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Meine kleine Szene

…dem CEE IEH zum Geburtstag

Der Leipziger „Szene“-Kosmos – seufz, geliebt-gehasst – und sicher nicht kuschelig – in Frieden ruhend: Seit 13 Jahren in einem kleinen unscheinbaren Heftchen namens CEE IEH gespiegelt, das maßgeblich dafür verantwortlich ist, dass sich die „kuschelige Ruhe“ nicht einstellt.
Viele Blätter kamen und gingen auch mehr oder weniger schnell wieder, das CEE IEH hat sie alle überlebt. Wie langweilig es auch klingen mag, entspricht es doch der Wahrheit: Auch linke, an theoretischen Debatten interessierte „Flügel“ der sich in und nahe der PDS-Linkspartei-LINKEN bewegenden (jungen) Leute hat das Monatsblatt beeinflusst.
Kulturdisplace, 16.7k Welch fragwürdige Adelung war es, als die sich recht neu im PDS-Dunstkreis aktivierte „linksradikale Jugendgruppe tollwut“ im CEE IEH #75 wegen ihres naiv-ehrlichen Engagements im „Letzten“ zurecht gewiesen wurde. Dort schimmerte der alte, immer wieder umkämpfte/ umstrittene Konflikt um das Pro oder Contra gesellschaftlicher Intervention auf: „Schulen müssen die freie Entfaltung und die individuelle Entwicklung der Persönlichkeit fördern“, so lautete ein Slogan des von „tollwut“ initiierten Bündnisses gegen Schulschließungen, was weit über übliche Forderungen von Realo-Schul-PolitikerInnen hinausging / geht. Diese feine Unterscheidung zwischen eindimensionaler Realo-Reform-Politik und reformorientierter Politik mit radikalem, emanzipatorischem Anspruch interessierte aber nicht. Weil die „Schulen der Gegenwart, „nur dann lizenzfähig“ seien, „wenn sie aus jungen Menschen jenes Humankapital formen, das der Markt abverlangt: wandelnde Warenformen – gefügig und zu jeder Schandtat im Namen des Humanismus und der Menscherechte bereit.“ empfahl Ralf seinerzeit die Konstituierung eines Bündnisses „für Schulschließungen“.
Zugegebenermaßen wurde diese Idee damals im Zusammenhang der partei(nahen) Anti-SchulschließerInnen auch durchaus diskutiert. Die ebenfalls im CEE IEH gedruckte (naiv-ehrliche) Reaktion auf den Ralfschen Anwurf markiert sodann auch die – gebliebene – Differenz in der politischen Stoßrichtung zwischen Leuten, die sich für eine Partei oder ähnliche interventionistische Organisationsformen entscheiden und den Zusammenhängen, für die das CEE IEH da und identitäre Folie ist: „Bildung unter anderen gesellschaftlichen Bedingungen – sehr gerne, aber wie kann mensch hier und jetzt eingreifen?! Wir wollen der Willkür von PolitikerInnen und BürokratInnen gestaltend […] entgegentreten – das mag reformistisch klingen – mag es auch sein – aber damit kommen wir klar.“.
Der 11.9.2001 war für die linken Zusammenhänge in Leipzig, jedenfalls die reflektierten, eine krasse Zäsur. Das CEE IEH führte die Debatte jenseits der antiamerikanischen Häme und machte antideutsche Perspektiven stark. Dies beeinflusste auch die „kritischen linken PDS-Zusammenhänge“. Jede/r kann sich sicherlich daran erinnern oder durchlebt ähnliches gar noch heute: Das Ringen um die Radikalität in der Positionierung für Israel zerklüftete politische und auch persönliche Zusammenhänge. Ganz explizit ist der kritische Unterton in dieser Feststellung nicht auf den notwendigen Bruch mit den ideologischen Israel-Hassern und eindimensionalen, patriarchalen „UnterdrückerInnenbefreierInnen“ bezogen. Nein, besonders hart schlug und schlägt sich die Bresche zwischen die, die – als gemeinsame Grundlage – Antisemitismus als eigenständige, potentiell eliminatorisch ausbrechende Feindschaft gegen Juden und Jüdinnen ernst nehmen, und auch nicht über Israels Existenzrecht diskutieren mögen, die aber differente Bewertungen der realpolitischen Nahostpolitik unterscheiden.
Die emotionalen Debatten um Israel und der identitäre Zuordnungsdrang (antideutsch oder eben nicht) erfasste also auch die linke PDS-(nahe)-Jugend. Das wäre nicht weiter erwähnenswert, wenn dieser sehr hart ausgetragene Disput nicht auch im hier und heute im Fokus stehenden CEE IEH ausgetragen worden wäre. Xena meinte sich in der Ausgabe #87 für Proteste gegen das Verbot der Proteste gegen die Münchner Sicherheitskonferenz und für eine politische Kultur jenseits der Unterstellungen („alles Antisemiten“) ins Zeug legen zu müssen. Ernie und Bert holten in der Ausgabe #88 zum Schlag gegen diese Positionierung aus, indem sie die von ihr kritisierte, generalisierende Polemik gegen antimilitaristische Linke noch mal stark machten.
Here we are: Die „Kritik der Antifa“, die Debatte um „Aufklärung als Vorbedingung von Emanzipation“ versus die Notwendigkeit des Bruchs mit den Prinzipien der Aufklärung, Kritik des Islam(ismus) – diese Debatten ausgiebig diskutiert und seziert zu haben, das ist ein echter Verdienst des Geburtstagskindes. Auch an der oben erwähnten Israel-Soli-Front hat das CEE IEH heftig mitkonstituiert. Und in diesem Sinne ist es auch seine Verantwortung, dass sich dieses Bekenntnis nicht (noch) mehr auf einen kulturalistischen Bekenntnis-Gestus reduziert.
Wenn das CEE IEH etwas kennzeichnet, zumindest seinen Politteil, ist es der hämisch-kritische Blick auf „die Linke“, auf sich alternativ wähnende Szenen, eigentlich auf alles, was sich pauschal als gesellschaftliches Außen beschreiben lässt. Alles, ja wirklich alles in Frage zu stellen, das charakterisiert das CEE IEH und das ist gut so.
Wiewohl auf die eigene Verwobenheit in die unterdrückenden Menschen auf ihre Verwertbarkeit reduzierenden Verhältnisse in Permanenz hingewiesen wird, scheinen sich Redaktion und SchreiberInnen des Newsflyers mehrheitlich im outside zu wähnen, an einem Platz, an dem sich dozierend über so Vieles erhoben wird. Nein, nein, das ist nicht dialektisch.
Verwunderlich allerdings, dass dieser arrogante, wahrheitsbeanspruchende Gestus zu einem unglaublichen Kult-Status führt und auf eine nicht unbedeutende Zahl von jungen Leuten anziehend wirkt. Folgerichtig aber im Sinne eines weltanschaulichen Stranges, der das CEE IEH durchzieht. Da die Gesellschaft ja so ist wie sie ist und transformatorische Umstürze eher regressive als emanzipatorische Züge tragen würden, geht's auch nicht mit einer pluraleren, emanzipatorischeren Methode, mh?
Nun aber genug der ernsthaften, gutmenschelnden und teilweise eindimensionalen Anmerkungen und hin zum Schmeicheln: es ist jedes Mal spannend eine neue Ausgabe des CEE IEH in den Händen zu haben, zitternd durchzublättern und zu scannen, wen der Stachel der Kritik diesmal trifft ;)
Wenn nicht identitär-abgrenzend, wenn nicht „antideutsch hetzend“, kompromisslos die Werte der bürgerlichen Aufklärung verteidigend und Kritik mit dem Holzhammer übend, dann wäre das CEE IEH nicht das CEE IEH und somit wenig spannend.
Und natürlich bleibt nicht zu vergessen und gehört zu erwähnen, dass Ausgabe für Ausgabe und das seit vielen Jahren, viele Bands abgelichtet, empfohlen oder kritisiert wurden. Unvergessen hierbei, die persönliche Anekdote, wie die amerikanische Band „Against me!“ 2006 ins CEE IEH „geschleust“ wurde. Parallelen zur Titanic und der WM 2006 sind rein zufällig.
Wenige e-Mails genügten, kurze Empfehlung zum Label und die Gruppe des Verlangens tauchte im Newsflyer auf, obwohl Leipzig da noch gar nicht im Tourplan auftauchte. Wenn's doch immer so einfach wäre. Oder auch die selbst ernannte Nachfolgerband von Slime – Rubberslime (SIC!), die eben nicht im CEE IEH aufspielen konnten (Stichwort, die alten (USA)Texte)) und sich Stefan Mahler (Ex-Drummer und Haupttexter Slimes) dazu meldete. Diese Debatten hallen beständig für viele Jahre nach und ist man nicht fast bestrebt, dessen dankbar zu sein? So hat auch in dieser Hinsicht, jede Szene, jede Subszene, ihren eigenen kleinen Belzebub, den es mit dem selbigen dann austreibt. Das CEE IEH darf da für vieles herhalten und es ist sicher keine wagemutige These, dass es das auch ganz gerne tut. Und das tut es.
Schließlich waren Debatten solcher Art oft genug Auslöser dafür, sich überhaupt ein aktuelles CEE IEH zuzulegen. Liest sich eben doch besser, als am zeitgemäßen LCD Bildschirm.
Für viele Gruppen und KünstlerInnen ist es eine Freude im Eiskeller zu spielen und man kann sich eigentlich immer sicher sein – der Blick auf die Zeitschiene auf der Rückseite wird ein sich lohnender sein. Allein, erklären, was es denn mit Oi! The Meeting nun so auf sich hat und daran so klasse ist, dieser Text wurde noch nicht gefunden. Aber das ist ja nun auch wieder ein Thema, das im anderen, schon beschriebenen Teil platzen könnte. Gerade ob seiner Paradoxie.
Anyway, ungezählte Konzerte im Eiskeller, ungezählte Newsflyer dazu, dabei sollte es bleiben. Auch wenn man Turbostaats Aussage „Ein [...] Konzert sollte nie mehr als 10 € kosten.“ noch mal mit schwarzem Edding unterstreichen kann.
Aber auch dazu gibt es ungezählte Stellungnahmen, sicher nicht immer überzeugend. Aber auch hier gilt einmal mehr, dann wäre das CEE IEH, eben nicht das CEE IEH. Auf die nächsten!

Kritische junge Linke aus dem linXXnet-Umfeld (linke-bueros.de)


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last modified: 24.12.2007