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There‘s no such thing as a harmless joke

Über Hitler lachen – heute und gestern

      „Das deutsche Volk, so heißt es, ‚habe seine Vergangenheit nicht bewältigt‘. […] Nicht bedeutet die Redensart, wie sie heute seit 34 Jahren verwendet wird, ‚mit der Vergangenheit fertig werden‘. Denn was entsetzlich ist, ist ja gerade, dass das den meistens restlos gelungen ist, dass sie sich von der Vergangenheit nicht hatten beunruhigen lassen.“ (1)
Was Günther Anders in der Nacht vom 6. auf den 7. März 1979 schrieb, macht den Extremismusbegriff obsolet, deckt deutsche Geschichtsaufarbeitung auf, erzählt vom unmöglichen Umgang mit Ausschwitz, der bis heute nicht großartig verändert scheint. Nur in einem Punkt irrt sich Anders, und vielleicht liegt genau dort der Hund begraben: Nicht restlos gelungen ist die Verdrängung – was die immer neuen Erstausstrahlungen gänzlich neuer Filme über die Shoah und den 2. Weltkrieg, auch aber über Hitler immer wieder bezeugen.
Das Erinnern an die Schrecken, etwa auch die genauen Pläne und Vorgehensweisen der Nazis ist ja ohne Zweifel nicht überflüssig geworden; abgesehen davon, dass immer wieder neu spezifische Aspekte des immer gleichen Grauens en detail untersucht und wissenschaftlich aufbereitet werden, bleibt ja auch die moralische Verpflichtung der Toten eingedenk zu sein, aber auch die Verpflichtung des adornitischen Imperativs: „Hitler hat den Menschen im Stande ihrer Unfreiheit einen neuen kategorischen Imperativ aufgezwungen: Ihr Denken und Handeln so einzurichten, daß Auschwitz nicht sich wiederhole, nichts Ähnliches geschehe.“(2)
Den Einfall Deutschlands in Polen zu zeigen, wie etwa in Ernst Lubitschs „To be or not to be“ von 1942, war damals aus politischen Gründen für die Alliierten während des Krieges wichtig und sinnvoll. Auch heute ist es noch sinnvoll, Antikriegsfilme zu produzieren, dort wo über die Schrecken von Krieg geschwiegen wird und den 2. Weltkrieg filmisch aufzubereiten, wenn über die Notwendigkeit von Krieg als Mittel zur Bekämpfung von größeren Verbrechen gesprochen werden muss. Und dies war ein Teil der damaligen Motivation für den Film – er ist ein Blick Hollywoods nach Polen 1939 und so ein Plädoyer für den Kriegseintritt: Die Schauspieler eines Warschauer Theaters proben eine antifaschistische Komödie, die zugunsten der Hoffnung auf eine friedliche Beziehung mit Deutschland gegen „Hamlet“ ausgetauscht wird. Die zwei

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Sterne dieses Theaterensembles (Maria und Joseph Tura, die eine Ehe zu führen versuchen) werden nun hineingezogen in den polnischen Widerstand, in den Kampf gegen Kollaborateure und Deutsche. Die Verwechslungskomödie nimmt ihren Lauf: Joseph Tura spielt den kollaborierenden polnischen Professors und Maria Tura das naive Dummchen und kann so die Gunst der Besatzer erobern, und der Schauspieler, der zu Anfang den (stummen) Hitler geben sollte, muss nun seine für die Bühne geschaffene Figur an der Wirklichkeit erproben und die Truppe somit sicher ins freie England spielen.

„Die deutsche Wunde“

Aber wenn es nicht hauptsächlich um die Shoah gehen soll, oder doch zumindest um den Krieg, so möchte ich doch fragen – und dies ohne platten Verweis auf das Bilderverbot – wieso Hitler zeigen, immer wieder im Spielfilm zeigen? Welche Funktion hat das, was soll das (wörtlich gemeint)? Es gibt ja nicht nur Filme aus der Zeit, bevor das Wissen um Ausschwitz als gegeben vorausgesetzt werden kann, wie etwa Lubitschs Film. In diesen frühen Filmen ist Hitler zeigen als subersiver Akt noch ernstzunehmen. Nein, viele Filme sind in der späten Nachkriegszeit entstanden und auch in den letzten Jahren lässt der Bilderstrom nicht nach – im Gegenteil. Mit „Der Untergang“ von 2004 von Oliver Hirschbiegel, nach der Buchvorlage Joachim Fests, sei nur eines der gruseligsten Produkte des Wunsches nach einem (zwar fiktiven, aber natürlich dennoch) authentischen Hitlerbild genannt.
Wenn Anders von Vergangenheitsbewältigung spricht, so wird damit der psychoanalytische Begriff der Verdrängung herangezogen: Mit seiner Vergangenheit durch Verdrängung fertig werden setzt folgenden Prozess voraus: Jemand hat eine Wunde erfahren, die traumatische Auswirkungen hatte, und verdrängt dieses Erlebnis. Doch dies geht von der Existenz der Wunde aus – von der traumatischen Erfahrung – und von welcher Wunde ist hier die Rede? Und wie kann diese Wunde (vorausgesetzt es gibt sie) mit der Darstellung Hitlers im Spielfilm verhandelt werden? Wenn die Shoah im Heute (oder besonders, wie in seinem Text von 1979, die noch lebenden TäterInnen) bereut werden soll, Reue wie Anders hier vorschlägt im Sinne des Wunsches des Täters/der Täterin „‚es‘ nicht gewesen zu sein“(3), so sind es doch die remorsus im Sinne von re-mordere(4): die Gewissensbisse, die auf die verursachten „Bisse“ rekurrieren. Wenn aber das Gewissen sich nicht regt – wenn also tatsächlich Verdrängung die Methode der Wahl ist, mit dieser Vergangenheit umzugehen – wer hat den traumatischen Biss dann ausgeführt?

Schuld ist: Hitler (oder die Männer hinter ihm)

„Da bietet es sich an, dass sich das deutsche Volk als Opfer seines eigenen Führers geriert, der es in den Krieg getrieben hat. Genau das ist ein sich seit Kriegsende durchziehender Faden der Selbstentschuldung. Und so fügt es sich ins große Bild, wenn das deutsche Erinnerungskollektiv in Filmen wie Der Untergang zum Opfer eines großen tragischen Helden (gegeben von Bruno Ganz) wird. Oder wie jetzt in Mein Führer zum Opfer eines kleinen Wahnsinnigen (gegeben von Helge Schneider). In beiden Fällen ist das Volk außen vor. [...] Das ist die bequeme Position, auf die man sich zurückziehen kann.“(5)
Natürlich ist Hitler schuld. Die große kollektive Entlastung, eine Art „wir legen alle Sünden in deine Hand“ ist immer wieder zu finden, wo die Schuldfrage gestellt wird. In einer Reihe schlagen einem immer wieder „Opa war kein Nazi“-, „Hitler der VERführer“- und „Wir haben es nicht gewusst“-Sprüche wie übler Atem entgegen. Da haben keine wissenschaftlichen Studien genützt, die das Wissen etwa um die Konzentrations- und Vernichtungslager als allgemeines im Nationalsozialismus enthüllen. Und selbstverständlich haben sie nichts genützt, da diese Aussagen nicht auf Unwissenheit basieren, sondern auf antisemitischer Ideologie.(6)
Hitler hat heute jedoch nur drei Daseinsformen in der Phantasie, wie Georg Seeßlen beschreibt(7): Einmal als Ikone des Grauens, als Allegorie des Bösen, das Grauen als Unwandelbares schlechthin; dann als historisches Rätsel, zu welchem geforscht und geforscht wird, ohne das es rational auflösbar wird; und schließlich als Witzfigur, welche wir uns durch Annäherung an das Private, Menschliche, Psychologische an Hitler fassbar zu machen versuchen. Der Versuch, diese drei Formen zu vereinen, muss an der Unvorstellbarkeit scheitern: „Es ist unmöglich, über die Leinwand […] der Person oder dem Mythos Hitlers, der faschistischen Führung schlechthin, und gleichzeitig den Opfern zu nähern. Unweigerlich müßte sich ein Element unerträglicher Blasphemie ergeben.“ Und genau dies ist passiert bei einem der ersten Versuche, diese Totalität zu schaffen: Im Film „Mein Führer – Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler“ von 2007, des Schweizer Regisseurs Dani Levy, werden über die Konfrontation des jüdischen Schauspielers und Professors Adolf Grünbaum mit Hitler um Silvester 1944/1945 Szenen größter Blasphemie geschaffen. Grünbaum wird aus dem KZ Sachsenhausen ins „Führerhauptquatier“ geholt, um im gebrochenen Hitler neues Feuer zu entfachen. Eine Zeit lang versucht er seine hoffnungslose Situation zu nutzen, da Goebbels und Himmler von ihm abhängig scheinen, und lässt seine Familie zu sich holen. Auch Sachsenhausen will er so befreien, was scheitert. Grünbaum dient ihnen letztendlich nur als Alibi für die Entfernung Hitlers von seinem Führerposten, den der „arme, verwirrte, von väterlicher Gewalt zutiefst verstörte Bur“ endlich abgeben soll, damit Deutschland wieder „rational beherrscht“ werden kann. Eine „Kostprobe“ dieser zynischen Szenen ist jene Grünbaums im KZ: Er wird in die Gas- und Duschkammer geschickt, wo er alleine, nackt und von Verletzungen gespickt unter dem Duschkopf steht und vor Erleichterung japsen und weinen muss, als entgegen seiner Erwartung doch Wasser statt Gas herausströmt. Dieses Bild, welches so viele Bilder zitiert, die wir aus KZ-Besuchen, Geschichtsbüchern und Dokumentarfilmen kennen, ist in seiner Irrealität zynisch. Es verklärt Geschichte, zeigt Hoffnung, wo tatsächlich nur Tod und Qual warteten. Zugleich wird Hitler durch seinen Wahnsinn zum verirrten aber im Grunde doch unschuldigen (à la „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“(8)) Opfer von machtgierigen, dekadenten Intriganten bagatellisiert. Auffällig ist auch, dass hier Grünbaums konstruiertes Attentat herhalten soll, um vor dem Volk „die Endlösung“ zu rechtfertigen; auch dies ist eine Verballhornung, wenn doch „das deutsche Volk“ sehr gut ohne diese Rechfertigung mit dem Genozid leben konnte.

Schuld ist Hitlers Psyche – aber wieder nicht das Volk

„Aber um die Entstehung eines lebenslangen, unersättlichen Hasses, wie er Adolf Hitler beherrschte, zu verstehen, muß man einen Schritt weiter gehen. Man muß den vertrauten Boden der Triebtheorie verlassen und sich der Frage öffnen, was sich in einem Kind abspielt, das einerseits von seinen Eltern gedemütigt und erniedrigt wird und andererseits unter dem Gebot steht, die Person, die ihm das antut, zu respektieren, zu lieben und seine Schmerzen auf keinen Fall zum Ausdruck zu bringen.“(9)
Die problematischen Fallstudien Alice Millers in „Am Anfang war Erziehung“ von 1980, die eigentlich zum Verständnis der Zurichtung des Menschen durch Gesellschaft beitragen sollten, geben einem Film wie „Mein Führer“ die Grundlage, die Darstellung ihres kranken Bübchens als psychologisch gänzlich durchdringbares und verständliches Wesen, das doch eigentlich nur geliebt werden wollte, zu zeichnen. Hitler war selbst nur Opfer, wurde von seinem Vater gedemütigt und misshandelt und von der Kunstakademie nicht angenommen. Und irgendwie sind wir doch alle nicht nett zueinander – da ist Hitler doch nur eine extreme Form des Nicht-Nett-Seins, so liest sich die Figur, die Helge Schneider nach Vorbild Chaplins spielen wollte und deren zerstückelte Bildteile, die Levys Schnitt übrig ließ, ihm nicht mehr so recht passen.(10)
Doch will der Film Hitler zum lächerlichen Clown machen, so erklärt sich der Clown als Massenmörder „nur dadurch, dass er von massenmörderischen Clowns umgeben ist, das er ein Feld von komischen Massenmördern repräsentiert, und daß schließlich die Welt nur zu denken ist als Nebeneinander von Groteske und Brutalität.[...] Weil also der Widerspruch zwischen dem Clown und dem historischen Mörder nicht aufzulösen ist, scheint das Komische Hitler so wenig ‚entlarven‘ zu können, wie dem Faschismus je satirisch zu Leibe zu rücken war.“(11) Da „Mein Führer“ „das Volk“ nicht erwähnt, kann er nicht angemessen über TäterInnen sprechen, und da er nicht von TäterInnen sprechen kann, sollte er von der Shoah lieber schweigen.

Wie denn nun Hitler zeigen?

„[...] Geht umgekehrt das Spiel der doppelten Provokation, Hitler als B-Movie-Schurken und Mords-Kasper zu präsentieren und zugleich die Ängstlichkeit des Gutmenschen vor dem Bild des Schreckens hervorzulocken, nicht ins Leere, wenn wir den echten Faschismus schon wieder vor der Haustüre haben? Die Fragen sind vermutlich falsch gestellt. [...] Ein Tabu zu errichten ist kulturgeschichtlich weder richtig noch falsch. Es ist nur notwendig, und ebenso notwendig ist es, das Tabu irgendwann auch zu durchbrechen, weil es nichts verhindern, sondern nur etwas verbergen kann. Die Frage ist brisant genug: Welcher Hitler spukt mit dem Schatten auf der Leinwand und auf dem Bildschirm durch unsere Köpfe?“(12)
Die erste parodistische Hitlerfigur im Film hat Geschichte gemacht: Diese war Diktator Hynkel in Charlie Chaplins „The Great Dictator“ von 1940. Der Film eröffnete das Feld der Hitlerdarstellung auf hellsichtige und unschuldige Weise, ein Feld, das bis heute nicht ruht, sondern weiterhin beackert wird – ohne daß der Sinn noch ersichtlich wäre. Dieses Feld des Lachens über Hitler hatte damals einen völlig anderen Nährboden: Das Motiv war ein antifaschistisches, es ging um den Kriegseintritt der USA, um das Brechen des nazistischen Stolzes. Chaplin hatte schon seit 1935 an Plänen zu diesem Film gearbeitet, nachdem ihm zu Ohren kam, daß Goebbels ihn schriftlich als „jüdische Marionette“ bezeichnet hatte. Er schrieb, führte Regie und produzierte den Film – auf eigenes Risiko. Tatsächlich wurde der Film sehr erfolgreich, auch wenn er anfangs bspw. in Chicago, wo viele Deutsch-AmerikanerInnen wohnten, keine Leinwand fand. Er war ein Versuch, die Grauen des Nazionalsozialismus möglichst realistisch zu zeigen – für den damaligen Stand des Wissens.
Diesen Versuch kann man nun unterschiedlich beurteilen, so stimmt beispielsweise die Austattung des „Führerhauptquartiers“ nicht, die Nazis sind in willhelminisch-futuristische Star-Trek-Anzüge gekleidet, die BewohnerInnen des Ghettos sicherlich im Film viel besser dran, als dies real der Fall war. Und doch versagt der Film nicht, wenn er die wichtigen Leitlinien nazistischer Politik aufzeigt: Antisemitismus ist eine Achse, die sich durch den gesamten Film zieht, ebenso faschistische Ideologie und autoritäres Verhalten. Das Klischee des Juden als passives Opfer wird gebrochen und das Genre „Komödie“ nicht durchgängig gehalten. Besonders ins Auge sticht dies bei der Rede des jüdischen Friseurs, der als (verwechselter) Hynkel eine Rede halten soll, welche sich zu einem brennenden antifaschistischen Plädoyer für die Menschlichkeit auswächst.(13) Aber auch in der Form ist dieser Film ein großer Beitrag zur Film- und Theatergeschichte, nicht nur indem er uns das Werk eines der wenigen großen Theatermenschen des 20. Jahrhunderts einbrachte. Chaplin beherrschte verschiedenste Theatertechniken von veristischem Stil (in dem die „Realität authentisch dargestellt“ werden soll), Slapstick im besten Sinne als buffoneskes Spiel (etwa wie er die tomanischen Hauptmänner verprügelt), über Tanz und Artistik (man sehe sich seinen legendären Tanz mit der Weltkugel noch einmal an oder seine Balanceakte) bis hin zum Deklamationsstil (eben die Reden Hynkels in der unverständlichen Kunstsprache Gramelot). Und auch die Realität versteht er aufs Spiel zu setzen, indem er sie ins Spiel setzt, wie der große Theaterregisseur und Schauspieler Benno Besson einmal sagte.(14)
Im Gegensatz zu „Mein Führer“ stimmen also ein paar Requisiten nicht (aber nur in dem Sinne, dass sie nicht ganz in die Zeit passen). Umgekehrt stimmt aber die Motivation für den Film, die theatrale, schauspielerische Leistung sowie die grundsätzliche Parodie auf Hitler, die diesen jedoch in keinem Moment vermenschlicht. So wird er immer auch rational gespielt, obgleich er halb wahnsinnig ist. Auch daß seine Reden nicht ganz verständlich sind, macht die Parodie möglich, wo doch der reale Inhalt der Rede das Blut in unseren Adern gefrieren lassen würde. Aber „Fiktive Authentizität und fanatische Wirklichkeitstreue sind als Historical Correctness unangreifbar geworden.“(15), darum zählt das Spiel Chaplins nicht als evtl. einzig mögliche Verhandlung der Person Hitler.

Wie denn nun – über Hitler lachen oder nicht?

„Es gibt da einen fürchterlichen Satz, der alles über das deutsche Humorverständnis zum Ausdruck bringt: ‚Spaß muss sein‘“(16)
Das Lachen über Hitler hatte selbstverständlich zu dessen Lebzeiten ein wichtiges subersives Moment – es gab Menschen, die deportiert wurden, weil sie sich über ihn lustig gemacht hatten; Hitler selbst sagt 1942, es werde den Juden „das Lachen überall vergehen“.(17) So gesehen waren alltägliche Witze und Filme wie „To be or not to be“ und „The Great Dictator“ bedeutende Beiträge zum Schaffen eines antifaschistischen Bewusstseins im Ausland und – sofern im Inland zugänglich oder machbar – zum Umgang mit dem Grauen. Übrigens kann stark davon ausgegangen werden, dass Hitler „The Great Dictator“ gesehen hat; zumindest hat er den Film angefordert.(18) Auch da in diesen beiden Filmen die Deutschen als autoritäre Charaktere gezeichnet werden und Antisemitismus konterkariert wird, sind sie inhaltlich haltbar. Zwar zeugt es schon von schwarzem Humor, angesichts des Einfalls der Nazis in Polen, eine Komödie zu drehen, in der der Krieg verhandelt wird, aber da das Sich-Lustig-Machen über die deutschen FaschistInnen nicht auf Kosten der Darstellung bspw. der Polen geht, sondern zu deren Gunsten, ist dies wohl noch verdaubar (das er dies für Überlebende des Krieges in Polen war und ist, soll damit nicht gesagt werden). Aber die Begrenztheit des Blicks dieser Filme auf die Ideologie der Nazis und das Ausmaß, dass antisemitische Verfolgung und Krieg einnehmen würden, ist natürlich nur aus der Entstehungszeit der Filme heraus entschuldbar.
Der folgende Witz, der in „To be or not to be“ zum Running Gag sich entwickelt, kann dies genauer aufzeigen: „[…] They named a brandy after Napoleon, and they made a herring out of Bismarck, and Hitler‘s going to end up as [...] a piece of cheese.“ Ähnlich wie die letzte Rede des Friseurs in “The Great Dictator” zeigt dieser Witz die Unschuld, in der 1940 bzw. 1942 noch gedacht werden konnte. Aber es gibt keinen Witz, der nicht verletzen könnte. Und so ist die Realität – dass Hitler nicht in einer Reihe mit Napoleon und Bismarck gedacht werden kann und das die Menschheit sich nicht in Frieden und Freiheit vereinigt hat um ein glückliches Leben für alle zu ermöglichen – das Undenkbare geworden, was den Irrsinn der Shoah ausmacht. Das Lachen über Hitler in diesen Filmen hat „zunächst keine Entsprechung im Holocaust. Es gibt, wenn überhaupt, nur ein Lachen im Holocaust.“(19) Auch weiß man heute aus der Autobiographie Chaplins von 1964, er hätte The Great Dictator „nicht gemacht, wenn ich damals schon die Wahrheit über die KZs gewusst hätte.“(20) Mehr als jede andere Komödie hat Chaplins Film aber auch einen Genrewechsel durchgemacht, durch das Eintreten der Shoah: Er ist eine Tragödie geworden. Wie Sergej Eisenstein erklärte, ist der Film „eine großartige, vernichtende Satire, dem Sieg des menschlichen Geistes über die Unmenschlichkeit zum Ruhm.“ Doch dieser Geist... kann es ihn noch geben? Die Projekte menschlicher Emanzipation sind zwar nicht mit der Shoah gestorben(21), aber doch die Unschuld der Unwissenheit um die Pläne des Nationalsozialismus um die „Endlösung der Judenfrage“. Dem Geist zum Trotz und mit ihm ist das Projekt der Moderne – wie es Chaplin in eben diesem Endmonolog wunderschön formuliert – ins Straucheln gekommen.

Die Theorie des Humors von Thomas A. Vaech besagt, dass „der Effekt des Komischen aus der Wahrnehmung der Verletzung oder der Unterbrechung einer Norm oder Normalsituation resultiert.“(22) In diesem Sinne kann man bspw. Walter Moers „Adolf, die Nazi-Sau“ als die Persiflage auf das allgemein akzeptierte Verniedlichen von Hitler „als Menschen“ verstehen: Es wird so ins Extrem überzogen, ohne selbst psychologische Erklärungen zu liefern oder gar auf den in der Kindheit begründeten Hass anzuspielen, der in „Mein Führer“ als Grund für den Mord an Millionen von Menschen herhält. Diese Karikierung hat aber nicht zum Ziel, über den damaligen Hitler zu lachen (Welche Funktion sollte dies heute auch haben, wo Hitler glücklicherweise tot und die Millionen von Menschen dennoch nicht gerettet sind, es also keine Subversion mehr enthält?), sondern das Hitlerbild heute ad absurdum zu führen.
Auch die South Park Folge „The passion of the jew“, in der der fiese Junge Cartman, der in jeder Folge andere oder mehrere seiner antisemitischen, rassistischen, sexistischen Ressentiments bedient, sich zum Leiter eines Fanclubs für Mel Gibsons „The passion of the Christ“ aufschwingt und von dort aus zum Anführer einer dümmlich-evangelikalen Gruppe von DorfbewohnerInnen wird, deren antijudaistisch-antisemitische Versatzstücke er zu entflammen weiß, funktioniert ähnlich. Versucht wird nicht eine Hitlerfigur innerhalb des Kontextes des „Tausendjährigen Reichs“ zu kreieren. Es soll auch hier nicht Hitler privat gezeigt werden. Vielmehr ist das Thema der antisemitische Ideologierest, der auch in einem Provinznest wie South Park weiterhin latent – und später offen – vorhanden ist. Gelacht wird auf Kosten des Antisemiten und Idioten Mel Gibson.
„Was hat es aber zu bedeuten, wenn ein Filmdrama von Überlebenden erzählt und ein Publikum, dessen Leben nie auf dem Spiel stand, in ‚befreiendes’ Gelächter ausbricht“(23) wie dies in „Mein Führer“ geschieht? Paech sagt, „die Anerkennung der Möglichkeit des komischen Films über Hitler oder im Zusammenhang mit dem Holocaust setzt den breiten Konsens über die moralische Grundannahme des Themas voraus.“(24) Wenn nun aber dieser Konsens nicht gegeben ist, wenn die „Norm“ oder „Normalität“, wie Levy unfreiwillig zeigt, nicht konsensuell ist, wie soll diese dann gebrochen werden? Am Ende ist „die hier präsentierte Empathie für Hitler [...] aber ebenso erkenntnisfeindlich wie die tragische Figur, die Bruno Ganz konstruiert.“(25) Bekannt ist aus einer Studie(26) mit Schulklassen, dass diese nach dem Sehen von „Der Untergang“ in ihrer Vorstellung von Hitler und der Shoah deutlich mehr Verständnis für „den armen Führer“ auf der einen Seite, und deutlich mehr Ressentiment auf der anderen Seite gegenüber deutlichem Antifaschismus hatten.
Da bleibt einem das Lachen schlussendlich doch im Halse stecken.

Virginia Spuhr
Redaktionsmitglied „outside the box“


Anmerkungen

(1) Anders, Günther: „Nach Holocaust“ 1979. In: Schindlerdeutsche. Ein Kinotraum vom Dritten Reich. Hrsg: Initiative Sozialistisches Forum. Freiburg 1994, S.179.

(2) Adorno, Theodor W.: Negative Dialektik, In: Gesammelte Schriften, Frankfurt 1973, Bd.6, S.358.

(3) Anders, Günther :Ebd., S.180.

(4) remorsus lat.: Gewissensbisse von re-mordere lat.: wieder-beißen.

(5) Jung, Thomas: Die Unfähigkeit zu lachen. Die permanente Wiedergeburt des Führers aus dem Geist der Unterhaltung, In: Zeitgeschichte-online. Zeitgeschichte im Film, März 2006. Siehe www.zeitgeschichte-online.de/portals/_rainbow/documents/pdf/jung_levy.pdf, letzter Zugriff am 21.06.09.

(6) Gut ersichtlich ist dies bspw. auch in einem der Interviews mit einem ehemaligen Reichseisenbahnangestellten in Claude Lanzmanns Dokumentarfilm „Shoah“: Dieser behauptet, die Juden hätten besser um die ihnen bevorstehende Ermordung gewusst und darum versucht, von den Deportationszügen zu fliehen, als die (nichtjüdischen) Deutschen. Hier entlarvt sich Ideologie deutlicher noch als in den oben genannten Sprüchen, da hier antisemitische Verschwörungstheorie und Schuldabweisung zusammenprallen.

(7) Seeßlen, Georg: Tanz den Adolf Hitler. In: Faschismus in der populären Kultur, Bd.2: Natural Born Nazis. Marburg 2001, S.165.

(8) Bibelzitat nach der Lutherübersetzung, Evangelium nach Lukas 23, 34.

(9) Miller, Alice: Die Kindheit Adolf Hitlers – vom Verborgenen zum manifesten Grauen. In: Am Anfang war Erziehung. Frankfurt am Main 1980, S.171.

(10) „Der Fokus war ursprünglich auf Hitler. Jetzt ist er mit aller Gewalt auf der jüdischen Geschichte. Es geht nur noch darum, wie Hitler gesehen werden soll: Nämlich als Schwächling. Das ist mir zu profan. Hätte ich das gewusst, dann hätte ich vielleicht gar nicht mitgespielt.“, Helge Schneider im Interview in „Blick“ vom 04.01.2007 mit Stephanie Riegel. Siehe www.blick.ch/sonntagsblick/gesellschaft/artikel52514, zuletzt am 20.06.09.

(11) Seeßlen, Georg: a.a.O., S.166.

(12) Ebd., S.164.

(13) „You the people have the power, the power to create machines, the power to create happiness. You the people have the power to make life free and beautiful, to make this life a wonderful adventure. Then in the name of democracy let‘s use that power - let us all unite. Let us fight for a new world, a decent world that will give men a chance to work, that will give you the future and old age and security.[...] Let us fight for a world of reason, a world where science and progress will lead to all men‘s happiness.[...] The soul of man has been given wings - and at last he is beginning to fly. He is flying into the rainbow - into the light of hope - into the future, that glorious future that belongs to you, to me and to all of us. Look up. Look up.“ Ausschnitt aus der sog. „ Look Up, Hannah!“-Rede am Ende von “The Great Dictator” von Charlie Chaplin, 1940.

(14) „Theater ist Wirklichkeit und zugleich ein Ins-Spiel-setzen von Wirklichkeit. Das hilft bei der Lebenskunst. Theater, wie ich es mag, soll die Leute lustig machen aufs Leben und auf den Frieden miteinander.“ Benno Besson, Siehe: http://henschel-schauspiel.de/eilbote/2006/2006_03.pdf, zuletzt am 20.06.09.

(15) Kuhlbrodt, Dietrich: Deutsches Filmwunder: Nazis immer besser. Hamburg 2006, S.158.

(16) Engels, Josef: Lackmus-Test fürs deutsche Humorverständnis. In: Die Welt vom 20.11.02. Siehe: http://www.welt.de/print-welt/article261912/Lackmus_Test_fuers_deutsche_Humorvertaendnis.html, Zuletzt am 20.06.09.

(17) „Im Medium des Komischen, das zeigen vor allem die mißlungenen tragischen Inszenierungen, kommt der Irrsinn autoritärer Herrschaft vielleicht erst angemessen zum Ausdruck. Für die Darstellung der Shoa galt das nicht: Der industrielle Massenmord an den europäischen Juden wurde entweder dokumentiert oder wiederum in eine tragische Erzählung eingebunden. Gelacht wurde über Hitler, den großen Diktator, und dessen unfreiwillig komische Verrenkungen, aber nicht über den Oberbefehlshaber des Deutschen Reiches, der 1942 gesagt hat, es werde den Juden „das Lachen überall vergehen.“ Hesse, Christoph: Margrit Frölich / Hanno Loewy / Heinz Steinert (Hg.): Lachen über Hitler – Auschwitz-Gelächter? Filmkomödie, Satire und Holocaust. In: Medienwissenschaft Nr. 2, 2004, Siehe: www.schueren-verlag.de/medienwissenschaft/mewi_inhalte/2004-2.komplett.pdf, Zuletzt am 19.06.09.

(18) Halak, Martina: Widerstand in Kunst, Literatur und Film. Siehe: wolfsschanze.de/drittes-reich/quellen/626.html, Zuletzt am 19.06.09.

(19) Paech, Joachim: Das Komische als Reflexive Figur im Hitler- oder im Holocaustfilm. In: Margrit Frölich/Hanno Loewy/Heinz Steinert (Hg.): Lachen über Hitler – Auschwitz-Gelächter? Filmkomödie, Satire und Holocaust. München 2003, S.65.

(20) Chaplin, Charlie: My Autobiography. Simon & Schuster, 1964 zitiert nach: Giesenfeld, Günter: Jedem seinen Hitler. In: Blätter für deutsche und internationale Politik, Ausgabe Nr. 2/2007. Siehe www.blaetter.de/artikel.php?pr=2496, Zuletzt am 22.06.09.

(21) Vgl Claussen, Detlev: Antisemitismus und Gesellschaft. Zur Diskussion um Auschwitz, Kulturindustrie und Gewalt.

(22) Ebd., S.75

(23) Hesse, Christoph: a.a.O.

(24) Paech, Joachim: Das Komische als Reflexive Figur im Hitler- oder im Holocaustfilm. In: Margrit Frölich/Hanno Loewy/Heinz Steinert (Hg.): Lachen über Hitler – Auschwitz-Gelächter? Filmkomödie, Satire und Holocaust. München 2003, S.79

(25) Giesenfeld, Günter: a.a.O.

(26) Eine Beschreibung der Studie siehe www.sciencegarden.de/content/2005-12/mit-hitler-im-kino, zuletzt 22.06.09.

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last modified: 7.7.2009