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Es geht voran Teil 2

Anknüpfend an den im Januar-CEE IEH erschienenen Beitrag über Geschichte der Subkulturen und deren Affinität zur Bohemè folgt hier der zweite Teil.

es geht voran, 1.0k

Teil 2


Die gegenwärtige Bedeutung von Subkulturen muß sich nicht zuletzt wegen der PC-Debatten hinterfragen lassen. Zumal die Wiederbelebung einer Massenbohemè für die Leute ab 30 immer stärker zur Frage von Werden und Fall ihrer eigenen (Jugend-) Sozialisation wird.

Das Multikulti-Konzept vom „Patchwork der Minderheiten“ entfernte sich in der Praxis nie vom kulturimperialistischen Metropolenbild einer auf Differenz aufgebauten Gemeinsamkeit des Sozialisationsrahmens. Es ging also um die Verwertbarkeit auf dem Markt, die Pop trotz aller Subversionen braucht.
So schließt sich die Bezugnahme auf Ost-Generationen dann aus, wenn die Grundlage postmodernistischer Jugendkulturen die direkte Abhängigkeit von der Anti-Statik des Marktes sein soll. Daß es da eigentlich nichts zu konstruieren gibt, sondern nur festuzstellen bleibt, daß es so ist, enthebt mich nicht der Feststellung, gerade dort die gewollten Mißverständnisse einer Ost-Jugend-Identität vorzufinden: die Jugend im Osten setzte auf die Romantisierung einiger weniger Fixpunkte und verstand diese dann auch noch als politisch. Nicht als Politikersatz, sondern wirklich als Politikmittel. Schuld daran war sie nicht. Vielmehr der Staat und sein Repressionsapparat. Soviel zur Erklärung der Unfähigkeit zweier Ost-Generationen im Festhalten an „eigener Identität“ die heutige Zeit nicht zu blicken.

polizei und menschen, 8.5k
„Aus der Subversions-Attitüde entspringt keine revolutionäre Perspektive.“

Somit ist also die Beschränkung auf jenes Gebiet legitimiert, in dem anglo-amerikanische Kultur einen praktisch „realistischen „ Spannungsbogen ausmacht. Wo der Warenwert der direkten Beeinflussung ausgesetzt ist.
Kritik von Links an der Bedeutung von Subkulturen macht sich an der Einschätzung fest, keine revolutionäre Perspektive sehen zu können, die aus der Protest- oder Subversions-Attitüde entspringen könnte. Genau dort liegt auch der Hase im Pfeffer, warum uns heute immer noch Ton-Steine-Scherben, Slime - im besseren Fall - oder gar militaristische Volksweisen - als „Kampflieder“ verschleiert - der 20er, 30er, 40er Jahre um die Ohren gehauen werden.
Wer aufsteht, wenn andere gerade schlafen gehen, um in Marschformation zu demonstrieren (erst im Januar in Berlin Hundertausend zur Luxemburg-Liebknecht-Demo, die früh um 9 Uhr anfing ), fällt selbst noch hinter die SPD-Vorderen Lafontaine und Schröder zurück, die - laut FOCUS - nicht vor 10 Uhr aufstehen.
Fern jeder ideologischen, politischen Rhetorik läßt sich also schon der Wertekonflikt ausmachen, der nur verstärkt, was ohnehin einer Beschleunigung unterliegt, wo traditionell linke Massenbegriffe kapitulieren.
Die Ausprägung von Individualismus des Marktes zerbröselt das Subjekt Jugendbewegung in einem Tempo, daß Code und Habitus der Abgrenzung jeweiliger Szenen und Subszenen zur oberflächlichen Kaschierung des bestehenden Gesamtrahmens führen: der subjektivistische Hedonismus lebt durch die Legitimierung und Bestätigung (ausschließlich) des Sub-Rahmens.

zerbrochene stuehle, 7.8k
„Individualismus zerbröselt das Subjekt Jugendbewegung.“

Identität wird dabei groß geschrieben. Niemals zuvor hat sich die Kooperation von Antihaltung/Subversion und Etablierung dermaßen verstrickt, daß sich auf dem Feld der Rezeption parallel zwei traditionell entfernt voneinander existente Ebenen die Klinke quasi in die Hande geben. Nicht zuletzt daraus leitet sich auch der Re-Entry der Bohemiens ab. Die Verflüchtigung eines notwendigen homogenen Bezugrahmens zur identifikatorischen Andockung stellt die Persönlichkeit zwar in einen kollektiven Zusammenhang, enthebt sie aber der gewollten Loslösung weißer, mittelständlerischer Sozialisation - läßt sie also dort verharren, ohne diesen Staus kaschieren zu müssen. Dadurch verstärkt sich der Traditions-Rückgriff auf Kunsthochschule und Uni als Kapitualtion vor der Heterogenität heutiger Jugendkultur.
Die Inanspruchnahme von Identität gilt als Voraussetzung der Wirksamkeit von PC. Dabei ist PC ein Reformmittel, das keine Gegenmodelle anzubieten braucht. Entscheidend ist, wo dem Herrschaftsmodell die Grenzen aufgezeigt werden, die Machtfrage also partiell und kanalisiert gestellt wird, ohne Allmacht(!) einzufordern.

Ralf



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last modified: 28.3.2007