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#229, Dezember 2015
#227, Oktober 2015

Aktuelles Heft

INHALT #220

Titelbild
Editorial
• das erste: Macheten und Pop-Musik
Subidiotikon
Neues vom Untergrundwortschatz
Electric Island: Escape to Olganitz
Gavlyn, Oh Blimy
Crown the Empire
Curse
Acid on the Low
Chelsea Grin
Klub: Sonntag!
Deerhoof
Betraying the Martyrs
SleepIn Island
Electric Island: Map.ache
Sleepmakeswaves
• position: Von Schneeberg nach Dresden
Kiez sweet Kiez
• doku: Wie die Identität unter die Deutschen kam
• doku: Europäischer und arabischer Antisemitismus
• doku: »Kenne deine Grenzen«
• doku: Aktueller Revisionismus
• doku: Die neue Achse der Macht
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• das letzte: Das Letzte

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Von Schneeberg nach Dresden

Ein neues Kapitel sächsischer Demokratie

So geht sächsisch! In Dresden droht sich die konformistische Revolte von Schneeberg zu wieder-holen.(1) Damit gerät der hilflose Antifaschismus, der offenen und verdeckten Neonazis das Nazi-Sein nachweist, erneut an seine Grenzen. Ebensowenig erfolgversprechend ist die wiederholte aufklärerisch-bürgerliche Widerlegung der »Vorurteile« und »Ängste« der dort Versammelten.(2)
Wo »patriotische Europäer« mit Deutschlandfahnen nicht zur Verteidigung oder gar Ausweitung der Errungenschaften der Aufklärung und erkämpfter politischer (und sozialer) Freiheiten, sondern einer »christlich-jüdischen Identität des Abendlandes« die Straßen säumen, geht es um anderes. Dass sich inmitten der fröhlichen, seligen und gnadenbringenden Weihnachtszeit 17.500 Wir-sind-das-Volksangehörige auf Dresdens Straßen und Plätzen versammeln, schien nach
dem politischen Erfolg von Schneeberg nicht unwahrscheinlich. Doch der Rest der selbsternannten Schlafwandlernation reibt sich verwundert die Äuglein: was ist da los und wo kommen nur
all die Leute her? Ein kurzer Blick auf die Wahlergebnisse der vier Monate zurückliegenden Landtagswahl hingegen genügt, um das wirkliche Potenzial abschätzen zu können.(3) Das weitgehende Scheitern des Versuchs, das Pegida-Konzept in andere deutsche Städte zu exportieren, verweist
zugleich auf die Grenzen seiner Verallgemeinerbarkeit. So lässt sich der Erfolg dieses Protest-
formats im Tal der Ahnungslosen auch als geschickte Anknüpfung an die den DresdnerInnen
über Jahre von Regierungsseite eingeübte stille Verteidigung des Status Quo gegen eingereiste »ExtremistInnen« am 13. Februar begreifen.
Die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung (SLpB) hatte frühzeitig ein gutes Gespür für diesen Zeitgeist bewiesen und »Macht Religion Politik« zu ihrem Jahresthema 2014 erklärt. Der beigefügte Slogan »Ich stehe hier und kann auch anders« erweckt angesichts des Geschehens in Dresden den Eindruck, ihre politische Bildungsarbeit habe durchaus einige Wirkung entfaltet. Denn auch sie weiß um die angeblich maßgeblich christlich-jüdische Prägung des »gängigen
Wertekosmos« »in unseren Breiten« und mochte darüber »trefflich streiten«, »wie diese Wertmaßstäbe auszulegen sind und welche Werte den einzig verbindlichen Maßstab bilden sollten.«
»Dabei muss es nicht gleich um grundlegende gesellschaftliche Fragen gehen, auch die vermeintlich »kleinen« Dinge im Alltag« - man denke etwa an die Namensgebung rund um das Weihnachtsfest(4) – »verlangen einen abgewogenen Standpunkt.«(5) SLpB-Direktor Frank Richter hielt es deshalb auch für wichtig »positiv fest(zu)stellen, dass diese Menschen sich versammlungsrechtlich korrekt verhalten« und man das »nicht diskreditieren« dürfe. »Politiker müssen sich die Argumente der PEGIDA anhören, die sagen: Um Flüchtlinge kümmert sich der Staat, um unsere Fragen und Nöte aber nicht.« Kein Wunder also, dass die SLpB, während zivilgesellschaftliche Organisationen protestierten, einen Pegida-Vertreter auf ihr Podium lud, um mit ihm die Frage »Wie retten wir das Abendland?« zu diskutieren. Auch wenn dieser kurzfristig absprang und die verbliebenen Diskutierenden zu dem Schluss gelangten, dass das Abendland nicht in Gefahr sei, folgte zugleich das auch für die RassistInnen von Pegida obligatorische »aber«. Denn »gerade im Bereich der Einwanderung« gäbe es »Probleme. Diese sind von den dafür gewählten Politikern zu lösen.«(6) Besser hätte das »Pegida-Erfinder« Lutz Bachmann auch nicht feststellen können. Zwei Tage zuvor hatte er mit Unterstützung(7) von BILD erklärt: »Wir hören erst auf, wenn die Asyl-Politik sich ändert!« Und weil einem angesichts der bundesweit dramatisch zunehmenden Straftaten gegen die einkasernierten Asylsuchenden bei dieser Aussage schon mal Bange werden kann, sichert sich diese lieber noch einmal bei ihm ab, ob er »die Masse« bis dahin »überhaupt noch im Griff« habe. Immerhin geriet Bachmann »u.a. wegen Rotlichtgeschichten« früher mal »mit dem Gesetz in Konflikt«. Doch der »guten Führung« im Knast folgt nun die »hervorragende« Zusammenarbeit mit Polizei und Ordnungsamt. Die in Deutschland wichtigste Versicherung moralischer Integrität darf dabei natürlich nicht fehlen und steht deshalb in dicken Lettern darunter: »Bachmann steht zu seiner Vergangenheit.«(8)
Im Begriff von der Bewältigung der Vergangenheit war noch die Ahnung von der äußerlichen Gewalt enthalten, die in der Rede von Identität als Ausdruck von Verinnerlichung längst verschwunden ist. Die scheinbar alternativlos gewordene Moderne hat den Begriff von sich selbst verloren und gibt damit ungewollt die gesellschaftliche Sinnfrage Wer sind wir? frei. Die zunehmende soziokulturelle Heterogenität lässt die lonely crowd auf der Suche nach einer Antwort zu einer anderen gesellschaftlichen Sinnfrage flüchten: Wo kommen wir her?
Die TeilnehmerInnen der Pegida-Demonstrationen versuchen beiden Fragen mit der gebetsmühlenartigen Selbstversicherung »Wir sind das Volk« als dominanter Parole und dem Zeigen von Deutschlandfahnen und Schildern ihrer Herkunftsorte beizukommen. Angesichts der drückenden heteronomen Realität drängt sich den Versammelten jedoch eine weitere gesellschaftliche Sinnfrage auf, nämlich Wer ist Schuld? Dass »Islamisierung« hier nur als Chiffre verstanden werden kann,(9) wusste selbst AfD-Chef Bernd Lucke bei Günther Jauch zu berichten. Die ökonomische wie soziokulturelle Doppelbedrohung destabilisiert die mühsam zusammengehaltene Alltagsreligion der in Dresden versammelten mittleren Bourgeoisie und des traditionellen Kleinbürgertums,(10) bzw. von »Konservativen, Mittelstand und Handwerk«, wie CDU/CSU-Fraktionsvize Hans-Peter Friedrich (CSU) sie nannte. Der Verweis der Pegida-OrganisatorInnen auf CDU-Plakate aus dem Gründungsjahr der BRD lässt die Rückbesinnung auf ein gesellschaftliches Wunschbild erahnen, dem die materielle Substanz längst abhanden gekommen ist. »Islamfeindschaft« als »neues Gewand des Rassismus« ermöglicht ihnen jedoch eine doppelte Verteidigung des imaginierten Status Quo: die heterophobe Abwehr einer modernen multiethnischen und -kulturellen Gesellschaft und die in bester Kolonialtradition stehende Abweisung einer »vermeintlich rückständigen ... islamischen Kultur«(11).
Auch SlpB-Direktor Richter attestierte den Sachsen, »ein sich selbst als sehr homogen verstehen-des Volk mit einer großen Vorliebe für ihre Kultur und für ihre Tradition« zu sein, »die sich oft auch verteidigen muss gegen das Fremde.«(12) Nach Neujahrsbeginn lud er deshalb erneut die »im
Guten Sinne des Wortes besorgten Bürger«(13) ein, um »zu zeigen, dass man öffentlich fair zur Fragestellung diskutieren kann«(14). Der geladene Dresdner Politikwissenschaftler Werner Patzelt mutierte dort kurzerhand zum Politikberater der sächsischen Landesregierung. Die Medien sollen mehr differenzieren und die Politik ihren »belehrenden Duktus« aufgeben – »das komme schlecht an.« Besonders aber die CDU hätte bisher »eher durch ‚Feigheit‘ geglänzt, statt zu integrieren«. Man liest zweimal und fragt sich: war das jetzt Kritik an der sächsischen Asylpolitik? Selbstverständlich nicht, denn Patzelt versteht unter Integration die AnhängerInnen von »Pegida zu erreichen. Sonst macht das die AfD.« Doch solange die Schäfchen noch nicht zur großen Herde zurückgekehrt sind, sieht er die Pegida-OrganisatorInnen in der »Pflicht zur Führung«. Die wahren Antidemokraten aber macht Patzelt unter den GegendemonstrantInnen aus: »bei Lichte besehen »liefe deren Kritik nämlich« auf eine Verkürzung des Rederechts und der Pluralität hinaus. Problematisch seien auch ‚Nazis raus‘-Rufe, wo gar keine Nazis sind.«(15)
Und obwohl natürlich Neonazis und Hooligans bei Pegida mitlaufen, weist die Mehrheit ihrer AnhängerInnen selbst den Vorwurf des Rassismus weit von sich. Wer soll ihnen das verübeln? Jahrelang haben sie in staatlichen Programmen gegen Extremismus und für Toleranz und Demokratie gelernt, dass Ausländerfeindlichkeit ein aggressiver Ausdruck von Intoleranz sei. Der evangelische Prediger im Ruhestand, Klaus Pehlke aus Hannover, brachte dieses Bewusstsein in einem Rundfunkbeitrag ungewollt auf den Punkt. Bevor er nach langem Zögern Asylberechtigte in geerbten Häusern unterbrachte, waren er und seine Frau sich beim Inserieren immer »in einem einig: keine Ausländer.» Weil aber, wenn man sich selbst so reden hört, schnell Missverständnisse aufkommen können, schob er gleich nach: »Das ist jetzt nicht rassistisch gemeint, sondern wir hatten einfach Angst. Verstehen Sie?«(16)

Dieses Selbstbild findet sich auch bei der Mehrheit der AnhängerInnen von Pegida. Nicht aggressiv und intolerant, sondern für (eine identitär verstandene) Demokratie und aus Angst um die ihnen als StaatsbürgerInnen verbliebenen freiheitlichen Privilegien gehen sie auf die Straße. Die wahnhafte Angst vor sie selbst betreffenden islamistischen Terroranschlägen in Deutschland, die einige DemonstrationsteilnehmerInnen in Fernsehinterviews äußerten, ist durchaus eine allgemeine. Im Oktober, als die Berichterstattung über die ISIS-Massaker von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) mit der Sorge um Anschläge zurückgekehrter deutscher ISIS-Freiwilliger sekundiert wurden, befürchteten Umfragen zufolge auch 60% der Bevölkerung Terroranschläge in Deutschland. Einen Tag nach dem islamistischen Terroranschlag auf das französische Satiremagazin Charlie Hebdo war dieser Wert zwar auf knapp 50% geschrumpft, doch eine Mitarbeiterin vom ARD-Deutschlandtrend wies richtigerweise darauf hin: »Die Ereignisse von Vortag sind noch sehr frisch. Wir haben schon oft festgestellt, dass sich aktuelle Entwicklungen erst mit Verzögerung in den Umfragen bemerkbar machen.«(17) Und das Potenzial für das politische Geschäft mit der Unsicherheit ist groß: wie 62% der Pegida-AnhängerInnen finden auch 42% der Gesamtbevölkerung, dass die gesellschaftliche wie individuelle Unsicherheit zugenommen habe. Max Horkheimers vielzitierter Halbsatz, dass »Schutz … das Urphänomen von Herrschaft« sei, bezieht seinen Sinn aus der nicht zitierten anderen Hälfte: das Wachen der Herrschenden »über die Reproduktion des Lebens«(18) der Beherrschten. Nicht ihren Lebensstandard (23%) oder Arbeitsplatz (11%) sehen die Pegida-AnhängerInnen in Gefahr, sondern ihre finanzielle Absicherung im Alter (52%), die Zukunft ihrer Kinder (35%) und die gesellschaftliche Stabilität (48%) im Allgemeinen. Der Neoliberalismus individualisiert Risiken der sozialen Reproduktion und verschiebt auf Ebene der politischen Herrschaft das Gewicht im Zusammenspiel von Schutz und Ausbeutung zugunsten der Letzteren. Die Reaktion der noch im ausgehenden Fordismus Sozialisierten ist der Ruf nach dem Staat. Er soll weiter die Absicherung der Nicht-Teilnahme am Arbeitsmarkt im Alter und die Reproduktion des familiären wie gesellschaftlichen Status Quo ermöglichen. Der Eigennutz, so Horkheimer, ist das Prinzip der Vernunft in der Klassengesellschaft. Er »begründet die Unterordnung des Einzelnen unter das Ganze, soweit seine Macht nicht ausreicht, es zu seinen Gunsten zu verändern, soweit das Individuum allein verloren ist.«(19) Eben aber dieses politische Tauschgeschäft von Schutz und Ausbeutung scheint den AnhängerInnen von Pegida prekär. Das zeigt sich auch im Verhältnis zur Asylpolitik. Wenn auch stets in geringerem Maße als die Gesamtbevölkerung, so befürworten doch 87% der Pegida-AnhängerInnen die Aufnahme von Flüchtlingen, die vor (Bürger-)Kriegen oder vor Hunger- oder Naturkatastrophen (73%) geflohen sind. Anders als diese gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen fehlender Schutz (als auch Ausbeutung) das Tauschgeschäft politischer Herrschaft unmöglich werden lassen, sinkt die Zustimmung bei politischer, religiöser oder ethnischer Verfolgung (≈ 65%), weil hier eine mangelnde Unterordnungsbereitschaft unterstellt werden kann. Besondere Ablehnung (73%) trifft jedoch sog. Wirtschaftsflüchtlinge (die ohnehin nicht asylberechtigt sind), da sie verdächtigt werden, den Preis der Ausbeutung unterlaufen zu wollen oder aber den für Staatsangehörige bestehenden zu erhöhen. Gerade die Debatte um die jüngste Studie der Bertelsmann-Stiftung zum Beitrag von Ausländern und künftiger Zuwanderung zum deutschen Staatshaushalt spiegelt diesen Zusammenhang wider.(20)

Ausbeutung wiederum sieht man im Dresdner Rathaus und der sächsischen Staatskanzlei in Gefahr. Beim Neujahrsempfang des städtischen Energieversorgers versuchte Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) die geladenen »Stadträte und Wirtschaftsbosse« zu beruhigen. Man wisse, dass es jetzt »außerordentlich wichtig« sei, »dass wir zeigen das Dresden und Sachsen weltoffen sind.«(21) Weltoffenheit wird zur ersten Bürgerpflicht, wo »mit einem Anteil von 18 Prozent ... die ausländischen Märkte besonders wichtig für den Dresden-Tourismus«(22) sind. Immerhin verbucht die Branche in der Stadt Brutto-Umsätze von jährlich 987,9 Mio. Euro. Und weil Tillich zwar weiß, dass »Menschen aus der ganzen Welt ... wegen unserer reichen Kultur zu uns« kommen, das objektivierte Kulturkapital Dresdens sich jedoch ohne das soziale Kapital seiner BürgerInnen nicht in ökonomisches transformieren lässt, spricht er ihnen ins Gewissen: »müssen wir dann nicht auch besonders gastfreundlich und weltoffen sein?«(23) Die Ermahnung war auch für die AnhängerInnen von Pegida gedacht, weshalb die gemeinsame Veranstaltung von Stadt- und Landesregierung zunächst unter dem Motto Wir sind eine Stadt, ein Land, ein Volk angekündigt wurde und »nicht als Gegenveranstaltung zu den Pegida-Demonstrationen verstanden«(24) werden wollte. Zuvor war bereits CDU-Fraktionschef Frank Kupfer auf Tuchfühlung mit Pegida gegangen und hatte deren 19-Punkte-Papier als »Gesprächsgrundlage« bezeichnet, von der er »einige Punkte ... sofort unterschreiben« könne. Auch die AfD sei eine »normale demokratische Oppositionspartei«, deren »komplette Ausgrenzung … für die Union langfristig« nicht sinnvoll sei. »Viel eher Erklärungsbedarf« gäbe es »im Umgang mit den Linken.«(25)

Gegenüber den Pegida-OrganisatorInnen versucht Tillich an die erfolgreiche Strategie seines Innenministers Markus Ulbig (CDU) in Schneeberg anzuknüpfen. Der hatte dort die NPD-Führung gegenüber ihren MitdemonstrantInnen als demagogisch bezeichnet und im Gegenzug seine juristische wie politische Zuständigkeit betont. Auch Tillich erinnerte jüngst daran, wer hier als Regierung überhaupt Herrschaft ausüben kann und hob zugleich die fehlende Umsetzungsfähigkeit der Pegida-OrganisatorInnen hervor, die »bisher … kein Problem gelöst oder zu einer Lösung beigetragen«(26) hätten. Mit der AfD gibt es aber mittlerweile eine Partei in drei ostdeutschen Landtagen, die zum parlamentarischen Arm der Pegida-SympathisantInnen werden könnte. Eine Regierungsbeteiligung mit der CDU kam für Tillich bisher nicht in Frage, weil sie als Partei, »die gar keine Strukturen hat beziehungsweise gerade dabei ist Strukturen aufzubauen, ja gar nicht in der Lage ist, eine Koalition zu bilden beziehungsweise Regierungsverantwortung zu übernehmen.«(27) Mit der Ankündigung, in Zukunft Oppositionsanträge (außer von der Linkspartei) nicht mehr generell ablehnen zu wollen, soll die AfD jedoch in politischer Abhängigkeit der CDU-geführten Regierung gehalten und der sich in Bereichsopposition befindliche Koalitionspartner SPD unter Druck gesetzt werden. Was Wolfgang Wippermann vor vier Jahren als »sächsische Demokratie« bezeichnete, ist gerade dabei, auf seinen Begriff zu kommen. Ein salto mortale scheint trotz aller Notwendigkeit weiter entfernt denn je.


shadab

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Anmerkungen

(1) Vgl. http://ag5.blogsport.de/2014/02/14/schneeberg-ein-wahlkampfmaerchen-ii/
(2) Theodor W. Adorno hat bereits 1946 darauf hingewiesen, dass (faschistische) Propaganda »auf den unbewußten Mechanismen« der Menschen »spielt« und deshalb auch (siehe Pegida) »positive politische Programme, Forderungen oder irgendwelche konkreten politischen Ideen [...] im Vergleich mit den [...] psychologischen Stimuli [...] nur eine geringe Rolle« spielen. In seinem späteren Aufsatz Erziehung nach Auschwitz floss diese Beobachtung in ein Konzept aufklärerischer Praxis ein: »Man muß die Mechanismen erkennen, die die Menschen so machen, [...] muß ihnen selbst diese Mechanismen aufzeigen und zu verhindern trachten, daß sie abermals so werden, indem man ein allgemeines Bewußtsein solcher Mechanismen erweckt.« Zu berücksichtigen bleibt bei alledem jedoch, dass sich in den (Pegida-)Themen, wie Leo Löwenthal feststellte, »entstellte Versionen echter sozialer Probleme« darstellen.
(3) Allein in den Dresdner Wahlkreisen, d.h. ohne Umland, erhielt die den Pegida-AnhängerInnen ideologisch am nächsten stehende AfD 19.809 Zweitstimmen. Hinzu kommen ca. 8.700 von NPD/DSU/Pro Deutschland und eine nicht abschätzbare Anzahl von FDP- und NichtwählerInnen.
(4) Vgl. http://www.bildblog.de/62255/das-bams-maerchen-vom-weihnachtsmarktverbot/
(5) http://www.bild.de/regional/dresden/migrationspolitik/dresden-und-die-pegida-demos-38906636.bild.html
(6) https://www.facebook.com/slpb1/posts/10152911079641797 Da dann aber anscheinend doch Unklarheit über die Probleme existiert, folgt in der Kommentarspalte noch der wohlgemeinte Ratschlag: »Wenn Pegida als politische Kraft wirksam sein will, muss es zumindest seine Forderungen, besser auch Lösungsansätze, in den Diskurs einbringen.«
(7) Vgl. http://www.bildblog.de/62469/vom-untergang-des-abendlandes-kann-bild-ein-liedchen-singen/
(8) http://www.bild.de/regional/dresden/demonstrationen/pegida-erfinder-im-interview-38780422.bild.html
(9) Die rassistische Hetzjagd in der Centrum-Galerie am Rande einer Pegida-Demonstration, der Mord an der ägyptischen Apothekerin Marwa Al-Sherbini 2010 und die Überfälle auf Dönerläden infolge des gewonnenen Fußball-EM-Spiels gegen die Türkei 2008 zeigen jedoch, wie schnell das islamfeindliche Klima in Dresden sich in Gewalt manifestieren kann.
(10) Vgl. Nicos Poulantzas: Klassen im Kapitalismus – heute, Berlin 1975, S. 252.
(11) O. Decker/J. Kiess/E. Brähler: Die stabilisierte Mitte – Rechtsextreme Einstellung in Deutschland 2014, Leipzig 2014, S. 48.
(12) http://www.deutschlandfunk.de/pegida-demonstrationen-das-ist-alles-ernst-zu-nehmen.694.de.html
(13) Maybritt Illner: Aufstand für das Abendland - Wut auf die Politik oder Fremdenhass?, Sendung vom 11.12.2014
(14) http://www.slpb.de/blog/pegida-im-aquarium-versuch-eines-oeffentlichen-dialogs/
(15) Ebd.
(16) »Deutschland heute« vom 3.11.2014 im Deutschlandfunk
(17) http://www.tagesschau.de/inland/deutschlandtrend-239.html Zweifel an der Vergleichbarkeit beider Werte sollten jedoch im Zusammenhang mit der jeweiligen Fragestellung aufkommen: Im Oktober wurde explizit Bezug auf den ISIS-Terror, im Januar auf den Terroranschlag in Paris genommen.
(18) Max Horkheimer: Vernunft und Selbsterhaltung, in: GS Bd. 5, Frankfurt am Main 1987, S. 333.
(19) Ebd., S. 323.
(20) Vgl. http://jungle-world.com/artikel/2015/02/51198.html Umso gefährlicher ist der schiefe Rassismusbegriff der Autorin Anja Krüger, die dem Ifo-Präsidenten Hans-Werner Sinn attestiert, »kein Rassist, sondern schlicht ein Neoliberaler« zu sein.
(21) http://www.bild.de/regional/dresden/pegida/ob-orosz-ruft-zum-protest-gegen-pegida-39224972.bild.html
(22) http://www.dresden.de/de/07/021/branchenvielfalt/wirtschaft-tourismus.php
(23) Rede auf der Kundgebung Für Dresden, für Sachsen – für Weltoffenheit, Mitmenschlichkeit und Dialog im Miteinander am 10.01.2015
(24) http://www.freiepresse.de/SACHSEN/Das-andere-Dresden-artikel9083932.php
(25) http://www.freiepresse.de/NACHRICHTEN/SACHSEN/Man-muss-dem-Volk-aufs-Maul-schauen-artikel9076681.php
(26) http://www.tagesspiegel.de/politik/streit-mit-initiativen-fuer-fluechtlinge-sachsen-zieht-gegen-pegida-nicht-an-einem-strang/11195884.html
(27) http://www.deutschlandfunk.de/pegida-proteste-tillich-organisatoren-sind-nicht-zum-dialog.868.de.html

05.03.2015
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