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das Erste, 0.9k

Oktoberrevolution reloaded?


Sich ein kritisches Urteil über die große bolschewistisch-russische Revolution von 1917 zu bilden, fällt schwer, denn was als eine umfassende proletarische Weltrevolution durch Lenin (1870-1924) geplant war, scheiterte und führte nicht zu der gewollten weltweiten Befreiung von Herrschaft, Ausbeutung und Unterdrückung, zu einer staaten- und klassenlosen Gesellschaft (Marx), sondern zu einer totalitären Herrschaftsform, die mehreren Millionen Menschen das Leben kostete und damit zu dem Scheitern eines an sich ehrenwerten Versuches. Die Diktatur des Proletariats wurde angestrebt, jedoch als eine Übergangsphase begriffen, in der der Staat soweit absterben sollte, bis eine gewaltvolle Domestizierung von Menschen überflüssig wäre. Mit dem Scheitern der russischen Oktoberrevolution und den sich daran anschließenden Fragen(1) ist eine notwendige Auseinandersetzung in Gang gesetzt, die in jedem Fall weiter ausgetragen werden muss, soll denn irgendwann einmal eine bessere Gesellschaft von Menschenhand geschaffen werden, die sich nicht der Kontrolle der Menschen entzieht, die sich nach deren individuellen Bedürfnissen richtet unter Rücksichtsnahme der Bedürfnisse der Mitmenschen. Mit dem Umschlag der Aufklärung ist die Menschheit nicht in einen wahrhaft menschlichen Zustand eingetreten, wie Adorno und Horkheimer feststellten (Vgl. Dialektik der Aufklärung, Vorrede), sondern in einen barbarischen Abgrund gefallen, der spezifisch am deutschen Vernichtungsantisemitismus sich festmacht. Seitdem gilt es kategorisch Ähnliches wie Auschwitz in Zukunft zu verhindern. Die Frage ist nur, ob sich die als marxistisch-leninistisch, sozialistisch, kommunistisch, maoistisch, trotzkistisch usw. Gruppierungen, Parteien und Staaten genau jener Verhinderung bewusst sind und ob sie nach einer Gesellschaft streben, in der der Rückfall verunmöglicht ist. Lenin ahnte bereits, dass man die „zurückgebliebeneren Staaten und Nationen, in denen feudale oder patriarchalische und patriarchalisch-bäuerliche Verhältnisse überwiegen,[…] insbesondere im Auge behalten“ muss, um reaktionäre Tendenzen zu unterbinden, die heutzutage – als ob er gewusst hat wozu die antiimperialistischen Nachfolger fähig sind – zur vollen Blüte gelangen. An drei von mir herausgegriffenen Punkten macht er dies schon 1920 fest: Erstens „die Notwendigkeit, daß alle kommunistischen Parteien die bürgerlich-demokratische Befreiungsbewegung in diesen Ländern unterstützen […]; zweitens die Notwendigkeit, die Geistlichkeit und sonstige reaktionäre und mittelalterliche Elemente zu bekämpfen, die in den zurückgebliebenen Ländern Einfluß haben; drittens die Notwendigkeit, den Panislamismus und ähnliche Strömungen zu bekämpfen, die die Befreiungsbewegung gegen den europäischen und amerikanischen Imperialismus mit einer Stärkung der Positionen der Khane, der Gutsbesitzer, der Mullahs usw. verknüpfen wollen“.(2) Die Evidenz dieser Aussage, die schon wenige Jahre nach dem Beginn der Oktoberrevolution bestechend ist, denke man an die Verbindungslinien zwischen Islamismus und Nationalsozialismus (Vgl. Küntzel, „Djihad und Judenhass“), muss schon sehr konsequent geleugnet werden, wenn man sich die heutigen politisch-solidarischen Positionen zum Islamismus in der Welt anschaut. Die kritische Auseinandersetzung mit unserer heutigen Vergesellschaftungsweise ist folglich nicht ohne weiteres in eine revolutionär-romantische Bewegungsdynamik zu übersetzen, da eben durch die scheinbar richtige Herangehensweise genau die barbarischen Tendenzen gefördert und unterstützt werden, die reaktionär sind. Exemplarisch soll dies im Folgenden kurz umrissen werden:

Transparent, 19.8k

Die „Antikriegspartei“ DKP (Deutsche Kommunistische Partei), die durch ihr Zeitungsorgan „Unsere Zeit“ in Strophenform verlauten lässt, dass sie sich nicht um ihrer selbst Willen gebildet hat, schreibt fröhlich drauf los. “Sie dient der Arbeiterklasse und dem Volk. Sie wirkt mit den Arbeitern für die Arbeiter, mit der Jugend für die Jugend, mit dem Volk für das Volk.“ Den Zusammenbruch des Sozialismus in Osteuropa sieht sie als „die bisher tiefste, bis heute nicht überwundene Niederlage für die internationale Arbeiterbewegung“ an. Sie setzt sich für eine „Massenbewegung von unten“ ein, stellt sich „gegen den Monopolkapitalismus“ und propagiert einen „proletarischen Internationalismus“, der sich am Kommunistischen Manifest von Marx und Engels orientiert. Wichtige Fragen werden durch dieses Wurstblatt aufgeworfen, wie z.B. die, ob Frau Merkel Kinder fressen würde („Unsere Zeit“ vom 31.07.2007)? Wenn sie mit ihren Konzepten zur Armutsbekämpfung, Familien, Kinder- und Sozialpolitik so weitermache, hätte diese „herzlose und raffgierige Politik […] Folgen. Unter anderem wächst unter Kindern und Jugendlichen ohne Perspektive die Gewalt. In den USA, dem großen Vorbild von Frau Merkel und dem neoliberalen Vorreiter, kamen bereits vor acht Jahren 3 365 Kinder und Jugendliche unter 19 Jahren durch Schusswaffen ums Leben - von ihren allgemeinen Lebensbedingungen ganz zu schweigen. […] Und wenn man mich jetzt fragt, frisst Frau Merkel Kinder? Dann sage ich, wenn sie weiterhin nichts tut, aber sicher.“ Dieses Bild, das heutzutage durch deutsche Kommunisten gezeichnet wird, erinnert doch sehr an das raffgierige, egoistische, Völker zersetzende und Kinder fressende Prinzip „Jude“, das durch Antisemiten, Antizionisten und Antiimperialisten weltweit transportiert wird und in der terroristischen Konsequenz tödliche Auswirkungen hat. Die Anschlussfähigkeit traditionell kommunistischer Parteien an solcherlei Ideologien sollte gerade nach den außenpolitisch identischen Positionen der Linkspartei mit der NPD nicht mehr verwundern (Vgl. hierzu den Artikel „Querfront“ in der Jüdischen Allgemeine vom 28.06.2007).
Andere Gruppen wie der Revolutionärer Sozialistischer Bund (RSB), der eine am Trotzkismus orientierte kommunistische Kleinpartei ist und sich dem Selbstverständnis nach als Teil der 1938 gegründeten IV. Internationalen begreift, tritt durch sein Zeitungsorgan „Internationale Pressekorrespondenz“ (INPREKKOR) und den darin enthaltenen Resolutionen zum Nahen Osten in Erscheinung, durch welches es verkünden lässt, dass sie den „weltweiten Protest und aktiven Widerstand gegen die Aggression Israels“ unterstützen. Antizionismus ist heutzutage Grundvoraussetzung für die internationale Arbeiterbewegung, die mit allen Solidarität übt, die sich „der Sache“ verschrieben haben, was sich auch in der Bewunderung von islamistischen Terrorgruppen zeigt, wie durch die internationale sozialistische linke (isl) geschehen. Diese trotzkistische Gruppierung ist eine der beiden Organisationen, die aus der Strömung der Vierten Internationale in der „Vereinigten Sozialistischen Partei“ (VSP) hervorgegangen sind und somit die Tradition der „Gruppe Internationale Marxisten“ (GIM), der „Internationalen Kommunisten Deutschland“ (IKD) und der „Linken Opposition der KPD“ (Bolschewiki-Leninisten) fortsetzen. Linker als links, versteht sich. Und das Märtyrertum abfeiernd: „Die israelische Offensive erlitt eine gewaltige Niederlage: Die Hisbollah konnte nicht nur ihre Abschreckungskraft gegenüber Israel klar unter Beweis stellen, sie konnte den Kampf sogar – erstmals in der Geschichte der israelisch-arabischen Kriege – weit auf israelisches Territorium tragen.“ Eine Mischung, die es in sich hat und zum Kotzen reizt.
Die „Marxistisch Leninistische Partei Deutschlands“ (MLPD – „Die sozialistische Alternative“) sieht sich in der Tradition der Russischen Oktoberrevolution und ruft zu einer „Internationalisierung des Klassenkampfs“ auf – old school par excellence. Die Wochenzeitung dieser Partei „Rote Fahne“ produziert ebenso nur antizionistische Gülle, die durch fast alle linken Kräfte zubereitet und mit Genuss verspeist wird: „Sich aber gegen die Aggression Israels, für Frieden und Völkerfreundschaft und für die Solidarität mit dem antiimperialistischen Befreiungskampf der palästinensischen und arabischen Volksmassen einzusetzen, hat weder mit Antisemitismus noch mit reaktionärem Fundamentalismus zu tun.“ Augen zu und durch! Ebenso der (blinde) Jugendverband der MLPD „REBELL“: „Wir verurteilen die Unterdrückung der Palästinenser und der Libanesen durch die israelische Regierung, gerade weil uns das die Geschichte und das schreckliche Schicksal jüdischer Menschen im Hitler-Faschismus lehrt!“ Wer waren noch mal die Opfer, wer die Täter? Diese statements können schon verwirrend auf „Linke“ wie auch „Rechte“ wirken, gerade wenn es um die Bestimmung von Antifaschismus geht.
Die „Gruppe Internationale Solidarität“ (GIS), die „Autonome Antifa Magdeburg“ (AAMD) und eine Frauengruppe aus Magdeburg, die mit dem Angriff auf eine Diskussionsveranstaltung zum Nahostkonflikt wieder einmal zeigten, dass sich Linke wie Rechte(3) nicht nur durch ihre politischen und antikapitalistischen Positionen, sondern auch durch militante und antizionistische Aktionsformen immer weiter annähern, setzen wie die antiimperialistischen Völkerfreunde und Querfrontler auf menschenverachtende Terrorgruppierungen wie die Hamas, Hisbollah etc. Ob diese sich auch mit der Terrorgruppe des Islamischen Informationszentrums aus Ulm solidarisch erklären, die Anschläge in Deutschland auf amerikanische Staatsbürger und Einrichtungen ausüben wollten, wird sich wohl in Zukunft zeigen.
Mit der sozialistischen Umklammerung des scheinbar bindenden internationalen Charakters des Menschen- und Völkerrechts jedenfalls, rückt die „Assoziation freier Individuen“ (Marx) in immer weitere Ferne. Nach solcherlei statements ist die Frage nach der positiven Bezugnahme auf die Strömungen, Bewegungen, Parteien etc. entschieden zu verneinen, die sich als Nachfolger der Oktoberrevolution verstehen, da sie jegliche emanzipatorischen Tendenzen (Aufhebung der Staatsgrenzen, anti-völkischer Charakter der Internationale usw.), die sich in Russland zu jener Zeit leider nicht durchsetzen konnten, verhöhnen. Sie streben das Gegenteil von dem an, was Freiheit wäre. Sie sind die Reaktion von heute.

Entgegen all diesen reaktionären Vorstellungen und gefährlichen Forderungen, kann die Veranstaltungsreihe der Gruppe GiG („Gruppe in Gründung“) zur kritischen Aufklärung beitragen. Diese Reihe sei hiermit wärmstens empfohlen.

Chris alias api

Ps.: Und noch zum Abschluss eine Seite, die die „links“-„rechts“-Verwirrung komplett macht und zum Verrücktwerden beiträgt! Crazy shit…: nationalanarchismus.org/nationale_anarchie

Anmerkungen

(1) Was geschah während der Revolution; welche Mittel setzte Lenin ein, um die Revolution zum Sieg zu führen; warum ist sie gescheitert; wie haben u.a. Stalin (1878-1953), Mao Zedong (1893-1973) und Fidel Castro die Revolution fortgesetzt bzw. totalitär in ihr Gegenteil verkehrt; gibt es heutzutage ein revolutionäres Subjekt? usw.

(2) www.marxists.org/deutsch/archiv/lenin/1920/06/natfrag.htm „Ursprünglicher Entwurf der Thesen zur nationalen und kolonialen Frage“ (W. I. Lenin, Für den Zweiten Kongreß der Kommunistischen Internationale, 1920)

(3) Solcherlei Gruppierungen sei ein Blick auf die website des Kampfbundes Deutscher Nationalisten (KDS) empfohlen, die eine international-sozialistische Querfront schaffen wollen, die auf die Herkunft der vermeintlich linken Klientel keinen Wert legt und so eine Solidarisierung initiieren, deren antizionistische Gefährlichkeit eindeutig ist. Verwundern sollte es in diesem Zusammenhang nicht, dass diese nationalsozialistische Gruppierung Anschluss an der am Stalinismus orientierten nordkoreanischen Chuch‘e-Ideologie findet, die sich gegen imperialistische Mächte in Stellung bringt.


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last modified: 25.9.2007