Die Welt ist sehr chaotisch geworden
Interview mit Valerie Trebeljahr (Lali Puna)
LALI PUNA /live (morr music)
MEXICAN ELVIS (live)
REPEATBEAT (bleep-hop. radio blau)
Es ist fast sechs Jahre her, als Lali Puna aus München das letzte
Mal im Conne Island spielten. Damals sorgte die Band um Valerie Lali
Trebeljahr für eine euphorische Nacht. Ein rauher Gitarrensound
gespielt von Lebenspartner und The Notwist-Sänger Markus
Acher vermischte sich mit alten Synthesizern und dem Lali
Puna-typischen Sprechgesang von Valerie Trebeljahr, der ein deutliches
Stück nach vorne gerückt war. Danach wurde es plötzlich ruhiger
um das Quartett. So gab es in den letzten fünf Jahren nur vereinzelte
Lebenszeichen, wie eine Remix-Platte, vereinzelte Auftritte oder eine
Vinylsingle unter dem Projeknamen John Yoko. 2010 sind Lali Puna
zurück. Dabei klingt ihr neues Album Our Inventions eher wie die
eigenen Frühwerke. Was war passiert?
Valerie Trebeljahr: Durch The Notwist und mein Kind habe ich zwei Jahre keine
Musik mehr gemacht. Natürlich habe ich noch Musik gehört, aber keine
mehr gemacht. Als ich wusste, dass mein Kind in die Krippe geht und dass es
zeitlich wieder geht, ging es relativ schnell. Wir konnten so lange, wir
wollten, ins Studio von unserem Keyboarder Christian Heiß. So hatten wir
mehr Zeit, um detailliert zu arbeiten. Dabei wollten wir nach der Pause weg vom
Sound von Faking The Books. Wir haben in der Zwischenzeit auch etwas in
Richtung Tanzmusik ausprobiert, was dann aber nicht klappen wollte. Daher haben
wir das irgendwann aufgegeben und uns darauf konzentriert, was wir selbst
können.
CEE IEH: Ist das auch ein Schritt hin zu euren Anfängen?
Valerie Trebeljahr: Schon, da wir einfach wieder Lust hatten, rein elektronisch
zu arbeiten. Lali Puna hatte ja als mein Vier-Spur-Soloprojekt angefangen. Die
elektronische Richtung kam durch meine musikalische Beschränktheit, da ich
keine Gitarre spielen kann. Also musste ich Drumcomputer und Keyboard
einsetzen. Dann hab ich die Flucht nach vorne angegriffen und so war alles
durch und durch elektronisch. Das erste Platte Tridecoder war dann
komplett ohne Gitarre. Durch Markus änderte sich dies in Richtung
Scary World Theory. Er hat dann einfach immer mehr Gitarre gespielt. Bei
Faking The Books passte das einfach in die Zeit, da sich viele
elektronische Bands sehr rockig präsentierten. Nach der Pause wollten wir
es aber anders machen.
CEE IEH: Faking The Books, aber auch die Vorgängeralben Tridecoder
und Scary Word Theory waren ja alle in vieler Hinsicht sehr erfolgreich.
Konntet ihr dennoch ohne großen Druck an das Album heran gehen?
Valerie Trebeljahr: Nach der Auszeit haben wir uns einfach gesagt: Schaun
wir mal. Erst als das Album fertig war und klar war, wo und wann es erscheint,
haben wir uns darüber Gedanken gemacht. Letztendlich bleibt sowieso
bestehen, ob es gute Songs sind oder nicht. Mit dem neuen Album bin ich
tatsächlich sehr zufrieden. Ich weiß natürlich nicht, wie ich
in einigen Jahren darüber denken werde.
CEE IEH: Das Titelstück Our Inventions nimmt eine zentrale auf dem
Album ein. Was steckt dahinter?
Valerie Trebeljahr: Der Song war früh fertig und hatte zugleich einen
Technikbezug. Da wir eh in eine elektronische Richtung gehen wollten, passte
das. Our Inventions beruht ja auf einer Zeitungsnachricht, dass die
Vögel die Handymelodien nachsingen. Ihr Kommunikationssystem wird durch
uns gestört. Aktuell ist es so, dass sich wahnsinnig viele Künstler
mit dem Thema Umwelt beschäftigen. Es ist aber wahnsinnig schwierig
umzusetzen. Faking The Books war textlich sehr zornig. Davon wollte ich
mich distanzieren. Bei vielen politischen Bands hat es etwas
besserwisserisches, was sich ja daraus ergibt, das man einen Kommentar macht.
Die Welt ist im letzten Jahrzehnt aber sehr chaotisch geworden. Es gibt 100.000
Wege und kein eindeutiges richtig oder falsch. Das beginnt schon beim Kauf von
T-Shirts, wo man fast eine Doktorarbeit drüber schreiben müsste, um
eine wirklich faire Variante zu finden. Daher stelle ich diesmal eher Fragen.
Der Song bat die Möglichkeit sich dem Thema anders zu nähern, ohne
das es Zeigerfinger-peinlich wird.
CEE IEH: Warum ist der Zeigefinger aus deiner Sicht peinlich?
Valerie Trebeljahr: Wir haben die Entwicklung, dass bestimmte Protestformen
abgenutzt sind. Wenn man in den 80er Lieder gegen Atombomben gemacht hat, war
es damals vielleicht fortschrittlich. Würde man es heute genauso machen,
wäre das mit einem unangenehmen Beigeschmack verbunden. So ist es auch mit
dem Umweltbewusstsein. Daher ist es schwierig Protest zu äußern,
ohne das es peinlich wird, da schon fast alles da war.
CEE IEH: Ihr startet Eure Tour zum Album in Leipzig. Mit welchem Gefühl
bereitet ihr die Tour vor?
Valerie Trebeljahr: Lali Puna spielen sehr gerne live. Wir sind früher ja
sehr viel getourt. Das ist auch etwas ganz anderes als im Studio zu arbeiten.
Live spielen wir auf jeden Fall temporeicher, damit sich das Publikum dazu
bewegen kann. Das gilt auch für die Stücke von Our Inventions,
da es besser mit dem Publikum funktioniert. Würde man die Stücke so
ruhig spielen, wie auf der Platte, wäre es besser, man spielt in
bestuhlten Theatern. Das würde aber nicht zu uns passen, daher arbeiten
wir die Stücke gerade um.
Micha