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Termin: 10.12.2020

Café



Donnerstag, 10.12.2020, Einlass: 18:00 Uhr, Beginn: 18:00 Uhr

Online-Vortrag: Freiheit und Verantwortung I: Antisemitismus als Leidenschaft?

"Der Antisemitismus ist 'etwas ganz anderes als eine Denkweise. Er ist vor allem eine Leidenschaft' (Sartre 1946: 10) - so Jean-Paul Sartres viel zitierte aber selten systematisch diskutierte Feststellung in den Überlegungen zur Judenfrage. Die 'Leidenschaft' Antisemtismus wird von Sartre als Teil einer allgemeinen, selbstgewählten Haltung oder Mentalität gedeutet: Sie ist 'eine umfassende Haltung, die man nicht nur den Juden, sondern der Menschen im allgemeinen, der Geschichte und der Gesellschaft gegenüber einnimmt' (ebd.: 14). Diese Haltung des Antisemiten aber ist - so Sartre - Ausdruck einer 'Angst vor der Freiheit': In ihr wird der Mangel an Identität, der Verlust der dinghaften Unmittelbarkeit durch das menschliche Bewusstsein und die Willensfreiheit geleugnet. (...) Die antisemitische Leidenschaft erklärt sich als paranoid-schizoide Feindschaft sowohl gegen das Erleben eines Mangels, als auch des Begehrens einerseits, als Wunsch nach der differenzlosen Großartigkeit der 'Volksgemeinschaft' und dem identitären Dasein als 'ein unbarmherziger Felsen, ein rasender Sturzbach, ein vernicktender Blick', als 'Volkszelle' andererseits. Sie richtet sich nicht nur gegen das Abstrakte, sondern (...) gegen die Ambivalenz der différance jenseits ihrer Polarisierung in Abstraktes und Konkretes, Ordnung und Chaos, Aufklärung und ihr Gegenteil." (aus: Denkweise und Leidenschaft. Diskursanalyse, Ideologiekritik und psychoanalytische Sozialpsycholigie in der Antisemitismusforschung, Sebastian Winter 2013)
Sartre unterscheidet zwischen einem direkten, reflexiven Bewusstsein und einem präreflexiven, vorgeschaltetem Bewusstsein - das aber eine nicht weniger freie und aktive Wahl trifft. Die Wahl der Leidenschaft des Antisemitismus fußt zunächst auf Verdrängung der eigenen Freiheit, doch auch die Verdrängung fasst Sartre als eine aktive und verantwortungsvolle Wahl auf.
Im Vortrag betrachtet Dr. Sebastian Winter die Genese des "Mäntelchens" der falschen Reflexion, die sich im Antisemitismus ausdrückt. Inwiefern taugt der existenzialistische Ansatz Sartres zur Erklärung von Antisemitismus?
Dr. Sebastian Winter ist Mitherausgeber der Zeitschrift "Freie Assoziation" und Teil der Arbeitsgemeinschaft Politische Psychologie der Hochschulen in Hannover.
Livestream via YouTube: https://youtube.com/channel/UCiN2sKQ_UhVGD3rUAsFPJPQ
Die zweite Veranstaltung der Reihe findet man hier: https://fb.me/e/3hTM6Yy0A

Die Veranstaltung wird im Rahmen des Programmes "Leipzig - Ort der Vielfalt" gefördert. Diese Maßnahme wird mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des von den Abgeordneten des sächsischen Landtags beschlossenen Haushaltes.

08.12.2020
Conne Island, Koburger Str. 3, 04277 Leipzig
Tel.: 0341-3013028, Fax: 0341-3026503
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