind, aus genau jenem Grunde Antisemitismus angemessen zu bekämpfen.
Meine peinlichste antirassistische Aktion war ein Kirchenasyl mit einer 7-köpfigen palästinensischen Familie. Trotzdem will ich davon berichten. Peinlich daran war, dass ich mehrere Wochen in einer Kirche leben, mit bürgerlichen Flüchtlingsgruppen zusammenarbeiten und den ganzen Tag auf Kinder aufpassen musste. Nun reiben sich die AKG-AnhängerInnen die Hände: na klar, mit einer palästinensischen Familie. Und fünf Kinder – die biologische Waffe der Antisemiten: die hemmungslose Gebärfreudigkeit. Die deutschen AntirassistInnen saßen im Garten der Kirche am Lagerfeuer, sangen das Horst-Wessel-Lied, philosophierten über den Verrat an Jesus und die fiese israelische Besatzungspolitik, beneideten die PalästinenserInnen um ihr karges Leben und tauschten Waffenkenntnisse aus. War es so? Mein Gedächtnis ist nicht mehr so gut. Aber zum Glück wohnt einer der deutschen Hauptprotagonisten des Kirchenasyls inzwischen mit der größten AKG-WG in einem Haus. Ihr könnt ihn ja mal am Küchentisch befragen. Ich weiß noch folgendes: Der Hass auf Israel bei der Familie hielt sich in Grenzen. Schließlich waren sie seit Jahrzehnten nicht mehr dort. Ihre Odyssee führte sie durch knapp ein Dutzend Länder, u.a. Libyen, Argentinien, Deutschland. Aus diesen Ländern wurden sie aufgrund ihres Flüchtlingsstatus immer wieder vertrieben, sie wurden Opfer einer rassistischen Praxis an ihren jeweiligen Aufenthaltsorten. Sie wußten also sehr genau, wer für ihre Lage verantwortlich war: z.B. die deutsche Ausländerbehörde. Die ständige existentielle Bedrohung der Familie war sicher ein Grund dafür, dass sie sich nach Außen abzuschotten versuchte, sich krampfhafter an Traditionen klammerte, als es unter gesicherten sozialen Verhältnissen womöglich der Fall gewesen wäre. Dies galt allerdings nur für die Eltern. Den Kindern konnten die vermeintlich eigenen Traditionen – ständig konfrontiert mit verschiedenen, auch westlichen Lebensverhältnissen – nicht so erfolgreich eingetrichtert werden. Das führte während des Kirchenasyls zum Eklat: Die Mädchen wollten sich den ihnen aufgezwungenen Geschlechterrollen nicht länger fügen, die Jungs hatten auch die Schnauze voll. Sie wollten abhauen, aus der Familie ausbrechen. Uns war klar, dass gerade in dieser Situation damit der Mißerfolg des Kirchenasyls vorprogrammiert war. Aber entgegen der unverschämten Behauptung von Sören, dass sich unsere antirassistische Aktivität aus der Liebe zum palästinensischen Familienzusammenhalt ergab, war uns auch klar, auf welcher Seite wir in diesem Konflikt standen: auf Seiten der Kinder. Wir schmiedeten mit ihnen zusammen Fluchtpläne und stellten das Fluchtfahrzeug. Andererseits: was hatten wir zu bieten? Niemand war willens oder in der Lage, die Kinder bei sich zu verstecken. Ohne ihre Eltern waren die Kinder verloren – und trotzdem unterstützen wir sie bei ihrem Ausbruchversuch aus der Enge des familiären Zusammenhangs. Das eine Mädchen kam also mit ihrem tyrannischen Geliebtem zusammen, was die Eltern zu verhindern versuchten, heiratete ihn und hat wahrscheinlich heute mehr darunter zu leiden als damals bei ihren Eltern. Ich weiss nicht, wo sie sich gerade aufhält. Wenn sie noch in der BRD wohnt, wird sie sich die westlichen Konsumgüter, von denen sie damals so fasziniert war, kaum leisten können. Sie wird wohl in deutschen Haushalten putzen gehen, sexuell belästigt und von ihrem Mann als Strafe für diese Entehrung geschlagen werden. Und ich bin mir sicher, dass sie dies mit einer heiteren Gelassenheit erträgt, weil sie weiß, dass genau dieser Zustand die Voraussetzung für und die Vorstufe zum Kommunismus ist.

Indymedia(de.indymedia.org)-LeserInnen wissen mehr! Zum Beispiel das folgende:

... "antideutschen" Hetzblattes "CEE IEH" aus Leipzig... Die, die gegen Multikulti und "linksdeutsche Schwuchteln" und Libertäre pöbeln? Naja, in Leipzig scheint der Studi-Haufen es ja geschafft zu haben, die anderen zu dominieren...
Die CEE IEH ist übrigens genauso aggressiv und schwarzweiss wie Bahamas, Brüche oder Risse. ...
Speziell das Conne Island Umfeld (ich sag nur typische Ralf-Texte im CI-Flyer) benutzt eine dermassen beschissen hochgestochene Sprache, dass ich mich schon vor Jahren angefangen habe zu fragen, an wen sich die Texte denn überhaupt richten sollen?! ... Das ist doch nur allmonatliche Onanie darauf, was für tolle Texte sie verfassen können. ...So intellektuell sind die Auswürfe von denen gar nicht, sie sind sogar ausgesprochen primitiv. Dies wird versucht mit Bandwurmsätzen und der Anhäufung halbverstandener Fachworte zu kaschieren. Davon würd ich mich nicht beeinducken lassen. Manchmal sind die Sätze unverständlich, weil sie wirklich keinen Sinn ergeben.
Wir Leipziger können nichts dafür, wenn diese Leute von der AKG mehr Freigang bekommen, als sie verdienen.


Hundertfachen Dank für die tolle Projektionsfläche für unsere dummen LeserInnen!

Trotz alledem war unsere Entscheidung natürlich nicht die falsche. Jedoch war es für uns nur eine Art Abenteuerurlaub. Unsere Entscheidung, die Familie zu spalten, entsprang einer antiautoritären Laune, wird aber das Leben der einzelnen Familienmitglieder bis an ihr Ende bestimmen; während ich inzwischen – natürlich auch ganz antiautoritär – sagen kann, ich will damit nichts mehr zu tun haben.
Ich hatte dann mit der Familie auch nichts mehr zu tun. Es war mir zu anstrengend, die Rund-um-die-Uhr-Betreuung. Ich suchte mir etwas nervenschonenderes: Die Arbeit im Abschiebeknast. Besuchstag zum Glück nur einmal die Woche. Dort lernte ich die Liebe der Deutschen zu „anderen Rassen und Kulturen“ (so Sören in seinem Text) so richtig gut kennen. Wenn z.B. ein Algerier aus Verzweiflung vor der rassistischen Behandlung sich die Pulsadern aufschnitt, fanden das die Wärter nie weiter schlimm, weil sie ja wussten (und dies auch so sagten), dass die Algerier ja „gern mal an sich rumschnippeln“ und sowieso sehr leichtfertig mit Messern umgehen. Sind die Wärter, die hier die vermeintlich kulturelle Eigenart der Algerier respektieren, antirassistisch? Oder sind sie rassistisch, weil sie eben jene Bedingungen schaffen, unter denen die Algerier „gern mal an sich rumschnippeln“ (eine Tätigkeit, die laut Aussage eines erfahrenen Ethnologen in Algerien bislang kaum verbreitet ist), um dies dann als rassische oder kulturelle Eigenart zu verklären, was dann wiederum dazu dient, Algeriern rassistisch gegenüber auftreten zu können, z.B. besonders hart anfassen, weil sie so gefährlich sind, oder sich nicht weiter um deren Leben zu scheren, weil es in ihrer Kultur eh nichts wert ist. Geburtstag 5: Suhrkamp, 5.2k
Das alles ist Sören, im Gegensatz zu seinen AnhängerInnen, die ihr Wissen über den Rassismus und Antirassismus in ihrem Lieblingsdönerladen gewonnen zu haben scheinen, bekannt. Warum er trotzdem Antirassismus als per se völkisch und antisemitisch diffamiert, wird wohl so lange sein Geheimnis bleiben, bis er sich mal bequemt, auf die Erwiderungen argumentativ einzugehen. Aber wahrscheinlich ist ihm das zu primitiv. Obwohl er sich ja selbst nicht davor scheut, die primitivsten „Argumente“ für seine absurden Thesen anzuführen. So zitiert er die taz mit dem Satz: „In keinem anderen westeuropäischen Land wurden nach dem 11. September so wenig antiislamische Übergriffe registriert wie in Deutschland.“ Für Sören der Beweis dafür, dass erstens die Deutschen die Islamisten lieben und zweitens damit ihren Antirassismus artikulieren. Nun, was ist davon zu halten? Wir wissen ja, dass die Deutschen als autoritätsfixiertes Volk zwar selten spontan und autonom zuschlagen, wenn sie es aber, kollektiv und von oben abgesegnet tun, dann richtig. „Paradox erscheinende Erinnerungen Leo Löwenthals, daß der ‚spontane‘, individuelle, ohne ausdrückliche administrative Rückendeckung sich äußerende Antisemitismus in Deutschland vergleichsweise schwächer ausgeprägt war, widersprechen dem Charakter der Deutschen und des Nationalsozialismus nicht: Übermäßige Repression destruktiver Regungen geht beim autoritären Charakter quasi übergangslos in umso ungehemmtere Aktion über, sobald seine Regung von der Masse gespiegelt wird“ schreibt eben jener Sören ganz richtig in der aktuellen Bahamas (41/2003, S. 50). Die Deutschen hassen also die Araber und lieben, beneiden oder akzeptieren – zumindest zu Teilen – die islamistische Ideologie, ähnlich wie der Hass auf die Amis mit einer Bewunderung für oder (aktuell eher) einem Neid auf die militärische Schlagkraft der USA einhergeht. Aber selbst in „friedlichen Zeiten“ tobt sich in Deutschland der Rassismus schon immer brutaler (durch Volkes Hand) und effizienter (durch den Staat) aus, als in jedem anderen europäischen Land – das beweist jede Statistik und jeder Blick ins Ausländergesetz. Und selbst wenn Deutschland weniger antiislamisch wäre als andere europäische Länder, was ich stark bezweifle und was sich eben nicht an der Zahl der Anschläge messen lässt, wäre das noch lange kein Beleg für die „Fremdenfreundlichkeit“ der Deutschen. Ganz im Gegenteil: diejenigen Rechten, die die Islamisten hofieren, tun dies ja aufgrund ihrer rassistischen Überzeugung und keineswegs entgegen dieser: Tragen doch die Islamisten dafür Sorge, dass Deutschland „rein bleibt“, weil eben auch die Islamisten für die „Reinhaltung ihrer Rasse“ eintreten.
Nun habe ich in meiner antirassistischen Tätigkeit so einige AntirassistInnen mit unterschiedlichen Motiven für ihr Engagement kennengelernt. Bislang allerdings leider niemanden, der eine der Behauptungen von Sören untermauern würde. Niemand fand den Islamismus gut, niemand liebte fremde Kulturen oder glaubte daran, dass es Rassen geben könnte, niemand hasste Juden (und schon gar nicht dafür, dass sie die „Anti-Rasse“ wären) und niemand sehnte sich nach dem authentischen, natürlichen und selbstgenügsamen Leben fernab von den westlichen Metropolen. Ganz im Gegenteil: Die antirassistische Szene frönt dem Konsum, hasst Islamisten, tanzt zu amerikanischer Popmusik, ignoriert in arroganter Art und Weise soziale Differenzen, grenzt faktisch AusländerInnen aus der eigenen Szene durch die Reproduktion rassistischen Verhaltens aus und glaubt, dass Antisemitismus und Rassismus das gleiche und damit verabschauenswürdig seien. Einigendes Band der antirassistischen Szene sind der Hass auf Deutschland und der Kampf gegen die rassistischen Verhältnisse in Deutschland. Einige bekämpfen den Rassismus aus humanistischen Gründen, für andere ist der Antirassismus nur der Hebel zur generellen Gesellschaftkritik, sie wollen den Kapitalismus abschaffen und träumen vom Kommunismus.
Natürlich gibt es innerhalb der antirassistischen Szene auch „schwarze Schafe“. Es gibt falsche und verkürzte Theorien, kontraproduktive oder sinnlose Aktionen – und all das gehört kritisiert. Wer aber Antirassismus als solchen delegitimieren und indirekt rassistischen Verhältnisse befördern will, gehört mit seinen Texten nicht in eine sich als links verstehende Zeitschrift, mag auch sonst noch so viel wahres und kluges darin enthalten sein. Eine Redaktion, die dies nicht begreift, kann nicht die meine sein – und deswegen beende ich nach sechs Jahren Mitarbeit am CEE IEH meine Redaktionsmitgliedschaft.

Geburtstag 6: Wachtturm, 23.8k Ich gratuliere ausdrücklich nicht zur 100. Ausgabe.
Und doch gratuliere ich zu den vielen Ausgaben vor der hundertsten.

Auch das kann ich an meiner Person begründen. Direkt nach der Wende wollte ich unbedingt in Israel in einem Kibbuz arbeiten. Mein DDR-Wissen über die deutsche Geschichte lastete schwer und diffus auf meinem Gewissen. Deswegen Israel. Im Kibbuz sah ich die „erste Abschlagszahlung auf den Kommunismus“ (auch wenn ich es nicht so schön hätte formulieren können wie Joachim Bruhn, der damit ganz Israel meinte). Deswegen dort arbeiten. Meine Partei jedoch, die Vereinigte Linke (eine Mitgliedschaft war damals noch nicht so beschämend wie heute), schickte mich anstatt nach Israel erst zur Kaderschulung nach Berlin. Wir sollten uns dort mit den Schriften Marx auseinandersetzen und die HausbesetzerInnenbewegung kennenlernen. Das war auch die richtige Mischung. (Während Tomorrow-Kids heute nur die Bibliotheksordnung auswendig lernen und nicht die Grundregeln des Straßenkampfes – schade eigentlich, denn zu der angekündigten Schlacht um den Israel-Block der 1. Mai-Demo in Berlin reisten die FreundInnen Israels nicht an und so konnte ich den Flaschenwurf auf den Lautsprecherwegen beim Redebeitrag des Berliner Bündnisses gegen Antisemitismus und Antizionismus leider nicht allein verhindern. Dummerweise habe ich erst auf der Rückfahrt der Bahamas (41/2003, S. 9.) entnehmen dürfen, dass selbst diese Gruppe ein „populistischer Haufen“ und „völlig auf den Urs gekommen“ sei – und somit zum Abschuß freigegeben ist. Ich Dummerchen). Aber zurück zum Thema: Dort in Berlin traf ich mit einem ehemaligen RAF-Mitglied zusammen, welches in der aktuellen Bahamas folgendermaßen charakterisiert wird: „früher politische Gefangene, heute nur noch palästinensisch“ (S. 7). Ob dies so stimmt, kann ich nicht bestätigen, denn ich habe sie seitdem nicht mehr gesehen. Damals allerdings lächelte sie über meine Israel-Euphorie und gab mir ein Buch mit, welches ich erst einmal lesen sollte. Da die RAF damals für uns eine große Autorität darstellte, tat ich, wie mir aufgetragen. Ich las also allerlei Schauermärchen über den kolonialistischen Siedlerstaat Israel und die armen PalästinenserInnen – und glaubte dies wohl auch teilweise. Entsprechend abgeschreckt wollte ich plötzlich nicht mehr nach Israel, ich empfand es zumindest als heikel, einen solchen Staat zu unterstützen. Anderseits hinterließ das Buch keinen so nachhaltigen Eindruck bei mir, dass ich mich jemals antizionistisch geäußert hätte. Derartig geprägt – also schockiert von den unbegreifbaren Schrecken des Holocaust und gleichzeitig kühl distanziert zu Israel als Staat – war ich wohl typisch für viele Linke der 90er, die eben nicht – wie noch in den 80ern – offen antizionistisch waren und darunter ihren Antisemitismus versteckten, sondern nichts gegen, aber auch nichts für Israel hatten, die PalästinenserInnen bedauerten, aber nicht glorifizierten und aus einer romantischen Verklärung und kalter Analyse heraus lieber Waffen für die EZLN als für Israel gesammelt hätten. Also einer, der Antisemitismus schlimm fand, ohne sich je einen Begriff davon zu machen und ohne die Aktualität der antisemitischen Bedrohung erkennen zu können. Einer, der nur Nazis als Antisemiten bekämpfte und sich lediglich im Kino den schauerlichen Grauen von Auschwitz hingab.
Dass ich da nicht hängen geblieben bin, ist auch ein Verdienst des CEE IEH bzw. generell einer antideutschen Strömung der Linken, der ich stets offen gegenüber stand, an deren Aktionen ich mich gern beteiligte und aufgrund deren Polemik ich angeregt wurde, eigene gefühlsmäßige Gewissheiten und eingefahrene Denkstrukturen zu hinterfragen. Erst diese Auseinandersetzung befähigte mich, Fehler z.B. innerhalb der antirassistischen Szene zu erkennen und zu kritisieren. Man möge mir aber verzeihen, dass dieser Prozess bei mir eben nicht dazu führte, zu meiner unausgegorenen und infantilen Israel-Begeisterung zurückzukehren. Gehe ich also gegen die Friedensbewegung auf die Straße, werde ich Israel gegen alle antisemitischen Anfeindungen verteidigen. Führe ich allerdings einen innerlinken Diskurs im CEE IEH oder fahre ich auf antideutsche Kongresse, würde ich in Zukunft gern von albernen Identitätsangeboten und Belehrungen, dass nur Israel die Lösung und alles andere Quark sei, verschont bleiben.

Geburtstag 7: Bahamas, 24.1k
Auf dem letzten antirassistischen Grenzcamp wollte eine antifaschistische Gruppe eine Veranstaltung zum Israel/Palästina-Konflikt durchführen, auf dem tabulos über die Problematik diskutiert werden sollte. Als durch das CEE IEH geschulter Antideutscher wusste ich, dass sich hinter dem „tabulos“ das Lamento über vermeintliche Sprechverbote in Deutschland verbirgt. Also intervenierte meine Gruppe und verhinderte damit die Veranstaltung. Gleichzeitig druckten wir „Solidarität mit Israel“-Postkarten für das Grenzcamp und führten eine Veranstaltung zu Rassismus und Antisemitismus durch. Ohne das CEE IEH hätten wir uns wahrscheinlich nie damit auseinandergesetzt und uns innerhalb der antirassistischen Szene so positionieren können. Nur mit dem CEE IEH hätten wir uns aber gar nicht erst in dieser Szene verortet. Robert Kurz hat schon recht, dass wir die Vorfeldorganisationen der Hardcore-Antideutschen sind (auch wenn der verschwörungstheoretische Hintergrund seiner Behauptung natürlich falsch ist). Und wir sind stolz darauf, dass wir das sind und nur das sind – und nicht etwa die Hardcore-Antideutschen höchstpersönlich. Wissen wir doch, dass der Schwachsinn, der im CEE IEH steht, innerhalb der Antira-Szene nichts außer Abwehrreflexe bewirkt, wir jedoch den Schwachsinn nutzen können, um in dieser Szene wichtige Diskussionen in den Gang zu bringen. Dass man dafür sowohl von der Krisis als auch von der Bahamas geschmäht und beschimpft wird, ist zwar schade, aber lässt sich nicht ändern.

Deswegen ist das CEE IEH, wie schon im Untertitel formuliert, zwar ein geistiges Gift, welches in großen Mengen genossen zum alsbaldigen Hirntod führt, in kleinen Dosen, monatlich eingenommen, jedoch eine heilende Wirkung entfalten kann. Der Geschmack ist bitter und schon allein deshalb wünscht man sich baldige Genesung. Als ständige geistige Nahrung hingegen taugt das CEE IEH nicht, hier seien vielmehr die jungle World, konkret, Phase 2 oder iz3w empfohlen, auch wenn der Beipackzettel des CEE IEH genau davon abrät. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie die AKG und das Conne Island.
Bleibt für das CEE IEH nur zu hoffen, dass die Quacksalber Sören, Hannes und Mario mal etwas länger an der Bibliothektsausleihe auf ihre Bücher warten müssen und vernünftige AutorInnen in Zukunft mehr zum Zuge kommen.

Yves

Geburtstag 8: klarofix, 15.6k

Fußnoten

(1) „Der Alp-Traum vom ewigen Frieden“ von Sören Pünjer, CEE IEH #100
(2) „Der Alptraum von einer gerechten Sache“ von Tjark Kunstreich, Bahamas 36/2001


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last modified: 28.3.2007