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Ist die Aufhebung der bürgerlichen Gesellschaft durch Monopol- und Rackettheorie begründbar?


Einige Anmerkungen zum Thesenpapier „Die schlechte Aufhebung der bürgerlichen Gesellschaft“

Vorbemerkungen

Grundlage dieser Überlegungen ist das Thesenpapier des Hallenser Initiativkreises „Materialien zu Aufklärung und Kritik“ mit dem Titel „Die schlechte Aufhebung der bürgerlichen Gesellschaft“. Ebenso wie dort, soll es auch hier um die Bestimmung der bürgerlichen bzw. nachbürgerlichen Gesellschaft gehen, jedoch anhand der Diskussion zentraler theoretischer Bestimmungen, die im obigen Thesenpapier Verwendung gefunden haben. Zu fragen ist also, inwiefern Begriffe wie „Monopolisierung“ oder „Racket“, aber auch „Spätkapitalismus“ oder „nachbürgerliche Gesellschaft“ zum Verständnis der momentanen gesellschaftlichen Situation beitragen können. Dabei geht es mir hauptsächlich darum, zu zeigen, dass die Schriften der Kritischen Theorie, insbesondere die der 30er und 40er Jahre, worin die Theorie vom kapitalistischen Monopol einen zentralen Stellenwert besitzt, für eine Analyse der heutigen Verhältnisse des Kapitals oder der deutschen Nachkriegsgesellschaft insbesondere nach 1989 (die DDR sei hier mal ausgespart) nur bedingt taugen. Im Unterschied zum Thesenpapier liegt der Schwerpunkt daher auf Theoriekritik, wobei ich darauf hinweisen möchte, dass diese hier in gebührender Form nicht geleistet werden kann. Vieles wird daher nur angedeutet werden können.

Soweit ich das bisher beurteilen kann, zeigt sich im Hallenser Thesenpapier eine Linie antideutscher Theoriebildung, die mit dem Namen Wolfgang Pohrt in Verbindung zu bringen ist. Pohrts Verdienste sind umfangreich: die Kritik deutscher Zustände, des Praxisfetischs der Linken u.ä., doch das
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steht hier nicht zur Debatte. Vielmehr geht es darum, wie die heutige Gesellschaft adäquat zu fassen ist – ob durch das „Wertgesetz“ oder das „Gesetz des Stärkeren“. Den Zentralgedanken der Hallenser Thesen, von dem alles andere her entwickelt ist, sehe ich in folgenden Sätzen der 5. These ausgedrückt:

„Das bürgerliche Zeitalter war also nicht nur durch abstraktes Recht und sachliche Vermittlung gekennzeichnet, sondern auch durch die Herrschaft des Stärkeren, die sich in Form von Rackets zusammenrotteten. Die Tendenz der nachbürgerlichen Zustände ist die Totalisierung der Racket-Herrschaft. ‘Das Racket-Muster, wie es für das Verhalten der Herrschenden gegenüber den Beherrschten typisch war’, so Max Horkheimer in den vierziger Jahren, ‘ist jetzt repräsentativ für alle menschlichen Beziehungen’. Der wohl zentrale Gedanke dieser Entwicklung ist in der wirtschaftlichen Monopolisierung zu suchen.“

Was also ist dran an Racket- und Monopoltheorie? muss man in Anschluss an das hier Formulierte fragen. Beides wurde – so muss man zunächst wissen – im Angesicht der wachsenden Bedrohung durch den italienischen Faschismus, den deutschen Nationalsozialismus und den Sowjetkommunismus entwickelt, eine besondere historische Epoche stand den Protagonisten des Instituts für Sozialforschung damals vor Augen. Und – so muss man notwendigerweise ergänzen – die unter den Stichwörtern „Monopol“ und „Racket“ entwickelte Theorie wurde sogar auf die liberalen Staaten des Westens ausgedehnt, die nur noch nicht gänzlich in diese neue Phase der Vergesellschaftung übergegangen seien.

Meine These ist, dass hierin eine Schwäche der Kritischen Theorie besteht, weil ihr damit die Unterschiede der verschiedenen staatlichen Systeme unter der Hand verschwinden: Der Nationalsozialismus, die USA der 40er Jahre und die Sowjetunion stehen alle unter einer universalen Monopolisierungstendenz, die schließlich in den totalitären Staat führt.
Auch im Thesenpapier reproduziert sich dieser Fehler, wenn mit Zitaten aus der Beschreibung des NS oder des Sowjetkommunismus (Horkheimer zum autoritären Staat) Sachverhalte begründet werden, die die heutige gesellschaftliche Situation beschreiben sollen. Ich will nicht falsch verstanden werden: auch ich würde von Postfaschismus oder Postnazismus sprechen, um die Bundesrepublik nach 1945 zu bezeichnen – nur wenn man das tut, muss man ausweisen können, worin die Differenz zwischen Nationalsozialismus und Postnazismus/Postfaschismus bestehen soll. Wenn man aber von „Totalisierung der Racket-Herrschaft“ spricht, scheint das eher mit einer Potenzierung faschistischer Tendenzen, statt einer Zurückdrängung oder Niederschlagung verbunden. In der Beschränkung auf Monopol- und Rackettheorie, so meine Behauptung, werden alle Katzen grau. Das will ich im Anschluss mit einigen Stichpunkten begründen.

I. totalitäre Monopolwirtschaft oder Staatskapitalismus?

Hat man eine Theorie vom Monopol, muss man von der Konkurrenz über den Markt nicht mehr sprechen. Monopole müssen nicht konkurrieren, sie wirtschaften über Absprachen, politischen Einfluss, Erpressung, kurz: über das, was man allgemein als unlauteren Wettbewerb bezeichnet. Doch wer unterbindet diesen unlauteren Wettbewerb?

In Franz Neumanns Theorie einer totalitären Monopolwirtschaft ist dieser Zustand die Regel und wird nicht unterbunden. Vielmehr ist das, was einstmals darüber wachte, zum technischen Mittel der Herrschaft der Monopole geworden. Neumann hat den Nationalsozialismus im Blick. Dort gibt es kein Recht im ursprünglichen Sinn mehr, das Recht ist zum technischen Mittel geworden, wie Neumann darlegt: Im Führerbefehl herrscht die Identität von Recht und Souverän. Das Problem Neumanns ist jedoch, dass er zwar erklären kann, wie das Recht zum Herrschaftsinstrument einer mörderischen Bande wird, der Sinn dieser ganzen Unternehmung bleibt ihm aber umso mehr verborgen. Er kann so etwas wie die Verselbständigung einer Ideologie nicht denken. Alles geschieht irgendwie im Dienste des Monopols: „Die partikulare Erkenntnis, daß der NS-Staat es einzelnen Unternehmen in einzelnen Branchen ermöglicht hat, >>Monopolprofite<< zu machen, verdeckt demzufolge, worin sein allgemeines Wesen, sein Unwesen, zu sehen wäre“ (Suicide Attack, S. 190), schreibt Gerhard Scheit im Bezug auf Neumann.
Auch bei Friedrich Pollock, der vom totalitären Staatskapitalismus spricht, spielt das Monopol eine Rolle, es wird unter den Staat subsumiert. Deshalb kann vom traditionellen Privatkapitalismus nicht mehr die Rede sein. Der Markt wird durch den Befehl ersetzt, heißt es bei Pollock. Die zwischen Pollock und Neumann stattgefundene Auseinandersetzung kann kurz gefasst darüber erklärt werden, dass der eine das Monopol dem Staat subsumiert (Pollock), das Primat der Ökonomie sich demzufolge in das der Politik verwandelt, der andere aber die Monopolwirtschaft als Erklärungsgrund politischer Entscheidungen versteht und demzufolge energisch das Primat der Ökonomie verteidigt (Neumann). Letztlich lässt sich die Kontroverse auf den Gegensatz von Herrschafts- und Profitmotiv zuspitzen.

Der Fortschritt gegenüber beiden auf der Monopolisierungstendenz fußenden Charakterisierungen des NS besteht darin, ihn als Krisenlösung zu fassen, d.h. die Widersprüche des Ökonomischen zu entfalten, die – wie Gerhard Scheit darlegt – nur durch den Souverän im Ausnahmezustand (im NS durch allseitige Vernichtung) aufgehoben werden. Damit gewinnt auch die Formulierung von „negativer Aufhebung“ Substanz. Konkret: Zur Kritik der politischen Ökonomie gehört eine Kritik der politischen Gewalt. Der Staat tritt hier als Krisenmanager einer Ökonomie auf, die in die Krise geraten ist. Heinz Langerhans hat das bemerkt, und zwar ohne eine Theorie des Monopols dafür in Anspruch nehmen zu müssen (vgl. Scheit, Die Meister der Krise, S. 30 ff.). Der andere Theoretiker im Umkreis des Instituts für Sozialforschung, der versucht hat diesen Zusammenhang von Kapital und Krise transparenter zu machen, ist Alfred Sohn-Rethel.
Voraussetzung aber, um die Widersprüche des Ökonomischen zu entfalten, ist ein Begriff des Ökonomischen (oder des Kapitals), der nicht im Monopol aufgeht, sondern zunächst einmal – wenn auch nur begrifflich – einen Widerspruch darlegt. Krisentheorie also heißt, den Begriff des Kapitals als sich widersprechenden zu fassen und diesen Widerspruch in seiner realen Entwicklung nachzuvollziehen: etwa auf der Ebene von Produktion und Zirkulation. Hier ist beispielsweise zu fragen, was es bedeutet, wenn das Kapital als Produktionsverhältnis mit sich selbst als Zirkulationsverhältnis in Konflikt gerät, was beileibe keine bloß theoretische Spielerei ist, sondern in realen Phänomenen, wie Überproduktion oder verschiedenen Formen von Geldkrisen zum Ausdruck kommt.

II. Spätkapitalismus oder Industriegesellschaft?

Auf dem 16. deutschen Soziologentag, der 1968 stattfand, hielt Adorno einen Vortrag mit dem Titel „Spätkapitalismus oder Industriegesellschaft?“. Wer sich ein wenig im Denken Adornos auskennt, der ahnt, dass dieser im Titel angedeutete Gegensatz für ihn nichts ausschließliches hat und vielmehr der in beiden Extremen enthaltene Wahrheitsgehalt auf dem Prüfstand steht:

„Eine schlichte Antwort auf die Frage, die in jener Thematik liegt, kann weder erwartet noch eigentlich gesucht werden. Alternativen, die erzwingen, man müsse für die eine oder andere Bestimmung optieren, wäre es auch bloß theoretisch, sind selber bereits Zwangssituationen, denen in einer unfreien Gesellschaft nachgebildet und auf den Geist übertragen, an dem es wäre, zur Brechung von Unfreiheit: durch ihre hartnäckige Reflexion zu tun, was er kann. Vollends der Dialektiker darf zur bündigen Disjunktion von Spätkapitalismus oder Industriegesellschaft nicht sich nötigen lassen, so wenig er auch an unverbindlichem Einerseits-Andererseits sein Genügen haben kann.“ (S. 357, zitiert nach Soziologische Schriften I)

Wie schon aus dem Zitierten hervorgeht: eine eindeutige Antwort auf die Ausgangsfrage ist Adorno in dem Vortrag schuldig geblieben. Jedoch gibt es einige Indizien, die auch für unsere Diskussion darüber, ob von bürgerlicher Gesellschaft sich heute noch sprechen lässt, interessant sein dürften. Zentral war ja die Frage, ob nun das „Wertgesetz“ oder das „Gesetz des Stärkeren“ (Wolfgang Pohrt) heute gelten. In anderer Fassung ist dies auch bei Adorno die Frage. Um es vorwegzunehmen: Auch hier lässt sich der Dialektiker nicht auf ein Entweder-Oder ein. Er konstatiert zwar, dass der Kapitalismus liberaler Prägung, wie ihn noch Marx vor Augen gehabt habe, vorüber sei, aber – und das ist ziemlich entscheidend – er hält am Begriff des „Tauschverhältnisses“ als „der objektiven Abstraktion, welcher der gesellschaftliche Lebensprozeß gehorcht“ fest. Er sagt dazu: „Die Gewalt jenes Abstraktums über die Menschen ist leibhaftiger als die einer jeden einzelnen Institution, die stillschweigend vorweg nach dem Schema sich konstituiert und es den Menschen einbleut.“ (S. 365)

Hierin deutet sich an, dass Adorno Ende der 60er Jahre verstärkt mit Marx argumentiert. Marx wurde in Frankfurt wieder eingehender diskutiert. Dass auch Adorno von diesen Diskussionen berührt worden ist, ist kein Geheimnis. In gewisser Weise zeigt sich damit auch eine Selbstkritik an Positionen, die im Institut für Sozialforschung in den 30er/40er Jahren formuliert wurden (siehe den obigen Abschnitt). Die Monopoltheorie dient Adorno jedenfalls nicht als universaler Erklärungsgrund.

Unterschlagen will ich jedoch nicht, dass Adorno in dem angesprochenen Vortrag auch der Spätkapitalismusposition ihr Recht verschafft, d.h. demjenigen Extrem, das in unserer Diskussion durch die Behauptung der Ablösung des Wertgesetzes durch das Gesetz des Stärkeren vertreten wird. So formuliert er:

„Die Macht der Produktionsverhältnisse, die nicht umgewälzt wurden, ist größer als je, aber zugleich sind sie, als objektiv anachronistisch, allerorten erkrankt, beschädigt, durchlöchert. Sie funktionieren nicht mehr selbsttätig. Der wirtschaftliche Interventionismus ist nicht, wie die ältere liberale Schule meint, systemfremd aufgepfropft, sondern systemimmanent, Inbegriff von Selbstverteidigung“ (S. 367).

Adorno spricht diesbezüglich vom Staat als der „Invasion des nicht Systemimmanenten“, das „ein Stück immanenter Dialektik“ sei, das Marx als „ein vom Gang der Geschichte Erzwungenes und dennoch als ein nur durch eine von der Geschlossenheit des Systems qualitativ verschiedene Aktion Herbeizuführendes dachte.“ Der Staat des Kapitals erscheint hier als systemimmanent und zugleich als systemfremd. Falsch aber ist es, so Adorno weiter, auch im Spätkapitalismus, den Staat als vom Kapital losgelöst aufzufassen:

„Wird aber, auf Grund von Interventionismus und längst, weit darüber hinaus, von Großplanung argumentiert, der Spätkapitalismus sei der Anarchie der Warenproduktion entrückt und darum kein Kapitalismus mehr, so ist zu erwidern, daß das gesellschaftliche Schicksal des Einzelnen für diesen so zufällig ist wie nur je. Das Kapitalismusmodell selbst hat nie so rein gegolten, wie die liberale Apologie es unterstellt.“ (S. 367)

Mit Adorno lässt sich also von „Rückbildung des liberalen Kapitalismus“ sprechen, die von der Enthüllung des Systemfremden als „Konstituens des Systems“ begleitet wird, also von der wachsenden Bedeutung des Staates in der Gesellschaftsformation. Aber auch hier betont Adorno erneut die Einschränkung: die wachsende Bedeutung des Systemfremden (des Staates) offenbare sich allenfalls als Tendenz (Die Tendenzhaftigkeit dieser Entwicklung betont er in einem späteren Redebeitrag zur Thematik ausdrücklich. vgl. Soziologische Schriften I, S. 578 ff.).

III. Racket oder Recht?

Max Horkheimer hat sich in seinen Analysen nie sonderlich für die Theorie des Rechts interessiert. Umso interessanter ist, dass er das Racket als „die Grundform der Herrschaft“ bestimmt. Problematisch ist nur, dass mit dieser Bestimmung ein durchaus richtiger Sachverhalt (natürlich gibt es Rackets) zum Angelpunkt der Theorie wird. Hierzu die Kritik von Gerhard Scheit (übrigens aus dem Abschnitt von „Suicide Attack“, der im Hallenser Papier mehrfach heranzitiert wird):

„Die Problematik von Horkheimers Überlegungen – die sich bei Pohrt potenzieren sollte – liegt zunächst darin, alle Formen von Herrschaft gleichermaßen als eine solche Kombination von Selbsthilfegruppe, Erpresserbande und Wohltätigkeitsverein zu fassen – sei's steinzeitliche Stammesgesellschaft oder feudaler Adelsclan, bürgerliche Klasse oder faschistische Partei; sei's die einzelne Familie oder das kapitalistische Monopol. Die historische wie gesellschaftliche Spezifik der verschiedenen Formen geht verloren. Racket erscheint nicht als ihr Begriff, sondern als Passepartout.“ (S. 341)

Wer genau liest, so merkt Scheit an, wird den Racketbegriff bei Horkheimer auch im historischen Kontext lesen und merken, dass er dort relevant wird, wo das Individuum im Verhältnis zum Staat steht, sich selbst im Staat oder gegen den Staat organisiert, als Staatsbüttel oder als Terrorist, um zwei extreme Formen zu nennen. Indes solche Differenzierungen, die gerade das unterschiedliche Verhältnis zum Souverän offenbaren, sind festzuhalten. Dies wäre Bedingung eines kritisch gewendeten Racketbegriffs, wie Scheit ausführt. Wird aber der Staat ebenfalls als Racket unter anderen identifiziert, möglicherweise als das stärkste, dann geht darin verloren, „daß Racket und Gesellschaft nicht einfach identisch sein können“ (S. 345), wie Gerhard Scheit weiter schreibt. Außen vor bleibt hier, dass das Recht im bürgerlichen Staat die Machtverhältnisse zwischen Rackets relativiert, wie auch die zwischen Individuum und Souverän.

Im „Behemoth“, der großen Studie über den Nationalsozialismus, beschreibt Franz Neumann den NS-Staat als „Unstaat“ oder „Bandenstaat“, der sich durch die unmittelbare Konkurrenz zwischen verschiedenen Machtblöcken (Polykratie aus Wehrmacht, Partei, Bürokratie und Wirtschaftsmonopolen) auszeichnet und in dem Gesetzlosigkeit und Anarchie, anstatt von Rechtsverhältnissen herrschen. Konkurriert wird hier wirklich nicht mehr über den Markt, die Vermittlungsformen Wert und Recht sind hier suspendiert. Und auch die souveräne Gewalt des totalen Staates löst sich in der Macht-Konkurrenz der vielen Rackets im NS-„Unstaat“ auf. Hier, im Nationalsozialismus, macht der Racketbegriff für die Charakterisierung von Herrschaft durchaus Sinn. Sobald aber der „Unstaat“ beseitigt wird und Rechts- und Wertform reinstalliert werden, wird es fraglich, ob das Racket weiterhin die bestimmende Form der Herrschaft bleibt.

Gerhard Scheit formuliert die m.E. entscheidende Frage im Bezug auf den Racketbegriff folgendermaßen: „In welchem Verhältnis [stehen] die mit den Rackets identischen Formen der unmittelbaren Aneignung des Reichtums, die Ablösung also des stummen Zwangs der Verhältnisse durch die offene Gewalt, zu den vielfach vermittelten Kategorien der politischen Ökonomie, zu Wert, Tausch und Kapital“? (S. 353)

Eine Theorie wie die Wolfgang Pohrts, die den Übergang vom Wertgesetz zum Gesetz des Stärkeren behauptet, muss solche Schwierigkeiten nicht mehr lösen, da ihr Herrschaft nicht mehr unter der Form der Vermittlung, sondern nur noch als unmittelbarer Zwang bekannt ist, der Wert ist nur noch Beutegut, kein Tauschprodukt.
Die Frage aber, die nur die zwei Optionen (Wertgesetz oder Gesetz des Stärkeren) zulässt, verkennt gerade die Spezifik kapitalistischer Krisenbewältigung. Das formuliert Gerhard Scheit als Kritik an Pohrt in „Die Meister der Krise“. Eine Ablösung des Wertgesetzes zu behaupten, sei eine „undialektische Betrachtungsweise, die das Wertgesetz und das Gesetz des Stärkeren als einander ausschließenden Gegensatz ansieht, wo doch die Krise gerade deren Einheit und wechselseitige Bedingung vor Augen führt.“ (Die Meister der Krise, S. 83).

Das Verhältnis von Krise und Ausnahmezustand, von Wertform und Rechtsform sowie das von vermittelter und unmittelbarer Gewalt hat Gerhard Scheit in „Suicide Attack“ in seiner immanenten wie theoriegeschichtlichen Dynamik darzulegen versucht. Zu wünschen bleibt deshalb, dass die Autoren des Thesenpapiers dieses Buch auch dort ernstnehmen, wo es die originäre Kritische Theorie, v.a. Horkheimer, Pollock und Neumann sowie den an deren Monopol- und Rackettheorie anschließenden Pohrt kritisiert. Ginge aber – wie Horkheimer und Pohrt behaupten – die politische Gewalt vollständig im Begriff des Rackets auf, muss man sich über die Vermittlungsformen von Wert und Recht keine Gedanken mehr machen. Warum man es aber trotzdem tun muss, liegt auf der Hand: Weil es ganz und gar nicht ausgeschlossen ist, dass vermittelte und unmittelbare Formen von Herrschaft nebeneinander existieren können.

Roman

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last modified: 28.3.2007