Das schlechte Arbeitsklima am Laden und die
ungenügend verlaufene Sexismusdiskussion waren ja bereits im vergangenen
Jahr Ausgangspunkt für den Vorsatz, eine grundlegende Strukturdebatte zu
eröffnen (vgl. CEE IEH #49). Da dies nach Einsicht aller Beteiligten nur
schwer durch die zeitlich begrenzte Arbeitsweise des Montagsplenums zu
realisieren schien, beschritten wir Neuland in der Ladengeschichte und
verbrachten Anfang Juni ein gemeinsames Arbeitswochenende im
idyllischen Grethen/Muldentalkreis. Hier die Zusammenfassung.
Ungeachtet der Tatsache, wie vergnüglich und
zwischenmenschlich bedeutsam sich so ein
Betriebsausflug gestalten kann, da man ja endlich mal die
Gelegenheit hat, die verschiedensten Leute im Schlafanzug beim
Zähneputzen zu erleben, stand das Wochenende v.a. natürlich im
Kontext des erkannten Diskussionsbedarfs. Im Mittelpunkt der Diskussion standen
dann auch die für das schlechte Arbeitsklima verantwortlichen
persönlichen Differenzen, die persönliche und gemeinsame kulturelle
und politische Verortung sowie die inhaltlichen und strukturellen
Zukunftsperspektiven. Anhand der persönlichen Einschätzungen zum
Ist-Zustand konnten sich dabei alle auf eine 4-Punkte umfassende
Positionsbestimmung Was ist da Conne Island? einigen: 1. Das C.I.
eint ein Anti-Nazi-Konsens. 2. Das C.I. ist ein multipler und
multifunktionaler Laden. 3. Es ist ein sozialer Ort unter explizit kulturellen
und politischen Prämissen. 4. Das C.I. versteht sich als Ort, wo die
Kultur vom Politischen bestimmt wird, wobei politisch aber
willkürlich und diskussionsabhängig ist. Ungeachtet aller
individuellen Einschätzungen, die sich im Spannungsfeld von
oberflächlicher Politisierung, fehlendem
Verantwortungsbewußtsein, dem mangelnden Einfluß
aktueller Subkulturen, dem Erscheinungsbild des Ladens nach
Außen etc. bewegten, kam v.a. immer wieder ein Problem zur Sprache:
der bei nahezu allen zu verzeichnende Motivations- und Idealismusverlust.
Bedingt durch die langjährige Mitarbeit am Laden, egal ob festangestellt
oder ehrenamtlich, die bedeutet, daß sich jede/r eng abgesteckte
Arbeitsbereiche gesucht hat und diese vorrangig arbeitseffektiv und pragmatisch
erfüllt, ist der Idealismus der frühen Jahre oft nicht
mehr vorhanden. Einig war man sich deshalb hier, daß nur ein Aufbrechen
und Hinterfragen der festen Arbeitsstrukturen, die Überprüfung der
eigenen wahrgenommenen Verantwortung, größere Transparenz und
natürlich die Integration neuer, v.a. junger Leute frischen Wind bringen
können. Da Letzteres von allen als das dringlichste Problem erkannt wurde
und nicht zuletzt das Schaffen neuer Projekte ja immer auch die Motivation
fördert, soll in nächster Zeit v.a. an der praktischen Umsetzung der
Idee eines Jugendcafés gearbeitet werden, um dieser in
letzter Zeit schon häufiger auftretenden Zielgruppe Möglichkeit zu
bieten, sich besser in den Laden einzubringen. Anhand dieser vier Eckpunkte
wurde dann der Soll-Zustand diskutiert. Hier standen die als Grundsäulen
des Ladens verstandenen Arbeitsfelder Kultur und Politik im Mittelpunkt. Die
einzelnen Sparten wurden auf diese Verbindung hin abgeklopft und perspektivisch
diskutiert, was jetzt hier im Einzelnen nicht wiedergegeben werden soll. Hier
wurde klar, daß das kulturelle Angebot über den Anti-Nazi Konsens
hinaus, der ja noch kein linkes Selbstverständnis einschließt, nach
subkultureller Berechtigung und Aktualität, der spezifischen Situation in
Leipzig und der Region (die rechts dominiert ist) und ihrer
gesellschaftskritischen Ausrichtung an sich, hinterfragt werden muß.
Weiterhin standen auch ganz pragmatische Überlegungen arbeitstechnischer
Art auf der Tagesordnung: Diskutiert wurden z.B. die Entlastung von
Verantwortlichkeiten in verschiedenen Arbeitsbereichen, punktuelle
Preiserhöhungen, die Überprüfung von geleisteter Arbeit in Form
eines jährlichen Rechenschaftsplenums etc.
Die Ergebnisse des Wochenendes lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
Schon jetzt ist eine Verbesserung des Arbeitsklimas zu verzeichnen, da durch
das persönliche Aufeinanderzugehen Gemeinsamkeiten wieder stärker
wahrgenommen und Unterschiede relativiert worden sind. Mit Hilfe der Diskussion
um Ist- und Soll-Zustand war es zudem möglich, eigene Standpunkte wieder
besser zu erkennen und die eigene Motivation zu hinterfragen. Das
Strukturwochenende war somit zum richtigen Zeitpunkt (und am richtigen Ort) die
längst fällige Standortbestimmung, aus der alle Beteiligten mit einem
klarerem Blick auf die Situation des Ladens und mit gestärkter Motivation
für die nächsten 10 Jahre gegangen sind. Gleichzeitig
bedeutete diese Bestandsaufnahme in ihrer Komplexität einen immensen
Kraftaufwand, so daß es als Manko verstanden werden kann, daß nicht
perspektivisch genug diskutiert wurde; der Grundstein allerdings für eine
Diskussion der inhaltlichen und strukturellen Zukunftsperspektiven ist damit
gelegt. Als weiteres Manko muß gesehen werden, daß die Debatte um
sexistische Verfahrensweisen am Laden ein weiteres Mal nicht eröffnet
wurde, was zwar auch daran liegt, daß strukturelle Themen für das
Wochenende erst mal wichtiger waren, ohnehin nicht viel Zeit blieb und die
Demonstration in Neuss auf denselben Termin fiel, was dabei aber nicht als
Entschuldigung gelten kann. Phil |